Happy X-Mas
>> Was ist der Grund für Euer Kommen? <<, fragte einer der Wächter an der Grenze.
>> Ich bin hier wegen einer Frau die ein weißblaues und ein rotes Auge hat. <<, antwortete der hellblonde junge Mann.
>> Und warum wollt Ihr sie sehen? <<, fragte der gleiche Wächter und beäugte ihn ein wenig skeptisch.
>> Weil sie mir gesagt hat, dass ich kommen soll. <<
>> Lasst ihn passieren. <<, rief plötzlich jemand von hinten. Alle drehten sich um und machten ihm Platz als sie erkannten wer er war.
Er hatte schwarzes Haar und eine bräunliche Hautfarbe. Seine Augen blickten ernst drein und alle wichen ihm aus.
>> Sie hat nach ihm verlangt, also lasst ihn passieren. <<, befahl er dem Wächter dem er nun gegenüber stand.
>> Aber Dzares, wir wissen nicht wer er ist und an seine Gedanken kommen wir nicht heran. <<
Überrascht sah der junge Mann mit den hellblonden Haaren auf. Er hatte gar nicht bemerkt, dass die Wächter versucht hatten in seine Gedanken einzudringen.
>>Weil sie es so wollte. <<, erklärte der schwarzhaarige, der anscheinend Dzares zu heißen schien.
>> Nun, dann überlasse ich ihn Euch. <<, erwiderte der Wächter und schien sogar ein wenig erleichtert zu sein. Dzares nickte bloß und gab dem hellblonden Mann ein Zeichen ihm zu folgen.
Dieser war zwar nicht jemand der einem blind folgte, aber in diesem Moment schien es ihm das Beste.
Also tat er wie geheißen und folgte dem Schwarzhaarigen, während er sich umsah. Als sie weiter von den anderen entfernt waren, konnte er regelrecht ihre Blicke in seinem Nacken spüren.
Er versuchte sie zu ignorieren und erhöhte sein Tempo, sodass er neben Dzares herlief.
Dieser warf ihm einen kurzen strengen Blick zu und sah dann wieder nach vorne.
Sie schwiegen eine ganze Weile, bis der Blonde es nicht mehr aushielt und die Stille unterbrach. >> Müssen wir noch weit laufen? <<, fragte er schließlich.
>> Es kommt darauf an was Ihr unter weit versteht. <<, antwortete Dzares.
>> Die Strecke die wir gelaufen sind schien mir weit zu sein. <<
>> Dann nein. <<, erwiderte Dzares knapp.
Komischer Kerl, dachte sich der andere und blickte ernst drein. Wo war er hier bloß gelandet?
Nach einer Weile sah er ein riesiges Tor vor seinen Augen auftauchen und blieb deshalb stehen.
Fasziniert von dem Anblick starrte er auf die Festung die vor ihm empor ragte und öffnete seinen Mund um etwas zu sagen, doch bekam nichts heraus.
>> Kommt. <<, hörte er Dzares sagen. >> Wir haben keine Zeit um stehen zu bleiben. <<
Überwältigt von dem Anblick sagte der hellblonde Mann nichts und lief Dzares einfach hinter her.
Als sie sich dem Tor näherten, öffnete es sich und man gewährte ihnen Einlass.
>> Kenrai Dzares pio eyn! <<, rief jemand laut und die Wächter ließen die beiden ohne Kontrolle durch. Dzares nickte allen ernst zu und lief schnurstracks auf das riesige weiße Schloss zu, das unter der Sonne wie kleine Diamanten zu schimmern schien.
Als sie das Schloss betraten, bemerkte der junge Mann mit den hellblonden Haaren, dass der Boden makellos war und ihn wie Glas widerspiegelte. Er versuchte alles um sich herum zu betrachten, doch so schnell wie Dzares lief, gelang es ihm leider nicht. Als Dzares die Treppen hochstieg, erschrak der andere als er sah, dass die Treppen aus hellblauen riesigen Blättern bestanden die sich unter seinem Gewicht bewegten.
>> Ihr werdet nicht fallen. <<, informierte ihn Dzares trocken und stieg die Treppen weiter hoch. Das Geländer bestand aus türkisenem Wasser das merkwürdigerweise nicht zerfiel als er es berührte.
Wie ist das möglich? , fragte er sich während er Dzares folgte.
Als sie oben ankamen blieb Dzares vor einer großen weinroten Tür stehen und verneigte sich.
>> Vil hia oe tzas enreiid sinkrafe. <<, sagte er und wartete geduldig bis sich die Tür öffnete.
>> Vil ta dil tzas. <<, hörten die beiden plötzlich eine sanfte Stimme hinter sich ertönen. Beide drehten sich abrupt um und blickten in Xas Gesicht.
>> Ihr dürft nun gehen Dzares. <<, sagte sie lächelnd, woraufhin dieser bloß nickte und die Treppen hinunter stieg.
Als der junge Mann etwas sagen wollte, legte Xa ihren Zeigefinger auf ihre Lippen und lächelte ihn an. Er blieb still und wartete mit ihr.
>> Nun ist er weg. <<, informierte sie ihn und kam auf ihn zu. >> Ihr seid gekommen. <<, sprach sie das Offensichtliche aus.
>> Das bin ich. <<, antwortete er ernst.
>> Nun, möchtet ihr Euch mir vorstellen? <<, fragte sie dann, obwohl sie schon seit ihrer ersten Begegnung wusste wer er war, wie er hieß.
>> Ich heiße Felyon. <<, antwortete er. >> Felyon Frangwar. <<
Xa lächelte ihn an, sodass ihre Augen strahlten. >> Seid Willkommen Felyon Frangwar. Ihr seid hier sicher aufgehoben. <<
Er sah sie fragend an. Wovor sicher aufgehoben? , dachte er sich.
>> Vor Euren Feinden. <<, antwortete sie seinen Gedanken.
Überrascht sah Felyon sie an. >> Wie habt Ihr das gemacht? <<, fragte er sie.
Sie lächelte ihn nur schweigend an und machte ihm ein Zeichen ihr zu folgen.
>> Sind all Eure Männer an jenem Tag gesund aufgewacht? <<, fragte sie dann.
>> Das sind sie. <<, versicherte er ihr. >> Mein Soldat dessen Hand ihr abgeschnitten hattet, ist mit seiner Hand aufgewacht. <<
>> Ich hoffe Ihr meint damit, dass seine Hand ihm wieder angewachsen ist. <<
>> Ja, genau das meine ich. <<, sagte Felyon etwas beschämt. Xa war sehr einschüchternd, auch wenn sie es nicht beabsichtigte.
>> Dann ist ja alles so verlaufen wie ich es mir gewünscht hatte. <<
>> Wie habt Ihr das aber gemacht? <<, hakte Felyon nach. >> Das ist doch unmöglich. <<
>> Nichts ist unmöglich. <<, widersprach sie ihm. >> Ihr habt mit eigenen Augen gesehen, dass Euer Soldat seine Hand wieder hatte. <<
Nun ja, das stimmte. Wie sollte er ihr widersprechen?
>> Verratet Ihr mir wenigstens warum Ihr wolltet, dass ich her komme? <<
>> Nicht ich, sondern Ihr wolltet es. <<, erwiderte Xa.
>> Ihr habt mich gebeten hier her zu kommen. <<, erinnerte er sie.
>> Weil Eure Seele nach Frieden und Wissen dürstete. <<, erklärte Xa und sah Felyon dabei direkt in die Augen.
>> Woher wusstet Ihr das? <<, flüsterte er fasziniert. Fasziniert von Xa.
Sie legte ihre Hand auf sein Herz und lächelte ihn an. >> Weil Euer Herz zu mir spricht. <<
Er wusste zwar nicht was genau sie damit meinte, aber in dem Moment als er ihre Hand auf seiner Brust spürte erfüllte ihn Frieden. Ein unbekanntes Gefühl breitete sich in ihm aus. Er spürte wie dieses Gefühl sich durch seinen ganzen Körper zog und sein Herz zum Rasen brachte. Ein Zittern ging durch seinen Körper.
>> Ihr seid etwas Einzigartiges. <<, flüsterte er mit sanfter Stimme und betrachtete Xas wunderschönes Gesicht. Erst da bemerkte Felyon, dass ihre beiden Augen rot glühten.
>> Warum sind Eure Augen rot? <<, fragte er. >> Ihr hattet doch ein weißblaues. <<
>> Das werdet Ihr mit der Zeit erfahren. <<, erwiderte sie und zog ihre Hand wieder zurück.
>> Ich werde Euch nun Euer Zimmer zeigen. <<, verkündete Xa und wandte sich zum Gehen. >> Ihr seid bestimmt müde. <<
Felyon erwiderte nichts sondern betrachtete ihre pechschwarzen Haare, die zu einem langen Zopf zusammengebunden waren und ihr über den Rücken fielen.
Sie hatte ein langes dunkelgrünes Gewand an, das bei jedem Schritt über den Boden streifte. Goldene Fäden durchzogen es und schienen bei jeder ihrer Bewegungen zu glühen.
Sie ist wirklich faszinierend, dachte sich Felyon und hoffte sie würde seine Gedanken nicht hören.
>> Wie heißt Ihr eigentlich? <<, fragte Felyon sie und lief neben ihr her.
>> Ich heiße Xa. <<, antwortete sie ihm und sah weiterhin geradeaus.
>> Habt Ihr keinen Nachnamen? <<, hakte er nach.
>> Den habe ich schon vor Jahren abgelegt. <<
Verwundert sah Felyon sie an, aber sagte nichts. Wie kann ich nur mehr über sie erfahren? , fragte er sich und überlegte. Naja, ich bin neu hier. Wer kann es mir also verübeln wenn ich nach Informationen strebe?
>> Ich hoffe Ihr habt Euch den Weg gemerkt, denn das ist Euer Zimmer. <<, verkündete Xa lächelnd und blieb vor einer großen abgerundeten Tür stehen. Sie war schwarz und Muster verzierten diese.
Felyon war irritiert. War die Tür aus Holz oder aus Mamor? Sie schien eine Mischung aus beiden zu sein.
>> Danke für Eure Großzügigkeit. <<, bedankte er sich und sah sie dann an. Felyon wartete, denn er hatte gedacht Xa würde die Tür öffnen und ihm alles zeigen.
>> Für mich ist es selbstverständlich meine Gäste zu bedienen und dafür zu sorgen, dass es ihnen gut geht. <<, erwiderte sie lächelnd. >> Nun Ihr dürft eintreten. Ich hoffe es gefällt Euch. <<
Mit diesen Worten drehte sie sich um und ging fort. Felyon konnte ihr natürlich nicht hinterher rufen und sie darum bitten da zu bleiben.
Nach ein paar stillen Sekunden öffnete er schließlich die Tür und betrat das Zimmer.
Es war groß und hell, ganz anders als in seiner Heimat. Er schloss die Tür hinter sich zu und betrachtete sein neues Zimmer.
In der Mitte des Zimmers stand ein großes Bett, das sehr gemütlich wirkte. Der Boden bestand aus einem Gestein den er nicht kannte. Das Zimmer führte zu einem weiteren, zu dem man durch eine Tür im Schlafzimmer gelangte. Wie Felyon feststellte war es das Badezimmer.
Eine Wanne stand in der Mitte des Raumes. Eimer und Waschlappen standen ordentlich aufeinander gestapelt daneben. Seife und andere Bademittel befanden sich in einem kleinen hölzernen Schrank, der an der Wand hing. Gegenüber der Badewanne befand sich ein Fenster, wodurch man einen schönen Ausblick hatte. Felyon stellte sogar fest, dass ein hölzerner Korb sich neben dem kleinen Schrank befand, der wahrscheinlich für seine schmutzigen Wäsche gedacht war. Die Toilette befand sich in einem anderen kleineren Raum, zusammen mit einem cremefarbenen Waschbecken.
Neugierig ging er wieder in sein neues Schlafzimmer zurück und sah es sich genauer an. Rechts von dem Bett befand sich ein riesiges Fenster, das einen herrlichen Ausblick auf die ganze Stadt zuließ. Felyon sah wie die Leute hin und her liefen und ihre Arbeit verrichteten. Ihnen schien es wirklich gut zu gehen. Im Gegensatz zu seinem eigenen Volk.
Lächelnd erblickte er einen großen Schrank der links vom Bett stand. Etwas verwundert öffnete er die Türen. Ein Haufen Kleidung befand sich darin. Sie waren ordentlich aufgehängt worden oder aufeinander gestapelt. Felyon nahm ein Oberteil heraus und strich mit den Fingern darüber. Der Tappert war sehr weich, wahrscheinlich aus Seide. Das würde sich bestimmt gut auf der Haut anfühlen.
Felyon hängte den Tappert wieder zurück an seinen Platz und beschloss erst mal ein Bad zu nehmen. Danach konnte er sich noch genug an Xas Großzügigkeit erfreuen.
Nachdem Felyon sich gereinigt und gesäubert hatte, zog er eines der neuen Gewänder an und sah sich im Spiegel an. Der ganze Dreck auf seinem Gesicht und an seinen Händen war verschwunden, sodass er nicht mehr wirkte als würde er direkt aus einer Schlacht kommen. Naja, so falsch war das eigentlich gar nicht.
Seine Vermutung, dass sich dieser Stoff gut auf der Haut anfühlte bestätigte sich, denn er fühlte sich sehr wohl darin und es kratzte nicht einmal.
Felyon kämmte sich mit der Hand durch die Haare und ließ es bleiben als er seine Haare für ordentlich genug hielt.
Dann schlüpfte er in seine neuen Lederschuhe und band sie zu. Er hatte sie neu entdeckt als er sich ein Gewand heraus suchen wollte. Seine alten konnte er gar nicht mehr tragen, da sie völlig zerrissen und durchlöchert waren.
Felyon stellte sich wieder vor den Spiegel und betrachtete sich. Er grinste sich selbst an, wobei seine hellblauen Augen zu strahlen schienen. Nach so langer Zeit fühlte er sich wieder wohl in seiner eigenen Haut.
Obwohl es draußen schon etwas dunkel war, beschloss er in die Stadt zu gehen und sich etwas umzusehen.
Als er den Flur betrat kam es ihm so vor als wäre niemand da, doch paradoxerweise fühlte er sich gleichzeitig beobachtet. Vorsichtig sah Felyon sich um und versuchte sich in Erinnerung zu rufen wo lang es ging. Es war zwar nur ein Flur, aber er zweigte später in vier andere Korridore ab.
Was soll' s, dachte er sich und nahm irgendeinen Weg.
Als er nach einer ganzen Weile keinen Ausweg mehr fand, beschloss er einfach aus dem Fenster zu springen. Sterben würde er dadurch sowieso nicht.
Gerade als er ein Bein über das Geländer warf, ertönte plötzlich Xas Stimme hinter ihm.
>> Habe ich Euch nicht gesagt Ihr sollt Euch den Weg merken? <<, fragte sie ihn belustigt. Sie schien nicht wütend zu sein.
Schnell zog Felyon sein Bein zurück und stellte sich gerade vor sie hin.
>> Es tut mir leid, ich habe mich verirrt weil... <<, versuchte er zu erklären. Wie sollte er ihr erklären, dass er so von ihrer Schönheit abgelenkt gewesen war, dass er sich den Weg nicht hatte merken können?
>> Es ist nicht schlimm. <<, unterbrach ihn Xa. >> Das passiert jedem der hier neu ist. Ihr müsst Euch nur an den verschiedenen Farben orientieren. Sind Euch diese Linien an der Wand denn nicht aufgefallen? <<, fragte sie und zeigte dabei auf farbige Linien die in die Wand eingraviert waren.
>> Nein... <<, gab er verwundert zu.
>> Wie sollen diese Linien mir weiterhelfen? <<, fragte er dann und sah sie sich an.
>> Ihr müsst euch merken welche Farbe zu Eurem Korridor führt und dem müsst Ihr dann von Anfang an folgen. <<, erklärte sie ihm lächelnd.
>> Danke... für all das. <<, sagte Felyon und machte eine Geste die alles um ihn herum beschreiben sollte. >> In meiner Heimat hätte ich mir so etwas nicht einmal erträumen können. <<
>> Ich weiß. <<, sagte Xa. >> Hier war es auch nicht immer so. <<
>> Wie meint Ihr das? <<, fragte Felyon nach.
>> Als ich die Ilffryaes hier vorfand, hatten sie nichts in der Hand und waren ihren Kräften nicht bewusst. Genau wie es eurem Volk jetzt auch ergeht. Sie waren am Ende und wussten nicht was zu tun war, weshalb sie immer wieder Kriege gegen die Frangwrrs führten um wenigstens etwas zu besitzen. Doch es half ihnen nicht. <<, erzählte Xa und Felyon hörte ihr gebannt zu. >> Die Frangwrrs waren stärker und mächtiger zu der Zeit, da sie all ihre Gelehrten versteckt hielten, aber die der Ilfrryaes umgebracht hatten. Das war das Ausschlaggebende für den Krieg gegen die Frangwrrs. Aber da sie keine Gelehrten mehr unter sich hatten, war niemand mehr da der ihnen helfen konnte ihre Gegner sowohl mental als auch physisch auszuschalten, weshalb die Ilfrryaes immer wieder verloren bis sie nichts mehr hatten. <<
Xa schwieg daraufhin eine Weile und sah nachdenklich aus dem Fenster. Sie betrachtete die Ilfrryaes die so viel gelitten hatten, doch jetzt ging es ihnen besser. Hoffentlich würde es lange anhalten.
>> Woher wisst Ihr das alles? <<, fragte Felyon sie schließlich und sah sie bewundernd an.
Es schien so als hätte er ihre Gedanken unterbrochen. Sie wandte sich ihm lächelnd zu. Ihre Augen schienen zu glühen.
>> Sagen wir es mal so. <<, begann sie. >>Mein Alter spiegelt sich nicht in meinem Äußeren wider. <<
Felyon hatte sich schon gedacht, dass sie wahrscheinlich ein paar Jahre älter war als er. Aber der Anfang des Krieges zwischen den Ilfrryaes und den Frangwrrs war schon drei Jahrhunderte her. So alt konnte sie nun wirklich nicht sein!
Er öffnete seinen Mund um etwas zu sagen, doch Xa unterbrach ihn.
>> Kommt mit. <<, forderte sie ihn lächelnd auf. >> Ich führe Euch in die Stadt. <<
Felyon folgte ihr schweigend und versuchte sich diesmal den Weg besser zu merken. Nochmals erschrak er sich als er die Treppen aus Blättern betrat und sie herunterstieg.
>> Ich fühle, dass Ihr Angst habt auf diesen Stufen. <<, verriet Xa ihm plötzlich. Es überraschte ihn nicht, dass sie auch das über ihn wusste.
>> Aber Ihr braucht Euch nicht zu fürchten, denn diese Blätter sind fester als jedes Eisen das Ihr kennt und glaubt mir, Ihr werdet niemals von diesen Treppen herunterfallen oder stolpern. Denn sie werden Euch auffangen. <<, erklärte sie.
Feylon fragte sich zwar wie das möglich sein konnte, aber er glaubte ihr. Denn auch auf dem Schlachtfeld hatte sie ihr Wort gehalten.
>> Ich habe noch nie solch einen faszinierenden Palast gesehen. <<, gab Felyon plötzlich zu und betrachtete Xa von der Seite.
>> Danke. <<, erwiderte sie. >> Jedoch ist es eher ein Schloss als ein Palast. Hierin findet jeder Zuflucht der Hilfe braucht. Es ist nicht nur für Reiche oder Könige gebaut. <<
>> Für wen ist es dann? <<, fragte Felyon nach.
>> Für das Volk. <<, antwortete Xa ihm und sah ihm dann in die Augen. >> Wer darin leben möchte, darf es. Aber wer sich sein eigenes Zuhause bauen möchte wird nicht aufgehalten dies zu verwirklichen. <<, erklärte sie.
>> Heißt das also, jeder darf in Eurem Schloss wohnen? <<
>> Wie gesagt, es ist das Schloss des Volkes. <<, erwiderte sie mit einer sanften Stimme. Sie öffnete das Tor das nach draußen führte und zeigte mit der Hand auf den Ausblick vor ihnen.
>> Jeder verdient Gerechtigkeit und Frieden. <<, sagte sie. >> Deshalb gibt es hier niemanden der sich durch Reichtum abheben könnte. <<
>> Aber durch Ämter. <<, wandte Felyon ein. Xa sah ihn schweigend an und fixierte sein Gesicht. Felyon befürchtete schon etwas Falsches gesagt zu haben als Xa jedoch lächelte.
>> Wisst Ihr Felyon, seinen Beruf vertrauenswürdig auszuführen und sich als etwas Besseres zu betrachten sind zwei verschiedene Dinge. <<, erwiderte sie mit sanfter Stimme.
>> Ihr müsst genau überlegen bevor Ihr etwas sagt, sonst könntet Ihr Euch in Schwierigkeiten bringen. <<, warnte Xa ihn. >> Wenn ein Wächter oder ein Bote seinen Beruf ausführt und jemanden, der ihm während der Arbeit unterstellt ist, zurechtweist, ist es etwas völlig anderes als jemanden grundlos anzubrüllen oder zu demütigen nur weil man Reichtum besitzt. <<, erklärte sie ihm geduldig. >> Ihr müsst noch viel lernen, Felyon. Mischt Euch unter das Volk und seht was meine Worte Euch nicht zu zeigen vermögen. <<
Mit diesen Worten wandte sie sich zum Gehen und ließ Felyon auf den Treppen stehen. Er wusste nicht was er sagen sollte und starrte ihr ein paar Sekunden lang hinterher, bevor er sich traute die Treppen herunter zu steigen und in die Stadt zu laufen.
Die Leute um ihn herum sahen freundlich aus und bemerkten wahrscheinlich, dass er neu hier war. Sie machten keine Anstalten ihn umzubringen oder ihm zu drohen. Verwundert über die Gelassenheit, versuchte er sich ebenfalls zu entspannen und sah sich um.
Als er durch die Straßen lief, fiel ihm ein bekanntes Gesicht auf und sah deshalb genauer hin.
Dem Anschein nach war es Dzares. Dieser lachte fröhlich und unterhielt sich mit dem Mann der Felyon an der Grenze nicht hatte durchlassen wollen.
Das also hat Xa gemeint, ging es Felyon durch den Kopf. Es gibt unter dem Volk also niemanden der sich durch seinen Rang abhebt. Sie müssen sich wie es aussieht nur während der Arbeit dementsprechend verhalten, fasste er logisch zusammen.
Felyon hatte vergessen, dass er immer noch in Dzares' Richtung starrte, weshalb sich ihre Blicke trafen als Felyon von seinen Gedanken abschweifte.
Er sah wie Dzares auf ihn zukam und ihn ernst anblickte. Hatte Dzares etwas gegen ihn?
Und wenn schon, dachte Felyon sich. Ich habe meinen eigenen Stolz und meine Würde, ich lasse mich von niemandem unterkriegen.
Dzares war ein wenig größer als Felyon, wie er bemerkte, und seine Muskeln stachen mehr heraus als die seinen. Mit seinen roten ernsten Augen machte er einen gefährlichen Eindruck, weshalb Felyon sofort eine distanzierte Haltung einnahm.
>> Schön dass Ihr hierher gefunden habt. <<, begrüßte Dzares ihn.
Felyon nickte bloß und sah ihm direkt in die Augen.
>> Mir wurde befohlen Euch zu helfen, wenn Ihr etwas benötigt um dem Volk näher zu kommen. <<
Felyon runzelte die Stirn. War Dzares etwa deswegen so ernst gegenüber ihm? Weil es hier um etwas Geschäftliches ging?
>> Danke. Aber ich denke ich komme auch alleine zurecht. <<, meinte Felyon.
>> Wie Ihr wünscht. <<, entgegnete Dzares mit einem strengen Blick.
>> Wenn Ihr trotzdem etwas brauchen solltet, fragt nach mir. Hier wird euch jeder sagen können wo ich bin. << Danach wandte er sich von Felyon ab und ging zurück zu seinen Kumpanen. Sofort erhellte sich sein Gesicht und er fing wieder an zu lachen.
Warum bloß ist dieser Kerl so ernst zu mir? , fragte sich Felyon und löste dann seinen Blick von ihm. Er würde seine Hilfe ganz sicher nicht benötigen!
***
>> Wie viel das kostet habe ich gefragt! <<, schrie Felyon den Verkäufer zum tausendsten Mal an und hielt ihm die Lederhandschuhe hin.
>> Ich habe doch gesagt, nichts! <<, schrie der Verkäufer wütend zurück.
>> Es kann nicht sein, dass Ihr die hier für nichts verkauft! Das wäre ja sonst ein Geschenk! <<, schrie Felyon aufgebracht, weil der Verkäufer ihn nicht zu verstehen schien.
>> Was ist hier los? <<, hörte Felyon plötzlich eine bekannte Stimme hinter sich.
Er drehte sich um und blickte in Dzares' ernstes Gesicht.
>> Ich versuche diese Handschuhe hier zu kaufen, aber der Mann versteht es nicht, er versucht es mir zu schenken, doch ich nehme keine Geschenke an! <<, erklärte Felyon wütend und gestikulierte dabei mit den Händen.
>> Bitte Kenrai Dzares, erklärt diesem Mann was ich meine, denn ich habe keine Geduld mehr mit ihm. <<, sagte der Mann und verschwand hinter dem Vorhang der an seinem Stand befestigt war.
Wütend schnaufte Felyon und schmiss die Handschuhe wieder auf den Tisch.
>> Nun, wenn Ihr eine Erklärung für das Verhalten dieses Mannes wollt, dann stehe ich zur Verfügung um es Euch zu erklären. <<, sagte Dzares und...tatsächlich! Er schmunzelte dabei. Es war das erste Mal, dass Felyon ihn ohne einen strengen Blick und einem ernsten Gesichtsausdruck sah.
Etwas irritiert blickte ihn Felyon an und reckte dann sein Kinn in die Höhe.
>> Na dann, erklärt. <<, forderte er Dzares auf.
>> Nun, unser Volk ist nicht vergleichbar mit dem Euren Felyon. <<, begann er, aber Felyon fragte sich nur woher er seinen Namen kannte.
>> Denn bei uns geht es nicht um Reichtum oder um das Materielle, sondern um die Seele und um die Gedanken. <<, erklärte er. Aber Felyon verstand nicht was das mit der Sache hier zu tun hatte.
>> Deshalb verkaufen wir in dem Sinne nichts, sondern geben es einfach denen die es benötigen. <<
>> Wie meint Ihr das? <<, fragte Felyon verwirrt und runzelte dabei die Stirn.
>> Nun ja, falls Euch aufgefallen sein sollte trägt niemand hier einen Geldbeutel mit sich herum. Das liegt daran, dass wir keine Münzen brauchen um etwas zu kaufen, denn unser Volk ist selbstlos und großzügig, sodass wir Dinge herstellen um sie den Leuten zu geben, die es brauchen oder wollen. Im Gegenzug dafür verlangen wir nichts. <<, erklärte er lächelnd.
Ungläubig starrte Felyon ihn an.
>> Das heißt also ihr verschenkt diese ganzen Sachen einfach? <<
>> So kann man es auch ausdrücken. <<, erwiderte Dzares und grinste dabei leicht. >> Das ist der Grund dafür warum hier niemand unter Armut oder Hunger leidet. Wir alle sind hilfsbereit und erwarten nichts von den anderen. Man sollte auch etwas tun können ohne etwas dafür zu verlangen. <<
>> Aber wie stellt ihr dann diese Sachen her? <<, fragte Felyon ungläubig. >> Wer finanziert euch? <<
>> Niemand. <<, antwortete Dzares.
>> Jeder geht der Beschäftigung nach die ihm gefällt und teilt seine Freude dann mit den anderen. <<
Felyon konnte es immer noch nicht fassen. So etwas Tolles konnte es doch nicht geben! Träumte er etwa?
>> Und was ist mit den Soldaten? Was ist ihre Motivation wenn sie dafür nicht bezahlt werden? <<, hakte er nach.
>> Soldaten werden die, die es wirklich wollen. Sie werden einer harten Prüfung unterzogen und werden von Xa persönlich trainiert. Man kann natürlich auch vieles von ihr lernen, ohne dass man dafür ein Soldat wird, aber viele tun es weil sie Xa als Person lieben und bewundern. Sie schrecken davor nicht zurück ihr Leben für so jemanden aufs Spiel zu setzen. Und ehrlich gesagt tue ich das auch nicht. <<, erklärte Dzares.
Das kann ich nachvollziehen, dachte sich Felyon. Ich denke niemand würde davor zurückschrecken, wenn man wüsste, dass es jemanden gibt der gut auf die Zurückbleibenden aufpasst und für sie sorgt.
>> Das heißt also alles was diese Leute hier tun ist freiwillig? <<, fragte er sicherheitshalber nach.
Dzares nickte ernst. >> Wenn Ihr weitere Fragen habt, kann ich sie Euch gerne beantworten. Denn für die nächste Zeit ist es meine Aufgabe Euch über alles zu informieren. <<, sagte Dzares.
>> Danke. <<, erwiderte Felyon freundlich und lächelte ihn leicht an.
>> Die kann ich ja dann wohl mitnehmen. <<, sagte er dann und nahm die Lederhandschuhe in die Hand.
Dzares lachte kurz auf und rief dann den „Verkäufer" zu sich. Der Mann sah Felyon genervt an, aber seien Miene erhellte sich sofort als er mit Dzares sprach.
>> Dieser junge Mann hier ist neu Tendar. <<, erklärte Dzares.
>> Deshalb wusste er nicht was du meintest als du sagtest, dass diese Handschuhe nichts kosten. <<
Der Mann namens Tendar lachte kurz auf und sah dann Felyon an. >> Und ich dachte schon der Kerl hier nimmt mich auf den Arm! <<, rief er fröhlich und klopfte Felyon auf die Schulter.
>> Seid willkommen. Ich bin mir sicher Euch wird es hier sehr gefallen! <<, redete er lautstark weiter und grinste ihn an.
Felyon grinste zurück und strich sich dann paar Haarsträhnen aus dem Gesicht.
Es gefällt mir hier jetzt schon, ging es ihm durch den Kopf.
>> Lasst uns weitergehen. <<, schlug Dzares vor und verabschiedete sich dann von Tendar.
>> Wollt Ihr noch weitere Orte erkunden oder wieder zurück zum Schloss gehen? <<, fragte ihn Dzares als sie nebeneinander herliefen.
Er scheint mir gar nicht mal so ein übler Kerl zu sein, dachte sich Felyon und grinste in sich hinein.
>> Ich würde noch gerne draußen bleiben, doch wenn Ihr müde seid, dann könnt Ihr ruhig wieder ins Schloss zurückkehren. Ihr braucht Euch nicht um mich zu sorgen. <<, antwortete er.
>> Ich bleibe mit Euch. <<, erwiderte Dzares bloß und sah weiterhin geradeaus. >> Haltet Euch nicht zurück, wenn Ihr weitere Fragen habt. <<, meinte er dann.
>> Danke. <<, entgegnete Felyon höflich. >> Mich beschäftigt am meisten eine Frage. <<, gab er dann zu.
>> Und die wäre? <<
>> Wer ist Xa? <<, fragte Felyon und sah Dzares dabei ernst in die Augen.
Sofort schlug ich meine Augen auf als ich spürte, dass jemand vor meiner Tür stand. Es war so als könnte ich die Luft, die aufwirbelte als mein Vater seine Hand hob und gegen meine Tür klopfte, hören. Ich wusste, dass ich wach war. Aber ich fühlte mich wacher als wach. Ich hatte mich noch nie so lebendig gefühlt.
Mir kam es so vor als könnte ich nie wieder müde werden, sodass ich nie wieder schlafen müsste. Oder vielleicht auch nur weniger.
Als ich meine Decke zurückwarf und mich eigentlich nur aufrichten wollte, bemerkte ich dass ich schon neben dem Bett stand und die Tür anstarrte.
Hatte ich etwa ungewollt meine unnatürliche Schnelligkeit eingesetzt? Ich wusste es nicht und irgendwie war es mir auch egal. Einerseits fühlte ich mich sehr lebendig, doch andererseits schien ich mir selbst wie ein monotoner Roboter.
>> Kim? Wenn du willst komm runter, es gibt Geschenke! <<, hörte ich meinen Vater fröhlich rufen und dabei gegen meine Tür klopfen.
>> Ich komme. <<, erwiderte ich laut genug, sodass er es hören konnte und erschrak darüber wie seltsam meine Stimme gerade klang. So sanft und doch so selbstbewusst...fast schon autoritär.
>> O-Okay... <<, hörte ich meinen Vater stammeln. Hatte er etwa auch erkannt, dass das nicht ganz meine eigene Stimme war?
Ich hörte wieder den Luftzug, den er beim Heruntersteigen der Treppen verursachte und wunderte mich warum ich das überhaupt wahrnahm. Hatten sich meine Sinne etwa noch weiter geschärft?
Mir fiel auf, dass sich mein Gesicht so komisch anfühlte. So als hätte ich gar keinen Ausdruck darin. Um sicherzugehen stellte ich mich vor den Spiegel und blickte meinem Spiegelbild entgegen.
Und tatsächlich. Ich starrte mich völlig ausdruckslos an. Mit nichtssagenden Augen. Aber warum?
Gefühlslos fühlte ich mich momentan ganz und gar nicht.
Ich versuchte meinen Mundwinkel zu heben, doch ich spürte ihn überhaupt nicht.
Was zur Hölle? , dachte ich mir und ging näher an mein Spiegelbild heran. Mit meinen Fingern betastete ich mein Gesicht und spürte dabei rein gar nichts. Wenigstens konnte ich noch blinzeln.
Ich war selbst darüber überrascht als mich keine Panik erfasste. Stattdessen blieb ich ganz ruhig und betrachtete mich weiterhin. Nach einigen Minuten entschied ich mich dazu mich endlich umzuziehen und herunterzugehen.
Was würde mein Vater wohl zu meinem ausdruckslosen Gesicht sagen? Caroline und ihre Mutter würden ganz bestimmt heimlich anfangen zu tuscheln, doch statt mich darüber aufzuregen, spürte ich rein gar nichts ihnen gegenüber und wunderte mich selbst. Das war nicht typisch für mich. Irgendetwas passierte gerade mit mir, aber ich wusste nur nicht was.
Als ich fertig war und herunter ging, sah ich wie Rebecca und ihre Tochter mit ihren Geschenken beschäftigt waren. Mein Dad stand etwas abseits und beobachtete sie. Ich konnte nicht erraten was er wohl gerade dachte. War er vielleicht gekränkt, weil ich nicht schon eher herunter gekommen war?
Ich wollte niemanden lauthals begrüßen, da ich mir nicht sicher war ob ich wieder mit dieser seltsamen oder meiner normalen Stimme reden würde.
Obwohl ich sehr leise war, bemerkte mich mein Vater und drehte sich lächelnd zu mir um.
>> Guten Morgen. <<, begrüßte er mich laut, sodass Caroline und ihre Mutter sich mir zuwandten.
>> Guten Morgen. <<, erwiderte ich und versuchte dabei zu lächeln, aber es gelang mir nicht.
Mein Dad sah ein wenig irritiert aus wegen meiner Ausdruckslosigkeit, doch es schien so als würden Caroline und Rebecca nichts Merkwürdiges an mir bemerken, weshalb sie sich wieder umdrehten und ihre Geschenke auspackten.
>> Fröhliche Weihnachten, Dad. <<, sagte ich als ich vor ihm stand und er seine Arme ausbreitete, damit ich ihn umarmte.
>> Dir auch fröhliche Weihnachten, Liebes. <<, erwiderte er und drückte mich ganz fest. >> Du siehst aber nicht wirklich froh aus, ist etwas passiert? <<, fragte er so leise, dass nur ich es hören konnte.
>> Ob du es mir glaubst oder nicht, ich spüre mein Gesicht momentan nicht. <<, erklärte ich wahrheitsgemäß.
>> Wie meinst du das? <<, fragte er irritiert und legte seine Stirn in Falten. Ich lockerte meine Umarmung ein bisschen um ihn ansehen zu können.
>> Ich kann nicht lächeln, weil ich meine Mundwinkel nicht spüre. <<, wiederholte ich.
>> Wie kann das sein? <<, fragte er nach. >> Vielleicht ist es etwas Schlimmes, wir sollten zum Arzt gehen! <<
>> Dad, es ist Weihnachten und außerdem geht es wieder vorbei. <<, versicherte ich ihm.
>> Wie kannst du dir da so sicher sein? <<
>> Weil ich das so in etwa schon mal hatte und es ist nichts Schlimmes. <<, antwortete ich und erinnerte mich daran wie ich auf den Boden gefallen war, weil ich meine Beine nicht mehr gespürt hatte.
>> Wenn es bis morgen nicht besser wird gehen wir zum Arzt okay? <<
>> Ist gut. <<, erwiderte ich.
>> Willst du dein Geschenk sehen? <<, fragte er mich dann und grinste breit.
>> Klar. <<, sagte ich und lief zum Weihnachtsbaum. Ich suchte nach einem Paket worauf mein Name stand, aber fand keins. Währenddessen ignorierte ich Carolines arroganten Blick und suchte weiter.
>> Es ist nicht unter dem Tannenbaum. <<, verriet er mir, weshalb ich mich wieder ihm zuwandte.
>> Nicht? <<
>> Nope. <<, antwortete er grinsend.
>> Aber Dad! Es gehört sich doch so. Es muss unter dem Weihnachtsbaum stehen. <<
>> Hätte es gerne dahin gestellt, aber es hat leider nicht darunter gepasst. <<
>> Wie meinst du das? <<, fragte ich und versuchte vergeblich meine Stirn in Falten zu legen.
>> Komm ich zeig' s dir. <<, sagte er und führte mich zur Haustür. Wir gingen hinaus und ich starrte die Straße an.
>> Ich sehe nichts. <<
>> Natürlich nicht. <<, stimmte er mir zu und plötzlich ertönte ein Geräusch, das man nur dann hörte wenn man sein Auto entsperrte. Ich sah wie ein schicker mattschwarzer Porsche kurz blinkte um zu zeigen, dass er jetzt entsperrt war und nahm aus dem Augenwinkel wahr, wie mein Dad mir etwas zuwarf.
Ohne es zu wollen reagierte ich zu schnell und erschrak ihn damit. Denn meine Reaktion war zu schnell gewesen.
Was war bloß heute los mit mir?
>> Sorry. <<, murmelte ich und sah ihn an. Er entspannte sich ein wenig, aber starrte mich immer noch besorgt an.
Erst da spürte ich, dass ich etwas in der Hand hielt und öffnete sie deshalb.
Es waren Schlüssel. Autoschlüssel.
>> Dad! <<, rief ich und sah ihn ungläubig an. Immerhin konnten meine Augen meine Gefühle widerspiegeln.
Er grinste mich breit an und bewegte dann seine Augenbrauen hoch und runter.
>> Dad, nein! <<, rief ich nochmal und wollte grinsen. Doch leider vergeblich.
>> Gefällt er dir? <<, fragte er grinsend.
>> Oh mein Gott, Dad! Natürlich! <<, rief ich. >> Was ist das für eine Frage. Du spinnst doch! <<
Er lachte heiser und umarmte mich. >> Du bist doch verrückt! Wie kannst du sowas nur kaufen? <<, rief ich aufgeregt weiter, aber da er mein Gesicht gegen seine Brust drückte, klang meine Stimme gedämpft.
>> Ich wusste, dass du ein Auto brauchst...deshalb... <<
>> Aber du hättest doch einfach deinen alten Wagen nach Deutschland schicken können, Dad. <<, unterbrach ich ihn. >> Du hättest nicht so viel Geld ausgeben müssen. <<
>> Ich wollte, dass du einen eigenen Wagen hast. <<, erklärte er. >> Und über den Preis werde ich jetzt nicht mit dir diskutieren. <<, sagte er grinsend. Wir wussten beide, dass er wohlhabend genug war um so ein teures Auto problemlos zu kaufen, aber dennoch hatte ich nicht damit gerechnet.
>> Ach, Dad. <<, seufzte ich und löste mich von seiner Umarmung.
>> Wirklich, danke. <<
>> Nichts zu danken, meine Kleine. <<
>> Kleine? <<, wiederholte ich und versuchte zu grinsen. >> Ich bin schon fast neunzehn. <<
>> Für mich wirst du immer meine Kleine bleiben. <<, erwiderte er. >> Du siehst gruselig aus ohne Ausdruck im Gesicht, weißt du das? <<
>> Vielen Dank. <<, sagte ich mit einem Hauch Sarkasmus und hoffte er würde es heraushören.
>> Lass uns wieder reingehen, gleich gibt' s was zu futtern. <<
>> Okay. <<, erwiderte ich fröhlich und sah meinen neuen Porsche noch ein letztes Mal an bevor wir ins Haus gingen.
***
Als wir am Esstisch saßen konnte ich immer noch nicht fassen, dass mein Dad mir einen nagelneuen Porsche gekauft hatte. Immer wieder versuchte ich zu grinsen, doch diese merkwürdige Art von Lähmung ließ es nicht zu.
>> Sie hat einen Porsche bekommen und lächelt nicht einmal. <<, hörte ich Caroline in das Ohr meiner Schwester flüstern. Als ich aufsah, bemerkte sie meinen Blick und wandte sich plötzlich wieder ihrem Essen zu.
Irgendwann würde ich diese dumme Kuh schon fertig machen. Ich wartete bloß ab. Woher nahm sie sich das Recht mich bei meiner eigenen Schwester schlechtzureden?
Das Seltsame war, dass ich nicht nur ihr Flüstern hörte, sondern auch das leiseste Knirschen von ihren Zähnen, das zu hören war wenn sie Essen in ihrem Mund zerkaute. Es lag nicht daran, dass sie laut kaute, denn sonst hätte ich es bei den anderen nicht auch noch gehört.
>> Diese kleine Schlampe! Kommt hier rein und kriegt sofort ein Auto. Und was bekomm ich? Bloß einen iPod! <<, hörte ich plötzlich jemanden rufen. Erschrocken sah ich mich um, doch alle waren mit ihrem Essen beschäftigt. Nur mein Vater und Rebecca redeten noch miteinander, also konnte es nicht Rebecca gewesen sein.
>>Die sollte sich schnellstmöglich wieder verpissen! <<, rief die Stimme erneut und diesmal erkannte ich die Stimme. Es war Carolines.
Verwirrt starrte ich sie an, doch sie bewegte ihren Mund nur wenn sie etwas aß. Sie sprach weder mit Kylie noch mit mir. Als sie ihren Kopf hob, begegnete sie meinem Blick.
>> Was starrst du mich so dumm an, Bitch?! <<, schrie sie mir entgegen. Es war gut, dass ich meine Gesichtszüge nicht bewegen konnte, denn sonst hätte sie geahnt, dass etwas nicht stimmte.
>> Starr gefälligst woanders hin! <<, schrie sie wieder, aber ihr Mund bewegte sich dabei nicht. Dann lächelte sie mich plötzlich an und tat ganz freundlich.
>> Möchtest du etwas trinken? <<, fragte sie und diesmal bewegten sich ihre Lippen.
Und da verstand ich es. Ich hatte ungewollt ihre Gedanken gelesen.
Panik stieg in mir auf. Was wenn ich sie aus Versehen ansprach? Per Telepathie ansprach? Was dann?
>> Nein, danke. <<, antwortete ich ungerührt und betrachtete sie einen kurzen Moment, bevor ich mich von ihr abwandte.
Ich sah meinen Vater an, aber er bemerkte es nicht, da er sich mit seiner Frau unterhielt.
>> Ich muss es Kim sagen. <<, hörte ich plötzlich seine Stimme in meinem Kopf ertönen.
Was passierte hier bloß?
Was? Was musst du mir sagen? , schrie ich innerlich und erkannte dann, dass ich einen Fehler gemacht hatte. Denn genau in dem Moment drehte sich mein Vater mir zu und sah mich irritiert an. >> Habe ich mir das nur eingebildet oder hat Kim gerade etwas gesagt? <<, hörte ich ihn sich selbst fragen.
Ach du heilige Scheiße, ging es mir durch den Kopf und ich wandte mich von ihm ab. Wenn ich jetzt aufstehe und den Raum verlasse wird es zu auffällig rüberkommen, dachte ich mir. Lieber ich warte noch ein wenig, dann kann ich mit den anderen zusammen aufstehen.
Ich wartete eine Weile, bis endlich alle zu Ende gegessen hatten, sodass ich aufstehen konnte.
Damit es den anderen nicht so vorkam als hätte ich es sehr eilig, half ich noch ein wenig mit den Tisch abzuräumen und ging dann erst in mein Zimmer.
Was ist bloß los mit mir? , fragte ich mich verzweifelt und sah mich im Spiegel an. Was war das bloß? Diese Lähmung? Erst meine Beine, dann der Rest meines Körpers und jetzt mein Gesicht. Was passierte hier mit mir?
Ich wusste, dass ich noch nicht die volle Kontrolle über meine Kräfte besaß. Ich wusste ja noch nicht einmal zu was ich alles fähig war. Ich war unnatürlich schnell...ja...und ich konnte telepathischen Kontakt mit anderen Personen aufnehmen. Doch seit wann konnte ich die Gedanken von beliebigen Leuten lesen? Ich musste das sofort in den Griff kriegen und ich konnte nur darauf vertrauen, dass Jack mir dabei half.
Als ich meine Augen schloss, um mich zu konzentrieren und Jacks telepathischem Faden zu folgen, klopfte es plötzlich an meiner Tür, sodass ich sofort meine Augen wieder aufschlug und die Tür für einen kurzen Moment anstarrte.
>> Ja? <<, rief ich leise und wartete.
>> Ich bin' s. <<, sagte mein Vater und betrat das Zimmer.
>> Hi Dad. <<
>> Ist alles in Ordnung? <<, fragte er mich mit einem besorgten Blick und kam auf mich zu.
>> Ja, warum? <<
>> Es scheint mir nicht so, deshalb. <<, antwortete er und setzte sich auf mein Bett. >> Ich würde dir gerne etwas erzählen. <<
Ich spürte wie die Neugierde in mir aufstieg. Doch ich versuchte sie zu unterdrücken.
>> Und das wäre? <<, fragte ich dann vorsichtig. Mein Dad machte ein Zeichen, dass ich mich neben ihn setzten sollte und ich tat es. Er blieb einige Minuten lang still bis er anfing zu sprechen.
>> Als du mich gestern Abend gefragt hast, ob mir noch etwas anderes aufgefallen ist als du noch ein Kind warst, war ich nicht ganz ehrlich zu dir. <<
Ich war nicht ganz überrascht darüber, dass er mich angelogen hatte, immerhin hatte ich es geahnt. Aber ich war verwundert darüber, dass er nun erzählen wollte was er mir gestern Abend verschwiegen hatte.
Ich sagte nichts, sondern wartete bis er anfing zu erzählen. Denn ich wollte auf keinen Fall etwas sagen was ihn umstimmte es mir zu erzählen.
>>Als du klein warst. <<, begann er. >> Hast du mir immer davon erzählt wie toll du das Feuer doch findest. << Na das fing ja schon mal gut an.
>> Aber ich sagte dir immer wieder, dass es gefährlich sei damit zu spielen weil es dich verbrennen und dir somit wehtun würde. Und eines Tages, als wir an einem Strand campen waren, hast du ein Lagerfeuer entdeckt. Da warst du noch fünf. <<, ich konnte mich überhaupt nicht daran erinnern. >> Du bist zu mir gekommen, ganz außer Atem und hast gesagt dass du mit dem Feuer gespielt hättest. Ich war so besorgt, dass du dir wehgetan haben könntest und tastete dich deshalb panisch ab. Als du dann jedoch sagtest, dass alles in Ordnung sei und du mir etwas zeigen wolltest- <<, er hielt kurz inne und starrte die Tür an. Dann sprach er weiter.
>> Hast du mich zu diesem Lagerfeuer gebracht. Komischerweise waren genau in dem Moment die Camper schwimmen gegangen, weshalb wir dort nun alleine waren. Du bist auf das Feuer zugelaufen und ich habe dich die ganze Zeit davon abgehalten, doch dann bist du mir irgendwie entwischt und bist direkt...in das Feuer hineingelaufen... <<, er stockte kurz und ich bemerkte wie sich seine Augen mit Tränen füllten. Das letzte Mal hatte ich ihn vor ein paar Jahren so gesehen. Ich legte meinen Arm um ihn, um ihn zu trösten, aber da ich wusste dass ich die schlechteste Trösterin der Welt war, hegte ich keine Hoffnung, dass meine Geste ihn beruhigen würde.
>> Was ist dann passiert, Dad? <<, fragte ich ihn vorsichtig und sah ihn dabei an. Aber er starrte immer noch an die Tür.
>> Ich dachte ich hätte dich für immer verloren als ich sah wie du da hinein liefst. Einfach so, ins Feuer. Ich rannte dir hinterher und schrie vor Panik, doch dann... << Erst da wandte er sich mir zu und sah mich mit Tränen gefüllten Augen an. >> Doch dann hat sich das Feuer um dich herum einfach...zurückgezogen, sodass es so aussah als würdest du in einer brennenden, aber sicheren Luftblase stecken. Du hast mich angelacht und mir zu gewunken. <<
Ich konnte gar nicht fassen was ich da hörte. Wie konnte ich mich bloß nicht daran erinnern?
Ich sah meinen Dad mit einem ungläubigen Blick an und öffnete meinen Mund um etwas zu sagen, aber er unterbrach mich.
>> Ich konnte nicht fassen was ich da sah, Kimmy. Das Feuer tat dir weder weh noch verbrannte es dich. Und dann...bist du ganz einfach heraus spaziert. Als wäre es das Normalste der Welt. Du hast gesagt Siehst du Daddy? Ich hab doch gesagt es macht Spaß mit dem Feuer zu spielen . Daraufhin habe ich dich weinend auf den Arm genommen und habe dir über den Kopf gestrichen, weil ich dachte ich müsste dir beibringen das alles zu verdauen. Doch in Wahrheit war ich derjenige, der das alles verdauen musste. << Mein Dad sah mir in die Augen und ich spürte regelrecht was er momentan empfand. Angst, Trauer, Erleichterung. All diese Gefühle von damals spiegelten sich jetzt in seinen Augen wider. Eine Träne kullerte über seine Wange und ich wischte sie ihm sanft aus dem Gesicht.
>> Du hast gesagt, damals war ich fünf. <<, erinnerte ich ihn und sah ihn fragend an. >> Das war vor dem Vorfall mit meinen Augen. <<
>> Ja, ich weiß Kimmy. <<
Ich betrachtete sein Gesicht und mir fiel wieder ein wie sehr ich ihm doch ähnelte. Nicht nur vom Äußeren, sondern auch unsere inneren Werte und Charakterzüge.
>> Auch wenn ich mich an diesen Tag nicht erinnern kann, Dad. Kann ich dir versichern, dass ich dich ganz bestimmt nicht erschrecken wollte. <<
>> Ich weiß, Liebling. Und trotzdem habe ich gedacht ich hätte dich verloren. <<, erwiderte er und drückte mich dann an seine Brust.
Ich spürte wie er meine Haare küsste und mich dann fest umarmte.
>> Ich liebe dich, Baby. Über alles auf der Welt. Du bist meine Tochter, meine beste Freundin und meine Seelsorgerin. Was wäre ich bloß ohne dich? <<
Seine Worte berührten mich so sehr, dass ich dachte ich würde auch gleich losheulen, aber ich hielt mich zurück und löste mich nach einigen Sekunden von seiner Umarmung.
>> Dad ich muss dir auch etwas sagen. <<, beichtete ich ihm und sah ihm dann ernst in die Augen.
Mein Vater betrachtete mich lange bevor er nickte und sich damit einverstanden erklärte mir zuzuhören. Das Gefühl, dass er schon seit gestern etwas ahnte, verstärkte sich noch mehr.
Ich wusste nicht wie ich es in Worte fassen sollte, deshalb überlegte ich kurz bevor ich das aussprach was vielleicht die Beziehung zu meinem Vater für immer ändern würde.
Vielleicht würde er mich dann als eine Verrückte bezeichnen oder mir nicht glauben, auch wenn er sich an den Vorfall den er mir gerade erst erzählt hatte, erinnerte, aber wer konnte mir mit Sicherheit sagen, dass er mir trotzdem Glauben schenken würde?
Ich fasste meinen ganzen Mut zusammen und spürte wie sich mein Magen krampfhaft zusammenzog, als ich meinen Mund öffnete und folgende Worte aussprach.
>>Dad, ich bin kein Mensch. <<
PS: Danke für's Lesen Leute! Ihr seid die Besten! Voten und kommentieren nicht vergessen, bitte :D !
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