Fourty-Two

Die neuen Klamotten in der Tasche, machte sich Lini auf den Weg zu ihrem Lieblingsplatz in King-Park.

Das Einkaufen hatte Spaß gemacht und das Anprobieren war die reinste Freude gewesen. Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie Leute sich dabei langweilen konnten. Das Einzige, was sie nervend fand, war, dass man nur drei Teile mit in die Umkleide nehmen durfte. Nach langem Hin und Her entschied sie sich für zwei locker sitzende Oberteile und eine neue Jeans. Ihre Eltern würden nicht begeistert sein, doch schließlich brauchte sie ja ein neues Outfit für Nialls großes Konzert.

Ein Glucksen entwich ihr bei diesem Gedanken. Niall war es wohl egal, was sie anhatte. Vielleicht nicht der Stoff, aber Farbe und Form konnte er ja nicht sehen, nur fühlen, ob das Material angenehm war, oder nicht. Mit ein wenig Glück würde ihren Eltern dieses Argument nicht einfallen.

Sie jammerten jedes Mal und bemängelten jedes einzelne Kleidungsstück, welches Lini mit nach Hause brachte, doch im Endeffekt musste sie nie auch nur ein Stück zurückbringen.

Sie setzte sich auf ihre Lieblingsbank in unmittelbarer Nähe zum Springbrunnen. Die Wärme war an diesem Tag erträglich und das sanfte Plätschern des Wassers war fast so schön, wie eines von Nialls Liedern.

Ein leichter Wind ging und es war mal wieder keine einzige Wolke am Himmel zu sehen. Sie lehnte sich zurück und schloss die Augen. Dann ließ sie ihre Gedanken treiben, eine Beschäftigung, der sie gerne nachging. Es war, als würde ihr Kopf durchspült und dabei Platz geschaffen, für völlig Neues.

In ihre Gedanken mischte sich eine Melodie. Es war eines von Nialls Liedern. Wie das Wasser plätscherte sie vor sich hin. Sie musste ihn unbedingt noch einmal bitten, das Lied für sie zu spielen, denn ihr Gedächtnis spielte ihr einen Streich und mischte immer wieder Misstöne in das Lied, die Niall bestimmt nicht so gespielt hatte.

Da, schon wieder. Dann erhob sich Nialls Stimme... nein, das war nicht Nialls Stimme. Sie öffnete die Augen und sah sich um. Auf der großen Wiese, links neben ihr, saß ein Junge, eigentlich schon ein Mann, unter der großen Linde und spielte Gitarre. Sie lauschte angespannt. Nein, sie irrte sich nicht, es war eines von Nialls Liedern, doch bei weitem nicht so gut, wie das Original.

Sie schnappte sich ihre Tüten und ging langsam zu dem jungen Mann hinüber. Jetzt bemerkte sie den zweiten Mann, der mit dem Rücken zu ihr, ebenfalls unter dem Baum Platz genommen hatte. In fünf Metern Entfernung blieb sie stehen und besah sich die Szenerie.

Der Mann mit der Gitarre bemerkte nichts von dem, was um ihn herum geschah, denn sein Blick war starr auf die Saiten seiner Gitarre geheftet und seine Finger sahen aus, als wollten sie sich gleich komplett verkrampfen.
Wieder ertönte ein Missklang.

„Mist, wie macht der Junge das nur. Es muss doch irgendwie nachzuspielen sein.“

„Bestimmt, aber wohl nicht von dir!“

Das war der zweite Mann. Er lachte glucksend.

„Und, nimm es mir nicht übel, auch die Stimme ist nicht die von NIHA. Du solltest es lieber bleiben lassen.“

„Ich weiß selbst, dass meine Stimme nicht gut ist, aber Gitarre, die konnte ich schon immer spielen. Nur diese Griffe. Irgendetwas macht er anders, als es im Lehrbuch steht.“

„So was gab es schon einmal, auch damals haben die Fans sich die Finger abgebrochen beim Nachspielen.“

„Ich weiß, was du meinst. Aber im Gegensatz zu den Griffen von John Lennon, sind die von NIHA unmöglich zu spielen.“

„Nicht für ihn.“

„Nein, nicht für ihn!“

„Wie wäre es mit was anderem?“

„Seit ich die Lieder von ihm gehört habe, mag ich nichts anderes mehr.“

„Das ist schlecht. Dann bleibt dir nur übrig, zu üben.“

„Nein, ich muss das Original hören. Vielleicht komme ich dann drauf, wie er es macht.“

„Hast du vergessen, dass er seit Tagen nicht mehr gespielt hat? Seit die Bullerei aufgetaucht ist, ist Schluss mit den allabendlichen Konzerten.“

„Wie könnte ich das vergessen? Hast du was rausgefunden, oder hat sich einer im Forum gemeldet?“

„Nein. Keiner weiß was Bestimmtes. Auf jeden Fall gibt es wohl keine CD und durch polizeiliche Anordnung auch keine Konzerte mehr.“

„Aber die können doch so ein Talent nicht verkommen lassen. Hat sich denn niemand gemeldet, der ihn persönlich kennt?“

„Ein paar, aber die kennen ihn nicht so gut, dass sie Neuigkeiten haben.“

„Es ist zum aus der Haut fahren. Ich habe nicht schlecht Lust, einfach hinzugehen und zu klingeln.“

„Das würde ich lieber bleiben lassen.“

Die beiden zuckten zusammen, als Lini ihren Kommentar losließ.

„Warum? Kennst du ihn etwa?“

„Ein bisschen. Aber es reicht aus, um zu sagen, dass er und seine Familie nicht sonderlich erfreut sein würden, wenn da plötzlich Wildfremde vor der Tür stehen.“

„Wenn du ihn wirklich kennst, dann weißt du doch sicherlich, ob es eine CD von ihm gibt und ob man ihn irgendwo wieder hören kann.“

„Ja, das weiß ich.“

Die beiden sahen erst sich gegenseitig an und dann wieder Lini. Der mit der Gitarre fand zuerst die Sprache wieder.

„Und?“

„Zuerst eine Gegenfrage: Was ist das für ein Forum?“

„Na, das NI-HA-Fan-Forum natürlich. Das kennst du nicht?“

„Bis jetzt noch nicht. Kann ich die Adresse haben?“

„NI Bindestrich; HA Bindestrich; Fan Bindestrich; Forum; dot com.“

„Danke.“

„Und? Was ist nun?“

„Ach so. Nein, es gibt keine CD. Noch nicht. Und für übernächstes Wochenende ist ein Konzert geplant, allerdings nicht mehr im Vorgarten, sondern so richtig in der Stadthalle.“

„Echt? Schwindelst du auch nicht?“

„Findet es heraus. Der Vorverkauf soll diesen Freitag starten. Kann ja die genauen Termine im Forum posten, wenn ihr wollt. Zumindest habe ich vor, mich gleich anzumelden.“

„Ein richtiges Konzert. Mit NIHA, ich bin geplättet.“

„Wer hat sich eigentlich die alberne Abkürzung ausgedacht?“,

wollte Lini wissen.
Der mit der Gitarre starrte sie an.

„Ich. Wieso fragst du?“

„Ich glaube, „Niall“ ist ihm lieber. Solltet ihr ihm einmal begegnen, dann solltet ihr ihn mit dem richtigen Namen ansprechen.“

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