Prolog

Unnachgiebig prasselte der Regen auf die Welt herab. Er weinte; betrauerte den baldigen Verlust von Wundern, wie sie die Welt selten zu Gesicht bekam.

•••

Tosender Applaus begleitete das Spiel auf der großen Himmelsplattform, welche durch den Bass der Aufschläge und die Sohlensynphonien erschüttert wurde.
Weder die Zuschauer noch die Spieler selbst bekamen von dem tristen Wetter viel mit. Die hochgelegene Position der schwebenden Insel ermöglichte lediglich den Blick auf ein Wolkenmeer, welches sie umgab.
Eine spärliche Farbauswahl an Weis- und Grautönen, die sich in Wirbeln zu einem Bild der modernen Kunst verbanden, war es, die einen erwartete, wenn man seinen Blick auf die Ebene außerhalb des Stadions richtete. Nicht gerade etwas, was viele Blicke auf sich ziehen würde.
Es war also nicht verwunderlich, dass jegliche Aufmerksamkeit des Publikums auf den beiden gegnerischen Mannschaften -mittig des Feldes- lag. Der Worldcup des Feeirplay war kein Ereignis, welches man verpassen wollte.

Doch neben den Personen, denen lediglich das Interesse an dem Geschehen außerhalb fehlte, gab es noch jene, denen schlichtweg die Zeit fehlte sich auf etwas anderes als das Spielgeschehen zu konzentrieren.

Ein ganzes Team stand am Ende seiner Kräfte. Vor kurzem erst waren sie als 'Wundergeneration' anerkannt worden und standen nach drei Jahren in der Öffentlichkeit, nun mit dem Rücken zur Wand.

Auf eine solche Spiellänge war Lio nicht vorbereitet gewesen. Es strapazierte ihre Nerven, dass sie ihre Gegner falsch eingeschätzt hatte.
Sie hatten sie keinesfalls mit ihrer Stärke oder Spieltaktik überrascht. Vielmehr war es die unehrliche Art und Weise wie sie an dieses Spiel heran gegangen waren,-und die zu allem Übel auch noch niemandem Außenstehendes aufzufallen schien- die selbst den immerzu rationalen Maokan dazu gebracht hatte, unnötige Risiken einzugehen.

Ja, auch wenn sie es eigentlich niemals zugeben wollte. Auch der 'ultimative Stratege' kannte Grenzen, an denen es keinen Weg vorbei gab.

Wütend knirschte sie mit den Zähnen. Es wäre ihr vierter Sieg in Folge. Ein Rekord, wie er niemals auch nur in Erwägung gezogen wurde, da er vor kurzem noch so absurd wirkte.
Es würde ihnen allen auch nichts ausmachen die diesjährige Meisterschaft zu verlieren, vorausgesetzt ihre Gegner würden auf faire Art und Weise gewinnen.
Doch eben dies war nicht der Fall. Spätestens nach einer Viertelstunde Spielzeit war ihr klar gewesen, dass etwas nicht stimmte und bis die Erkenntnis kam WAS genau sie so störte, hatte ihr Team bereits drei zu Unrecht verteilte Strafpunkte einkassiert.

Normalerweise war es für sie ein leichtes ihre Gegner auszuspielen.
In ihrem eigenen Team koordinierte sie jeden Schritt der Spieler wie den von Schachfiguren mit kluger Überlegung, entwarf neue Taktiken, Strategien und Notfallpläne und manövrierte ihre Gegenspieler aus, um die Kontrolle über eine Situation zu behalten und gleichzeitig ihre eigene Bewegungsfreiheit zu vergrößern.

Doch unter diesen Umständen war es ihr unmöglich ihre gewöhnliche Vorgehensweise beizubehalten. Nicht für dieses Spiel.

Mit einer gereizten Handbewegung wischte sie sich den Schweiß von der Stirn. Einmal mehr war sie froh darüber, dass ihr ihre Haare nicht wie ein feuchter Vorhang die Sicht versperren konnten.
Dreadlocks waren in dieser Hinsicht unkompliziert und hielten sich mit Hilfe eines Haargummis an Ort und Stelle, ungeachtet dessen, wie viele ruckartige Bewegungen sie während eines Spiels machte.

Ruhig ließ sie ihren analytischen Blick über das gesamte Feld wandern.
Es musste irgendeine Taktik geben, die ihnen zum Sieg verhelfen würde, gegen die nicht einmal die bestochenen Schiedsrichter etwas ausrichten könnten.

Ihre Gegner waren allesamt Stellargeister. Von gewöhnlichen Himmelskörpern bis hin zu vereinzelten Sternzeichen und deren Fähigkeiten war vieles vertreten.

Gehetzt zuckten Lio's graue Augen kurz zu der ausgestrahlten Spielzeit. Eine viertel Stunde.
Ihnen blieb lediglich eine viertel Stunde, um Strafpunkte wieder wett zu machen, den allgemeinen Punktestand zu ihren Gunsten zu wenden und nichts zu machen, was den bestochenen Schiedsrichtern irgendeinen Grund geben würde, einzuschreiten. Am besten wäre es, gar nicht erst in die Nähe der gegnerischen Spieler zu kommen.

Sie presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. Die erste und sicherste Idee, die sie hatte, war auch nicht wirklich die ehrlichste, würde vor allem dem wahrheitsliebenden Maokan, ihrem Teamkapitän, missfallen.
Es war nicht so, dass sie ihren Gegenspielern deren Vorgehensweise mit gleicher Münze heimzahlen wollte. Doch die Tatsache, dass sie mit ihren Handlungen den Ruf ihrer Mitspieler -ihrer Freunde- in den Dreck zogen, benebelte ihre Sinne, was recht ungewöhnlich für ihren Charakter war. Für gewöhnlich hielt sie an Logik fest, schien emotionsgetriebene Entscheidungen regelrecht zu verachten.
Doch jetzt gerade fiel ihr tatsächlich nichts besseres ein, was einen Sieg garantieren würde und um ehrlich zu sein, nervten sie die Regeln dieses Spiel, wenn es anderen egal war, ob sie eingehalten wurden; zumal ihr geplantes Vorgehen nicht direkt gegen diese verstoßen würde.

Ohne weiter darüber nachzudenken warf sie ihre Arme in die Luft und formte ein 'T' mit ihren Händen.

„Oh! Unser ultimativer Stratege fordert eine Spielpause ein!", erklang es auch schon aus den Lautsprechern seitlich des Stadions.
Sich vom Mikrofon abwendend und in die Kamera eines Fernsehsenders schauend fügte der kleine Brillenträger im Kommentatorenbereich noch ein „mit welcher Taktik gedenkt sie das Blatt zu wenden?" hinzu.

•••

Viele mochten ihre Entscheidungen für gewissenlos halten. Vor allem sensible Wesen neigten dazu ihre paradox wirkende Persönlichkeit zu hinterfragen.
So auch während der kurzen Teambesprechung. Doch letztendlich hatte Maokan, von welchem sie es als letztes erwartet hätte, dass er zustimmt, die Erlaubnis erhalten die Taktik in die Tat umzusetzen.
'Es würde noch im Rahmen des Erlaubten sein', hatte er gesagt.

Levi, im Privaten ein begeisterter Mützenträger, der dazu neigte, sich ständig neu zu erfinden, leitete das Ende der Besprechung, durch eine große Erdwand ein, welche sich mittig des Feldes vor ihren Gegnern aufbaute.

Gedanklich sprach Lio die einzelnen Züge mit.
»Bauer von d und e2, auf d und e4«

Das gegnerische Team entschied sich dazu das Hindernis auf der linken Seite -auf welcher sich die Ringe für die Tore von Lio's Team befanden- zu umgehen.
Kit, eine Harpyie, bei der sich Lio fragte, wie sie es geschafft hatte ihren Hut mit auf's Feld nehmen zu dürfen, schoss aus dem Himmel herab und beschwor eine heftige Windböe, die den Stellargeist 'Schütze' von den Beinen wehte.

»Springer b1 auf c3«

Ohne groß zu warten, nutzte ein Hautwechsler, Squall (oder auch als 'Ruby Beast' bekannt), die Zeit des Angriffs aus und schoss auf der anderen Seite der Erdmauer vorbei.

»Läufer c1 auf g5«

In Gestalt eines großen, roten Wolfes, nahm er währenddessen den Ball von der Mitte des Feldes auf, verwandelte sich zurück in einen rothaarigen Mann und warf. Eigentor.
Ein triumphales Grinsen legte sich auf die Züge der Latina, als sie die verwirrten Blicke der Schiedsrichter, Gegner und Zuschauer einfing.
Die Anzeige an der Wand zeigte 6 zu 2 für ihre Gegner an.

Kaum war der Ball durch den Ring hindurch und wieder in der Luft, griff sich Kit diesen im Flug und spielte ihn scheinbar ins nirgendwo, als der Erdmagier, Levi, eine Art Rampe aus dem Boden herauswachsen ließ, die den Ball erneut in das eigene Tor beförderte.

7 zu 2

Ein Raunen ging durch die Zuschauerreihen. Niemand konnte sich auf das Verhalten der Wundergeneration einen Reim bilden.

Die anfängliche Erdmauer wurde vom Stellargeist des Löwen zerschlagen.

»Verlust der Bauern auf d und e4«

Der Stellargeist des braunen Zwerges, dem das alles wohl etwas zu bunt wurde, versuchte einen Schallfluch auf Squall los zu lassen, welcher von dessen Wolfgeheul, zurück geschickt wurde.
Mit verlorener Orientierung taumelte der Stellargeist ein wenig umher.

»Läufer g5 schlägt Springer f6«

Währenddessen erneutes Eigentor, diesmal durch den Erdmagier persönlich.

8 zu 2

„Yeah!", der kleine Elf neben Lio, sprang glücklich in die Luft. Nicht zu fassen, dass diese sorglose Frohnatur der Älteste unter ihnen war.

„Bisher scheint's niemand so wirklich gerafft zu haben.", brummte Levi, als er für eine erneute Grundaufstellung angejoggt kam.

„Fragt sich nur für wie lange.", nachdenklich blickte Lio auf die Spielzeit. Noch sechs Minuten.
Mindestens vier davon, müsste ihr World-Spell weiterhin unbemerkt bleiben, wenn sie gewinnen wollten.
„Maokan, ich überlasse dir das gegnerische Team für den Rest des Spiels. Nur denk daran, komm ihnen nicht zu nahe oder lass dich zumindest nicht in ihrer unmittelbaren Nähe sehen."

Der Mischling aus Nachtmaar und Irrwicht schmunzelte bloß.
Er sprach es zwar nicht aus, aber es kribbelte ihm bereits in den Fingerspitzen seine menschliche Form ablegen zu dürfen.
Es war glücklicherweise nicht so, dass einer seiner Gegner Türen beschwören konnte, die eines der wenigen Dinge waren, die ihn irgendwie aufhalten konnten. Er könnte sich also uneingeschränkt austoben.

„Aha! Er kann also doch lächeln!", grinste Levi, die Hände hinter dem Kopf verschränkt.
„Viel Spaß beim spielen."

„Werde ich haben.", antwortete Maokan bloß knapp. Die Gefühlsregung war aus seinem Gesicht verschwunden.
Kaum erklang das Startsignal, löste er sich auch schon in Rauch auf.

Als er sich auf der gegnerischen Feldseite wieder menschlich manifestierte, kippten einige der Stellargeister auch schon um, während andere sich an den Kopf fassten. Allgemeines Fangirl-Gekreische von der Tribüne begleitete das Geschehen.

Wieder einmal war es Squall der den Ball ergatterte und an Kit weitergab.
Da es ihr jedoch (aufgrund ihrer Flugfähigkeit) verboten war, selbst Tore zu machen, gab sie den Ball an Lio weiter, die plötzlich in der Nähe des eigenen Tores aufgetaucht war.
Eigentor.

9 zu 2
Noch vier Minuten.

Die Verwirrung in den Zuschauerreihen wurde deutlicher. Erste 'Buh'-Rufe erreichten die Spieler.
Doch die Wundergeneration nahm es gelassen, einige grinsten sogar Siegessicher.

Als der Stellargeist des Löwen nun begann auf die Gegner zu zu sprinten, schien sich Maokan zu duplizieren. Eine Wand aus mehreren Personen erschien auf dem Feld, doch die Grenzen verschwammen. Es war unmöglich zu sagen, wo ein Doppelgänger anfing und der nächste aufhörte.

Ein breites Grinsen erschien auf Lio's Lippen.

Noch drei Minuten.

„Ach komm, Elfmeter Elf, mach noch einen rein!", rief der Stratege dem Ältesten zu.

Levi brachte den Ball zum rollen, Kit nahm ihn an und spielte ihn weiter an Emyia. Der Elf der zuvor noch gejubelt hatte, strahlte nun übers ganze Gesicht und ließ den Ball einmal zwischen seinen Händen Drehungen vollführen, ehe er seine Arme anspannte.
Scheinbar aus dem Ball heraus, wuchs ein Bogen aus reiner Energie, welcher den Gegenstand als Munition gebrauchte.
„Achtung dahinten.", schrie er lachend über das gesamte Feld, ehe der Ball auch schon -in einem Blitz- durchs Tor hindurch flog.

Der Pfiff, der das Spiel beendete erklang kurz darauf und beinahe im selben Moment posierte Lio mit einer Pik Ass Karte in der Hand.
„World-Spell lösen!"

Kurz schien es einem jeden, als würde er den Boden unter den Füßen verlieren.
Das gesamte Feld drehte sich und die Anzeige gab den wahren Punktestand preis.

5 zu 7

•••

Rot war die Farbe der Trickser. Jener Wesen, die immer dort auftauchten, wo der Stoff entsteht, aus dem Geschichten geschrieben werden und die die Weltordnung nach ihrem belieben durcheinander bringen.
Dies war einer der Gründe, weshalb sich Lio eine ihrer Dreads in dieser Farbe gefärbt hatte.
Doch das rot, welches nun, wenige Minuten nach Abpfiff, ihr Bein in seiner Farbe ertränkte, hatte eine vollkommen andere Bedeutung.



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So, da dies das erste Kapitel/der Vorgeschmack/der Prolog ist, erlaube ich mir mal, einen kleinen Autornote zu hinterlassen.
Wie findet ihr das Prinzip bisher?
Ist alles klar?
Soll ich etwas besser machen?

Die allgemeinen Feeirplay-Regeln folgen noch.

LG
Sheila Cid

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