sɪᴇʙᴇɴ

"One moment we're broken and then we're fine, lost in the puzzle of the teenage mind" - Teenage Mind, Tate McRae

Ein Strom an Schülern drängt sich aus dem Schulgebäude, rollt über den Parkplatz und wirkt wie eine undurchbrechbare Welle, die alles dem Erdboden gleichmacht, was sich ihr in den Weg stellt. Es ist Freitagnachmittag, als Eleanor und ich nach Schulschluss inmitten dieser Menschenmasse hin- und hergerissen werden und den Heimweg antreten wollen.

"Louis! Warte auf mich", klagt meine beste Freundin ein paar Meter hinter mir, boxt sich zu mir durch und klammert sich an meinem Rucksack fest, um nicht verloren zu gehen.

"Wie könnte ich dich zurücklassen?", gebe ich zurück und atme erleichtert auf, als sich das Chaos langsam auflöst und man keinen Fremden mehr direkt vor der Nase, neben und hinter sich hat.

"Hast du Lust heute mit mir auf die Party bei Danielle zu gehen?"

"Nein. Ich habe Schwimmen", erwidere ich ausweichend und schenke ihr ein entschuldigendes Lächeln, als sie einen Schmollmund zieht.

"Das ist eine doofe Ausrede, dein Schwimmtraining ist doch nach einer Stunde wieder aus und die Party ist sowieso erst am Abend."

"Partys sind etwas für die beliebten Leute, El. Nicht für jemanden wie mich."

"Die halbe Schule wird kommen, Louis", versucht sie mich umzustimmen und greift nun nach meinem Arm, um mich näher zu sich zu ziehen.

"Noch ein Grund mehr, nicht dort aufzutauchen."

"Bitte, ich brauche dich doch. Du bist mein bester Freund und wenn ich wo eingeladen werde, bist du es auch."

"Bin ich nicht und das wissen wir beide", entgegne ich seufzend und verdrehe die Augen, als sie mich flehend ansieht.

"Komm schon, das wird lustig. Das ist dann wie in den ganzen Filmen. Der Nerd taucht auf einer verrückten Hausparty auf, macht irgendwas total Abgefahrenes und wird zum gefeierten Held der Schule."

"Oder zur Lachnummer."

"Du bist so eine Spaßbremse, Tomlinson, ganz ehrlich", schnauft sie und lässt von mir ab.

"Realistisch, das bin ich. Und Nerd bin ich übrigens keiner."

"Das war doch bloß ein Beispiel", verteidigt sie sich und zupft ihre Bluse zurecht. "Also hole ich dich heute nach dem Schwimmtraining ab und wir gehen zu Danielle? Die wohnt nur zwei Straßen weiter, das passt doch perfekt, oder nicht?"

"Nein, das passt überhaupt nicht, Eleanor. Außerdem sehe ich nach dem Training bestimmt aus wie in der Waschtrommel herumgeschleudert."

"Bestimmt nicht, du bist immer hübsch", grinst sie und haucht mir ein Küsschen zu, als das Auto meiner Mutter ins Blickfeld kommt, sobald wir um eine Ecke gebogen sind. "Ich bin pünktlich, du wirst mir nicht entwischen können. Zieh etwas Schönes an."

"Vielleicht darf ich gar nicht, das ist total kurzfristig", werfe ich ein, als ich nach dem Griff der Beifahrertür greife und meine Mutter Eleanor breit lächelnd durch die Frontscheibe zuwinkt, die die Geste enthusiastisch erwidert.

"Keine Ausreden mehr, Tomlinson", ist das Letzte, das sie zu mir sagt, ehe sie davonhüpft und ich mich wenig begeistert ins Auto fallen lasse und einmal tief durchatme.

"Hallo, mein Schatz. Wie war dein Schultag?", begrüßt mich meine Mutter fröhlich und gibt mir einen Begrüßungskuss auf die Wange, den ich mit einem Grummeln über mich ergehen lasse.

"Mum, ich bin achtzehn und wir sind gefährlich nahe am Schulgelände", murmle ich und sehe aus dem Fenster, doch es ist niemand Bekanntes zu sehen.

"Mami hat Feuer am Herd gemacht", meldet sich meine kleine Schwester Daisy vom Rücksitz, die neben der schlafenden Phoebe sitzt, und strahlt mich begeistert an, weshalb ich verwirrt die Stirn runzle.

"Feuer am Herd?"

"Charlotte und Félicité haben sich furchtbar gestritten und ich habe in dem Durcheinander versehentlich Wasser in heißes Öl geschüttet", gibt meine Mutter betreten zu und schüttelt den Kopf, während sie unseren Kleinwagen durch den Straßenverkehr lenkt. "Gott sei Dank ist nichts passiert, das Mittagessen ist allerdings im Eimer. Wenn du möchtest kannst du dir etwas bestellen."

"Lieber nicht", erwidere ich nach einem kurzen Moment Bedenkzeit, obwohl ich wirklich gerne einen leckeren Burger oder Pizza essen würde. Irgendwie fühlt es sich einfach nicht richtig an, jetzt wo ich wirklich abnehmen möchte. "Ich habe sowieso bald Schwimmtraining."

"Du kannst doch nicht den ganzen Tag gar nichts essen", sagt meine Mutter mit einem besorgten Seitenblick auf mich und ich sehe bloß kommentarlos auf meine Füße hinunter, zwischen denen mein Schulranzen steht.

"Ich habe heute Mittag in der Cafeteria etwas gegessen. So wie immer", erkläre ich dann und bei dem Gedanken an das breiige Kartoffelpüree läuft mir ein Schauer über den Rücken.

"Ja, aber das kann doch nicht alles sein für den heutigen Tag. Versprich mir, dass du heute Abend noch irgendetwas isst."

"Sehe ich so aus, als äße ich zu wenig?", zische ich etwas ungehalten und lasse den Kopf mit geschlossenen Augen nach hinten gegen die Lehne fallen. "Entschuldige, ich wollte dich nicht so anfahren."

"Ach Schatz...", seufzt meine Mutter und lächelt mich mit einem liebevollen Blick an, der auch etwas Trauriges in sich birgt.

Natürlich bleibt ihr nicht verborgen, wie unwohl ich mich in meinem Körper fühle, und dass sie nichts gegen meine Selbstzweifel tun kann, außer mir gut zuzureden, tut ihr mit Sicherheit weh, aber es ist mir wie vielen anderen in meinem Alter einfach nicht vergönnt, mich zu lieben, wie ich bin, weil uns die Gesellschaft so viele Ideale aufzwingt, die man kaum erreichen kann.

"Apropos heute Abend", ergreife ich wieder das Wort und verschränke die Hände in meinem Schoß. "Da ist diese Party, auf die Eleanor mit mir gehen möchte. Totales High School Klischee, ich weiß."

"Ich will auch auf eine Party!", grätscht Daisy wieder dazwischen und tritt mit ihren kleinen Füßchen gegen meinen Sitz, doch sie bekommt keine Antwort, denn meine Mutter sieht mich glücklich an.

"Du bist auf eine Party eingeladen worden? Das ist doch toll, oder?", freut sie sich, weil sie genau weiß, wie schwer ich es damit habe, neue Freundschaften zu schließen, was echt peinlich ist, wenn man so darüber nachdenkt. Welche andere Mutter ist so begeistert, wenn ihr Sohn zu einer idiotischen Hausparty eingeladen wird, nur weil er ansonsten kaum Anschluss findet? Sie sollte dagegen sein, oder zumindest skeptisch. Sie sollte mir einen Vortrag darüber halten, was ich alles nicht darf. Stattdessen ist sie einfach nur froh, dass ich nicht ein weiteres Wochenende alleine in meinem Zimmer oder ausschließlich mit Eleanor als einziger Freundin verbringe, die meine Mutter übrigens abgöttisch liebt.

"Heißt das, ich darf hingehen?"

"Wenn du nicht zu viel trinkst und zeitnah wieder zu Hause bist, wieso nicht. Vielleicht lernst du da nette Leute kennen."

"Ja, vielleicht", antworte ich, obwohl ich jetzt schon weiß, dass das nicht geschehen wird und ich nur in irgendeiner Ecke darauf warten werde, dass der Spuk vorbei ist und ich nach Hause gehen kann.

"Wo findet das denn statt? Soll ich dich abholen kommen?"

"Bei Danielle in der Nähe des Schwimmbads. Und bitte komm mich nicht abholen, das ist wahrscheinlich das Uncoolste, was mir passieren könnte. Vielleicht kann ich bei Eleanor übernachten, dann können wir gemeinsam heimgehen oder so. So weit ist es ja dann auch nicht."

"Also mir ist nicht wohl dabei, wenn du mitten in der Nacht irgendwo herumgehst, Louis. Ich parke auch gerne irgendwo weiter weg, aber ich möchte, dass du sicher nach Hause kommst."

"Ich spreche das noch mit Eleanor ab. Die hat bestimmt einen Plan, wie sie von der Party kommt. Vielleicht kann ich mich da anhängen." Ich lasse meine Stirn gegen das Autofenster sinken und beobachte das Treiben auf den Straßen, mit den Gedanken bei der Party, auf die ich eigentlich gar nicht gehen möchte.

Ob ich wirklich neue Freunde finde, wie meine Mutter gemeint hat? Wahrscheinlich nicht, aber vielleicht kann ich zumindest ein paar neue Leute kennenlernen, sobald ich mir ein wenig Mut angetrunken habe.

Was ich Harry Styles wohl sagen würde, wenn ich ihm angetrunken über den Weg liefe? Vermutlich nichts, was wirklich für seine Ohren bestimmt wäre, wenn ich nicht hochkant aus dem Schwimmtraining fliegen möchte, aber trotzdem hänge ich in Gedanken der Vorstellung nach, wie ich ihm sage, dass ich ihn toll finde und er positiv darauf reagiert. Und auch wenn es nur ein Hirngespinnst ist, fühlt es sich schön an.

-

Ich hoffe, dass es euch allen gut geht!

Bis bald
Maybe x

[1360 Wörter]

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