Fearless


If happiness is always measured
By the life you design
That car in the drive.
Than you should feel better than ever
But you know as well as I
It's all lies.

~ Fearless ~
Louis Tomlinson

*.*.*

Der ordentlich asphaltierte Weg vor der Einfahrt war nass vom Regen. Das Grün an den Seiten sproß glücklich, der trockenen Sommer war noch in den gelblichen Spitzen der Grashalme zu sehen, doch es war nichts im Vergleich zu den verdorrten Gärten der Nachbarn. Es war klar - hier war ein Rasenspränger am Werk gewesen. Große eiserne Zäune umrandeten das Grundstück, wie Bodyguards sahen sie aus, die alles und jeden niederstarrten, der es wagte sich an ihnen vorbeizudrängen auf dem Weg zu der Villa, die sie bewachten. Die Villa passte gut in die Nachbarschaft; groß, schön und spießig stand sie da und reckte sich hochnäsig gen Himmel. Im Großen und Ganzen war es nur eines von vielen Grundstücken hier, die so groß, schön und spießig waren. Ohne sie auch nur zu sehen war zu erahnen, hier wohnten Menschen, die viel Geld haben und viel Geld zeigen.

Da passte der einsame Mann, der mit seinem klapprigen Fahrrad die Einfahrt hinauf fröhlich durch die Pfützen auf dem Asphalt fuhr natürlich so gar nicht ins Bild. Der Zaun versuchte angespannt ihn niederzustarren, das Haus warf ihm einen argwöhnischen Blick zu und sogar einer der Nachbarn war schon aufmerksam auf ihn geworden - bereit die Polizei zu rufen. Von alle dem ließ sich der Radfahrer jedoch nicht beeindrucken. Die Pfützen spritzten und der Mann jauchzte vor Freude auf wie ein kleines Kind. Innerlich war er das immerhin auch noch - ein kleines Kind.

Vor der Eichentür, die zwischen den Marmorsteinen klemmte und versuchte zu beeindrucken, stellte der Mann sein Fahrrad ab und drückte unbeirrt auf die Klingel. Auf dem Schild direkt darüber stand in geschwungener Schrift der Name seines besten Freundes aus der Kindheit. Der Mann hatte die eindeutigen Signale ignoriert und glaubte noch immer zu wissen, wer ihm entgegentreten würde. Ein Surren ertönte und der Mann drückte gegen die Tür, die sich widerwillig öffnete.

Zum ersten Mal, seit er das Grundstück betreten hatte schien sich der Mann umzusehen. Die Eingangshalle war nun wirklich übertrieben, dachte er, als er die antik aussehenden Gemälde flüchtig betrachtete. Der Boden war fein und sauber und wäre der Mann ein anderer, der sich für Derartiges interessierte, dann würde er bestimmt das Gefühl haben seine Schuhe ausziehen zu müssen, auf diesem Boden. Doch er war eben wer er war und so schlenderte er ohne sich zu schämen mit seinen matschigen Stiefeln in die Richtung aus der eine Stimme erklang, die gestresst auf irgendjemanden einzureden versuchte.

"Nein, ich kann jetzt nicht in die Firma kommen, ... Sie sagten Sie hätten alles unter Kontrolle, zeigen Sie es! ... Ich habe heute keine Zeit für Sie, ... nein, damit hat es nichts zu tun. Ich erwarte einen alten Freund, ... nun hören Sie aber Mal! Lösen Sie das Problem selbst, ich kann morgen vorbeikommen und nachsehen, jetzt-"

Als der Mann die Tür öffnete drehte sich ein anderer im vornehmen Hemd und Anzughose um und unterbrach seinen Gesprächspartner mitten im Satz, indem er einfach auflegte.

"Fabian!", freute sich der Geschäftsmann und das Lächeln, das er dem anderen zuwarf erinnerte tatsächlich an vergangene Tage, auch wenn es damals noch etwas breiter gewesen war, etwas freier.

"Paul", erwiderte Fabian grinsend,"Und? Was werden wir anstellen?"

"Anstellen?", wiederholte Paul, schmunzelte amüsiert,"Fabian, wir sind keine Kinder mehr."

Es war wahrscheinlich dieser Satz, diese Aussage, die Fabian dazu brachte anzuhalten. Einen Moment durchzuatmen. Seinen Freund anzustarren und langsam, als würde er die kürzlich vergangenen Geschehnisse zurückspulen, die Warnsignale wahrzunehmen, die er zuvor so großzügig übersehen hatte. Wir sind keine Kinder mehr. Es erinnerte ihn an eine Zeit, in der sie es waren: Kinder. Sie hatten sich geschworen niemals damit aufzuhören.

*.*.*.*

Die Sonne knallte auf den fein asphaltierten Weg nieder, der sich zwischen den vertrockneten Gräsern zum Haus erstreckte. Das Haus war wohl viel mehr als Villa zu bezeichnen, so groß war es und erstreckte sich gierig nach Aufmerksamkeit dem Himmel entgegen an den anderen Wohnhäusern vorbei.

In dem Haus ertönten gestresste Stimmen, die eifrig ins Telefon sprachen und hektisch hin und her liefen, um ihre Aktentaschen zusammen zu suchen. Die Stimmen gehörten zu einem hageren großen Mann mit Drei-Tage-Bart und einer zierlichen Frau mit blonden Locken und roten Ohren, es waren die Eltern eines Jungen, der einsam am Frühstückstisch saß und sein Müsli löffelte. Die Erwachsenen hätten ihn wohl vergessen und sitzen gelassen, hätte der Junge, es war Fabian, nicht in einer gelernten Geste seine Mutter an der Handtasche geangelt. Etwas verwirrt drehte die sich um und warf ihm ein geklemmtes Lächeln zu, ihre Aufmerksamkeit noch immer bei der Stimme an ihrem rechten Ohr.

"Was ist denn, Liebes?", fragte sie flüchtig.

"Ich geh später noch zu Paul, ja?"

"Aber sicher, Liebes, mach das!" Und mit diesen Worten drehte sie sich wieder weg und trabte ihrem Mann nach zu den Autos, um, wie üblich, irgendwelche Geschäfte zu erledigen. Fabian wirkte nicht überrascht allein zurück zu bleiben, statt beleidigt zu sein aß er sein Frühstück zu Ende und machte sich danach selbst auf den Weg.

Er holte sein altes Fahrrad aus der Garage und fuhr die Straßen hinunter, an den missbilligenden Blicken der Nachbarn vorbei, bis er am Rande der Stadt vor einem kleinen Haus halt machte. Der Garten war gespickt mit alten Gartenzwergen, denen teilweise eine Hand oder eine Nase abgebrochen waren und bunten Windrädern, die in der sommerlichen Hitze stillstanden. Der Gartenzaun war niedrig und aus morschen Holz, welches knarrte, als Fabian es öffnete.

"Guten Morgen", grüßte ihn eine Frau im Schaukelstuhl auf der Veranda, die strickte.

"Hallo! Ist Paul schon wach?"

"Nein, er hat seinen Wecker wieder überhört, geh ruhig rein und schmeiß ihn aus dem Bett."

Fabian lachte leicht, vielleicht hatte er damals noch gedacht, dass sich manche Dinge nie änderten. Im inneren des Hauses lag viel persönlicher Krimskrams. Ein selbstgebastelter Traumfänger hing über der Tür, die Wände waren in einem warmen Orangerot gehalten und überall hingen Bilder, die glücklich grinsende Kinder zeigten. Vielleicht hatte Fabian damals noch gedacht, dass das seine wahre Familie war.

Ohne zu zögern öffnete er die Tür zum Schlafzimmer seines besten Freundes, als sei es sein eigenes. Paul war noch am schlafen, wie seine Mutter es gesagt hatte. Er war wie in einem Kokon fest in die Decke eingewickelt und hatte sein Gesicht in dem Kissen vergraben. Fabian tänzelte zwischen den Klamottenhaufen auf dem Boden hindurch zum Fenster und zog die blauen Vorhänge zurück. Sonnenlicht flutete das Zimmer und legte sich wie eine zweite Decke über das Bett. Paul drückte sein Gesicht fester in das Kissen.

"Nun komm schon Paul! Die Sonne scheint, der Hahn kräht, es ist Zeit sich zu erheben und dem Tag ins Auge zu blicken!", flötete Fabian.

"~Fab,~", ertönte Pauls gedämpfte Stimme durch die Kissen, "Halt's Maul, es ist viel zu früh..."

Fabian lachte nur ein bellendes Lachen. So laut, dass Paul zusammenzuckte.

"Warum tust du mir das an?", murmelte dieser, erhob sich schwerfällig und bekam zum Dank ein Shirt ins Gesicht geschmissen.

"Zieh dich an, der Tag verlangt nach einem Abenteuer!", rief Fabian und warf noch eine Hose hinterher, die Paul dieses Mal auffing. Er wirkte schon viel wacher als noch vor fünf Minuten. Auf dem Weg aus dem Haus schnappte sich Paul noch einen Apfel, dann machten sie sich auf den Weg in den Wald hinein zu ihrem Quartier mit den anderen.

So war es immer schon gewesen und so glaubten sie würde es immer bleiben.

*.*.*.*

"Hattest du in letzter Zeit Kontakt zu den anderen?", fragte Fabian, um von ihrer Unstimmigkeit abzulenken.

"Nicht wirklich, ähm... Donika und ich haben uns scheiden gelassen und mit Sam und den anderen hab ich schon seit längerem nicht gesprochen", sagte Paul mit einem etwas wackeligen Lächeln,"Was ist mit dir?"

"Nee, ewig nicht mit irgendwem gesprochen. Aber ich hab's vor. Nächste Woche treffe ich mich mit Henry, willst du mitkommen?"

Pauls Augen waren etwas unfokussiert, vielleicht sogar etwas wässrig. Aber Fabian konnte nicht wissen, wie viel Henry und Sam der Scheidung beigetragen hatte. Nicht, dass es nicht die beste Entscheidung für alle gewesen war, aber schmerzhaft schon.

"Willst du etwas trinken? Ich hab Bier, Limo und Apfelschorle? Oder doch Kaffee?"

"Ich nehm einen Kaffee, danke", antwortete Fabian und es war ungewohnt, dass ihm diese Formalität herausgerutscht war. Es lag wohl am Zustand ihrer Freundschaft. Sie war ein wenig wie Silber, das wertvolle Material hatte zu lange im hintersten Schrank gelegen ohne hervorgeholt zu werden. Jetzt war es angelaufen.

Die kahlen Wände der Küche, in der Paul gerade mit der Kaffeemaschine hantierte, sagten wenig darüber aus, was in den letzten Jahren im Leben seines besten Freundes passiert war. Der gesamte Raum wirkte unpersönlich und weiß, als hätte jemand einen schlimmen Putzfimmel entwickelt. Bei allem was Fabian über Paul zu wissen glaubte, konnte er sich das schlecht vorstellen. Er hatte anderes erwartet. Ganz anderes. Aber das war in Ordnung, er würde Paul schon erinnern, was es bedeutete, jung zu sein.

Jung sein, wild sein, frei sein. Das verlernte man nicht so einfach. Paul kannte das Gefühl, das wusste Fabian, er musste sich nur daran erinnern, dass er es brauchte. Fabian nahm einen Schluck des Kaffes, den Paul ihm hinhielt, und begann zu planen. Ein Abenteuer, das brauchten sie.

*.*.*.*

Wie immer waren Fabian und Paul die letzten, die das Baumhaus, welches ihren üblichen Treffpunkt markierte, erreichten. Um die kleine erloschene Feuerstelle, die darunter lauerte, saßen die anderen und lachten schon. Die anderen waren Sam, Henry, Donika, Ruby und Chris. Sie saßen dort an einer verkohlten Feuerstelle, die schon immer da gewesen war, und lachten. Als Sam die anderen kommen sah sprang er auf und rief lauter als nötig gewesen wäre: "DA SIND SIE JA ENDLICH!"

Dann kam er auf sie zu und warf erst seine Arme um Paul, der etwas überrumpelt reagierte (obwohl Sam dies jeden Tag tat) und umarmte dann auch Fabian. Von den anderen erhob sich keiner, doch sie wanken sie zu sich und begrüßten ihre Freunde.

"Lass mich raten, Paul hat wieder verschlafen?", sagte Donika befreit, worauf Fabian lachte und Pauls Ohren rot wurden.

"Aber sicher doch! Hab ihn eigenhändig aus dem Bett geschmissen!"

Lange saßen sie dort um die verkohlte Feuerstelle herum, erzählten, lachten, lachten lauter und genossen ihre Ruhe. Die Bäume standen wohlwollend um sie herum, gaben ihnen Schutz vor argwöhnischen Blicken und ließen ihnen ihren Spaß und die letzten Sonnenstrahlen des Tages.

"Wisst ihr was jetzt genial wäre?", fragte Chris und klang begeistert,"Das Lagerfeuer anzumachen!"

"Aber wir kennen uns doch gar nicht mit sowas aus, was wenn es außer Kontrolle gerät und wir einen Waldbrand auslösen?", piepste Ruby ängstlich.

"Ehrlich gesagt finde ich die Idee ziemlich gut", murmelte Paul nach ein paar Minuten,"Ich hab mal einen Survival-Kurs mitgemacht. Wenn wir vorsichtig sind, dann kann eigentlich nichts schief gehen."

"Bist du sicher?", hinterfragte Henry und sah zweifelnd erst die Feuerstelle an und dann Paul.

*.*.*.*

"Also, hast du eine Idee, was wir machen könnten?"
Fabian hatte lange genug gesessen und Kaffee getrunken. Sie waren so oberflächlich miteinander, das ärgerte ihn ungemein.

"Um... Nein, ich hätte keine Idee, wie sieht es mit dir aus?", da war etwas wie Angst in Pauls Augen zu sehen, eine merkwürdige Mischung aus Angst und Vorfreude. Als würde er nicht in seine Kindesverhaltensweisen zurückfallen wollen, als wäre er darüber hinweg und wünschte sich doch nichts sehnlicher herbei. Das Problem war nur, dass Fabian nicht wusste, was an ihren vergangenen Abenteuern Paul heute Angst machte. Es war zwar oft etwas schief gegangen, aber sie hatten es immer geschafft zu ihren Fehlern zu stehen. Sie hatten sich nie gegenseitig beschuldigt. Chris, Henry, Donika, Sam, Ruby, Paul und Fabian selbst waren mehr als eine Familie, sie waren Freunde. Und für alle, die glaubten, Familie würde mehr bedeuten als das, die hatten noch keine Freundschaft erlebt, die so tief ging, wie die von den sieben.

"Du solltest mich besser kennen", grinste Fabian,"Ich habe immer eine Idee parat."

Damit stellte Fabian seine leere Kaffeetasse nieder, stand auf und ging Paul voraus durch das Haus, in dem er sich nicht auskannte. Ihre Freundschaft war vielleicht angelaufenes Silber, wahrscheinlich sogar stark angelaufenes, doch es war immer noch Silber. Immer noch wertvoll und vor allem persönlich.

"Hast du ein Auto? Gib mir die Schlüssel, ich fahre!"

Es war beruhigend zu wissen, dass Paul Fabian noch immer gut genug kannte, um nicht zu hinterfragen, was er vorhatte. Wenn man bei seinen Plänen einfach mitmachte und auf dem Weg versuchte die Katastrophen zu minimieren, dann wurde man am wenigsten verletzt. Paul wusste das aus Erfahrung. Er würde es immer wissen. So warf er Fabian die Schlüssel zu seinem Auto zu und stieg auf der Beifahrerseite ein. Pauls Auto war so unpersönlich wie der Rest des Hauses. Es war neu, groß, spießig, aber immerhin ein e-Auto.

*.*.*.*

"Was kann schon schiefgehen?", fragte Paul mit einem Grinsen, das er später nicht mehr oft tragen würde. Es war wild, jung und frei. Es war schön.

"Erm... Waldbrand?", schlug Fabian vor, doch es war offensichtlich, dass er nur Spaß machte und definitiv für die Idee mit dem Lagerfeuer war.

"Also ich vertraue dir, Paul!", meine Sam dramatisch und warf sich eine Hand auf die Brust.

"Wenigstens einer, ihr Idioten!", verkündete Paul schmunzelnd,"Sam, du bist jetzt mein bester Freund! Ich brauche dich nicht mehr, Fab."

"Ich meine, wir müssten sogar noch Marshmallows im Baumhaus haben", meinte Sam und kletterte die Strickleiter herauf wie ein Affe.

*.*.*.*

Die Fahrt wäre unangenehm still gewesen, doch Fabian hatte das Radio laut gedreht und sang mit, so dass selbst Paul seine laut schwirrenden Gedanken nicht hören konnte und nur aus dem Fenster starrte. Die Landschaft war ihm beängstigend bekannt. Sie erinnerte ihn genauso sehr an vergangene Zeiten, Freunde und Versprechen wie der grölende Mann neben ihm. Ein ungutes Gefühl machte sich in Pauls Magengegend breit, während sich Fabians Vorfreude nur zu steigern schien. 

Die Felder, die am Fenster vorbei zischten, wurden weiter und schon bald war eine kleine Stadt Mitten im Nirgendwo zu erkennen. Es war die Stadt, in der die beiden zusammen aufgewachsen waren. Deutlich war zu erkennen, dass es ein Dorf der Friedlichen war. Die Häuser waren klein, persönlich und die Menschen kannten einander. Die meisten besaßen nicht viel Geld, aber umso mehr Liebe und Lebensfreude und nur vereinzelt waren Menschen zu erkennen, die von Stress und Hektik gezeichnet waren.

Wie hatte aus einem Menschen, der unter solch warmherzigen Umständen seine Kindheit verbracht hatte, ein Mann wachsen können, der so unpersönlich und hektisch verweilte, ein Leben lebte, welches von Stress und Geld kontrolliert wurde. Sollte er es nicht besser wissen? Aus diesem Grund waren sie hier, hatte sich Fabian überlegt. Sie würden sich erinnern, was es bedeutete jung und frei und sorglos zu sein.

Denn zum Glück wusste Fabian wie man angelaufenes Silber wieder glänzen ließ, man legte es in Salzwasser und Aluminiumfolie ein. Oder im übertragenen Sinne, Erinnerungen eingelegt in Gefühlen und einem guten Anteil an Sarkasmus und Sentimentalität würde eine wahre Freundschaft wieder zum glänzen bringen.

Zu Pauls Verwunderung und Erleichterung hielt Fabian jedoch nicht direkt in ihrer früheren Heimat, sondern nahe des Waldrands. Die Blätter strahlten in einem willkommen heißenden grün, doch die Bäume tauerten über ihnen wie die Wächter des Waldes, die sie waren.

"Was wollen wir hier?", fragte Paul schließlich, als sie aus dem Auto ausgestiegen waren und den Wegesrand begutachteten. Es hatte sich alles und nichts verändert.

"Uns erinnern", schmunzelte Fabian, hielt einen unhöflichen Ast zur Seite und deutete eine sarkastische Verbeugung an,"Nach Ihnen, Mister!"

Moos und Blätter bedeckte den Boden, der unzufrieden knirschte bei jedem Schritt, den Paul und Fabian darauf machten. Paul konnte sich nicht daran erinnern, dass dies der Fall gewesen war, als sie Kinder waren. Aber wahrscheinlich hatter er damals einfach nicht die Zeit gehabt sich auf derartige Geräusche und die Gefühle, die sie bei ihm auslösten, zu fokussieren. Doch Fabian schwieg während der Wald protestierte.

"Ich war seit Ewigkeiten nicht mehr hier", gestand Paul irgendwann, einfach, um irgendetwas sagen zu können. Fabian lachte.

"Ich auch nicht, aber ich hab auch nicht unbedingt jemanden hier, den ich besuchen kann."

"Ich auch nicht mehr. Mom ist vorletztes Jahr gestorben, seit dem hatte ich keinen Grund zurückzublicken."

Daraufhin blieb Fabian plötzlich stehen und drehte sich mit entsetztem Blick zu Paul um, der hinter ihm gegangen war.

"Scheiße, das wusste ich nicht. Ich wünschte, ich hätte für dich da sein können."

"Ist schon okay", Paul lächelte etwas gequält,"Ich habe ja nichts gesagt. Und damals war Donika noch da."

"Was war überhaupt mit Donika?", wechselte Fabian plötzlich das Thema,"Warum habt ihr euch scheiden lassen?"

Inzwischen waren sie bei dem alten Baumhaus angekommen, die Feuerstelle darunter etwas verwüstet, aber nicht anders als sie sie das letzte Mal gesehen hatten.

*.*.*.*

Das Feuer vorzubereiten dauerte nicht lange, was überraschend war. Ruby sah Paul skeptisch zu, wie er das von Chris und Henry gesammelte Holz wie ein Tipi aneinander lehnte und dann etwas trockene Blätter und kleine Ästchen darunter stopfte. Jetzt fehlte nur noch die eigentliche Flamme. Als wäre es die Fackel der Olympischen Spiele überreichte Sam Paul sein Feuerzeg, welches dieser grinsend entgegen nahm.

Das gesammelte Unterholz entzündete sich ziemlich schnell, weshalb Paul zischend seine Hand zurück zog, als die Flammen sie streiften. Doch abgesehen von der kleinen Brandblase, die sich jetzt an seinem Mittelfinger bildete, hatte das Lagerfeuer ziemlich gut funktioniert, wie Paul zufrieden feststellte und allen laut mitteilte. Zudem war es der perfekte Zeitpunkt, denn die Sonne hatte den Tag gerade der Dunkelheit übergeben und auch wenn es keiner von ihnen je zugegeben hätte, in der Nacht in Mitten des Waldes zu sitzen und keine Lichtquelle zu haben war ziemlich gruselig. Aber keiner von ihnen hatte Motivation schon nach Hause zu gehen. Durch das Lagerfeuer konnten sie weiter Späße machen, lachen und die Gegenwart genießen. Immerhin konnte keiner von ihnen wissen, wie die Zukunft aussehen würde.

"Was haltet ihr davon, wenn wir uns etwas schwören?", schlug plötzlich Fabian vor, der nun schon seinen siebten Marshmallow über das orange-rot züngelnden Flammen hielt und ein Frösteln unterdrückte, als die Nacht näher an die Gruppe herankroch.

"Was willst du denn schwören?", fragte Donika verwundet,"Dass wir dieses Feuer nie vor unseren Eltern erwähnen? So viel ist schon klar."

"Nein, nein! Wir schwören uns, dass wir niemals alt werden, wie Peter Pan!"

"In irgendeiner Angeblich-Originalversion hat Peter Pan all seine Nachfahren getötet, als die noch Babys waren, um ihre Jugend zu besitzen", informierte Chris sie. Schweigen entstand,"Ich mein ja nur!" Abwehrend hob Chris beide Hände und stopfte sich dabei einen Marshmallow in dem Mund.

"Ich tu mal so, als hättest du nichts gesagt. Aber lass uns schwören, dass wir niemals so alt und öde und spießig werden, wie meine Eltern."

"Ehrlich gesagt finde ich die Idee sogar gut", stimmte Sam zu,"Es muss ja nicht wie Peter Pan sein." Er warf Chris einen bösen Blick zu, der unschuldig die Schultern zuckte. Auch die anderen stimmten Fabian und Sam zu.

Zufrieden wollte Fabian noch einen Holzscheit in die Flammen werfen, traf aber ungeschickt, worauf das brennende Tipi umkippte und der Waldboden Feuer fing.

"Fuck!"

*.*.*.*

"Es hat einfach nicht gepasst, mit Donika und mir", antwortete Paul ausweichend und ließ sich auf einem der Baumstammbänke nieder, die die Feuerstelle umkreisten.

"Ich hatte immer das Gefühl ihr wärt glücklich zusammen."

"Nun ja, wir sind gute Freunde, aber das war's leider. Donika hatte eine Affäre."

Mit großen geschockten Augen ließ sich Fabian neben Paul plumpsen und dreht sich zu ihm.

"Und ich bin schwul", ergänzte dieser.

Fabians Augenbrauen schossen in die Höhe, dann zierte wieder ein kleines Grinsen sein Gesicht.

"Das erklärt auf jeden Fall die Scheidung."

*.*.*.*

"Oh verdammt. Verdammt, verdammt, verdammt! Was machen wir denn jetzt!?"

"Wir müssen die Flammen austreten bevor schlimmeres passiert!"

Genau das taten sie auch. Wie eine Mischung aus verrückt gewordenen Hühnern und Hexen bei einem Ritual der Dämonenbeschwörung hüpften und strampelten sie verzweifelt die bedrohlich flackernden Flammen nieder bis nur noch eine leicht glühende Schwärze am Boden daran erinnerte, dass ein Feuer außer Kontrolle geraten war und selbst dann hörten sie nicht auf.

Dümmlich standen sie danach in der Dunkelheit herum, die Bäume ragten missbilligend über ihnen und der Mond schmunzelte leicht, als er die jugendliche Wildheit bedachte. Plötzlich ging ein Licht an. Es war Fabian, der seine Handytaschenlampe angeschaltet hatte, einen Moment sahen sie alle einander an.

Dann brachen sie in schallendes Gelächter aus.

*.*.*.*

Als Fabian Paul die vorherige Woche kontaktiert hatte, um sich mit seinem besten Freund zu treffen, da hatte wohl keiner erwartet, dass sie an einem Ort, an dem sie einmal fast einen Waldbrand gestartet hatten über Pauls Beziehungsprobleme redend enden würden. Doch Fabian war ungemein froh darüber. Es zeigte ihm, warum Paul und er immer so gute Freunde gewesen waren und leider auch, warum sie sich auseinander gelebt hatten. Sie waren immer Ehrlich gewesen und hatten immer über ihre Fehler lachen können.

Auch Paul hatte nicht erwartet, dass irgendwann nochmal der Tag kommen würde, an dem er seinem besten Freund erzählte, was aus ihm geworden war und darüber lachen konnte. Doch er konnte lachen. Laut und wild und frei und jung.

"Das traurigste und witzigste ist ja, dass weder Donika noch ich jemanden kennen lernen mussten, um zu realisieren, dass wir nicht zusammen gehören!", erzählte er gerade Fabian. Beide hatten Tränen in den Augen. Lachtränen.

"Was meinst du denn jetzt damit schon wieder?", lachte Fabian,"Warum solltet ihr jemand andren' brauchen, um zu kapieren, dass ihr einander nicht liebt?"

"Nun, eigentlich haben wir ja einander betrogen, deswegen können wir's dem anderen nichtmal übel nehmen. Aber ich kenne ihre Affäre persönlich und sie kennt meinen Ex. Um genau zu sein, kennst du sie auch beide!"

"Als ob! Raus mit der Sprache, Paul, wer ist es!?"

"Henry und Sam!"

"Oh mein Gott", stöhnte Fabian belustigt und schlug sich die Hand vor die Stirn,"Ich bin wirklich blind oder? Rückblickend ist das so offensichtlich! Du hast immer viel mit Sam gemacht und Donika mit Henry, ich hab nur nie bemerkt, dass da mehr als Freundschaft war."

*.*.*.*

Das Haus wirkte leer und einsam als Paul am Abend zurückkehrte. Aus diesem Grund hatte er sich mit seinem nicht-wirklich-Feierabendbier in den Garten verzogen. Es war nicht unbedingt weniger einsam hier draußen, aber er konnte die Glühwürmchen sehen, wie sie im Garten immer wieder aufleuchteten und der Mond, der oben am Himmel hing und sie beobachtete.

Der Tag mit Fabian war schön gewesen. Schön und bekannt und bis zu einem gewissen Grad ungeplant. Es hatte ihm die Augen geöffnet, dass er sein Leben verändern musste. Er wollte wieder frei sein und nicht in einem spießigen Leben gefangen sein, das nicht zu ihm passte. Er würde beginnen die kahlen Wände, die seinen Alltag darstellten, mit Farbe zu besprenkeln und mit Bildern zu bekleben, bis er sich wieder wohl fühlte, wenn er von ihnen umgeben war. Und er wusste genau, wo er anzufangen hatte.

Entschlossen packte er das Telefon in seiner Hand fester, wählte eine bekannte Nummer, von der er betete, dass sie sich nicht verändert hatte und hielt es sich ans Ohr. Es tutete.

"Hallo?", fragte eine ihm nur allzu bekannte Stimme verwundert und er musste sich zusammenreißen, dass ihm keine Tränen in die Augen schossen. Er hatte ihn vermisst, verdammt.

"Hey Sam, hier ist Paul."

*.*.*
Tell me, do you
Tell me do you still remember feeling young
Strong enough
To get it wrong
In front of all these people.

~ Fearless ~
Louis Tomlinson

3901 Worte

Dies ist eine kleine Kurzgeschichte, die auf dem Song "Fearless" von Louis Tomlinson aufbaut... irgendwie.
Schreibt gerne jegliche Kritik und Verbesserungsvorschläge in die Kommentare!
Ich hoffe, dass euch die Geschichte gefallen hat. :)

LG
Moony

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