Kapitel 18

„Aber sie sagten selbst, dass ich hier nicht hingehöre!", rief ich verzweifelt. „Wieso kann ich dann jetzt nicht wechseln?"

„Weil das hier kein Wunschkonzert ist Ms. Moriel!", fuhr Trainer Nolan mich genervt an. „Sie haben laufen gewählt und nun warten Sie bis das Halbjahr zu Ende ist! Basta!" Er machte eine schneidende Handbewegung, drehte sich um und blies in eine schrille Trillerpfeife. Einige der Schüler verzogen schmerzhaft das Gesicht und pressten die Hände an ihre empfindlichen Ohren. „Startlinie!", bellte er und alle setzten sich in Bewegung.

„Moriel!" Ich fuhr zusammen, er hatte sich nicht mal wieder zu mir umgedreht.

„Sie sind die Erste, die in den Parkour startet." Mit diesen Worten ließ er mich stehen.

Ich spürte wie jegliche Farbe mein Gesicht verließ.

Oh Gott... sie würden mich in der Luft zerfetzen. Als wäre es nicht schlimm genug, dass ich als einzige Fliegerin nicht weiter bei der Suche nach Marissa helfen konnte. Alle starrten mich, an als ich ganz nach vorne an die Startlinie trat. Daniel stand ganz hinten.

Er war diesmal der Einzige, der mich nicht anstarrte.

Ich entdeckte Delilah in der fünften Reihe und huschte schnell zu ihr.

„Woher weiß ich wo ich lang muss?!", zischte ich leise voller Panik. Sie schmunzelte.

Sie hatte ihr beinahe weißes Haar zu einem strengen Zopf zusammengebunden.

„Lass sie dich überholen, am Anfang ist der Weg sehr deutlich, aber..." „Nach vorne!", knurrte Nolan und ich huschte schnell auf meinen Platz. Er feuerte einen Startschuss ab. Es dauerte eine Sekunde bevor ich mich vom Boden abstieß und losrannte. Schnell war ich von finsteren und dicht beieinander gewachsenen Bäumen umgeben.

Die Äste hingen teilweise gefährlich tief. Mogeln und meine Flügel nutzen, war hier nicht drin.

Ich rannte zunächst schnell über den unebenen von hohen Wurzeln durchwachsenen Boden, bis Trainer Nolan mich nicht mehr sehen konnte. Der nächste startete schon wenige Sekunden nach mir und holte mich auch in Windeseile ein. Immer mehr und mehr liefen an mir vorbei. Bis ich dachte das keiner mehr kommen konnte. Cassandra grinste diabolisch als sie an mir vorbeiflog, dicht gefolgt von Delilah. Noch einige rannten an mir vorbei und ich versuchte sie weiter im Auge zu behalten, doch der Weg war so gewunden und durchwachsen, dass ich schnell wieder orientierungslos weiter rannte.

„Es tut mir leid.", ertönte es plötzlich neben mir und ich schrie vor Schreck kurz auf. Quietschen konnte man es wohl eher nennen. Daniel lief plötzlich neben mir.

„Was?", stieß ich atemlos hervor.

Er hielt mühelos meine Geschwindigkeit.

„Das ging zu weit. Ich wollte dir keine Angst machen. Manchmal habe ich darüber keine... Kontrolle." Ich konnte sehen, wie schwer es ihm fiel diese Worte auszusprechen.

„Was du gemacht hast war echt cool." Er lachte.

„Damit hätte ich nicht gerechnet. Ich hatte es verdient."

Ich blieb stehen. Er rannte erst weiter, bis er es bemerkte und blieb dann überrascht ebenfalls stehen.

„Wieso hast du mich überhaupt angerempelt?", fragte ich, und man hörte meinen Ärger. Ich versuchte angestrengt nicht wie ein motziges Kind zu klingen. „Du warst echt arschig, ohne mich zu kennen und hast mich dann auch noch verletzt." Ich hielt ihm meine aufgeschürften, allerdings auch schon fast verheilten, Handflächen entgegen.

„Und wenn ich zurück schlage entschuldigst du dich?", fragte ich verwirrt. Er atmete tief durch und fuhr sich durch das dunkle Haar.

„Wir fallen ganz schön zurück, Engelchen."

„Lenk nicht ab. Und nenn mich nicht Engelchen, das ist als würde ich dich Wölfchen nennen. Oder Wolfi."

Daniel zuckte sichtlich zusammen. Ich zog eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme vor der Brust.

„Ist es...Ist es wegen Sarah?" Etwas flackerte in seinem Gesicht auf. Hunderte von Gefühlen spiegelten sich, in Sekundenbruchteilen, darauf wider. Dann senkte er den Blick und nickte nur.

„Was weißt du darüber?", fragte er leise.

„Nicht viel.", gab ich zu.

„Ich weiß, dass ihr Freunde wart,- und dass ihr ein schlimmer...Unfall widerfahren ist." Ich versuchte meine Worte mit Bedacht zu wählen, allerdings ohne Erfolg.

„Unfall!", wiederholte er mit höhnischem und trocknem Lachen. Er drehte sich um und lief langsam weiter. So langsam, dass ich mit Leichtigkeit mithalten konnte.

„Ich weiß, dass du für das, was geschehen ist nichts konntest.", wagte ich zu sagen. Seine Miene verfinsterte sich, er behielt sein Tempo bei,- sah nur eine Sekunde lang zu mir.

„Sie war meine Familie...", sagte er.

Ich hörte die Trauer in seiner Stimme und wollte die Wunde nicht weiter aufreißen.

Wir beschleunigten das Tempo, doch er blieb neben mir, ließ mich nicht alleine durch den verregneten Wald laufen.

„Wieso hat Trainer Nolan dich eigentlich letztes Mal beiseite genommen?", fragte ich, um die Stimmung hoffentlich zu lockern. Er blies die Wangen auf und wurde wieder etwas langsamer.

„Er fragte mich, ob ich diesen Geruch auch wahrnehme." „Welcher Geruch?"

„Heute geht es wieder, doch letztes Mal war der Geruch nach Schwefel...und nach irgendwas anderem, echt extrem.

Ich denke, dass nur wir Werwölfe es wahrgenommen haben. Vermutlich war dieser Geruch und was auch immer ihn begleitet hatte, auch der Grund für meine Gereiztheit. Natürlich entschuldigt es nicht was ich getan habe. Aber Nolan war auch gereizter als sonst.", nachdenklich zog er die Augenbrauen zusammen und beschleunigte dann wieder etwas. Was wenn das was die Werwölfe den Tag zuvor wahrgenommen hatten mit Marissas verschwinden in Zusammenhang stand? Was, wenn es dieser Dämon gewesen war, der uns bereits aufgelauert hatte. Dieser Gedanke war mehr als beunruhigend, doch wenn die Wölfe es wahrnahmen, waren wir nächstes Mal vielleicht gewarnt.

„Und was war mit unserer ersten Begegnung? Was für eine Laus war dir da über die Leber gelaufen? Auch der Geruch von Schwefel?", stichelte ich.

Er seufzte. „Schön, da war ich einfach ein Arsch." „Und in Alchemie?" „Ja, da auch. Ich schätze, seit Sarah nicht mehr da ist...Es ist schwer, sich hier einzufügen, wenn alle dich für ein Monster halten. Wenn alle ein Monster, oder ein Arschloch in dir sehen...Dann glaubt man das irgendwann selbst und wird auch dazu." Ich lief einen Augenblick lang bloß schweigend neben ihm her.

„Und was ist jetzt anders?"

„Ich weiß es nicht. Ich schätze du, oder irgendwas anderes...hat mich einfach daran erinnert, dass ich so nicht sein möchte,- und eigentlich auch nicht so bin."

Mir fehlten die Worte...es fiel mir schwer, einfach zu glauben, dass er nun nicht mehr der Daniel sein sollte, der seit dem ersten Tag bloß gemein und herablassend mir gegenüber gewesen war und der mich so rücksichtslos in den Dreck geworfen hatte.

Doch ihm war furchtbares widerfahren, und ich wollte ihm glauben.

„Entschuldigung angenommen.", antwortete ich also nach einem weiteren Augenblick der Stille.

Daniel atmete sichtlich auf und warf mir ein flüchtiges, dankbares Lächeln zu.

„Komm.", drängte er dann.

„Wir sind schon viel zu weit zurückgefallen." Ich legte mich ins Zeug und zwang meine Beine sich seinem Tempo, das er netterweise bereits drosselte, anzupassen. Irgendwann schien er die langsame Geschwindigkeit nicht mehr aushalten zu können.

Er packte mich am Handgelenk und zog mich vorwärts. Wir wurden zwar schneller, doch ich hatte Mühe auf dem unebenen Waldboden das Gleichgewicht bei der Geschwindigkeit zu halten. „Daniel, ich kann nicht so schnell! Du musst nicht mit mir zurückfallen!", keuchte ich.

Er lachte. „Nein, wir ziehen das jetzt zusammen durch. Das letzte Mal habe ich dich gebremst, diesmal bringe ich dich voran." „Daniel, ich verzeih dir ja! Bitte lauf einfach!" Sein Griff um mein Handgelenk wurde fester. „Komm schon, lahme Ente!", sagte er bloß und zog mich immer weiter bergauf durch den dichten Wald. Als wir den Scheitelpunkt des Hügels erreicht hatten ließ er mich endlich los. Atemlos blieb ich stehen und beugte mich vornüber. „Daniel...das ...war...zu viel.", japste ich.

Er lachte bloß, packte mich bei den Schultern und richtete mich auf. Er wies vor uns. Unterhalb des Hügels, den wir gerade erklommen hatten, lag ein Bergsee. Er war umringt von Bäumen und Hügeln. Es war als hätte die Natur versucht diesen See vor dem menschlichen Auge zu verstecken. Vor uns endete der Hügel beinahe abrupt. Es ging steil runter, so, dass man mehr klettern, als rennen musste.

Die anderen hatten es schon nach unten geschafft und die ersten waren gerade dabei den See zu durchqueren.

„Wir müssen schwimmen?!", rief ich empört und wollte mich schon kraftlos zu Boden sinken lassen, doch Daniel hielt mich stur aufrecht, die Lippen zu einem verschmitzten Lächeln verzogen. „Du würdest ein Monster doch nicht entwischen lassen, nur um nicht nass zu werden, oder?" Ich schluckte. „Sehe ich so aus, als könnte ich ein Monster jagen? Und sind wir nicht irgendwie auch Monster?" „Uff!", keuchte er und packte sich gespielt verletzt an die Brust.

„Autsch."

„Sorry, du weißt wie ich das meine. Kann ich nicht einfach über den See fliegen?"

Er zog die brauen hoch, richtete sich auf und verschränkte die Arme vor der Brust. „Dann hättest du nicht den Laufkurs wählen dürfen." Ich seufzte resigniert. „Ich weiß...", gab ich mich geschlagen. „Komm jetzt, selbst die Letzten sind gleich am See! Ich habe keine Lust Letzter zu werden!"

„Vorletzter.", korrigierte ich.

Er verdrehte die Augen.

„Oh, jetzt schau genau hin!" Er wies runter zum See und ich beuge mich vor um besser sehen zu können. Delilah hatte nun das Ufer erreicht. Sie blieb stehen, und die die hinter ihr herrannten kamen ebenfalls schlagartig zum Stehen.

„Was passiert da?"

„Pass auf." Er ging in die Hocke, gleich am Abgrund.

Wir beobachteten wie die verbliebenen Schwimmer das andere Ufer erreichten, woraufhin Delilah sich vorbeugte und ihre Handfläche auf den See legte. Die anderen vier Läufer gingen bereits auf Startposition. Der Fairness wegen, hatten sie kleine Abstände zu ihrem Vordermann gelassen. Ich bewunderte ihr sportliches Verhalten.

Sobald Delilahs Hand das Wasser berührte begann die Oberfläche zu gefrieren. Das Eis dehnte sich aus und erreichte rasend schnell die andere Seite des Sees und bedeckte ihn dann ganz. Die anderen rannten los, ehe Delilah sich aufrichteten konnte. Doch sie war schneller und nun rasten sie über das Eis.

Ein Junge kam ins schlittern und rutschte aus, doch das interessierte keinen.

„Wow."

Daniel nickte zustimmend und sah mich dann aus seinen Waldgrünen Augen skeptisch an. Er kratzte kurz an der Narbe in seinem Gesicht und ging dann an mir vorbei zurück. Jedoch nicht ohne mich mitzuziehen.

„Was soll das werden...?"

„Wir müssen weiter.", sagte er.

„Schon klar, aber müssen wir dazu nicht in die andere Richtung?" Dieses freche Grinsen erschien wieder auf seinem Gesicht.

„Wir werden etwas tricksen um aufzuholen.

„Aber...", verwirrt sah ich mich um, als läge dort irgendwo die Lösung.

Er drehte sich wieder Richtung See, beugte sich vor, streckte die Arme nach hinten aus und winkte mich dann mit den Fingern zu sich.

„Auf keinen Fall.", weigerte ich mich.

„Komm, stell dich nicht so an."

„Du wirst mich ganz sicher nicht tragen. Ein wenig Würde habe ich noch."

„Wir sind extrem weit zurückgefallen! Wenn wir zu schlecht sind dürfen wir den Kurs wiederholen. Möchtest du das?"

Ich schluckte. Ich wollte nichts lieber als raus aus diesem verdammten Kurs.

„Na schön.", gab ich mich geschlagen und sprang auf seinen Rücken. Ich schlug kurz mit den Flügeln, um leichter hoch zu kommen. Daniel war zwar nicht so riesig wie Lucian, jedoch trotzdem nicht gerade klein. Sicherlich war er mindestens 1,90 groß.

Ich klammerte mich an ihn und er verschränkte meine Beine vor seinem Bauch und gab mir mit einem klopfen auf den Fuß zu verstehen, dass ich mich mit den Beinen noch fester halten soll. „Wird schon schiefgehen." „Was...!?" Da rannte er ohne Vorwarnung los und der Wind pfiff mir um die Ohren.

„Breite die Flügel aus!", rief er und sprang mit einem gewaltigen Satz über den Abgrund.

Ich schrie und fluchte und schaffte es gerade noch im rechten Moment meine Flügel auseinander zu reißen und so weit zu spreizen und zu strecken wie möglich, um unseren Sturz aufzufangen.

Sein Gewicht zog mich unsanft nach unten und ich stöhnte vor Anstrengung beim Versuch ihn festzuhalten.

Ein Aufwind erfasste meine Flügel und wir glitten den Hügel hinab Richtung See. Die letzten hatten das Eis verlassen und am Rand begann es bereits zu schmelzen. „Verdammt, Daniel!", schrie ich und wir kamen unsanft kurz vor dem Ufer des Sees am Boden auf.

Stolpernd kam er zum Stehen und ich klammerte mich fest an ihn.

Mit zitternden Knien rutschte ich von seinem Rücken.

„Du hättest uns umbringen können!", rief ich aufgebracht.

Daniels Schultern bebten, was mich kurz verunsicherte, doch da warf er den Kopf in den Nacken und begann lauthals zu lachen. Seine weißen Zähne blitzen und Seine Augen glühten wölfisch.

Er fuhr sich durch das dunkle Haar und breitete die Arme aus. „Das war unglaublich!", jubelte er. „Wir sind geflogen!"

Ich blinzelte.

Für mich mochte das Fliegen vielleicht schon etwas mehr an Normalität gewonnen haben, doch für Daniel war es das erste Mal gewesen. Ein besonders risikoreiches, seltsames, erstes Mal.

Ich beschloss, mich nicht weiter aufzuregen. Immerhin hatten wir, so unglaublich es auch war, seine riskante Aktion überlebt. Also gab ich mir einen gewaltigen Ruck.

„Komm schon, wir müssen los! Das Eis schmilzt schon!", wechselte ich kurzerhand die Rolle, so dass nun ich diejenige war, die ihn am Handgelenk packte und vorwärts zog.

„Ja Ma'am!", erwiderte er kichernd und rannte mit mir los. Seine Reaktion war so albern das auch ich mir ein Grinsen kaum noch verkneifen konnte.

Es dauerte nicht lange, da war er es bereits wieder, der mich vorwärts zog. Jedoch ließ ich es diesmal bereitwilliger über mich ergehen. Solange wir über das Eis rannten, hatte ich genug Platz, um meine Flügel als kleinen Antrieb zu verwenden.

Es war kniffliger es bewusst zu tun, im Gegensatz zum letzten Mal, doch es gelang mir schnell genug zu werden um Daniels Hand abzuschütteln. Kurz bevor wir die andere Seite des Ufers erreicht hatten, begann das Eis bereits zu knirschen.

„Schneller!", rief ich ihm erschrocken zu.

„Es bricht!"

„Auch schon bemerkt?!", blaffte er und überholte mich.

„Los flieg!", rief er, als das Eis hinter uns zu brechen begann.

Ich fluchte und begann meine Flügel neu auszurichten, damit sie mich nach oben trugen. Solch einen Start vom Boden hatte ich noch nicht oft versucht.

Meine Flügel brachten mich nach oben, kurz bevor das Eis krachend unter mir zerbarst. Daniel rannte wie der Teufel. Das Eis am Ufer war bereits geschmolzen.

Er würde springen müssen.

Ich war mir nicht sicher ob er es schaffen würde, also segelte ich eilig über ihn und packte ihn in dem Moment als er sich abstieß. Ich verlängerte seine Sprungweite und ließ ihn los, sobald wir über festen Boden waren und landete einen Meter vor ihm.

Ich wollte mich umdrehen um zu fragen ob alles in Ordnung war, doch da waren seine Hände zwischen meinen Flügeln und schoben mich vorwärts. „Weiter, Weiter! Da hinten sind die letzten! Die kriegen wir!" Er machte den Eindruck, als hätte ihm diese bisherige Tortur nicht das geringste ausgemacht.

Ich schnaufte und zwang mich, meine verbliebene Kraft aufzuwenden und versuchte, den letzten Rest an Adrenalin zusammenzukratzen um ihn in meine Beine zu stecken.

„Los, schnapp sie dir Tiger!", rief ich atemlos, doch er lachte bloß und rannte weiter neben mir her.

Meine Haare klebten mir vom Schweiß an Stirn und Nacken und ich spürte wie kleine Tropfen meine Schläfe hinabrannen.

Wir liefen nicht lange auf einem erkennbaren Weg. Irgendwann verlief die Strecke nur noch scheinbar wahllos durch den Wald. Ohne Daniel wäre ich vermutlich längst verloren gegangen.

Als der Wald sich lichtete und ich meine Flügel einsetzten konnte, schafften wir es drei der vier Nachzügler, die zuvor hinter Delilah übers Eis gerannt waren, einzuholen. Von Delilah war allerdings nichts mehr zu sehen. Als ich kurz davor war einfach aufzugeben und am Boden zusammenzubrechen warf mich Daniel kurzerhand über seine Schulter.

Ich protestierte und meine Flügel streiften den Boden, doch er beschleunigte immer weiter und wir überholten einen nach den anderen. Darunter die giftig dreinblickende Cassandra. Ihre blonden Haare waren noch nass vom See, doch auch Delilah schien sie überholt zu haben. Einige regten sich tierisch über die Mogelei auf, doch Daniel ignorierte sowohl sie, als auch mich.

Von dem stetigen auf und ab und dem Druck seiner Schulter in meine Magengrube wurde mir langsam schlecht.

Ich klammerte mich, aus Angst er könnte mich fallen lassen, so gut es ging an ihm fest. Meine Flügel flatterten, nutzlos wie zwei Fähnchen im Wind, hinter uns her und versperrten mir die meiste Sicht.

Als das Ziel in Sichtweite kam, setze er mich ab.

„Sie werden uns verpfeifen!", rief ich aufgebracht hinter Daniel her, der nun keine Rücksicht mehr auf meine Geschwindigkeit nahm. Er winkte bloß ab und rannte nun mit voller Geschwindigkeit Richtung Ziel. Ich konnte Delilah erkennen. Sie hatte die Ziellinie noch nicht ganz erreicht, war allerdings auch nicht die erste. Nur noch Delilah stand zwischen Daniel und der Ziellinie und er kam ihr gefährlich schnell näher. Einige der anderen hatten sie wohl darauf aufmerksam gemacht, denn sie warf gehetzt einen Blick über die Schulter und schien ihre letzte Kraft zu bündeln um ihren Platz beibehalten zu können. Allerdings vergebens.

Daniel rauschte kurz vor dem Ziel an ihr vorbei.

Ich wurde noch von zwei Läufern überholt, doch das war mir egal. Er hatte mich die letzten Meter dann doch alleine gelassen, doch das war nicht wichtig. Trainer Nolan durfte nicht sehen, dass er sein Tempo die ganze Zeit um meinetwillen gedrosselt hatte.

Ich war so froh und dankbar, dass er mich nicht allein gelassen hatte. Und nur dank ihm war ich nicht als letzte ins Ziel gekommen. Die drei Nachzügler kamen schwer keuchend, so wie ich, nach mir im Ziel an und warfen sowohl mir als auch Daniel teilweise böse, aber auch beeindruckte Blicke zu.

Delilah gratulierte Daniel steif mit einem verbissenen Lächeln.

Als sie mich entdeckte wurde ihr Lächeln wärmer.

Unsere Aktion brachte uns dennoch einige giftige Blicke ein.

Besonders den von Cassandra, die mich wütend anfunkelte.

Ich ahmte so gut wie möglich das Grinsen nach, dass sie mir zugeworfen hatte, als sie zu Beginn an mir vorbei gerauscht war.

Sie wirkte daraufhin so wütend, dass ich fast fürchtete ihr Blick könnte mich umbringen.

Doch darin lag nicht bloß der Ärger gegen mich verloren zu haben, nein, ihr kurzer Blick zu Daniel ließ mich schließen, dass auch Eifersucht eine Rolle spielte. Ich sah zu Daniel hinüber der mit einem wölfischen Lächeln mit jenen sprach die wir überholt hatten. Einige nickten verängstigt, während die anderen den Blick senkten.

Das mit dem verpfeifen hatte sich wohl geklärt.

Ich sah wieder zu Cassandra, deren Blick nun ebenfalls auf Daniel ruhte.

Er war wohl doch nicht so verhasst und gefürchtet wie er geglaubt hatte.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top