Kapitel 16
Ich schlief nicht lange.
Ich hatte einen sehr leichten Schlaf und wurde von einem scheppernden Geräusch geweckt.
Ich fuhr hoch.
Mein Magen zog sich vor Schreck zusammen.
Mein Herzschlag war beschleunigt. Ich atmete tief durch, um wieder runter zu kommen. Ich sah auf die Uhr auf meinem Nachtschränkchen.
3 Uhr morgens...
Ich hörte nochmal ein leises Scheppern. Es kam von unten.
Hatte Lucian die Balkontür vielleicht offengelassen? Oder war er noch immer nicht zurück? Langsam schob ich die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Die Dunkelheit bereitete mir Unbehagen, und ich zwang mich, nicht zu lange auf dunkle Ecken zu schauen. Ich trug nur eine kurze schwarze Schlafhose und ein Shirt von meiner Lieblingsband bring me the horizon.
Wenn es nicht Lucian war, sollte ich zumindest die Tür schließen. Langsam öffnete ich meine Zimmertür. Der Flur war stockduster. Selbst der Mond war von den Wolken bedeckt, so dass mir das Fenster kaum Licht spendete. Aus Angst jemand könnte durch das Licht wach werden huschte ich im Dunkeln den Flur entlang.
An der Treppe blieb ich stehen. „Lucian?", zischte ich leise.
Keine Antwort. Die Tür schepperte wieder, als sie auf und zu schlug. Es wunderte mich, dass die anderen davon nicht wach geworden waren. Ich schlich die Stufen vorsichtig herunter und verzog bei jedem Knarren das Gesicht. „Lucian?", flüsterte ich nochmal etwas lauter in die Dunkelheit.
Ein kalter Schauer durchfuhr mich. Es war furchtbar kühl geworden. Ich legte die Arme um meinen Körper und tappte vorsichtig auf den Balkon zu. Der Mond war noch immer von dicken finsteren Wolken verborgen.
Ich unterdrückte ein Aufstöhnen, als ich im Dunkeln gegen den Sessel stieß und tastete nach dem Türgriff. Ich sah kurz nach draußen in die Nacht. Kein Licht,- keine Wärme die mir sein Kommen oder seine Nähe verriet. Also Schloss ich die Tür mit einem leichten Ruck und drehte mich langsam wieder um. Die Arme vor dem Körper ausgestreckt. Ich hätte eigentlich ruhig hier unten Licht anmachen können. Doch nun musste ich nur noch hochlaufen, das würde ich auch im Dunkeln schaffen.
Meine Augen waren noch viel zu müde für helles Licht. Lucian muss vergessen haben die Tür richtig zu schließen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er noch immer nicht zurück war. In dem Fall würde ich mir wirklich Sorgen machen, wo er die ganze Nacht wohl abgeblieben war. Ich machte die Augen automatisch groß, um mehr zu erkennen und tastete mich mit leicht ausgestreckten Armen zur Treppe vor. Diesmal auch ohne irgendwo gegen zu stoßen. Die Tür war nun zwar geschlossen, aber es schien dennoch immer kälter zu werden. Ich erstarrte.
Unter der Treppe funkelte etwas. Ich bekam eine Gänsehaut und mein Puls beschleunigte sich. Zwei funkelnde Punkte. Sie schienen mich anzusehen. Fast wie Augen. Sie schimmerten leicht. Das musste Einbildung sein. Es war so dunkel und ich war noch so müde, dass ich mir Dinge im Dunkeln einbildete. Das war normal. Es wurde immer kälter, doch ich konnte nicht aufhören die zwei funkelnden schwarzen Punkte anzustarren. Und sie starrten zurück. Dann verschwanden sie. Beide gleichzeitig. Ich atmete tief aus.
Der Mond kam endlich hinter den Wolken hervor. Ich konnte meinen Atem sehen und erkennen, dass dort nichts unter der Treppe war. Ich belächelte meine eigene Angst. Doch nur einen Moment lang. Etwas Heißes berührte meinen Nacken.
Ich zuckte zusammen und schrie auf. Es war Atem! Es war heißer Atem! Ich fuhr erschrocken herum. Und verstummte im nächsten Moment vor Angst. Meine Kehle war wie zugeschnürt und meine Knie wurden weich. Vor mir im Mondlicht ragte eine schwarze Gestalt auf. Ihr Körper bestand aus schwarzer beweglicher Masse wie dichter, dicker Rauch. Ihre Form ähnelte einem Menschen, doch gleichzeitig auch wieder nicht. Aus schwarzen Augen starrte das dunkle Wesen mich an. Es entblößte lange, spitze Zähne aus einem riesigen schwarzen Maul und verzog es zu einem Grinsen. Da brach es aus mir heraus. Ich kreischte aus vollem Halse.
Es dauerte nur wenige Sekunden, da wurde das Licht angeschaltet und die schwarze Gestalt war verschwunden und die Balkontür stand wieder offen. „Luna!", riefen die Zwillinge erschrocken und kamen mit gespreizten Flügeln die Treppe runtergesprungen, hinter ihnen Michael und dahinter...Lucian.
Er war wieder zurückgekommen. Er machte Anstalten auf mich zu zukommen, doch blieb dann an Ort du Stelle, wie angewurzelt, stehen. Benommen saß ich auf dem Boden und starrte die offene, vom Wind scheppernde Tür, an. Völlig fassungslos und außerstande etwas zu sagen.
„Was ist passiert??", fragte Micheal drängend, kniete sich vor mich, und nahm mein Gesicht in seine Hände, um mich zu zwingen ihn anzusehen. Lucian beobachtete uns, starrte Michaels Hände an. Sein Kiefer spannte sich und er sah zu der offenen Tür. Seine Brust hob und senkte sich energisch. Wieder drehte Michael an meinem Kopf um mich mit seinem Blick gefangen nehmen zu können.
„Luna!", drängte er. „Warum hast du geschrien?" Ich öffnete den Mund, doch keine Worte verließen meine Lippen. Ich schluckte... hatte die monströse Gestalt vor Augen, spürte die Kälte ihrer Anwesenheit und die Hitze seines Atems.
„da war... da... da kam etwas." Ich hob den Arm und zeigte auf die Tür. Ich bemerkte, dass eines der vielen Buntglas Teile raus gebrochen war. Ich ließ den Arm wieder fallen. Tränen der Angst sammelten sich in meinen Augen.
„Es war eine schwarze Gestalt, es war kein richtiger Körper, sie bestand aus ...aus Rauch." Ich schniefte und Michael wischte mit den Daumen Tränen von meiner Wange. Ich wollte nicht weinen, doch ich konnte die Tränen nicht aufhalten.
Seine Saphiraugen ließen mich nicht los und ich wurde ruhiger, die Angst ließ nach und ich sah nur noch seine Augen und sein Engelsgesicht. Alles was ich fühlte, waren die warmen Hände an meinen Wangen. „Das... Das kann nur..." Suzanne sah zu Marissa herüber. Diese schloss die Augen und atmete tief ein.
„Ich kann ihn riechen.", stellte Marissa ernst fest.
Als sie die Augen wieder aufschlug, sahen mir grün funkelnde Drachenaugen entgegen.
„Ich werde versuchen ihm zu folgen. Suzanne du sagst der Direktorin Bescheid."
„Wir lassen nicht zu, dass du dem Ding ganz alleine folgst.", stellte Lucian mit tiefer Stimme klar.
„Ich muss.", entgegnete sie.
„Du fällst zu sehr auf, du bist eine fliegende Leuchtfackel. Du wirst hier warten, falls es zurückkehrt."
Sie setzte sich in Bewegung, und sah kurz zu Michael.
„Du bleibst bei Luna. Suzanne, komm, wir haben zu tun."
„Bist du dir sicher, dass du dir diese Gestalt nicht eingebildet haben könntest? War sie sicher aus Rauch? Ist dir sonst noch etwas aufgefallen?", fragte Lucian angespannt.
Michael ließ seine Hände sinken und sobald seine Haut meine nicht mehr berührte kam die Panik zurück und die Angst stürmte von neuem auf mich ein. Mein Atem ging schneller, meine Augen weiteten sich und die Tränen bahnten sich ihren Weg. Es war als hätte er diese Gefühle irgendwie zurückgedrängt.
Michael nahm mich schnell in dem Arm und ich beruhigte mich sofort wieder.
„Es hatte schwarze Augen. Und spitze Zähne, mit einem Maul wie ein schwarzes Loch.
Ich habe es gespürt. Es war keine Einbildung.", beteuerte ich. Die Anspannung im Raum war greifbar.
„Wir fliegen jetzt sofort los. Verschließt die Türen. Ich denke nicht, dass er nochmal wiederkommt." Marissa und Suzanne stürzten auf die Tür zu und zogen an ihrem Shirt, bevor die herausbrechenden Flügel es zerreißen konnten. Mit einem Satz sprangen sie in die Dunkelheit und verschwanden. Nur das Schlagen ihrer Flügel war noch zu hören. Lucian verschloss die Türen.
„Bring sie hoch.", befahl er.
„Ich warte auf Marissa und passe auf, dass es nicht wiederkehrt." Für einen kurzen Augenblick trafen sich unsere Blicke. Ich würde am liebsten bei ihm bleiben. Bei irgendwem bleiben, nur nicht allein. Alles nur nicht allein sein. Ich sah flehend zu Michael hoch.
„Bitte lass mich nicht allein. Ich kann jetzt nicht allein sein!" Michael sah mich an, dann huschte sein Blick kurz zu Lucian, dann wieder zu mir. Er lächelte mich an.
„Du kannst zu mir... Ich habe eine kleine Couch." Ich wollte ihn nicht loslassen. Ich hatte Angst, dass der Schrecken zurückkehrte sobald er mich losließ, wie zuvor auch schon. Doch ich sagte nichts mehr und nickte dankbar.
Lucians Blick war starr auf den Boden gerichtet.
Wir gingen hoch. Ich sah kurz zu Lucian zurück, sah wie er die Hände zu Fäusten ballte und sich energisch den Sessel Richtung Balkontür drehte und sich fallen ließ.
Michaels Arm blieb um meine schmalen Schultern gelegt. Er führte mich die Treppe hoch in sein Zimmer. Es war sehr gemütlich mit warmen Holzmöbeln eingerichtet. Jedoch herrschte auch etwas Chaos. Viele Bücher und Klamotten lagen herum. Auf seiner Fensterbank stand eine Globuslampe und an den Wänden hingen Poster von einigen Bands die ich nicht kannte.
„Ich werde deine Decke und dein Kissen holen.", sagte er.
„Bleib kurz hier,- ich bin sofort zurück." Sobald er mich losließ war es, als würde ein Damm brechen, der meine Angst zurückgehalten hatte. Ich krampfte mich zusammen, erstarrte und versuchte keine Panikattacke zu bekommen bis er zurück war.
Er kam zurück gestürmt mit dem Bettzeug in seinen Armen.
Er musste meine Angst gespürt haben.
„Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Wir beschützen dich. Der Dämon wird nicht wiederkehren."
Meine Augen weiteten sich. Dämon! Jetzt erst fiel dieses Wort und es ließ meine Angst nur wachsen.
Er warf die Sachen auf die kleine Couch und kam hastig auf mich zu. „Shhhshh...", machte er und legte wieder die Arme um mich. Und die Wärme und Ruhe kehrte langsam und schwerfällig zurück. Ich atmete tief ein. Er duftete wie eine taufrische Wiese am Morgen, nach Wolken und nach einer frischen Meeresbriese.
„Ich weiß, sowas muss man erstmal verarbeiten. Aber sie sind nicht so viel stärker als wir. Beziehungsweise,-" Er lehnte sich etwas zurück, um mich besser ansehen zu können und rieb meine Arme. „Einige von uns sind viel stärker als hunderte von ihnen. Wir können dich beschützen."
Er schenkte mir ein warmes, aufmunterndes Lächeln.
Ich nickte, atmete tief durch und erwiderte sein zauberhaftes Lächeln und senkte den Kopf. Langsam kam ich zur Ruhe. Er legte seine warmen Hände sanft auf meine Schultern und schob mich zu seinem Bett. Er deckte mich führsorglich zu und setzte sich auf die Bettkante. Ich musste lächeln, da ich mich kurz daran erinnerte, wie mein Vater mich damals ins Bett gebracht hatte. Doch das Lächeln verflüchtigte sich schnell wieder. „Wieso war der Dämon hier?" Michael sah ratlos auf die Bettdecke. „Ich habe keine Ahnung. Ich verstehe auch nicht, wie er hier eindringen konnte. Nicht nur in den Turm, sondern überhaupt in die Nähe des Schlosses. Die Frage ist auch wieso er überhaupt auf dieser Insel war." Ich schauderte. „Meinst du er wird wieder kommen?" Er schüttelte den Kopf. „Ich denke das wird ihm gar nicht möglich sein. Ducane wird die Lücke finden und sie schließen." Ich nickte und entspannte mich ein wenig. „Marissa sollte ihm nicht folgen.", sagte ich. Michael nickte mit gesenktem Blick. „Ja, ich finde das auch nicht so prickelnd...Aber sie kann auf sich aufpassen." Ich kannte Marissa inzwischen gut genug um ihm glauben zu können. Zudem konnte sie Feuer speien und mit einem Schwert umgehen. Ich klammerte mich an diesen Gedanken und schob meine Sorgen so gut es ging beiseite.
Wir unterhielten uns noch eine Weile. Bis mir langsam die Augen zufielen und Michael es sich so gemütlich wie möglich auf der Couch machte, und sich ebenfalls schlafen legte.
Er wälzte sich die halbe Nacht auf der Couch hin und her und versuchte es sich irgendwie bequem zu machen.
Die Geräusche seiner Bewegungen beruhigten mich, sie gaben mir Gewissheit, dass ich nicht alleine war. In meinen Träumen kehrte der Dämon zurück, begann mich zu umhüllen bis ich nichts mehr sah als schwärze.
Es raubte mir die Sinne bis dort nichts mehr blieb als Dunkelheit.
Als ich aufwachte war Michael nicht länger auf der Couch. Ich spürte wärme hinter mir und etwas Schweres, das um meine Mitte lag. Vorsichtig spähte ich hinter mich. Michael hatte es wohl aufgegeben, es sich auf der Couch bequem machen zu wollen.
Ich spürte, wie das Blut in mein Gesicht schoss und ich rot wurde.
Mein Körper begann vor Aufregung zu kribbeln. Sein Arm bewegte sich, legte sich enger um meine Mitte und presste meine Flügel an meinen Rücken. Ich spürte seinen Atem in meinem Nacken und schauderte.
Eine Gänsehaut breitete sich über meinen ganzen Körper aus.
Ein Teil seines Gesichts lag an meiner Schulter und berührte meine nackte Haut.
Er atmete tief und ruhig.
Ich wusste nicht was ich tun sollte, oder wie ich mich befreien sollte. Langsam spannte ich meine Flügel, versuchte ihn vorsichtig dazu zu bringen weg zu rücken oder sich umzudrehen, doch es brachte nichts.
Ich bewegte mich weiter langsam und vorsichtig und hob seinen Arm an, um heraus zu kommen. In dem Moment klopfte es energisch an der Tür und sie ging ruckartig auf.
Wir fuhren erschrocken im Bett hoch.
Lucian stand an der Tür.
Sah von mir zu Michael.
Sein Gesicht verriet keins seiner Gefühle,- seine Hände schon.
Er ballte sie erneut zu Fäusten. Seine Brust hob und senkte sich einmal energisch, als er tief einatmete, bevor er sagte:
„Marissa ist nicht zurückgekehrt. Direktorin Ducane beauftragt gerade die Hexen mit der Suche."
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