H - Eine Woche Spüldienst, Harold!
[Harry]
Ich betrat mein Elternhaus mit einem mulmigen Gefühl, dass sich auch nicht legte, als Gemma's Mann Michal mich herzlich begrüßte. Ich freute mich auch ihn wiederzusehen, jedoch hatte ich mit ihm so gut wie keine Beziehung. Gemma war mit ihm zusammengekommen, als ich im Ausland war. Die kurzen Monate zwischen den Einsätzen hatten nicht gereicht, um wirklich etwas übereinander zu erfahren. Dennoch trat ich ihm höflich und freundlich gegenüber, er hatte mir nichts getan und Gemma liebte ihn offensichtlich sehr, sonst hätte sie ihn wohl nicht geheiratet.
"Möchtest du etwas essen?" fragte meine Schwester mich, strich ihr braunes Haar hinter ihr Ohr und lächelte mich sanft an. Ich schüttelte den Kopf und stellte den braunen Seesack auf die Treppe, der gefüllt war mit Uniformen, die vermutlich stanken wie die Hölle. "Ich werde erst einmal ankommen, die Wäsche machen und so." murmelte ich und sie nickte, ließ mir meinen Freiraum, wofür ich ihr sehr dankbar war. Ich nahm den Sack wieder, ging in die Waschküche und belud die Maschine, dann stellte ich sie an und ging nach oben in mein Kinderzimmer. Die Erinnerungen fluteten sofort auf mich ein und ich schluckte leicht, öffnete zuerst das Fenster. Als ob der Staub und die Erinnerungen der Jahre so verfliegen könnten.
Ein Blick auf das Bett ließ mich frustriert knurren. Es war unordentlich, zumindest aus meiner Sicht. Ich bezog es neu, dann faltete ich die Bettwäsche so zurecht, dass alles faltenfrei und ordentlich war.
Es klopfte an der geöffneten Tür und ich sah zu Gemma, die grinsend im Türrahmen stand. "Steht dir wohl nicht an, wie ich die Betten mache?" fragte sie und lachte. "Es sind überall Falten drin. Das ist inakzeptabel." sagte ich deshalb, was sie nur noch mehr zum Lachen brachte. "Du brauchst hier nicht alles perfekt zu falten. Du bist zuhause, Haz!"
"Erinnere mich nicht noch daran." antwortete ich leise, sah mir die Fotos an den Wänden an, die mich in Kindertagen mit Mom und Gemma zeigten, auf manchen war Dad noch drauf, doch es waren nicht viele. Er hatte uns verlassen, da war ich gerade einmal zwei Jahre. Wenn es nach mir ging, so hatte ich keinen Vater. Maximal einen Erzeuger.
"Denkst du, Mom wäre stolz auf mich?" fragte ich unvermittelt, sah die Überraschung in Gemma's Gesicht aufblitzen, bis es kurz darauf ein trauriges Lächeln zierte. "Definitiv. Das weißt du selbst." antwortete sie mir, ich nickte bestätigend. Für sie tat ich das was ich tat, nur für sie.
Gemma ließ sich auf das gerade frisch gemachte Bett fallen und ich seufzte genervt auf, weshalb sie einfach nur lachte und neben sich klopfte. Ich setzte mich zu ihr und sah sie frustriert an. "Ich habe das gerade frisch gemacht."
"Und ich habe mich gerade drauf gesetzt." antwortete sie schulterzuckend, sah mich aufmerksam an. "Also...dein Geist ist aufgetaucht. Was wirst du jetzt machen? Hast du's ihm gesagt?" fragte sie. Ich schüttelte den Kopf. "Soll er gleich davon rennen? Was soll er denn von mir denken?" antwortete ich und sie nickte. "Ich habe ihm aber erzählt, dass ich Visionen hatte..." fügte ich hinzu.
"Und wie hat er reagiert?" Gemma sah mich neugierig an und zog die Beine an ihre Brust, legte das Kinn auf ihren Knien ab. "Er hat mich ernst genommen, zumindest hat er so getan. Er sprach von Seelenverwandten..."
Gemma's Augen wurden groß. "Seelenverwandte?"
Ich nickte. "Ich habe das vorhin im Auto gegoogelt. Da geht es um eine tiefere Verbindung, nicht nur körperlich. Als wäre man miteinander verbunden." Ich sah meine Schwester nun an. "Man fühlt dasselbe, man denkt gleich. Tiefer gehend als Liebe..."
Sie nickte leicht und dachte nach, ehe sie antwortete. "Ich kenne sowas nur aus Filmen. Denkst du wirklich, es gibt sowas?"
Ich zuckte mit den Schultern und sah zu den Bildern an den Wänden. "Er hat gesagt, komm und finde mich." Sie runzelte die Stirn. "Vorhin im Park?" fragte sie und ich schüttelte den Kopf. "Nein. In meinem Traum...den ich nach der OP hatte. Er sagte, ich solle ihn finden. Was bedeutet das alles, Gemma? Ich verstehe das nicht. Verfolgt das alles einen höheren Sinn? Was ist, wenn ich jetzt schlafen gehe? Dann sehe ich ihn wieder?"
Tausende Fragen gingen mir durch den Kopf und ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und seufzte überfordert auf. Gemma strich mir über den Rücken in sanften Bewegungen. "Er hat mir geholfen, zu überleben. Es kann kein Zufall sein, dass er hier auftaucht. Es muss etwas dahinterstecken."
"Vielleicht ist er die Liebe deines Lebens, und das Universum hat ihn dir in dein Gehirn geschickt, damit du die Chance darauf nicht da drüben im Einsatz verpasst." bemerkte Gemma halb ernst und lachte dann. "Das wäre ein großartiger Hollywoodfilm!"
Ich dachte nach und kaute auf meiner Lippe herum. "Haz, das war ein Scherz!" sagte sie nachdrücklich, woraufhin ich nickte. "Ja, weiß ich doch..." murmelte ich nachdenklich. Sie stupste meine Nase an, weshalb ich schließlich zu ihr blickte.
"Findest du ihn denn attraktiv?" fragte sie. "Ganz ehrlich?" Ich sah sie an und Gemma nickte und lächelte. Ich seufzte erneut, anscheinend eine neue Lieblingsbeschäftigung von mir. "Ich habe noch niemals einen Menschen getroffen, der so perfekt aussieht und dabei so niedlich ist. Er ist die perfekte Mischung aus süß und heiß." gab ich zu, woraufhin Gemma quietschte und lachte. Ich sah sie mahnend an, was sie mit einer wegwerfenden Handbewegung abtat. "Du stehst also auf ihn! Dann solltest du ihm schreiben!"
"Wozu?" fragte ich sie irritiert, Gemma verdrehte die Augen. "Rausfinden, wieso er in deinen Träumen erscheint zum Beispiel? Abchecken, ob er dich genauso scharf findet, also erstmal, ob er überhaupt auf Kerle steht?" Sie sah mich an, als wäre das glasklar gewesen.
Ich zog die Visitenkarte hervor und sah sie an, spielte damit herum und haderte mit mir. "Vielleicht hält er mich für aufdringlich." sagte ich leise. "Dann wird er dir das schon sagen, dann ist das Ganze eh gegessen. Solltet ihr allerdings Seelenverwandte sein, dann wird er dir sofort antworten und sich freuen, dass du ihm geschrieben hast. Wollen wir eine Wette draus machen?" Ihr Blick wurde herausfordernd und ich lachte. "Um was wetten wir?"
Gemma dachte kurz nach. "Wenn ich gewinne und er innerhalb von fünf Minuten antwortet, dann spülst du eine Woche das Geschirr. Wenn du gewinnst und er sich entweder nicht zurückmeldet oder dir sagt dass du ihn in Ruhe lassen sollst, dann bist du von jeglicher Hausarbeit befreit." Sie grinste. "Ich meine wirklich jede."
Nun hatte sie mich am Haken. "Kein Staubsaugen?" fragte ich nach, denn es hörte sich eher an wie eine Falle. Gemma schüttelte den Kopf. "Nicht einmal Müll raustragen."
Ich überlegte, dann nickte ich zufrieden und tippte seine Nummer in mein Handy, schließlich schickte ich ihm eine Nachricht.
H: Hey Louis, hier ist Harry. Ich hoffe, es geht dir gut. Hast du vielleicht Lust, mit mir was trinken zu gehen? Morgen Abend vielleicht?
Ich sah zu Gemma, die beeindruckt nickte. "Direkt um ein Date gebeten. Nicht schlecht, Styles!" sagte sie und ich schmunzelte, zuckte mit den Schultern. "Ich bin nicht gut in sowas, wie du weißt." antwortete ich schlicht, denn das war ich wirklich nicht. Die Romantik in meinem Leben hatte ich ausgeklammert, als ich meinen Dienst angetreten hatte. Mehr als kurzweilige Affären hatte ich seither nicht gehabt. "Ich weiß, ja! Vielleicht schickt dir das Universum deshalb einen niedlichen Veteranenbetreuer!" Sie kicherte und ich musste grinsen. "Er ist Tierarzt, eigentlich."
"Echt?" rief sie aus. "Wie cool!"
Ich nickte und sah auf mein Handy, als es vibrierte. "Gems..." murmelte ich und öffnete die Nachricht neugierig.
L: Hey Harry! :) Weißt du was, das klingt gut! Kennst du die Bar "Jimmy's"? Da könnten wir uns treffen, ich komm aber direkt aus der Klinik, bin sicher voller Katzenhaare :D :)
"Hach, ist der süß!" sagte Gemma, die neugierig über meine Schulter schielte. Ich musste leise lachen. "Und ich habe gegen dich verloren..."
"Das stimmt! Eine Woche Spüldienst, Harold!" rief sie aus und klatschte begeistert in die Hände. "Wenn du lieb bist, sag ich dir, wo ich die Handschuhe verstecke. Damit deine Hände nicht schrumpelig werden!" sagte sie und küsste meine Wange, dann sprang sie auf. "Komm mit runter! Wir machen Pizza, die Schüssel danach sauber zu bekommen, wird sicher ein Krampf!" Sie lachte schadenfroh und eilte nach unten.
Kopfschüttelnd schmunzelte ich und folgte ihr dann in die Küche, wo sie die Zutaten aus dem Schrank holte und alles auf den Küchentisch stellte. Es war das reinste Chaos.
"Meine Güte, wer hat dir denn beigebracht, so zu sein?!" rutschte es mir heraus und sie warf mir einen gespielt genervten Blick zu. "Nur weil du völlig neurotisch bist, muss ich es nicht sein, Captain!" Sie betonte das letzte Wort und ich musste lachen.
Es fühlte sich gut an, Zeit mit Gemma Zeit zu verbringen. So viele Monate waren vergangen, dennoch veränderte sich zwischen uns nie etwas. Aus einem Impuls heraus umarmte ich sie einfach, was sie überrascht erwiderte. "Ich hab dich vermisst..." sagte sie leise und ich nickte, erwiderte es jedoch nicht. Sie wusste es auch so, da war ich mir sicher. Wir lösten uns wieder voneinander und bereiteten den Pizzateig zu. Meine Gedanken waren dabei stets bei Louis und meine Erwartung an den morgigen Abend wuchs, auch wenn ich es mir nicht so recht eingestehen wollte. Ich nahm mir vor, mit ihm zu reden, ihm davon zu erzählen. Ich wusste zwar nicht, wie er reagieren würde, doch ich wollte es unbedingt wissen. In mir wuchs so etwas wie Vorfreude und ich erwischte mich dabei, wie ich lächeln musste, während ich über ihn nachdachte.
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