Kapitel 15
"Das kann so nicht weitergehen. Wir werden zur Zielscheibe! Dieser Angriff war kein Zufall!" Der Feldherr lief mit schweren Schritten auf und ab, sodass der Holzboden ächzent protestierte.
"Ganz ruhig! Königin Lumina hat mir Wächter zugesichert" versuchte die Direktorin ihm zu beruhigen "Für wie lange?" fauchte er. "Hergott nochmal wir haben die mächtigsten und bedeutensten Feen der Anderswelt unter diesem Dach versammelt! Es war nur eine Frage der Zeit..." Er ballte die Faust, sodass seine Fingerknöchel weiss hervortraten.
Schweigend sass ich einfach nur da und genoss es von ihnen in Ruhe gelassen zu werden. Ich war sehr froh gewesen als sie zu streiten anfiengen, so musste ich wenigstens keine Fragen mehr beantworten, die ich grösstenteils schweigend ignorierte. Über meinen Entführung sprechen konnte und wollte ich nicht. Zu schlimm und zu frisch waren die Erinnerungen.
Konnte sie mein Gedächtnis nich einfach löschen wie bei anderen auch? Fragen traute ich mich nicht, da ich fürchtete sie auf die Idee einer ganz anderen Verhörmetode zu bringen.
Auf einmal drehte sich die Direktorin zu mir und schaute mich direkt an. "Wenn sie nicht reden will... machen wir es anders!" Fuck warum hab ich vollidiot das nur gedacht? Vor einer Emphtfeen kann man offensichtlich keinen Gedankengang verstecken... Ich hätte mich echt Ohrfeigen können.
Sie kam auf mich zu, ich sprang sofort auf und hob abwehren die Hand. Diesmal nicht! "Julia bitte! Ich muss ganz genau wissen was passiert ist um die Bedrohung einschätzen zu können und deine Mitschüler zu schützen" sie schaute mich fast schon flehend an.
Wie von der Tarantel gestochen rannte ich los, riss die Tür auf und stürzte hinaus in den Flur.
Blindlings rannte ich einfach fort, rempelte in meiner Hast entgegenkommende Schüler an, doch ich achtete nicht darauf. Nur weg von diesem Psychozimmer!
Ich hatte früher immer gedacht Feuer sei durch seine zerstörerische Kraft das gefährlichste aller Elemente, doch Geist erschien mir mittlerweile noch viel brutaler.
Erst als ich fröhliches Vogelgezwitscher höhrte blieb ich stehen. Meine Füsse hatten mich wie von selbst in den Schulhof getragen. Ich atmete einmal tief ein und aus. Hach, wie sehr hatte ich nach zwei Tagen Krankenstation die frische Luft vermisst.
Ich schlenderte etwas durch den Park und genoss einfach nur die Sonnenstrahlen auf meiner Haut. In der Ferne sah ich Spezialisten am Trainieren. Ich ging auf einen kleinen Hügel zu und setzte mich hin. Eine Weile schaute ich den jungen Kriegern zu, bis mein Blick auf einem ganz bestimmten hängenblieb.
Er trainierte mit einem anderen Jungen mit Holzstecken und parierte den kommenden Schlag gekonnt ab. Es wirkte fast wie ein Tanz. Auf einmal drehte er den Kopf und schaute direkt zu mir. Dadurch sah er den nächsten Schlag nicht kommen und...
AU!
Ich krümmte mich und, hielt mir die schmerzenden Rippen. Suchend blickte ich mich um, aber da war weit und breit nichts was mich hätte getroffen haben können.
So schnell wie die Schmerzen gekommen waren, so waren sie aus heiterem Himmel wieder weg. Was zum Geier war das den?
Ich war doch von diesem Homöopathenarzt mit seiner Tochter geheilt worden?
Henry hielt sich ebenfalls die getroffen Stelle und gab seinem Gegenüber das Zeichen für eine Pause. Er warf den Stock zu seinen Sachen am Rande des Trainingsplatzes und kam langsam auf mich zu. "Geht's wieder" fragte ich als er bei mir war und sich schwerfällig ins Gras sinken liess "Passt schon" wehrte er ab, dann wurden seine Züge besorgt "Ehm... aber wie geht's dir?" fragte er vorsichtig. Ich versuchte den Klos im Hals hinunter zu schlucken, dann brach alles in mir zusammen. Ich schob meine Knie ganz nah ans Gesicht und vergrub es in meinen Händen um das Schluchzen, welches mir aus der Kehle drang, zu unterdrücken.
Warum musste ich ausgerechnet jetzt in Tränen ausbrechen? Vor einem Jungen verletzlichkeit und schwäche zeigen? Genau das hatte die Gang an meiner alten Schule vermutlich immer zu erreichen gewollt.
Meine Entführer hatten recht mit ihrer Einschätzung, dass ich schwach war. Ein schwaches, frisch geschlüpftes hässliches Küken ohne Federn.
Keine Ahnung wie lange ich so da sass und vor mich hin flennte, während die Erinnerung der schlimmen Stunden an mir vorbeizogen.
Als irgendwann langsam keine Tränen mehr kamen und ich aufschaute, starrte mich der Junge mit weit aufgerissenen Augen entsetzt an. "Diese kranken Drecksschweine! Wenn ich die drei Hexen in die Finger bekomme, ich schwöre ich werde..." Er brach ab und ballte die Faust. Verwirrt sah er mich an, dann hellte sich seine Miene auf, als ob ihm plötzlich etwas klar zu werden schien "Du warst das" er schaute mich genauer an und lächelte "DU hast mich gerufen" flüsterte er.
Hä?
Verwirrt starrte ich ihn an "Als du von dem Wesen verschleppt wurdest, da habe ich immer so... so stimmen gehört, die mich gerufen haben. Es hat mich fast wahnsinnig gemacht" er kratzte sich am Kopf "Als die Suchaktion losging habe ich stundenlang auf die Landkarte gestarrt und hatte plötzlich diese starke Vermutung, dass du in den Bergen weiter östlich sein könntest, was eine Emphtfeen mit einer starken Bindung zu Tieren später bestätigt hat" Roxy hat auch mitgeholfen? Dann muss ich mich nachher gleich bei ihr bedanken.
Alle hatten nach mir gesucht, der vermutlich mächtigsten Fee... und ich war so unfähig mich mit meinen Kräften zu verteidigen.
"Ich habe gar nichts gemacht" flüsterte ich kleinlaut und sank wieder in mir zusammen "Was redest du den da? Du war gefangen und wurdest misshandelt" - "Aber ich hätte mehr als einmal die Chance gehabt mich zu wehren und habe es nicht geschaft. Meine Magie... hat mich im Stich gelassen" ein weiterer heulkrampf erschüttelte mich. Ich dachte ich könnte dem Wind vertrauen. Dass er und die Blitze immer für mich da waren, mich beschützen würden. Aber anscheinend war das ein Irrtum.
"Hey, hey" Henry hob behutsam mein Gesicht an "Ich bin kein wirklicher Experte in Magie... Aber ich habe schon gehört, dass grosse Angst und Panik die Magie manchmal unterdrücken kann" Na großartig! Ich konnte mich also wenn es um Leben und Tod geht wirklich nicht verteidigen. Dann werde ich wohl wie es scheint ein sehr kurzes Leben haben...
"Und ausserdem hat deine Magie sehrwohl funktioniert... Avatar" er zwinkerte mir zu was mich noch mehr verwirrte. Er schien es zu merken, dass ich ziemlich planlos war und streckte den Arm mit ausgestreckter Hand nach mir aus. Instinktiv wich ich ein Stück zurück. Auf einmal stoppte er mitten in der Bewegung, warf mir einen entschuldigten Blick zu und führte konzentriert seine Hand auf seine Brust "Mit dem Herz..." seine Hand wanderte hoch und blieb bei seinem Kopf stehen "... und mit dem Geist" flüsterte er.
"Genau wie gerade eben... Deine Augen sehen übrigens violett wunderschön aus" fügte er hinzu und ich konnte ein verlegenes Lächeln nicht verkneifen. Nervos fuhr ich mit dem Finger eine braune Haarsträhne hinters Ohr. Das war ein etwas seltsames Kompliment. Warte, Kompliment? Bestimmt war das nur zweideutig gemeint. Meine Augen kleben sich an dem Jungen fest. Suchte in seinem Blick mit dem undefinierbaten Lächeln, forschte in den braunen Augen, die mich ebenfalls fasziniert musterten. Irgend ein Anhaltspunkte auf Hintergedanken, den ich nur noch nicht entschlüsseln konnte so sehr ich mir auch das Hirn zerbrach.
Und wo kam das Flattern in meinem Magen plötzlich her?
Er wurde wieder ernst. "Aber ich wüsste vielleicht einen Weg wie du dich in so einer Situation aktiv verteidigen könntest..." ich schaute ihn skeptisch an "Kampftraining!" verkündete er "Ich bring's dir bei" fügte er stolz hinzu.
Ich war zunächst nicht so überzeugt, kam aber zu dem Schluss es doch zu versuchen so lange ich mich nicht auf meine Feenkräfte verlassen konnte. Gerade als wir aufstehen wollten kam ein grimmig dreinblickender Saladin dahergestapft und zietierte Henry mit harschen Worten zurück zum Training.
Ich ging zurück ins Schloss in die WG. Als ich ankam wurde ich als erstes von Artu und direkt anschließend von Roxy stürmisch begrüßt. Ich bedankte mich bei ihr und sie erklärte mir sie hätte einfach die Tiere im Wald nach einem Vogelwesen mit einer Person in den Klauen gefragt. Auch die anderen Mädels klopfte ihr anerkennend auf die Schulter und waren sichtlich erleichtert, dass ich wieder da war.
Ich ging in mein Zimmer, wo mir mein Handy direkt auffiel welches ich kurz vor dem Angriff dieser Verbrannten zum Aufladen eingesteckt hatte. Ich steckte es aus und schaute auf das Display. Mehrere Nachrichten und entgangene Anrufe. Puh, da ist man mahl ein paar Tage weg...
Ich entsperrte es säufzent und schaute genauer nach. Klaudia und Philipp hatten mir geschrieben, vermutlich um zu Fragen wie es läuft. Ein Lächeln bildete sich auf meinen Lippen als ich Matthias Name neben dem Briefsymbol sah... die erste Nachricht seit dem Unfall.
Normalerweise hätte ich sie sofort aufgemacht, doch meine Aufmerksamkeit zog ein anderer Kontakt auf sich, der mich mit Nachrichten und Anrufe schier überschwemmt hat. Meine Mutter.
DAS muss wirklich dringend sein!
Ich beschloss sie gleich sofort anzurufen. Nach dem dritten Klingeln ging sie ran "Schatz?" sie klang gestresst "Hi, was ist den los?" - "Julia ich..." Sie brach ab und ich konnte hören wie sie laut einatmete "Ich muss... Oh Gott" ihre Stimme zitterte. "Ma, was ist los?" fragte ich erneut. Irgend etwas stimmt nicht "Schatz dein... dein..." ein schluchzendes Geräusch war zu hören, dann wurde die Verbindung getrennt.
Fassungslos starrte ich das Handy an. Ich versuchte sie zurückzurufen, aber sie ging nicht ran. Auch in ihren Nachrichten stand jeweils nur, dass ich sie schnell anrufen soll.
Ratlos setzte ich mich aufs Bett. Etwas muss zuhause passiert sein.
Ich öffnete den Browser und wählte eine Nachrichtenplattform. Bereits der erste Artikel zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich musste den Titel drei mal lesen und noch sehr viel länger dauerte es, bis mein Gehiern das Puzzel zusammensetzte.
Als mein Bewustsein das realisierte, drehte sich mein Magen um.
Mir rutschte das Handy aus der Hand und als es auf dem Boden aufschlug, zersplittert das Display genau so wie meine Seele.
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