Kapitel 13

Rauschen...
Etwas kitzelte mich im Gesicht.

Mühsam öffnete ich die Augen. Zuerst konnte ich nichts sehen, weil meine Haare alles verdeckten. Ich wollte sie mit der Hand zur Seite schieben, doch ich konnte meinen Arm nicht bewegen. Auch war das, was mich eng umschmiekte nicht meine weiche Bettdecke, sondern grosse, muskulöse Klauen.

Und da viel es mir plötzlich wieder ein. Das Vogelvieh, das mich gepackt und fortgetragen hat.

Wo war ich? Wie lange hatte ich geschlafen?

Ich drehte meinen Kopf so gut es ging in Richtung des Flugwindes, um meine Haare zur Seite zu fegen. Dabei bemerkte ich am langen Schwanz des Tieres etwas, was mir vorher nicht aufgefallen war: eine Art Stachel.

Das Vieh musste mich mit dem Giftstachel in die Schulter gestochen und in Narkose gelegt haben.

Entkräftet hing ich in seinen Klauen und es trug mich mühelos über schroffe Berggipfel und zerklüftete Schluchten hinweg.

Wie weit war ich von Alfea fort? War mein Verschwinden bemerkt worden? Ich wollte mich wehren, doch das Gift befand sich immernoch in meinen Gliedern was mir jegliche körperliche Energie entzog.

Als das Wesen eine Rechtskurve flog konnte ich seine Augen erkennen. Sie waren schwarz und unnatürlich leer...

Auf einmal flog es tiefer, hielt auf eine der Felswände zu und ehe ich mich versah legte es die Flügel an und stürzte in die Tiefe.

Unfähig zu schreien oder meine Gesicht vor dem drohenden Aufprall zu schützen, höhrte ich in meinen Ohren schon das grässliche knirscht und knacken brechender Knochen.

Doch der Schmerz blieb aus. Blinzelnd öffnete ich vorwirrt die Augen und sah gerade noch wie wir auf einen schmalen Spalt zurasten. Ein Loch in der Wand! Augenblicklich war ich von Finsternis umgeben.

Eine ganze Weile ging es durch pechschwarze Dunkelheit. Mein Herz hämmerte unaufhörlich gegen meine Brust, als wolle es herausspringen.

Auf einmal sah ich in der Ferne Kerzenlicht... warte nein, es waren Fackeln. Erst als die Läuchten näher kam erkannte ich erschrocken, dass mein Kopf nur wehnige Zentimeter von der scharfkantigen Felswand vorbei sauste. Einer Schildkröte gleich versuchte mein Hals den Kopf schützend zwischen die Schultern zu quetschen.

Völlig ohne Vorwarnung ließ mich das Vogelvieh plötzlich los und ich landete mit einem dumpfen Aufprall, der an den Wänden wiederhallte, hart auf den Steinboden. Ein stehender Schmerz durchzuckte meine Schulter. Einen Moment blieb ich benommen liegen, fühlte nur das pulsierende Feuer der aufgeschlagen Knien und den kalten, harten, unebenen Fels unter meinen Fingern. Ich versuchte aufzustehen, aber die Schmerzen und Kraftlosigkeit liesen mich augenblicklich wieder nach vorne kippen.

"Seht sie euch nur an Schwestern. So klein und schwach" schallendes Gelächter, dessen Klang mir durch Mark und Bein ging, erfüllte die Höhle.

Durch den Hall schien es, als würde es von allen möglichen Seiten kommen. Weder war es möglich einzuschätzen wie viele Stimmen in das hohe, hyänenartige Lachen einfielen, noch woher es gekommen war. Es erinnerten mich an das Gelächter von Hexen.

"Wo bin ich?" fragte ich benommen und versuchte mich mühsam aufzusetzen. Das Vogelvieh war verschwunden. Ich musste auf der Hut sein, falls es zurück kam!

Das spärliche Licht der Fackel schien nur einen kleinen Teil der scheinbar grossen Höhle auszuleuchten. Vieles lag im Dunkeln.
Und genau von dort schoss etwas helles rasend schnell auf mich zu und traf mich mit voller Wucht.

Mir blieb keine Zeit mich weg zu rollen oder sonst etwas zu machen, da frassen sich tausende Klammern durch meine Zehen, zogen an Sehnen und Bändern, packten Muskeln von denen ich nicht mal wusste, dass ich dort welche habe, und zerquetschten sie. Nie hatte ich meinen Körper auf diese art und weise gespürt!

Ich schrieh vor Schmerz auf. Wieder durchzuckte ein Blitz die Dunkelheit und traf mich an der Seite. Ich krümmte mich vor Schmerzen. Mein Atem ging stossweise und bildeten bei jeden ausatmen kleine Wölkchen. "Bitte höhr auf" flehte ich. Doch meinem Gegenüber schien es spass zu machen sein Opfer leiden zu sehen und feuerte direkt nochmals drei Elektrostösse ab. Ich rollte mich ganz klein zusammen, doch die Elektrizität drang ungehindert in meinen Körper ein und ließ meine Muskeln vor Schmerzen unkontrolliert zucken.
Jetzt weiss ich wie sich der Cruciatus-Fluch aus Harry Potter anfühlen musste.

"Okay, das reicht jetzt Stormy" rief eine Stimme, die die Wände erzittern liess. Ich lag einfach nur stöhnend da. Dankte für diese Pause, als sei sie Gottes Geschenk. Jeder einzelner Muskel im Körper tat höllisch weh. Selbst der Herzschlag fühlte sich an als hätte es eine Würgeschlange eng umwickelt.

Ich hörte Schritte näher kommen. Schwere Stiefel traten in das Licht. Ich schielte nach oben und sah drei vermummte Gestalten. Alle hatten die Kapuze tief ins Gesich gezogen. Die Person ganz rechts mit einem langen violetten Umhang zuckten noch kleine Funken über ihre Finger. Also hatte sie mich mit Blitzen beschossen!

Wut kochte in mir hoch.
Verbale Beleidigingen hatte ich immer hin genommen. Überhöhrt.
Auch die Sticheleien hatte ich so gut es ging ignoriert.
Aber das hier war kein Spiel mehr. Das war Folter!

Ich mit aller letzter Kraft stützte mich mit einer Hand vom Boden ab und streckte meine andere Hand entschlossen meinem Peiniger entgegen... doch nichts geschah! Keine Funken und auch kein Wind. Nichteinmal ein feiner Lufthauch war in der Höhle zu spüren. Meine Magie! Was zum...? Jetzt wo ich sie so dringend brauche und ich mich endlich zur wehr setze, lässt sie mich im Stich?!

"So schwach!" kommentierte die Gestallt gehässig und streckte die Hand nach mir aus, so wie ich es eben versucht hatte. Ein gewaltiger Blitz und ein erstickter Schrei meinerseits durchschnitt die Stille der Höhle. Ich hatte das Gefühl meine Haut würde wie ein Papier zerreißen. Es tat so unfassbar höllisch weh.

Während ich mich noch vor Schmerzen krümmte, kam eine weitere Gestallt auf mich zu. Ihre Schritte knirschten auf dem staubigen Boden.
Meine anfängliche Wut verwandelte sich mit jedem Schritt in grössere Angst.
Was auch immer sie von mir wissen wollten, ich würde ihnen Rede und Antwort stehen. Alles um weiteren schmerzenden Elektrostössen zu entgehen.

Ein heftiger Schwindelanfall überrollt mich wie eine riesige Welle. Apathisch rang ich nach Luft. Der Boden schien sich zu drehen, alles verschwamm vor meinen Augen. Ich fand mich im Sandkasten auf dem Spielplatz wieder als ich Sandkuchem machte wie jedes normale 4 jährige Kind.

Ich drückte die Faust gegen die Stirn als mich heftige Kopfschmerzen wie ein Presslufthammer erschütterten. Das Organ schien verzweifelt gegen die Schädeldecke zu schlagen. Doch die Eierschale blieb standhaft.

Unbeirrt gruben sich die schleimigen Fäden tief in meinen Geist. Angelten sich eine Erinnerung nach der anderen.
Der glückliche Ausflug im Zoo mit meinen Eltern und als ich traurig war, als mein Vater bis unbestimmte Zeit beruflich ins Ausland verreisen musste.

Die Erinnerung sprang weiter und durchzogen mein komplettes bisheriges Leben. Wie ich in der Schule gehänselt wurde und es immer schlimmer wurde, meine Eltern und die Lehrer machtlos schienen und ich mich alleine fühlte. Der einzige Lichtplick waren die Spaziergänge im Wald, wo ich alles vergessen konnte. Und auf einem solchen Spaziergang traf ich zufällig auf Philipp, Klaudia und Matthias, die gerade eine Mauer übersteigen wollten, welche ich schon oft gesehen hatte aber nie darüber gekommen war. Sie hatten mir geholfen diese zu überwinden und wir fanden uns auf einem alten Friedhof wieder. Am Anfang hatte ich richtig schiss gehabt doch dies legte sich schnell wieder und ich war fasziniert. Wir hatten uns seither fast jedes Wochenende getroffen und machten irgendwelche Ausflüge und Wanderungen zusammen. Mit der Zeit wurden wir sehr gute Freunde und ein eingespieltes Team. Es waren, neben meinen Eltern, die ersten Menschen bei denen ich nicht fürchtete sie würden mir auf irgend eine Art und Weise schaden wollen. Besonders zu Matthias entwickelte sich ein besonderes Band...

Es ging weiter, immer tiefer, forschte in meinem Unterbewustsein, holte meine liebsten Dinge die mir so viel bedeuten hervor und suchte nach dem schlimmsten Albträume, die ich je hatte.

Es war noch sehr viel schlimmer als bei Miss Griffin. Ich musste das Stoppen, doch ich wusste nicht wie. Ich versuchte mich zur Seite zu drehen, weg von den Gestalten, doch das brachte rein gar nichts. Vor Erinnerungen und Gefühle konnte man nicht flüchten, das wurde mir in diesem Augenblick bewußt.

Die Kopfschmerzen und auch der Schwindel verblassen langsam. Der Zauber schien nachzulassen. Schweissgebadet lag ich ausgestreckt auf dem Boden und atmete vor Erschöpfung schwer. Es dauerte eine Weile, bis ich wieder einen klaren Gedanken fassen konnte. Und da begriff ich plötzlich was sie getan hatte: Sie hatte mein tiefstes Inneres durchforstet um vermutlich meine Schwachstellen zu finden.

Ich starrte die Gestallt angsterfüllt an. Was hatten sie nur mit mir vor?

Ihr Mund und Nase war wie bei den Anderen durch ein Tuch verdeckt, doch ihre Kapuze war so verrutscht, dass ich ihre Augen sehen konnte. Sie waren ähnlich wie jene von Roxy, wenn sie mit Artu sprach, nur dunkler, fast lila.

"Und?" fragte die mittlere Gestalt in türkisfarbenen Umhang ungeduldig. Die Person mit den lila Augen erhob sich und wand sich der Grössten zu "Die Kleine ist ein offenes Buch" sie kicherte gehässig "es wird ein Kinderspiel sein" Die Augen der größten der drei Gestalten flackerten. Hatte nur ich das Gefühl oder war es 10 Grad kälter geworden? Oder war das die pure Angst, die über meinen Körper eine Gänsehaut jagte?

"Gut, dann wird ER sehr viel Spaß mit ihr haben" sie kam auf mich zu. Je näher sie mir kam, umso mehr spürte ich die eisige Kälte, die von ihr aus ging. Ein bisschen erinnerte diese Gestallt mich an die Eiskönigin.

Sie kniete sich zu mir herunter und eine weisse Haarsträhne hing ihr ins Gesicht. "So viel Macht in so einer zerbrechlichen Person" sie kam ganz nahe an mich heran. Spürte die eisige Kälte von ihr aus gehen, welche sich gierig einen Weg durch die Fasern meiner Kleidung suchte. Sie hauchte mir die Worte mit Wort wörtlich eisigen Atem ins Gesicht. Mein Körper war vor Furcht wie erstarrt.

Mit jeder Silbe, die sie mir entgegen hauchte, hatte ich das Gefühl sie würde mich gleich einfrieren. Meine Zähne begannen vor Kälte zu klappern und ich begann zu zittern. Sie erhob sich. "Sollen wir sie fesseln?" fragte die Gestallt im bortoroten Umhang mit den Blitzen "Die Kleine ist psychisch so am Boden, sie wird keinen Ärger machen" kicherte die Psycho-Braut. Alle drei jagten mir eine riesen Angst ein... und sie hatte recht. Die Angst lämte mich regelrecht. Das Gehirn ausgeschaltet. Ich konnte echt nicht mehr.

Die Eiskönigin schien aber auf nummer sicher gehen zu wollen und erschuf mit erhobenen Armen eine riesige meterdicke Eiswand bis hoch an die Decke, die jegliches Licht der Fackel aussperrte und die eisige Kälte drinnen liess.

Ich war ganz alleine. Nur ich, die eisige Kälte und die körperlichen und psychischen Schmerzen. Ich lag nur noch so da und hoffte möglichst bald gar nichts mehr zu fühlen...

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