Prolog
Dunkelheit. Stille. Das Fehlen von Luft.
Seit einem Jahrtausend war dies der Ort, der ihn hielt.
Ein Ort, den er nur überleben konnte, weil er ein Gott war.
Ein gefallener Gott.
Ein einzelnes, goldenes Auge glühte in den Schatten.
An Stelle des zweiten zierte ein Loch sein Gesicht.
Zwei blutige Stumpfe, ehemals gewaltige goldweiße Schwingen, ragten aus seinem Rücken, während er in schwarzen Ketten gehalten, auf dem Boden lag.
Kaum lebensfähig, aber dennoch nicht tot.
Ein jämerliches Leben, wenn man es überhaupt noch so nennen konnte.
Wie lange war es her, seit er den Himmel erklommen und die frische Morgenluft eingeatmet hatte?
Wie lange war es her, dass er seine Macht einzig für sich allein hatte und ein Leben, dass einem Gott würdig war, geführt hatte?
Alles ruiniert, weil sein Bruder und die anderen Götter sein Verlangen nach Mehr teilten und ihn in die Ruinen stürzen wollten.
Wie sehr er es doch bereute jemals in den Krieg gezogen zu sein.
Hätte er den Preis gekannt, hätte er nicht zu den Waffen gegriffen.
Schließlich kannte der Krieg keine Gewinner, sondern nur Verlierer.
Ein heiseres Lachen entwich der trockenen Kehle und beförderte goldenes Blut auf den toten Untergrund.
Die aristrokratischen Gesichtszüge verzogen sich zu einer verzweifelten, manischen Grimasse.
,,Was willst du noch, Vater?! Ich bereue es, hörst du?! Ich bereue es in den Krieg gezogen zu sein! Wenn du willst, dass ich leide, dann hast du es erreicht! Ich bin Nichts! Du hast mich meiner Macht beraubt! Du hast meine Flügel gestutzt! Was willst du noch?!"
Der Gott schnappte nach Luft, die nicht vorhanden war.
Er hustete.
Erneut spritzte goldenes Blut zu Boden.
Vermischte sich mit Asche und Erde.
Ohne Kraft schlug er zu.
Nichts passierte.
Der Untergrund gab nicht nach.
Nicht ein Riss entstand.
Es war erbärmlich.
Früher spalteten seine Schläge Berge, jetzt schien ihn die Erde zu verspotten.
Er schrie.
Ein heiseres, krächzenes Geräusch.
,,Töte mich zumindest! Alles ist besser als das hier!"
Er wusste nicht, woher er die Kraft nahm den Mund zu öffnen und die Jahrhunderte alte Wut herauszuschreien.
Schließlich hatte er mindestens genauso lange geschwiegen.
Als nichts geschah brach er einfach zusammen.
Wie eine Marionette, deren Fäden durchtrennt worden waren.
Erbärmlich! Schwach! Nichts!
Er hatte nicht die Kraft auf die Worte, die nichts als ein Gespinnst seiner Fantasie waren, einzugehen.
Die Dunkelheit kam ihm heller vor als je zuvor und wenn er sein Auge etwas anstrengte schien auch die tote Landschaft etwas Lebendiger zu wirken.
Er reagierte nicht.
Warum sollte er auch?
Es gab nichts.
,,Mein Kind. Du glaubst zu bereuen, aber das einzige, was du bereust ist, dass Kain'ra an deiner Stelle zum Gott der Macht aufstieg und nicht du."
Erneut zeigte er keine Reaktion.
So waren die Worte doch auch nur Einbildung.
Er hatte Jahrhunderte auf ein Zeichen seines Vaters gewartet.
Er wusste, dass niemand kommen würde.
,,Ich bin echt, mein Kind. Ich bin keine Halluzination deines gebrochenen Verstandes. Blicke auf, Manu'kan, und überprüfe selbst."
Die Worte schienen zu schön um war zu sein.
Hoffnung wuchs.
Sollte er endlich eine Chance bekommen diesen toten Ort verlassen zu können?
Trotz der Angst, dass dies nur ein Trick wäre, blickte der Gefallene schließlich auf.
Sein einzelnes Auge traf auf die roten seines Vaters.
Er strauchelte.
Das war echt.
Es war echt und keine Einbildung.
,,Ich bin hier um dir eine weitere Chance zu geben. Eine Chance Sakuro'ma erneut zu betreten und deine Schwingen auszubreiten."
Manu'kan schnappte ein weiteres Mal nach Luft.
War das nicht doch nur ein Traum?
Oder bekam er die Chance, auf die er seit einem Jahrtausend wartete?
,,Warum? Warum jetzt? Was hat sich geändert, Vater?"
Der höchste Gott blickte auf ihn herab.
Auf seinen gebrochenen Körper, die abgetrennten Flügel, das einzelne Auge.
,,Siko ist entkommen. Mit List und Tücke hat sie es geschafft ihrem Gefängnis auszubrechen und sich an die Seele eines Kindes zu binden. So sehr ich sie auch bestrafen will, ihre Ziele sind rein. Kain'ra erhebt sich und sie will ihn aufhalten. Du wirst sie unterstützen. Deine Seele wird an ein Kind gebunden. Dein Ziel wird es sein Kain'ra zu töten."
Manu'kan zuckte.
Kain'ra war eine Gefahr für sich.
Er war die Macht selbst.
Sogar, wenn er entkräftet war, war er stärker als Manu'kan.
,,Du verlangst, dass ich meinen Bruder, deinen Sohn, töte und Siko, die der einzige Grund dafür, dass ich den Krieg verloren habe ist, unterstütze."
Als sein Vater nickte, brach er in Gelächter aus.
Manisch, verrückt schallte es durch die tote Landschaft.
Er musste nicht lange Überlegen.
Manu'kan blickte auf.
In seinem einzelnen Auge leuchtete neue Kraft.
Sein Mund verzog sich zu einem grotesken Lächeln, dass ihn eher wie ein Monster, als wie einen Gott aussehen ließ.
Die Rache würde seine sein.
,,Ich nehme dein Angebot an."
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