Neue Freunde? Teil 1

Ich bin drinnen! Triumphiert grinste ich, kaum hatte ich die Tür von Yeagers Büro geschlossen und alle Zettel in meine Tasche gestopft. Mein Plan hatte einwandfrei funktioniert!

Warum war ich so überrascht? Eigentlich gingen alle meine Pläne perfekt auf. Nur war dieser eben sehr riskant gewesen.
Aber es hatte geklappt! Nun musste ich nur noch auf meinen Pass warten, um in die Bücherei zu kommen und in wenigen Tagen war ich hier weg. Wenn alles glatt verlief, musste ich kein einziges mal zu diesem Pferdekurs.

Beflügelt von diesem Gedanken machte ich mich auf zu meinem Zimmer. Ich würde einfach mein Bestes geben, ein neutrales Verhältnis zu meinem Mitbewohner zu pflegen, dann sollte es keine Probleme geben. Herr Cognitor hatte mir noch mitgeteilt, dass sich im ganzen Gebäude Karten befanden.
Eine davonhing gleich im Gang, den ich gerade durch streifte. Ich lief also auf die blutrote Wand zu und studierte die Karte. Wenn man es genau nahm, waren es zwei, die aneinander hingen.

Die Linke stellte das Erdgeschoss und die Zweite den 1. Stock dar. Hier unten war außer dem Büro noch die Mensa, ein Aufenthaltsraum, die Bibliothek, die ein runder Raum war, sowie die meisten Klassenzimmer.

Oben befanden sich die Zimmer der Schüler, in einem abgelegeneren Gang auch die der Lehrer, und ein Computerraum. Zum Glück waren die Karten nur in schwarz- weiß und nicht in Farbe, sonst hätte man Augenkrebs von dem absurd buntem Bild bekommen.
Ich ging weiter, bis ich die Treppe erspähte. Ich hatte zwar keine Ahnung wie spät (oder eher früh) es war, aber es musste ein paar Stunden vor 8 Uhr sein, da langsam das Treiben begann.

Eine Gruppe Jungs drängte sich die Stufen hinunter. Die meisten von ihnen hatten sich nicht einmal die Mühe gemacht ihren Schlafanzug zu wechseln. Auch ihre Haare standen noch ungekämmt in alle Richtungen ab. Erst als sie sich an mir vorbei drängten erklomm auch ich die Treppe.
Oben erwartete mich ein langer Gang, der, erstaunlicherweise, weiß gestrichen war. Der Boden knarzte leise, als ich über das Parkett lief.

Hoffentlich war mein Mitbewohner schon wach. Sonst wäre unsere erste Begegnung schon mal ein fettes Minus. „Hey! Schickes Outfit!", rief mir jemand zu und ich drehte mich um.

Drei Mädchen, schon in Schale geworfen, mit perfekt gestiltem Haar, grinsten mich belustigt an. Was war deren Problem?
Ich sah an mir herunter. Unter meinem Mantel sah man meine beschmutze und zerrissene Kleidung. Mein schwarzer Pullover hatte einen großen Matschfleck mitten auf der Brust und einen Riss an der Seite. Meine Hose war schon sehr zerschlissen und über all klebte Dreck.

Das Mädchen mit dem platinblondem Haar warf sich dieses über die Schulter und gab ein pferdeähnliches Lachen von sich.
„Hast du imWald übernachtet?", wieherte sie und musterte mich mit ihren giftgrünen Augen.
„Bist zu zufällig ein Scheißhaufen? Ihr seid nämlich beide echt abstoßend.", konterte ich. Solange HerrCognitor nicht da war, konnte ich machen was ich wollte. Empört schnappte sie nach Luft.

„Das du es wagst!" Ebenso geschockt wie ihre Anführerin, schlugen ihre Freundinnen die Hände vor den Mund.„Wer bist du überhaupt?", fragte die Blonde kein Stück netter als zuvor. „Karan. Vermutlich euer neuer Mitschüler." Der Gedanke, stundenlang im gleichen Raum wie diese Zicken zu sitzen, war echt widerlich. Nein!

Das wollte ich mir gar nicht erst vorstellen! Einfach nur schrecklich. Aber so schien es wenigstens auch dem Trio zu gehen, denn wütend fixierte es mich. „Wenn ihr mich dann entschuldigt. Ich muss mich noch einleben.", grinste ich und drehte mich schwungvoll um.
„Zieh dir was gescheites an! Eine Schuluniform liegt im Schrank!", keifte mir die Blonde hinter her. „So kann man dich ja nicht ansehen."

Ich seufzte. Wirklich nett die Leute hier. Wie sollte ich hier zwischen Zicken und provozierenden Schülern lange überleben? Oder eher, wie sollten die das alles überleben?
Ich wusste aus Erfahrung, dass es nichts Gutes brachte, mich wütend zu machen. Kompletter Kontrollverlust, Socium überahm dann immer meinen Körper.

Es fühlte sich dann alles wie ein mieser Traum an, wenn ich durch die Gegend fegte. Wie verschwommen sah ich nur überall Blut spritzen, Leichen auf den Boden liegen und ich hörte Schreie, auch Worte, doch ich verstand sie nie, als wären sie in einer anderen Sprache. Trotz das diese Übernahme durch meine ungebändigte Wut entstand, fühlte ich mich in dieser Phase leer.
Gefühlslos, mir ist dann immer kalt und warm zugleich.

Ich schüttelte den Gedanken ab und lief den Gang weiter, wich ein paar Frühaufstehern auf. Erst vor der Zimmertür, auf der mit neongrüner Farbe die Zahl 23 zu sehen war, blieb ich stehen.
Ich schnaufte aus, legte meine Hand auf die kalte Türklinke und bereitete mich auf ein weiteres Arschloch vor. Bevor ich die Tür öffnen konnte, wurde sie jedoch von innen aufgerissen und ein Junge, mit schwarzem Haar, das aus wilden Locken bestand, wäre fast in mich rein gelaufen.

Knappvor mir blieb er stehen und sah mich müde an. Sein schwarzes Hemd betonte seinen dunklen Hautton.
„Das Klo ist da hinten.", murmelte er und deutete zum Ende des Flurs. Zumindest wirkte er freundlicher und hilfsbereiter als die Schüler, mit denen ich davor Bekanntschaft gemacht hatte.

Seine Aussage verwirrte mich trotzdem für einen Moment. „Äh. Ich suche nicht das Klo.", begann ich und schüttelte den Kopf. Was er wohl von mir hielt? Verlegen rieb ich mir den Nacken und fuhr fort: „Ich bin dein neuer Mitbewohner."
„Oh". Überrascht sah er mich an und trat zurück. Eine wortlose Einladung einzutreten. Mit einem Nickenbe dankte ich mich und folgte ihm in mein neues Zimmer.

Links und rechts stand jeweils ein Bett mit buntem Bezug, ein Kleiderschrank, der auf der rechten Seite schon überquoll, eine kleine Kommode und einen Schreibtisch mit Stuhl.
Hinten, zwischen den Kleiderschränken, fiel das Licht der Morgensonne durch ein Fenster in den Raum.
Die Seite von dem Schwarzhaarigem war mit Plakaten einer Band zugekleistert, sein Bett war unordentlich und auf seinem Tisch stapelten sich Hefte und Bücher.

Es roch nach Wald. Die Wände, die ein angenehmes gelb hatten, blätterten an ein paar Stellen ab.

„Dann also..." Der Schüler schluckte unsicher und sah sich um. „Herzlich willkommen.", lächelte er dann freundlich und nickte zur linken Seite des Zimmers.
„Das ist deine Seite. Die kannst du gestalten wie du willst. Ich bin übrigens Musa.", stellte er sich vor und streckte mir die Hand entgegen. Ich schüttelte sie knapp. „Karan. Schön deine Bekanntschaft zu machen. Ich will dich dann auch nicht weiter stören."

Ich deutete zur Tür. „Du wolltest ja gehen. Ich finde mich hier schon zurecht." Musa nickte. „Klar. Falls doch was sein sollte, helfe ich dir gerne.".
Er verabschiedete sich und verließ das Zimmer. Ich wartete einen Moment, dann trottete ich zu meinem Bett, ließ meine Tasche auf den Boden fallen und sank auf die weiche Matratze.
Die Torturen des Tages und der letzten Nächte saßen tief in meinen Knochen. Meine Beine und Arme waren ganz schwer. Ich war eben doch nur ein 16- jähriger Junge.

Ich schüttelte den Kopf. Nein! Das stimmte nicht. Ich war anders, wurde gezwungen so zu sein.
Mein Leid würden sie auch noch alle zu spüren bekommen. Sie alle!
Ich fuhr mir nervös durchs Haar, rang mit meinen Erinnerungen, schlug sie letztendlich und stand auf. Ich musste mich beschäftigen, auf andere Gedanken kommen. Also stand ich auf und entschied mich dazu, meine Sachen einzuräumen.

Als ich den Schrank öffnete, stellte ich fest, dass die Zicke von vorhin recht gehabt hatte. Im untersten Fach lag eine Uniform, schön zusammen gelegt.
Sie war kobaltblau und ganz weich. Ich holte sie heraus, nachdem ich meine Tasche eine Etage über der Uniform hinein gepfeffert hatte und musterte sie. Auf der rechten Seite der Brust prang ein rotes Herz. In geschwungener Schrift wandte sich der Schriftzug „Freundschaft siegt" über das Herz.

Was ein toller Slogan. Ich schmunzelte und verließ mit der Kleidung das Zimmer. Ich würde erst einmal duschen gehen und den ganzen Dreck der letzten Wochen abwaschen. Ich hatte keine Zeit gefunden, um in einem See oder Fluss zu baden.
Zu meinem Gunsten war im Flur gerade niemand unterwegs, also kam ich ungesehen ins Badezimmer, in dessen Richtung Musa vorhin gedeutet hatte.

Drinnen pellte ich mich aus meinen verdreckten Sachen, der Mantel passte gar nicht zu dem alten Kram dazu.
Die Klamotten hatten sich schon wie eine zweite Haut angefühlt.
Froh, dass ich alleine war, stieg ich in einer der fünf Duschen und schaltete sie an. Das warme Wasser rieselte wie Regen auf mich herab, doch es fühlte sich nicht wie diese Naturgewalt an.

Regen war kalt und stürzte hart auf dich herab. Trotzdem waren die Tropfen aus dem Duschkopf angenehm auf dem Körper. Als ich fertig war schnappte ich mir ein bereitgestelltes Handtuch, trocknete mich ab und schlüpfte in die Montur.
Danach warf ich das Tuch in einen Wäschesack, der dafür da war und entschied, meine alten Klamotten einfach hinterher zu werfen. Ob ich die wieder kriegen würde? Mir war es ehrlich gesagt egal. Ich schnappte mir den Mantel, den ich als einziges Stück behalten hatte und verließ das Bad zufrieden.

Nach einem kurzem Abstecher in mein Zimmer, um den Umhang auf mein Bett zu werfen, machte ich mich auf den Weg in die Mensa.
Mein Magen knurrte schon wieder, dabei hatte ich erst vor wenigen Stunden das geklaute Brot gegessen. Nun kamen immer mehr Schüler aus ihren Zimmern. Die Jungen trotteten gähnend durch die Gänge, während die meisten Mädchenschon perfekt gestilt waren und sich über ihre männlichen Mitschüler lustig machten.

Als ich an einer Gruppe gemischter Jugendlichen, ich zählte acht Leute, vorbei ging, verstummte sie schlagartig und sah mich mit unterschiedlichen Blicken an. Die Jungs sahen mich eher abschätzig an, ihre weiblichen Gruppenmitglieder wirkten interessiert. „Hallo! Bist du neu?", fragte eine Braunhaarige in roten Stöckelschuhen.

Ihr Haar hatte sie zu einem perfekten Dutt zusammen gebunden und ihre braunen Augen, die im richtigen Lichteinfall golden wirkten, musterten mich von Kopf bis Fuß.
Ein arrogantes Lächeln klebte ihr im Gesicht, wie ein Kaugummi. Was will die denn von mir? Ich blieb trotzdem stehen und nickte leicht.

 „Ja. Heute ist mein erster Tag. Karan mein Name.", stellte ich mich vor und zwang mich zu einem Lächeln.
Mit dem richtigen Verbündeten konnte die Zeit hier vielleicht sogar ganz lustig werden.
„Ich bin Jamalia.", sagte sie und kam auf mich zu. Sie schien viel Zeit in der Sonne zu verbringen, denn ihre Haut war gebräunt, würde noch eine Weile die Spuren der Sonne tragen.

„Falls du Fragen oder so hast, kannst du gerne zu mir kommen."
Sie zwinkerte mir zu. „Danke, aber ich habe schon mal so ein Angebot bekommen und angenommen.", sagte ich und zwinkerte belustigt zurück. Musa kam mir definitiv sympathischer rüber als Jamalia.
Sie wirkte eher wie eine weitere Zicke. „Überleg dir das lieber noch mal.", raunte sie mir zu und kam weiter auf mich zu. Ihr federnder Gang war wie eine stille Drohung. Jeder Schritt den sie machte war eine Sekunde wenige die ich hatte, um meine Meinung zu ändern, eine Sekunde weniger die ich hatte, um ihr nachzugeben.

Ich sah wie ihre Freunde hinter ihr überheblich grinsten.
Sie hatte mir gerade echt gedroht! Wenn sie nur wüsste, wer ich war!
Oh, sie würde sofort erblassen! Wie Tamino. Ich sah Erstaunen in ihrem Blick, als ich nicht zurück wich.
Schon stand sie vor mir. Meine Bedenkzeit war also abgelaufen, doch es störte mich nicht. Stattdessen war ich gespannt, was sie nun tun würde.

Jamalialegte ihre Hand auf meine Brust. „Idiot", schmunzelte sie und sah mir in die Augen. „So einfach kommst du uns nicht davon." Ein Lächeln schlich sich auf meine trockenen Lippen. „Ach ja? Das werden wir noch sehen, Miss."

„Jamalia komm!", rief einer der Jungs hinter ihr. Sein platinblondes Haar hatte er fast gänzlich abgeschnitten.
Für einen Moment blickte sie mich noch aus ihren erdbraunen Augen, die echt irritierend waren, da sie gleichzeitig belustigt und provokant aber auch sanft waren, an.
„Na dann bis bald, Idiot.", feixte sie und folgte ihren Freunden, die die Treppe hinunter gingen. 

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