Karan ist tot Teil 3
Ein komisches Geräusch ertönte. Es war leise und man konnte nicht genau sagen, woher es kam. Doch dann sah der Greis auf. Er lachte, ein stockendes Lachen.
„So denkst du also.", giggelte der Wahrsager und Leyna biss sich frustriert auf die Lippe. Was sollte das heißen? Ihre Hand fand wieder ihren Weg zum Kugelschreiber, den sie nervös hin- und herschob.
Auch Leander schienen diese Worte zu verunsichern, gar zu verängstigen, denn er machte einen Schritt zurück, presste die Lippen aufeinander.
„Ihr seid mächtig, keine Frage.", setzte der Wahrsager an und begann kleine Kreise zu laufen. Die Agenten wichen knapp zurück, sorgten dafür, dass genügend Abstand zu dem komischen Kerl da war.
„Keine Frage.", wiederholte er und schüttelte den Kopf. Es wirkte eher so, als würde er ein Selbstgespräch führen. Wieder war es kurz still.
Leyna hörte Leanders angespannten Atem, hatte das Gefühl, sogar seinen Herzschlag vernehmen zu können.
„Aber niemals habt ihr wirklich einen Umbritor getötet. Eher.... dessen Bruchstücke." So als wäre er mit seinen Worten noch nicht zufrieden, tippte er sich ans Kinn und blieb kurz stehen.
„Ihr habt Menschen getötet, die Hilfe brauchten. Menschen, die keine Hilfe bekamen. Menschen, die sich selbst opferten."
„Lügen!", brüllte Leander dazwischen.
„Wir töten keine Menschen! Nur Umbritor! Krieg das in dein Erbsenhirn!" Er schlug mit seiner Faust gegen die Wand und Leyna stieß einen Seufzer aus. „Du machst dich doch nur über uns lustig! Das dulden wir hier nicht! Gib mir mein Geld zurück und geh in das Loch zurück, aus dem du hervorgekrochen bist, du Ratte." Leyna beendete ihre Unterschrift überschwänglich auf den Dokumenten und stand dann auf.
„Klappe, Leander!"
Erstaunt drehte er seinen Kopf zu ihr. „Ich?"
„Wer denn sonst, du Nuss?"
„Hast du mich gerade.....?"
„Ja. Das habe ich. Entschuldige dich jetzt bitte."
„Aber...!"
„Sei kein kleines Kind!" Sie sah ihn scharf an, was ihn dann wohl doch Beine machte, eine Entschuldigung hervor zu würgen. „Verzeih mir seine Aggressionen.", fügte sie hinzu. Einfach, weil sie außer seiner gezwungenen Entschuldigung auch eine ernst gemeinte los werden wollte. Auch wenn sie immer noch keine Ahnung hatte, was sie von dem Wahrsager halten sollte.
Er verhielt sich immer noch komisch. Es war unklar, auf welcher Seite er stand oder ob er überhaupt Partei ergriff, aber es verunsicherte sie.
Trotzdem schob sie die Blätter erst einmal beiseite und lächelte den Mann leicht an. „Wir beenden die Befragung für heute erst mal. Es wäre uns eine Freude, auch zukünftig mit ihnen arbeiten zu können."
Der Greis schüttelte jedoch seinen Kopf. „Es war mir eine Ehre, aber den Rest des Weges schafft ihr auch alleine.", meinte er und bewegte seine Hand, als würde er jemanden auf den Rücken klopfen.
Verbissen nickte die Leiterin und hätte sich am liebsten selbst ermutigend auf die Schulter geklopft.
Wieso verweigerte er die Zusammenarbeit? Lag es an Leanders Bissigkeit? Sie fühlte sich zu müde, um den schuldigen Agenten böse anzusehen. „Verstehe. Dann wünsche ich ihn noch eine schöne Zeit.", sagte sie und rang sich ein Lächeln ab, ehe sie eine entlassende Handbewegung machte. Leander, der schlau genug war, seine Chefin nicht noch weiter zu reizen, trat brav beiseite und ließ den Greis passieren.
Im Türrahmen hielt dieser jedoch noch einmal kurz inne. Hatte er sich doch umentschieden?
„Eigentlich stimmt meine Aussage nicht ganz.", sagte der Wahrsager und hatte sofort wieder die Aufmerksamkeit aller auf sich.
„Dein Bruder war schon immer der Gejagte. Nur war er bis jetzt immer in der Lage, sich zu rette, sich zu beschützen. In dem Sinne war er also keine Beute, aber auch kein Jäger. Doch es wird der Zeitpunkt kommen, an dem er sich nicht schützen kann. Dann ist er wirklich die Beute.", sagte er in einem geheimnisvollen Flüstern.
Er sah in den Raum, starrte in die Ferne, ließ seine Augen schwarz wirken, obwohl sie eigentlich ein scharfes Braun hatten.
„Karan wird ein verlierender Sieger sein, ein siegender Verlierer. Wie man es nimmt." Leyna sah den Mann verwirrt an. Wie soll das denn gehen? Entweder man gewinnt oder eben nicht. Beides war doch gar nicht möglich.
Ihr lagen Millionen Fragen auf der Zunge, doch schon war der Wahrsager auf und davon. Es folgte Stille. Alle dachten nach. Oder nur Leyna überlegte so angestrengt und der Rest wartete auf ihre Anweisungen.
„Ihr solltet gehen.", entschied sie und alle steuerten auf die Tür zu. Leander war das Schlusslicht.
„Außer du, Leander. Ich brauche dich noch einmal kurz.", hielt Leyna ihn auf und er erstarrte.
„Natürlich" Mit gestrafften Schultern, sichtlich auf den größten Anschiss seines Lebens vorbereitet, drehte er sich zu ihr um und lief zu ihr.
„Leyna, ich...."
„Shht!", wies sie ihn zurück und er verstummte.
„Unterschreib hier mal bitte." Sie tippte auf eine Stelle des Blattes. Der Rest des Textes wurde von dem anderen Papier verdeckt, was mit der leeren Seite nach oben darauf lag.
„Ist das meine Kündigung?", fragte er mit einem schiefen Grinsen, befolgte aber ihre Anweisung. „Fast. Eher meine."
Er lachte. „Na dann.", sagte der Agent und zwinkerte ihr zu. Doch sie sah ihn ernst an. „Das war kein Scherz, Leander." Leyna drehte das Blatt um und präsentierte ihm beide Dokumente. Einmal hatte sie offiziell ihre Kündigung formuliert und auf dem anderen Blatt, auf dem Leander unterschrieben hatte, prangte die Verkündung, dieser würde die Agentur übernehmen. Ihm fiel wortwörtlich die Kinnlade herunter.
Wieso war diese Frau so unberechenbar? „Du hattest in letzter Zeit doch viel zu meckern. Dann zeig mal, dass du es besser kannst.", schlug die Ex-Chefin mit einem matten Lächeln vor und stand auf.
„Nein! Warte! Das ist doch nicht dein Ernst! Wegen ein paar Ungereimtheiten kannst du doch nicht einfach alles hinschmeißen! Du hast hart dafür gearbeitet!", protestierte er laut und stellte sich ihr stur in den Weg. „Das lasse ich nicht zu! Nimm dir eine Pause, aber das geht zu weit!"
Seine Brust bebte vor Wut und er schüttelte den Kopf, als hätte er seine Meinung noch nicht genug verkündet.
„Geh einfach Beiseite. Meine Wahl ist gefallen. Außerdem hast du unterschrieben."
„Ja, aber nur, weil du mir verheimlicht hast, was ich da signieren sollte!"
„Du hättest fragen können."
„Du wolltest doch deinen Bruder besiegen!"
„Das übernimmst jetzt du. Lass mich jetzt durch." Sie sah ihn trocken an und rempelte ihn einfach beiseite.
Wenn er sich nicht bewegen wollte, musste sie eben gröber werden.
„Nein! Leyna!", rief Leander und versuchte sie aufzuhalten, doch sie duckte sich geschickt unter seinem Griff hinweg. Als seine Hand einen Bogen nahm, um sie doch noch zu erreichen, trat sie einfach danach. Aus Reflex zog Leander seine Hand zurück, sah Leyna entsetzt an. Sie meinte es wirklich ernst!
„Pack meine Sachen einfach in Kartons. Ich hole sie demnächst ab.", informierte Karans Schwester ihn und ging zur Tür. „Ach nur so. Du solltest in deinem neuen Führungsposten weniger trinken. Ich gehe jetzt aber in die nächste Bar saufen."
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