das Feuerzeug Teil 4

Mit viel zu großen Handschuhen und einem Schwamm, der das hoffentlich zum ersten mal machte, putzte ich also die große Porzellanschüssel, während ich stumm vor mich hin fluchte. Wenigstens hatte Yeager entschieden, dass es für alle Parteien besser wäre, wenn er mir das säubern des Mädchenklos ersparte. Meine Hände taten schon vom krampfhaften Umklammern des Schwammes weh. Wenigstens war das nun die letzte Toilette.

Wie lange ich nun schon meiner Strafe nach ging, wusste ich nicht. Schließlich gab es keine Uhr hier. Machte aber Sinn. Wozu brauchte man auch eine Uhr auf dem Klo?

Was mich jedoch am meisten aufregte, war, dass Herr Gray an der Wand lehnte und vor sich hindöste. Ich hatte schon mit dem Gedanken gespielt, einfach abzuhauen, aber ich hatte wenig Lust auf noch mehr Ärger. Nach gefühlten drei Stunden hatte ich auch die letzte Hürde überwältigt und ich warf den Schwamm zurück in den Eimer, aus dem ich ihn hatte.
Wasser spritzte durch die Luft und landete zum Großteil auf den Boden, den ich als erstes gewischt hatte.

Schnell verteilte ich die Tropfen mit meinem Fuß, damit die Flüssigkeit besser trocknete.
Ich räusperte mich und blinzelnd hob der Lehrer seinen Kopf. „Ich bin fertig!", verkündete ich.

Er nickte nur und winkte mich aus dem Klo. Keine Ahnung woher er das Vertrauen nahm, dass ich ihn nicht schamlos angelogen hatte. Aber vielleicht konnte ich etwas davon ab haben.

Ich hatte auch mal Vertrauen, aber nach dem mit diesem gespieltwurde, wie mit einem Ball, hatte ich es verloren.
Danke, Menschen.
Ich beeilte mich, von Herr Gray wegzukommen. Eigentlich wollte ich mich einfach in mein Zimmer verkrümeln, als mir Willow begegnete. Sie lächelte mich leicht an, als täte es ihr leid, dass ich meine Strafe absolvieren musste, doch aus Erfahrung wusste ich, was hinter dem freundlichsten Lächeln lauern konnte.

Manche würdenes als abartiges Monster beschreiben, andere nur matt als Lügner, andere als Schauspieler. Ich jedoch nannte diese Wesen Menschen. Ich hatte auch mal geglaubt, dass es Gute und Böse gab.

Verschiedene Menschen mit verschiedenen Persönlichkeiten. Doch schnell musste ich feststellen, dass sie alle gleich waren.
„Fast alle.", hörte ich mich murmeln. Wie dumm von mir, Odi und meinen Vater in die gleiche Schublade wie Ungeheuer zu stecken.
Ich sprach in Gedanken schnell eine Entschuldigung aus. Mein Herz schien einen Moment auszusetzen und sich dann schmerzhaft zusammen zu drücken, als hätte sich ein Elefant darauf gesetzt.

„Was musstest du machen?", fragte sie erstaunlich direkt und legte mir beruhigend die Hand auf die Schulter. Ich wies sie sofort ab, indem ich ihre Hand weg schob und meine Augen leicht zusammen kniff.
„Ich musste das Klo putzen."
Sie lachte leise. „Das musste Xanthos auch schon oft. Oder Kaugummi von den Tischunterseiten kratzen. Wobei wir und auch du nicht so hart mit ihm sein sollten. Er hat immerhin erst vor wenigen Monaten seinen Vater verloren.", erklärte die Braunhaarige und sah sofort traurig aus.

„Was?", rief ich und packte sie instinktiv am T-Shirt und zog sie an mich ran. „Warum? Was ist passiert? Was weist du alles?", schrie ich fast schon. Adrenalin pumpte durch meine Adern, füllte meinen Körper mit übertriebener Freude.
Er war tot! Ich bereute es nur, dass ich ihn nicht persönlich hatte töten können. Also blieb mir nur zu hoffen, dass er so qualvoll wie möglich gestorben war.

„Ich...", begann Willow und sah mich erschrocken an. Ihre grünen Augen waren weit aufgerissen.
Ich besann mich schnell wieder und ließ sie los. „An einer Krankheit. Mehr weiß ich auch nicht.", wisperte sie und, oder bildete ich mir das nur ein?, trat ein Stück zurück.
Lächerlich!

Der große Killer war an einem Schnupfen verstorben? Gut. Dann würde ich eben meinen ganzen Frust an seinem Sohn auslasse.
Er war nicht minder Schuld an dem Tod meines Vaters. Vielleicht hätte ich den beiden eines Tages verzeihen können, währen da nicht die Menschen,die mich jeden Tag beschuldigten, ich hätte meinen Eltern getötet.

Fast täglich wurde ich mit dieser Lüge konfrontiert.
Ich schnaufte aus und zwängte mich an Willow vorbei. „Wo willst du hin?", fragte sie leise. Schwierige Frage, denn ich hatte selbst keine Ahnung.

Einfach weg von hier. Also tat ich so, als hätte ich die Frage einfach überhört und stürzte den Flur entlang aus der Schule.

Ich schreckte hoch. Ich hatte keine Ahnung, von was ich geweckt worden war, aber ich war sofort bereit, zu kämpfen.
Ich wollte mein Messer aus meiner Jacke ziehen. Jedoch musste ich bemerken, dass der Mantel immer noch in meinem Zimmer lag. Ich stand also auf und schüttelte den Rest meiner Müdigkeit ab. Das Nickerchen im Wald hatte ich echt gebraucht.

Der Wind zerzauste mein schwarzes Haar und verzerrte Geräusche und Düfte.
Ich spürte, dass Socium genauso bereit war, wie ich. Egal wer da kam, ich konnte ihn besiegen!
Der Nachthimmel lag schon über der Welt, deckte sie zu. Die Sterne funkelten und der Mond erhellte alles, so dass ich recht gut sah. „Karan? Wo bist du?", drang Musas Stimme an mein Ohr.

Daraufhin folgte Willows und Louis', die meinen Namen riefen.
Wie gerne wäre ich einfach still geblieben und hätte mich zurück gezogen, um erneut in einen traumlosen Schlaf zu fallen, doch ich entschloss mich dagegen.
Ich schob meinen Entschluss darauf, dass mir kalt war und ich mich in mein Zimmer verkrümeln wollte. Da würde es sicher nur noch zu mehr Ärger kommen, wenn mich dort jemand sehen würde, während mich andere suchten.
Oder so.

„Karan? Komm schon! Es tut mir leid!", rief Willow.
Ich hatte gerade angesetzt, zu rufen, dass ich hier war, doch nun schloss ich irritiert den Mund.

Wieso hatte sie sich entschuldigt? Erneut ließ sie meinen Namen durch den ganzen Wald verlauten. Sie klang zerbrechlich, so, als stände sie kurz davor, in Tränen auszubrechen.
„Ich bin hier!", meldete ich mich endlich.

Sofort kam Willow angerannt und fiel mir erleichtert um den Hals, so dass ich zwei Schritte zurück stolperte.
Langsam legte auch ich meine Arme unsicher um sie. Ein dicker Klos im Hals hinderte mich daran, etwas zu sagen.
Sie hatte sich entschuldigt.

Ohne einen Funken Ironie oder Sarkasmus. Es war eine ehrliche Entschuldigung. Wann hatte ich das letzte mal eine zu Ohren bekommen? Eine, die an mich gerichtet war.

Es verwirrte mich, hinderte mich am Schlucken. Eigentlich war eine Entschuldigung etwas schönes, auch wenn ich diese als unnötig empfand, doch sie ließ in meiner Brust Wut aufflammen.
Das war alles nicht fair! Verbittert schob ich Willow von mir weg.
„Ich komme gleich nach. Geht schon mal zurück zur Schule.", wies ich an, nachdem ich mich mit einem Blick in den Himmel vergewissert hatte, dass die Nacht erst vor kurzem angebrochen war.

Vielleicht wartete Xanthos noch hinterm See. Nicht aufzutauchen würde mich wie einen Feigling dastehen lasse und das würde ich nicht zulassen.
„Vergisses! Wir haben dich gerade erst gefunden! Ich habe besseres zu tun, als dich ständig zu suchen, Karan!", keifte Louis und baute sich vor mir auf.
„Als ob ich nicht selbst auf mich aufpassen kann!", rief ich wütend und schubste ihn.
„Ich finde auch alleine zurück!"

Er funkelte mich aus seinen bernsteinfarbenen Augen an und krempelte die Ärmel seines T-Shirts zurück.
Die Situation drohte recht schnell wieder auszuarten, doch Willow griff ein, indem sie sich zwischen uns stelle. „Karan weiß bestimmt, was er tut. Er braucht keine Babysitter. Komm schon." Sie hackte sich bei dem großen Schüler ein und zog ihn weg.

Louis warf mir einen warnenden Blick zu, während Musa einfach winkte. Hach. Mein Mitbewohner war echt einfach gestrickt. Er war das, was die Anfänger aus Strickkursen fertigten.
Kaum waren die drei verschwunden, drehte ich mich um und stürmte durch den Wald.

Xanthos wartete, vermutlich schon länger, auf einer kleinen Lichtung. Es glich mehr einem Kreis, aus dem die Bäume entfernt wurden.
„Du bist spät."
Mir wurde fast schon schlecht, als ich seine Stimme hörte. Immer wieder versetzte mich seine Anwesenheit in Flashbacks. Blut. Überall Blut.

„Bereit? Zieh lieber deine Brille aus. Nicht das sie noch kaputt geht.", überging ich seinen Kommentar einfach und ließ meine Fingerknochen knacken. Er lachte und ich nahm eine leichte Bewegung hinter ihm war.
Im Dunkeln war es schwer zu erkennen, ob sich dort etwas oder jemand verbarg, doch ich konnte eine Schuhspitze ausmachen.
Aha. Er war hier der Feigling. Er hatte seinen Freund mitgenommen und versteckt. Er sollte vermutlich eingreifen, wenn es kritisch wurde.

Ich schwieg, tat so, als hätte ich Lunis nicht bemerkt. „Dann solltest zu deine Nase abnehmen. Nicht das sie noch kaputt geht", konterte er und ich grinste ihn herausfordernd an.
Es war, als hätte mein Gehirn kurz ausgesetzt und es schaltete sich erst wieder ein, als wir uns schon im Kampf befanden.
Mit meiner Hand blockte ich seinen Schlag, packte seine Faust und verdrehte sie ihm. Er stieß einen leisen Schrei aus und zwang mich durch einen Tritt, los zu lassen.

Er versuchte mir die Beine unterm Körper wegzutreten, doch ich sprang über seinen Fuß hinweg und rammte ihm meinen Fuß in die Magengrube. „Uff", stöhnte Xanthos, stolperte zurück.
Lange blieb mir keine Verschnaufpause, denn er fasste sich schnell wieder und versuchte weiterhin mir Fäuste ins Gesicht zu schlagen.
Ich konterte, stieß ihn davon, duckte mich mal.

Es war zu einfach, ihn in Schach zuhalten. Manchmal erlaubte ich es mir, ihn eine reinzuhauen. Nach einer Weile kam Lunis aus seinem Versteck gesprintet.
Er kämpfte auf die gleiche Weise, wie Xan, so dass es nicht schwer war, die Angriffe von beiden zu kontern. Dies machte beide nur rasender, zog die Schlägerei nur unnötig in die Länge.

Ich stützte mich auf meine Knie, hörte nur das Keuchen meiner Gegner.
Die Dunkelheit versperrte mir nun ganz die Sicht und ich wischte mir den Schweiß von der Stirn.
Triumphiert richtete ich mich auf und sah auf meine Hand. Es tat gut, diesem Kerl zu geben, was er verdiente.
Ich selbst hatte keine einzige Schramme von diesem Gerangel abbekommen. „Eins zu null, würde ich mal sagen.", grinste ich und wandte mich ab.

„Das bleibt nicht lange so.", zischte Xan und ich hörte, wie er sich aufrichtete. Lachend schüttelte ich den Kopf.
Naiver Junge. Gut, sollte er eben glauben, er könnte gewinnen.
Ich fand, ich hatte genug gesagt, weswegen ich mich einfach lautlos aus dem Staub machte. Einfach war das nicht, dank der Blätter, die sich nun immer mehr in Haufen auf dem Boden stapelten.

Der Herbst stand wahrhaftig vor der Tür. Ich rubbelte an meinen Armen herum, um sie zu wärmen.
Um diese Uhrzeit war es ganz schön kalt. Nur das kämpfen hatte dafür gesorgt, dass ich nicht schon längst erfroren war. Also beschleunigte ich meine Schritte und kam erleichtert wieder am wohl buntesten Internat an.
Als ich eintrat, musste ich erst einmal konstant blinzeln, um nicht wegen dem Licht der Lampen zu erblinden.

Die Gänge waren leer. Ich vermutete, dass sich der Großteil der Schüler im Aufenthaltsraum aufhielten.
Ich hingegen steckte meine Hände in meine Hosentaschen und machte mich auf den Weg in mein Zimmer.
Davor noch schnell Zähne geputzt und dann fiel ich müde in mein Bett.
Die Matratze war ein Traum, weich wie eine Wolke, so dass ich leicht einsank. Vielleicht würde ich doch ein paar Tage länger bleiben.
Einfach, um mir noch ein paar erholsamen Nächte auf diesem Bett zu gönnen

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