das Feuerzeug Teil 2

Zurück im Internat, verabschiedete sich Louis von uns und ging davon.
„Wo geht er hin?", fragte ich und sah Musa an. Stattdessen antwortete aber Willow: „Er ist im Abschlussjahr und lernt vor seiner ersten Stunde immer. Er stresst sich da echt rein.", seufzte sie.
Ich sah Louis nach. Ich hatte ihn gar nicht so alt geschätzt. Vielleicht wirkte er durch seine Arroganz jünger, vielleicht lag es auch an seinem kindischen Humor.

„Willow, könntest du Karan zum Regenbogen bringen?", bat Musa sie. „Ich muss noch Hausaufgaben machen." Hallo? Seit wann konnte man mich einfach abschieben? Ich war kein Kleinkind!

„Klar", lächelte sie freundlich und lief los. „Kommst du?" Sie winkte mich heran.
Dieses Weiden-Mädchen war echt naiv, dachte sofort, ich wäre ihr Freund. Mir gefiel das nicht, aber nach einem Schnauben folgte ich ihr.
„Was ist denn dieser Regenbogen?", fragte ich, da ich vermutete, dass es sich um keinen Echten handelte. „So nennen wir die Kammer mit den ganzen Klamotten, weil es da drinnen so bunt ist. Da kommen echt unendlich viele Farben zusammen!"

Ich musterte die minzgrüne Wand, an der wir vorbei liefen. Also eigentlich lief nur ich. Willow tänzelte verträumt durch den Gang.
Was war mit ihr falsch? Nicht, dass das ansteckend war.
„So bunt wie eure Schule?"
„Viel bunter!", behauptete sie. Wie sollte das denn möglich sein?
„Mach mal langsamer!"
„Als du in den Wald gegangen bist, hattest du es doch auch eilig."
„Das ist was anderes!", keifte ich.

Machte sie sich über mich lustig? Dann konnte sie gleich verschwinden! Und sich nie wieder blicken lassen! Wenn sie nur wüsste.....
Willow drehte sich um. „Tut mir leid. Ich wollte nicht, dass du dich angegriffen fühlst."

Die Entschuldigung kam unerwartet. Sie sah mich aus ihren grünen Augen geknickt an. Ich bemerkte, dass ich den blauen Schimmer, den ich aus dieser Distanz nicht in ihren Augen sehen konnte, vermisste.
Das Blau mischte das Grün so schön auf, verhinderte, dass man in einem Labyrinth aus der gleichen Farbe verloren ging.

Ich wusste nicht warum, aber ich musste an Odis Schwester denken, dabei hatte ich ihre Augen nie gesehen. Auch Nolas Aura hatte ich nie kennen gelernt. Alleine ihren kleinen, zarten Körper hatte ich gesehen.
Wut stieg in mir auf und ich blieb abrupt stehen.
Am liebsten wäre ich umgedreht, in Yeagers Büro gestürmt und hätte einen Schülerpass verlangt. Sofort.

Und wenn er ihn mir nicht aushändigte, bräuchte die Schule wohl einen neuen Direktor. Würde ein Schüler oder Lehrer auf dumme Gedanken kommen, würde ich eben ein paar Klassen minimieren. Drohen konnte ich gut, töten besser. Denn bei mir gab keine leeren Drohungen.
Ich riss mich zusammen, straffte die Schultern und ging weiter.

Bald hatte ich meinen Pass und dann würde ich in höchstens zwei Tagen die Bücherei komplett abgesucht haben und wenn ich fündig geworden bin, wird dem Besitzer der Steine einen schönen Besuch abgestattet.
Wer zuletzt lacht, lacht am besten.
Nicht wahr, Leyna?
Der Regenbogen war eine kleine Kammer, vollgestopft mit jeglicher Art von Kleidung in allen Größen.

So wie Willow vorschlug, schnappte ich mir so viele Stücke, wie ich tragen konnte und ging mit meiner Ausbeute dann in mein Zimmer. Da mir nur noch zehn Minuten bis zum Unterrichtsbeginn blieben, verabschiedete sich Willow von mir, um schon mal vorzugehen, und ich wechselte schnell mein Outfit.

In dem roten T-Shirt, auf dem weiße Wellen gestickt worden waren, sowie der schlichten Jeans, machte ich sicher einen guten Eindruck.
Ob ich den wollte oder brauchte, war die andere Frage. Als letztes stopfte ich meine Schulsachen, in den Rucksack, den ich unter meinem Schreibtisch gefunden hatte.

Da dieser dann aber viel zu schwer war, sortierte ich die Hefte und Bücher aus, die ich heute nicht brauchte und warf den Rest zu den Stapel Klamotten, den ich später anprobieren wollte.
Als ich mein Gepäck wieder schulterte, verlor ich nicht erneut das Gleichgewicht.

Dies sah ich als Zustimmung und verließ mein Zimmer.
Musa hatte ich nicht entdeckt. Er machte seine Hausaufgabe also vermutlich im Gemeinschaftsraum oder in der Bibliothek.
Oder er wollte mich einfach abschieben. Mir war es egal. Soll er doch machen, was er will. Das Zimmer, indem wir nun Mathe hatten, befand sich im Erdgeschoss, in der Nähe von Yeagers Büro.

Dort erwartete michschon ein großer Mann (ich schätzte ihn auf mindestens zwei Meter). Sein Haar war schwarz, hatte an einigen Stellen aber schon graue Strähnen, dabei sah der Mann nicht gerade alt aus. Das erstaunlichste an ihm war aber nicht seine Größe, und die war schon einschüchternd, sondern seine grauen Augen, mit dem Blaustich.

„Hallo. Du musst Karan sein. Herzlich willkommen.", lächelte er, was auf seinem strengen Gesicht unnatürlich aussah, als würdeer es nie tun, und schüttelte meine Hand.
„Du bist bestimmt aufgeregt, aber keine Sorge, deine Klasse ist sehr nett. Du wirst dich bestimmt gut mit ihnen verstehen."
Wer's glaubt wirdselig.

Ich beschränkte mich auf ein Nicken. Er stellte sich als Herr Gray vor und laberte dann noch irgendetwas anderes, von Harmonie und Regeln. Auch etwas von „Wir gehen zusammen in die Klasse. Keine Sorge."
Pff. Um gleich mal zu zeigen, dass ich nicht so einer war, stieß ich ohne Herr Grays Zustimmung die Tür auf und ging herein.

Ein Blick nach hinten, zeigte mir, dass er mir mit einem erstaunten Gesicht folgte. In dem Klassenzimmer müffelte es nach Papier, Tinte und auch nach Furzen.
Toller Start in den Morgen. Kann ich bitte wieder gehen?
Mein Magen rumorte warnend, während ich meinen Blick durch den Raum gleiten ließ, der Rucksack hing locker über meine Schulter.
In meiner Klasse waren etwa 17 Kinder, unter anderem auch Willow und Musa, die mich aufmunternd anlächelten und mir zunickten, aber auch Jamalia entdeckte ich, die mich musterte.

Mein Blick blieb an einem Kerl hängen und mir gefrordas Blut in den Adern. Nein! Was machte er hier? Es waren nicht seine blonden Haare, die ihm perfekt auf dem ovalen Kopf saßen oder seine düstere Aura, an dem ich ihn erkannte.

Nein, es waren seine, von einer Brille umrundeten, Augen. Zwei schmalen, braune Augen, die mich abwertend ansahen, als er merkte, dass mein Blick an ihm hing. Seine Augen funkelten drohend.

Anders als damals. Da war mehr Angst in ihnen gewesen. Viel mehr.
Mein Körper begann zu beben, meine Hände verkrampften sich zu Fäusten. Ich war hier, weil ich Rache wollte und er stand ganz weit oben auf meiner Liste, wen ich am qualvollsten umbringen wollte. Er kam geradeswegs nach seinem Vater und vor Leyna.

Die Mordlust flammte in mir auf, als bestände ich aus Öl und jemand hätte Wasser in die kleine, züngelnde Flamme geworfen, die in mir brannte.

Es kostete mich alle Willenskraft, mich nicht auf ihn zu stürzen, ihn bis zum Tod zu prügeln. Ein Monster? Hah! Ich zeige dir ein Monster! Eine wahre Bestie! Langsam verlor die Welt ihre Farbe.
Das hieß Socium übernahm langsam die Kontrolle über mich. Er wollte mir die Qual abnehmen und dem Kerl ein frühzeitiges Ende bereiten.

Mein Blutkochte regelrecht. Meine Finger knackten, meine Sicht verschwamm.
Nein! Ich durfte mir keinen Fehltritt erlauben! Zuerst brauchte ich meinen Schülerpass.
Mir fiel das Atmen plötzlich ganz schwer, während die Bilder jenes Tages durch meine Kopf zuckten, als würde sie jemand durch mein Gedächtnis schießen. Der Tag, in der Karan starb und Luzifer geboren wurde.

„Renn, Karan!", hörte ich wieder die Stimme in meinem Kopf, während ich mit mir selbst kämpfen musste.

Ich denke, ich muss nicht erklären, wieso ich kurz darauf vor der Klassenzimmertür stand und mir eine gewaschene Standpauke von Herr Gray anhören musste.
Unauffällig wischte ich das Blut von meiner Faust an der Wand ab, die rotorange war.

Das Gefühl war echt unbeschreiblich gewesen, dem Penner meine Hand ins Gesicht zu rammen, so dass er vom Stuhl gekippt war.
Unser Mathelehrer hatte mich dann nach draußen geschickt, um sich um Xanthos alias mein Opfer zu kümmern, bevor er zu mir aus dem Raum gestürmt war und mich nun lauthals belehrte: „Das war unverantwortlich! Du hättest ihm die Nase brechen können!"
Hätte? Das heißt sie war nicht gebrochen?

Manno! Der Schlag war doch so schön gewesen! Und es hatte sich verdammt gut angefühlt. Er war der Beginn meiner Rache! Wartet nur ab!

Es war der Moment, als ich entschloss, dass ich diese Welt auch zerstören würde, wenn ich der letzte Umbritor wäre!
Ich war anders als meine Vorgänger! Ich würde mich nicht benebeln lassen, von dem, was die Menschen schon oft gerettet hat: Liebe.
„Du kannst von Glück reden, dass seine Brille heil geblieben ist!", fuhr Herr Gray fort und funkelte mich wütend an.

Ach komm schon! Der Schlag war also so gut wie umsonst gewesen.
„Du wirst heute Nachmittag, nach dem Unterricht, ins Büro des Schuldirektors.", fügte er hinzu.
„Darf ich davor wenigstens etwas essen?", grummelte ich genervt.

Das fing ja super an. Erstaunlicherweise erlaubte er es mir. Leider war er noch nicht fertig mit seiner Rede.
„Aber deine Eltern werden davon hören!", fügte er hinzu und wedelte mit seinem Zeigefinger vor meinem Gesicht herum. Ich schob seine Hand beiseite, nachdem ich blinzelnd versucht hatte, dem Finger zu folgen.
Das war aber mindestens genauso unmöglich, wie die Farben der Wände in diesem Schulhaus zu zählen.

„Okay. Mir wäre es aber neu, dass man Kontakt zu Toten aufnehmen kann. Aber falls sie das schaffen, sagen sie mir bitte Bescheid. Ich habe viel zu erzählen.", sagte ich, woraufhin Herr Gray kurz verwirrt schien. Vermutlich hatte er dies nicht erwartet.

Oder er wusste nicht, ob er mich bemitleiden sollte oder nicht, nachdem was ich getan hatte?
„Ich denke du solltest an dieser Stunde nicht teilnehmen.", meinte mein Mathelehrer zu meinem Erstaunen.
„Komm runter und erscheine zum nächsten Unterricht. Pünktlich. Wir sehen uns heute Nachmittag. Und wehe du trödelst beim essen. Ich gebe dir nur eine halbe Stunde."
Mit einem Nicken verabschiedete er sich und betrat das Klassenzimmer.

Irgendwie fühlte ich mich, als hätte er mich sitzen gelassen, wobei ich die freie Stunde gerne annahm. Kurz sah ich Herr Gray nach, dann drehte ich mich um und suchte die Treppen.

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