Kapitel 31
„Ich liebe dich."
Es war still. Die Abrollgeräusche der Räder auf dem Asphalt und das leise Knistern des Radios waren das einzige, was zwischen den beiden herrschte. Sie hüllten sich in eisernes Schweigen. Der eine blickte starr aus dem Fenster, den Körper völlig unter Storm habend, der andere hatte die Augen auf den Verkehr gerichtet, die Hände dabei krampfhaft um das Lenkrad gelegt.
Ihre Blicke hatten sich, seitdem sie das Auto erreicht haben, nicht mehr gekreuzt.
„Ich würde... sehr gerne nach Hause."
Vor lauter Enttäuschung konnte man etwas in dem Jungen zerspringen hören. Ein Knacken ging von ihm aus, denn diese Zurückweisung wirkte wie reines Gift auf ihn.
Wurde er von Jimin etwa nicht gemocht?
Hatte er die Zeichen falsch gedeutet?
Hatte er durch seine Vernarrtheit etwa...
„Danke fürs'... Heimbringen..."
Wurde er zu voreilig?
Wollte er zu viel?
„J-Jungkook...?"
Hatte er den anderen verschreckt?
Würde er nun jetzt...
Sein Verstand erholte sich unmerklich von dem Wirbelsturm, der in ihm tobte. Er war verwirrt. Alles machte keinen Sinn.
Jimins Verhalten tat ihm weh.
Ein tiefes Seufzen Jungkook ihn endgültig aus dem Strudel, aus welchem er sich kaum selbst befreien konnte. Seine Kopf dröhnte bösartig und ihm war schwummrig. Er fühlte sich nicht gut. Ganz und gar nicht gut. Ein Empfinden, das er mit Jimin teilte. Als dieser nämlich mit beiden Füßen wieder auf festem Grund stand, nachdem der Jüngere sein Auto am Straßenrand parkte, von dort aus der Hunger nur noch wenige Meter bis Nachhause zu laufen hatte, ereilte ihn die Retourkutsche dessen, was in der Stadt über ihn gekommen war.
Das vertraute und dennoch unbekannte Antlitz des Wesens auf der Fensterscheibe hatte sich in seinen Verstand gebrannt, war dessen Gesicht jedoch noch verschwommener als vorher. Es begann zu bröckeln.
Jimins errungene Kraft war dahin.
Es erschreckte ihn, als er dies realisierte. Fiebrig streifte seine Hand an der Reling des Wagens, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Zuvor erfasste ihn ein Schauder, als er die Tür des teuren Vehikels öffnete. Kalter Wind fegte durch die Gassen und traf seine Haut. Kia presste sich derweil noch enger an die Brust seines Herren, dessen aufkochende Unruhe er immens spüren konnte.
„Jungkook", wiederholte der Reiter streng, als er zurück in das Innere des Autos schaute. Geistesabwesend hielt der junge Mensch das Lenkrad seines Fahrzeugs umklammert. Mit dem Ausdruck, der auf seinen Gesichtszügen ruhte, konnte Jimin nichts anfangen.
Hatte er dem Jungen etwa eine Abfuhr erteilt?
„I-ich hab' doch nur..."
Er wusste, nach Jahren des Ausbildens, die von Seokjin persönlich durchgeführt und überwacht wurde, dass es ihm strengsten untersagt war, ein Opfer unverhofft zurückzuweisen, wenn es einmal sein Herz an den Jäger verloren hatte.
„Gebrochene Herzen sind schwer zu heilen, mein kleiner Hunger. Vergiss das nicht."
Für Menschen, die unter dem Bann des Reiters standen, fühlte sie eine Abweisung natürlich hundertfach schlimmer an. Wie der Biss einer giftigen Natter. Sie begannen alles und jeden zu hinterfragen. Oftmals würden sie sogar in eine tiefe Depression fallen. Ihre Verstände gerieten ins Chaos. Wellen der Traurigkeit erdrückten sie.
Die Schauergeschichten über das Versagen eines Reiters waren Jimins stätiger Begleiter und Seokjin ging sicher, dass sein Kind dies niemals vergessen würde. Zu groß waren die Konsequenzen. Denn das, was die Beute fühlte, fühlte auch der Jäger. Sie waren eins.
„Jung... Jungkook, hör zu. Gib... Gib mir bitte etwas Zeit. Oke?"
Eine Hand auf der seinen spürend, die sich noch immer in das Leder des Lenkrades krallte, vermochte es der Student, seinen Blick zu wenden. Große Augen, in denen Jimin etwas erkennen konnte, was ihn bis ins Mark erschütterte, blickten den Hunger nun an.
Dieser atmete erschrocken auf, als er erkannte und verstand.
Hätte er doch besser auf die Warnungen seines Vater gehört. Wieso musste aber auch alles schief laufen, was diesen Jungen betraft?
Jimin konnte es sich nicht erklären.
„I-Ich kann dich doch nicht wieder vergessen lassen", hauchte der Reiter und küsste dem Jungen anschließend zärtlich auf Wange. Sein Inneres begann sich dabei zu verkrampfen.
Das Spiel mit dem unwissenden Jungen stand noch immer in den Sternen.
Während der Hunger mit sich haderte, ob er den Menschen einfach so zurücklassen sollte, legte sich der wabernde Nebel in Jungkooks Verstand. Die Schwaden bekamen zu schwer und sanken zu Boden. Das Verlangen den Silberschopf zu küssen, war allerdings allgegenwärtig. Auf einen weiteren Kuss auf die Wange, nachdem sehnte sich der Jüngere jedoch nicht. Er wollte die sanft rosafarbenen Lippen des anderen auf den seinen spüren. Dieses Gefühl, welches er sich davon versprach, das wollte er.
Ein Trugschluss.
„E-Es tut... Wir sehen uns morgen."
Als Jimin die Tür des Wagens ins Schloss fallen ließ - zuvor strichen seine Finger noch über die kaltschweißige Wange des Studenten und ließen dort einen Bitzeln zurück - überkam den Menschen eine Welle an Hitze und Kälte. Im fliegenden Wechsel zogen diese Schauer über den Jungen hinweg, wirkten auf ihn ein und trafen ihn bis ins Mark. Diese Ereignisse ebbten nicht ab, selbst, als er sein sicheres Zuhause erreicht hatte, die Wohnung des Silberhaarigen längst hinter sich gelassen. Kaum setzte Jungkook einen Fuß in seinen Wohnung, rannten tiefrote Rinnsalen über seine Lippen, sein Kinn und versickerten im Kragen seines Shirts.
Die Krankheit hatte ihn eingeholt.
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„Vater, verflucht!"
In unmenschlicher Geschwindigkeit warf der Teufel sein mit Silber veredeltes Weinglas durch den großen Speisesaal seines Schlosses. Die Tafel, an welcher er sich alleine befand, war reichlich gedeckt. Ein Platz zu seiner Rechten war gedeckt und eine von einem Silberhäubchen verdecktes Speise befand sich darunter. Der Gast, den der Teufel sehnlichst um ein Treffen bat, war zu seiner Enttäuschung nicht erschienen.
Dass Jackson nun die Botschaft von einem seiner Späher übermittel bekam - bei diesem Wesen handelte es sich nicht um des Teufel Vollstrecker, der auf den Namen Yoongi hörte - äußerte sich sein Jähzorn ausbruchsartig. Die Diener zuckten, wendeten ihre Häupter und harrten einfach aus, bis ihr Herr sich wieder sammelte.
"Stattet dem Onkel meiner Kinder einen Besuch ab. Bringt ihn zu mir. Wenn nötig, dann droht ihm mit dem Verlust seines Kopfes und das, was von seinen Flügeln übrig ist!"
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Er wollte sich in seinem Bett eigentlich nur bequem hinlegen, da sein Rücken begann zu zwicken, doch spürte er zu seiner urplötzlich ein Gewicht auf seinem Brust, was seinen gesamten Leib in die federweiche Matratze drückte, ihn regelrecht fixierte.
Yoongi spürte das Verlangen, seine Augen einfach verschlossen zu lassen. Solange er dem Problem nicht in die Augen schaute, konnte es ihn nicht kümmern. Er sollte ihn aber kümmern, erinnerte ihn sein Gewissen, denn auf seiner Brust befand sich eine Kreatur. Pechschwarz war ihre Haut und Auge so Rot wie Rubine, glühten dessen Zielobjekt an. Dunkler Speichel tropfte aus dem Maul der Bestie, befleckten die Bettwäsche, auf dem es saß. Es wäre also ein fataler Fehler seitens Yoongis, würde er die Gefahr einfach aussitzen.
Als die Tropfen nun auch noch auf das aschfahle Gesicht des Dämons fielen, endete sein Geduldsfaden und riss.
"Mach' und verschwinde", knurrte Yoongi drohend auf, stieß das minderwertige Wesen von sich. Dem Geruch nach zu urteilen, was es von Beginn an ausdünstete, wusste der Stärkere der beiden bereits, um was es sich bei der Kreatur handelte. Ein Unterster. Ein Schatten. Die wertlosesten aller Arbeiter des Teufels. Verlorene Seelen ohne eignen Willen oder Verstand. Sie existierten einzig, um zu dienen und zu sterben. Man munkelt, dass Seelen vieler bekannter Persönlichkeiten, die den Zorn des Teufels auf sich zogen, ihr Dasein als diese Kreaturen fristen mussten und bis in alle Ewigkeit werden.
Mit dem Herren der Unterwelt, war eben nicht zu spaßen.
"Sabber' jemand anderen die Bettwäsche voll, du Mistvieh."
Zornig kletterte der Dämon aus seinem zweitliebsten Platz auf Erden. Beim Anblick der dunklen Flecken auf dem Stoff, ahnte er bereits, dass er die Flecken nie mehr wieder herausbekommen würde. Dies ärgerte ihn schon beinahe mehr, als die Masse auf seinem Gesicht.
Die Kreatur krächzte bloß erfreut auf und bewegte sich auf den erloschenen Kamin des Schlafzimmer zu. Ihr Gelächter hörte sich grässlich an. Wie, als würde man an seiner eignen Galle ersticken. Yoongi drehte es beinahe den Magen um. Keine Augenblick später hatte es dann die Feuerstelle erreicht. Schwarze Asche wurde aufgewirbelt und begann ich von frisch geborenen Flammen wieder zu erhitzen.
Natürlich war dieses Ding nur hier, um Unordnung zu stiften und dem Vollstrecker eine Nachricht zukommen zu lassen. Yoongi hätte es wissen sollen.
Kopfschüttelnd ging es auf die rot- und gelbfarbenen Flammen zu. Sachte strich er über sie. Das tanzenden Feuer kitzelte sanft auf seiner Haut.
„Jin, steh' mir bei", seufzend befreite Yoongi einen Brief aus der heißen Asche und Kohle, bewegte sich anschließend an seinen Schreibtisch, um das Papier dort zu öffnen. Seine Finger waren verschmutzt von all dem Dreck. Er holte, als er sich gähnend in seine Sitzgelegenheit fallen ließ, einen alten und verrosteten Brieföffner aus einer der Schubladen zu seiner Linken. Es war ein Geschenk seines Vaters. Er besaß das letzte Erinnerungsstück seine menschlichen Lebens seit mehr als 100 Jahren.
Mit einer schneller Handbewegung hätte der Dämon den Umschlag des Briefes geöffnet. Das Siegel aus Wax war bereits in kleinsten Bröseln auf die Tischplatte gestürzt. Es war Rot.
Ich hoffe, dass dich der Schatten hat aus deiner Schein und Traumwelt fallen lasse. Deine vergangen Berichte waren mau, lückenhaft, die reinste Schande. Ich denke - Nein. Ich weiß, dass du den Ernst des Ganzen in deiner Falschtuerei vergessen hast, ihn schlichtweg nicht mehr siehst. Denke immer daran, wer und was du bist, Yoongi. Ich weiß in welcher Beziehung du zu dem Jüngsten dieser unnützen Reiter stehst. Es können sehr schnell andere Seiten aufgezogen werden, kommst du nicht endlich zu klarem Verstand. Du sollst beschatten, ihnen auf Schritt und Folgen und die Wahrheit berichten. Dies ist deine Pflicht. Die Pflicht, die du geschworen hast, zu erfüllen. Du willst doch nicht, dass sich jemandes silberne Locken rot färben?
- L.
Zittrig fuhr sich der Dämon durch das rabenschwarze Haar. Die Narben an seiner Wange schmerzte vor lauter Erinnerungen. Dieser Brief wühlte alles wieder auf, was er versuchte zu vergessen.
„Ich muss Chris benachrichtigen...", sprach, die Stimme fiebrig. Er musste schnellstmöglich einen Eilbrief an seinem ältesten Freund ansetzten. Hoffentlich war es noch nicht zu spät.
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