Kapitel 26

Müde saß Yoongi an seinem Schreibtisch. Ihm wären ohne groß nachzudenken 1000 Tätigkeiten eingefallen, die er dem Schreiben dieses Briefes vorziehen würde. Er erinnerte sich an die Worte seiner Nichte zurück, die ihn allerdings an seine augenblickliche Tätigkeit band.

„Vater verlangt wöchentliche Berichte, wie es dem Opfer geht. Du weißt ja sowieso bereits wie der Hase läuft."

Der Demon wusste ganz genau in welche Richtung der Hase vor die Flinte des Jägers rannte. Es war nur noch eine Frage der Zeit bis der Schuss saß. Yoongis Sorgen wurden von dieser Tatsache rund um die Uhr in Fahrt gehalten.

Da er nicht wie von ihm erwartet; jede Woche einen Bericht an den Gebieter der Hölle verfasste, der von den Fortschritten der Angelegenheit, zwischen dem Sohn des Todes und Jeon Jungkook, handelte, neigte sich Yoongis Schriftrolle langsam dem Ende. Die Feder kratzte über das schroffe Pergament und ließ ab und an einen unangenehmen Schauer über den Rücken des Höllenwesens gleiten.

Yoongi ließ einige Angelegenheiten unerwähnt. Jackson brauchte nicht alles zu wissen. Er durfte nicht alles wissen.
Bilder von Jimins Demütigung vor aller Augen und seinem anschließenden Moment der Schwäche tanzten dem müden Dämon vor dem inneren Augen umher.

Das Opfer befindet sich in einem noch stabilen körperlichen Zustand. Bis auf einige nicht nennenswerte Vorkommnisse seitens des Reiters, ist der junge Mensch noch unbeschadet davongekommen. Mir liegen keine weiteren Fakten, bis auf die oben genannten, vor, mit denen ich euch dienen kann, Herr.

Er legte die schwarze Feder beiseite, zurück in ihre metallene Halterung. Anschließend glitt sein Blick noch einmal über all sein Geschriebenes. Er schrieb fehlerfrei, wie zu erwarten.

„Hoffentlich bleibt es dir im Halse stecken."

Dass Yoongi für seinen Herrn und Gebieter nur wenig übrig hatte, war ein offenes Geheimnis. Zehn lange Jahre waren nicht genügend Zeit, um all die tiefen Wunden heilen zu lassen. Das wusste der König der Hölle genauso gut, wie sein erfolgreichster Vollstrecker.

Trotz der momentan noch harmlos ausschauenden Situation zwischen Reiter und Mensch, befand sich der Dämon in Aufruhr.
Dem Jungen saß seit mehreren Wochen einer der Söhne Seokjins im Nacken, stieg er jedoch beinahe jeden Morgen mit einem Lächeln aus dem Bett. Dem Kind ging es gut. Zu gut. Yoongi konnte dessen Freude beinahe von all seinen Verstecken aus riechen, von denen aus er die beiden beschattete, wenn der Junge das Antlitz des Silberhaarigen erblickte.
Keine Anzeichen war zu erkennen, dass ihm eine Schlinge names Hunger um den Hals gelegt wurde, die sich jeden Moment zusammenziehen konnte.

Der Einzige, dessen Zustand sich kontinuierlich verschlechterte war der, der Fresslust selbst. Reiter konnten kein Blut verlieren. Jimin tat es.

„Was tust du nur...", murmelte der Dämon und betrachtete wie automatisch die Fotografie, die sich bereits seit Jahren an diesem Ort befand. Es zeigte einen vor Freude strahlenden Jungen, dessen blondes Haar ihm lockig auf die Stirn fiel. Seine Wangen schimmerten leicht Rosa und durch sein breites und ehrliches Lächeln zeigte er Zähne.

Yoongi wurde es bei dem Anblick des Bildes ganz warm ums Herz. Der Dämon, der für seine Grausamkeit im vergangenen Jahrhundert berühmt wurde, erinnerte sich an eine Zeit zurück, in der sein zwar stillstehendes doch immer noch Liebe empfindendes Herz wieder zu schlagen beginnen wollte. Das war er diesem Jungen mit den so lieblichen Lächeln schuldig.

ut me ad flammae", sprach der Dämon, nachdem sein Siegel auf die Schriftrolle gesetzt wurde. Er erhob sich von seinem Schreibtisch und schritt an den vor sich hin glühenden Kamin und dessen Glut. Kaum waren diese Worte von seiner Zunge gesprungen, erklommen die Flammen empor und tauchten das Arbeitszimmer in ein kaltes Blau.

Unbeeindruckt betrachtete Yoongi das tanzende Feuer für einen Moment bevor er den Brief den Flammen zum Opfer gab. Es würde nicht lange dauern, dann würde der Teufel die Worte des Dämons in den eigenen Pranken halten.

Vieles hatte er in seinem Bericht ausgelassen, um Jimins Willen und um dem des Jungen. Doch machte er sich darum keine Sorgen.

Die Konsequenzen würden ihn noch früh genug einholen.

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„Hr. Park, kommen sie doch bitte noch einmal an Tafel."

Das Gemurmel verstummte und etliche Paar Augen richteten sich auf den Jungen, dessen Haar schimmerte wie Silber. Jeder dieser Menschen erwartete einen verängstigten Ausdruck seitens des Neuen, vielleicht sogar eine nutzlose Ausrede, um sich vor dem Bevorstehenden zu schützen.

„Sehr gern."

Ein siegessicheres Lächeln verzog die Mundwinkel des Reiters und er erhob sich anmutig von Jungkooks Seite. Sie saßen mittlerweile Seite an Seite in den Vorlesungen. Ein Vorteil für beide Parteien.

Der Professor musterte den Neuzugang seines Kurses mit gehobener Braue. Seine Hände ruhten in den Taschen seiner braunen Strickjacke.

Was der primitive Mensch in Jahren seiner Arbeit als Professor nicht wissen konnte war, dass der junge Reiter einen kleinen Abstecher in Minhos Laden betätigte und nicht mit leeren Händen zurückkehrte.

Der Mensch musste sein Wissen mühsam selbst erlernen. Für Kreaturen wie Jimin eines war gab es Abkürzungen in Form von Sprüchen, Ritualen und die ein oder andere Opferung dicker Bücher.

Die Ergebnisse waren die Gleichen.

Als Jimin also das Stück Kreide in die Hand nahm und die an der Tafel stehende Formel erläuterte, einen verschmitzten Ausdruck dabei tragend, verlor der ältere Herr beinahe all seine Farbe im Gesicht.

Den restlichen Kommilitonen fiel das Gesicht herunter und sich alle betrachteten ihn ehrfurchtsvoll, als er sich zurück an Jungkooks Seite bewegte, nachdem er dem Professor die Kreide wieder in die schwitzige Hand drückte.

Jimin sonnte sich in der Aufmerksamkeit.

„D-da hat mein Machtwort die Tage doch etwas gebracht", fügte der Alte noch immer völlig perplex hinzu. Dass er im anschließenden Unterricht nicht mehr wagte, das Wort zu laut zu erheben, kam Jimin gerade recht.

Zufrieden nahm er Platz und schenkte Kia einen stolzen Blick, als er ihn in seiner Tasche zu seiner Rechten bemerkte.

„Das... war unglaublich!"

Zu Jimins Linken konnte sich ein überwältigender Jungkook kaum auf seiner Sitzgelegenheit halten. Er strahlte bis zu beiden Ohren und schaute den Reiter mit seinen Rehaugen ungläubig an.
Er konnte sich nicht erklären, wie Jimin in solch kurzer Zeit seine Schwächen ausbessern konnte. Das grenzte an Zauberei.

Schmunzelnd dachte er an die vergangene Nachhilfestunde zurück, in der sein Nebenan in Angesicht der Formeln und Zahlen verzweifelte.

„Du bist unglaublich...", hauchte der Junge und setzte sich anschließend wieder ordentlich auf seinen Hintern. Dass er zuvor dem blassen Jungen beinahe schon zu nahe kam, bemerkte er im Eifer des Gefechts nicht.

Nickend richtete der jüngste Reiter seinen Kragen und langte in seine Tasche. Als er sich danach wieder an den jungen Mann an seiner Seite wendete, zierte Kia seine Brust wie eine kunstvolle Schleife. Das Tier schlief dort zufrieden und genoss die Wärme, die von seinem Herrn ausging.

Es war ein kurzer Moment des Erfolgs und Friedens, denn bald wurde den beiden Höllenwesen wieder bewusst, dass Jimins Zeit drängte.

Der Hunger, der in Jimins Inneren wütete und ihn von Tag zu Tag mehr schwächte, legte sich nicht mehr. Er konnte versuchen was er wollte, es half nichts. Selbst, als er Minho um Rat bat, als er ihn heimsuchte.

Es tut mir von Herzen leid, Jimin, doch wie es aussieht, kann nur einer dir helfen und das bist du."

Erzürnt ritt der Hunger an diesem Abend nach Hause. Kia stürmte verunsichert über die Straßen. Dass die einfachen Menschen sie nicht erblicken konnten, darüber war das Tier mehr als dankbar in diesem Moment. Tränen der Wut rannten über Jimins Wangen, doch er dachte nicht im Traum daran, seine Familie um Hilfe zu bitten. Lieber würde er zu Grunde gehen.

„Dann muss ich den Jungen eben schnell aus dem Weg räumen. Keine Spielchen mehr. Keine Ablenkung-"

Sachtes Tippen an seiner Schulter riss den Hunger aus seinen Gedanken, seine eigene Hand ruhte dabei auf Kia und streichelte ihn.

Der Hunger wendete sein Haupt und blickte gleichgültig in das freundliche Gesicht des Jungen, der ihn... ihn bedrohte? Sein Leben bedrohte?

Wenn Jimin ehrlich war, konnte dieses Kind prinzipiell nicht wirklich etwas für die Lage, in der sie sich beide befanden. Aus irgendeinem Grund hatte es der Teufel auf ihn abgesehen und ihn dazu bestimmt, dessen Nachfolger zu werden.

Und der junge Reiter war zu geblendet von den Lügen Jacksons und ging auf den Pakt ein. Jimin würde lachen, würde es nicht um sein Leben gehen und würde er damit nicht das tote Herz seines Vaters brechen.

„Du, Jimin... möchtest du vielleicht anschließend mit mir Essen gehen?"

Jimin sollte verneinen. Er sollte den Jungen anschließend mit zu sich nehmen, ihn innig küssen und anschließend an den Haaren vor die Füßen des Teufels zerren.

Er sollte...

„Wenn du das möchtest."

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Dem Hunger war schlecht, als er den Jungen dabei beobachtete, wie er sich über die zweite Schüssel Bibimbap hermachte, die Jimin nicht wagte anzurühren. Zuvor fragte der Mensch freundlich danach, ob sein Gegenüber das noch essen würde. Mit gerümpfter Nase verneinte er.

So betrachtete er nun den Jungen, wie er sich den Magen voll schlug.

‚War das normal?', fragte sich der Reiter innerlich und ein Schauer an Ekel und Abscheu kletterte ihm den Rücken hinab.

„Wie kann man nur so viel essen", murmelte er anschließend, nachdem er das Glas Wasser wieder auf der Tischplatte abstellte. Es war beinahe zu erwarten, dass der Junge ihn hörte.

„Ich soll viel essen", kommentierte er und legte den Löffel und die Stäbchen für einen Augenblick beiseite. Mit einer Serviette säuberte er seinen Mund.

„Weißt du. Als kind bin ich beinahe an Unterernährung verstorben. Ich kann wirklich froh sein, dass ich noch lebe. Also genieße ich und esse."

Wieder lächelte er ehrlich und Jimin wusste nicht, wo er hinschauen sollte. Seine Wangen wurden etwas rot.

„Was du nicht sagst", lenkte der Reite beschämt vom Thema ab und verschränkte die Arme vor der Brust. Kia musterte seinen Herren von seinem Platz aus mit Verwunderung.

Als der Junge dann endlich zu Ende gespeist hatte, was Jimin den letzten Nerv raubte, da ihn sein eigener Hunger beinahe in den Wahnsinn trieb, verließen die beiden das kleine Restaurant, was sich auf dem Gelände der Universität befand. Es war mittlerweile kurz drei am Mittag.

Die beiden schlenderten an der Streuobstwiese vorbei, an der Jimin das erste Mal auf die Gefährtin seines älteren Bruders traf. Seit dem der Silberschopf das Tier jedoch unbeabsichtigt verletzte, als sie ihn bei seinem kläglichen Versuch Kraft zu erlangen, beschattete, hatte er nichts mehr von ihr gehört. Jae hatte wohl ausführlich an Namjoon berichtet.

„Also, man sieht sich am Montag wi-"

Jimin wurde von dem Jungen unterbrochen, als dieser unvorhergesehen nach seiner Hand griff. Jungkook schaute ihm schüchtern entgegen, doch er musste den Silberschopf noch an etwas erinnern.

„Ich weiß nicht, ob du dich dich erinnerst. Aber ich habe dich vor einer Woche ungefähr gefragt, ob du mich mit auf eine kleine Party begleitest. D-das wäre heute", äußerte er sich schüchtern und strich mit dem Daumen über Jimins Handrücken.

Der Reiter sollte nicht. Auf solchen Feiern waren zu viele Menschen, die ihn stör-

An was dachte er bitte? Solche Orte waren perfekt, um sein Opfer in ein abgelegenes Zimmer zu drängen, und seinen Auftrag endgültig zu beenden, seinen Hunger endgültig zu beenden.

Er erinnert sich an die Gartenparty zurück, auf welcher er eines seiner vergangenen Opfer das Leben stahl. Jimin musste einfach auf die gleiche Weise agieren. So schwer konnte das nicht sein. Woher kamen auf einmal seine Zweifel?

Dieser Hunger machte ihn wirklich verrückt.

„Sehr gern. Hol' mich einfach bei mir Zuhause ab. Ich werde bereit sein", antwortete er und platzierte anschließend einen Kuss auf der Wange des Menschen. Dessen Wangen begannen sich Rot zu färben.

„Bis heute Abend", kicherte das Höllenwesen und ließ den Jungen an Ort und Stellen zurück.

Die beiden waren so miteinander beschäftigt, dass sie das zornige Grollen eines Dämons in ihrer nähe nicht hörten, geschweige denn das Rascheln seiner Flügel bemerkten, als er sich in die Lüfte schwang. Eine der beiden Schwingen war verletzt und verlor zahlreich Federn. Doch Jimin erkannte den kohligen Geruch, als würde ein Wald und alles darin in Flammen stehen.

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