Kapitel 2
Auf der Fahrt zur Schule lehnte ich meinen Kopf an das kalte Fenster und beobachtete die kahlen Bäume und die mit Eiszapfen versehenen Häuser, die an uns vorbeiflitzten.
Jetzt wo die Ferien vorüber waren und wir die meisten unserer Rudelmitglieder nun wieder häufiger sehen würden, mussten wir unsere Stärke erneut beweisen, denn ihr habt keine Ahnung, wie viel Mut dem. Rudel diese lange Zeit gab, um zu versuchen ihren Rang zu erhöhen. Meistens waren es zwar nur kleine Spielchen mit einem gewissen Ernst dahinter, doch wir, vor allem ich, mussten trotzdem auf der Hut sein. Niemand würde es auch nicht so schnell wagen, den Alpha anzugreifen, aber bei seinem Beta war das schon ein klein wenig anders.
Auch wenn es bei anderen Rudel mit dem Kampf um die Ränge wesentlich schlimmer war und es in unserem Rudel schon länger keine Kämpfe mehr gegeben hatte, mussten wir unsere Autorität noch einmal klar stellen.
"Haaa, ich freu mich echt schon auf die ganzen Bitches!", grinste Jace vor sich hin.
Ja, so war er... Player. Casanova. Herzensbrecher. Arschloch. Unbeeindruckt schaute ich weiter aus dem Fenster.
War wohl vergeblich zu hoffen, dass er wenigstens ein bisschen erwachsener geworden ist...
"Treib es aber bitte nicht wieder so weit wie letztes Mal ja? Setz dir ein Limit."
Begeistert war ich nicht, dass er sich so unreif verhielt, aber ich war sein Beta und bester Freund. Es war meine Pflicht ihn zu unterstützen!
"Limits sind was für Loser!", spuckte mein bester Freund verächtlich aus. "Du solltest dich auch mal ein bisschen lockern! Die Hälfte der Mädchen stehen auf dich! Wir könnten ja eine Wette machen: Wer in der ersten Woche mehr Bitches knallen kann! Okay?"
"Nein, danke. Ich verzichte." Ich musste schließlich auf ihn aufpassen. Ihn unterstützen. Wachsam sein. Die Verantwortung übernehmen, die er nicht übernahm. Das war meine Aufgabe.
Jace stöhnte. "Ich hab gewusst, dass du das sagen würdest..."
"Klar." Noch immer ohne eine Regung in meinem Gesicht starrte ich weiter nach draußen.
"Zusammen würden wir viel mehr Spaß haben...", schmollte Jace und bog in die Einfahrt der Schule ein.
Irgendwer muss ja die Verantwortung übernehmen...
"Gravel", anhand von Jace' Stimmlage wusste ich sofort, dass irgendetwas nicht stimmte, "wem gehört das Auto da?"
Stirnrunzelnd folgte ich Jace' Blick. Dort stand tatsächlich ein nagelneuer Sportwagen, der die Aufmerksamkeit der halben Schule auf sich zog. Absolut jeder starrte den Wagen mit den verdunkelten Scheiben an und wartete darauf, dass der Besitzer dieses Prachtstücks endlich herauskam. Ich spürte sofort, wie Jace sich anspannte, und nicht nur das. Ich spürte genauso wie er die Präsenz des Alphas in dem anderen Wagen. Und Jace gefiel es gar nicht, dass er all die Aufmerksamkeit auf sich zog. Ich würde ihm auf jeden Fall zur Seite stehen, was immer er auch tat.
Damit dieser kleine Angeber wieder die Aufmerksamkeit bekam, fuhr er mit quietschenden Reifen in eine Parklücke und kam abrupt zum Stehen. Bevor wir ausstiegen, war Jace mir noch einmal einen kurzen Blick zu. Ich wusste, dass das ein stiller Befehl war. Ein Befehl an seinen Beta.
Kaum waren wir aus dem Auto gestiegen, lagen die Blicke anhimmelnder Mädchen und der anderen Schülern auf uns. Mit erhobenen Kopf und einem kalten Gesichtsausdruck schritt er auf das andere Auto zu, aus dem nun ein großer, gut gebauter, schwarzhaariger Junge stieg. Er war eindeutig ein Alpha, daran blieb kein Zweifel. Dicht hinter ihm ging ein kleinerer Junge, wahrscheinlich sein Beta. Neben dem Alpha sah er winzig aus, obwohl er nur ein kleines Stück kleiner war als ich selbst. Wie der andere Beta folgte ich meinem Alpha auf Schritt und Tritt. Meine undurchdringliche Maske ließ keine Schwäche durch.
Als wir nur noch ein Meter voneinander entfernt waren, blieben wir stehen. Ich nahm den Beta mir schräg gegenüber näher in Augenschein, Jace überließ ich den Alpha.
Mit meinen grauen Augen durchbohrte ich den kleineren, der mit aller Kraft versuchte, nicht wegzugucken. Doch er hatte keine Chance und ich gewann das Blickduell. Damit hatte ich ihn vorerst in die Schranken gewiesen.
Jace und der Fremde Alpha dagegen starrten sich dagegen noch immer in die Augen. Verbissen und wütend sah Jace zu dem Jungen hoch. Ich könnte deutlich fühlen, wie sehr es ihn ärgerte, dass der andere größer war als er und er sich auch überhaupt nicht aus der Ruhe bringen ließ.
Schließlich unterbrach Jace den Augenkontakt immer öfter und sah dann letztendlich ganz weg. Ich wusste genau, dass er sich nun über sich selbst ärgerte. Um meinem Freund wenigstens ein bisschen zu verteidigen, warf ich dem Alpha einen emotionslosen, leicht arroganten Blick zu, richtete mich auf und schob meine Schulter leicht vor Jace'. Es war nicht gut, dass der Alpha das Blickduell gewonnen hatte. Er würde sich ermutigt fühlen und könnte sie nun jederzeit angreifen. Doch ich würde das nicht zulassen. Ich würde meinen Alpha beschützen! Das wollte ich ihm klar machen.
Mit einem leicht interessierten Ausdruck im Gesicht sah er mich an. Ich konnte nicht genau sagen, was er dachte, aber mein Instinkt sagte mir, dass ich vorsichtig sein sollte. Sehr vorsichtig.
"Wer bist du und was willst du?", zischte Jace und funkelte ihn wieder an, während ich mich wieder unbemerkt hinter ihn stellte.
"Keine Sorge, wir machen euch keine Schwierigkeiten, ich will nicht gegen deinen Vater kämpfen." Er lächelte. "Für einen zukünftigen Alpha bist du allerdings schon ziemlich stark! Wenn du eines Tages den Platz deines Vaters einnehmen wirst, wirst du wahrscheinlich einer der stärksten Alphas sein."
Überrascht, aber immer noch ein wenig misstrauisch sah Jace ihn an.
"Aus welchem Rudel bist du? Und wieso bist du jetzt schon Alpha? Du bist ziemlich jung..."
Der Dunkelhaarige lächelte freundlich. "Ich fürchte, ich muss dir diese Fragen beantworten, ich bin schließlich in deinem Revier. Ich bin Will, Alpha aus dem Aquila-Rudel. Ein stärkerer Alpha tötete meinen Vater, den Alpha des Rudels, also tötete ich den Alpha. Danach wurde ich zum Alpha und kurz danach auch Benjamin mein Beta. Aber das besiegte Rudel, das nur noch ein Haufen Omegas war, hat uns Schwierigkeiten gemacht und so mussten wir trotz des Sieges uns ein neues Heim suchen. Wir wollen euch allerdings in keinster Weise das Revier streitig machen."
Jace nickte, zufrieden mit der Antwort. "Ich bin Jace und das ist mein Beta Gravel aus dem Avis-Rudel. Wahrscheinlich willst du auch mit meinem Vater sprechen?"
"Ja...", antwortete Will und machte dabei ein nachdenkliches Gesicht, "Avis... das hab ich irgendwo schon einmal gehört..." Dann wandte er sich an seinen Beta. "Benj, wir müssen deinen Vater einmal nach Avis fragen", lächelnd drehte er sich wieder zu ihnen, "er kennt euer Rudel bestimmt, der Name kommt mir bekannt vor. Das ist aber kein Wunder bei so einem talentierten Alpha und so einem starken Beta.", lächelte Will.
"Ich werde meinem Vater mitteilen, dass ihr kommt.", lächelte Jace nun zurück. Auch Will lächelte.
Was geht denn hier ab? Diese Wir-sind-alle-liebe-Schoßhündchen-Stimmung gefällt mir irgendwie nicht...
"Deswegen habt ihr auch alle mitten im Schuljahr gewechselt, oder?", fragte Jace mit einem kurzen Blick hinter ihn, wo sich hier und da ein paar Grüppchen gebildet hatten. Für Außenstehende sah es vielleicht nicht so aus, als ob sie zu Will dazugehörten, doch für Werwölfe war das allein schon am Geruch erkennbar.
"Ja, es ging einfach nicht mehr anders. Könntet ihr uns vielleicht das Sekretariat zeigen? Wir brauchen noch unsere Klasse und Stundenpläne!" Er lächel- Meine Fresse, hat der einen Lächelkrampf oder was!?
Jace nickte leicht und führte ihn mit seinem Beta ins Schulgebäude. Meine Miene blieb ausdruckslos und ich achtete Jace auf Schritt und Tritt zu folgen.
Jeder auf dem Gang machte Platz. Wahrscheinlich merkten sie auch, obwohl sie keine Werwölfe waren, so die Präsenz der beiden Alphas. Manche sahen neugierig zu uns, bei ein paar Mädchen konnte ich schon fast Herzen in den Augen sehen.
Es wunderte mich nicht, dass sie uns anglotzen, wir waren schließlich ziemlich...auffällig...
Ich meine, wer übersieht einen faulen Sack, der sich benimmt als ob er der König der Schule wär, einen völlig ausdruckslosen dreinschauenden Jungen, einen mit 'ner riesigen Lächelfratze im Gesicht und einen Jungen, der wie ein hypnotisiertes Maskottchen hinterherdackelt?
Vor dem Sekretariat verabschiedeten wir uns mit einem Nicken und gingen jeder unsere eigenen Wege. Will und Benjamin gingen ins Sekretariat und wir zu unseren Kursen, die wir meistens auch zusammen hatten.
"Was hältst du von dem neuen Alpha?", fragte Jace mich plötzlich, während wir unsere Taschen abstellten und uns an unsere Tische setzten, die direkt nebeneinander standen.
Er lächelt ein wenig viel.
"Ich finde, wir sollten ihm nicht zu sehr vertrauen und uns auch nicht mit ihm anfreunden, bevor wir uns absolut sicher sind, dass er uns nicht angreifen wird. Konflikte sollten wir auch vermeiden. Einfach Abstand halten."
"Mm-mh", machte Jace nachdenklich, "denke ich auch, aber ich will mich mit ihm unbedingt über das Leben und die Aufgaben eines Alphas unterhalten, er wurde ja schon so jung einer!"
Dieses Mal war ich es, der mhm'te. Mehr Zeit für eine Antwort blieb auch nicht, da unsere Mathelehrerin schon in den Raum kam und mit einem knappen "Morgen" die Tasche auf den Tisch fallen ließ und gleich rüber zur Tafel hechtete.
Matheverrückte Irre...
Ich war nicht schlecht in Mathe, sogar ziemlich gut, trotzdem mochte ich die Lehrerin nicht. Matheverrückte Irre.
Fast bei jeder Frage meldete ich mich, während die Hälfte der Klasse vor sich hin döste. Begeistert nahm die matheverrückte Irre mich immer wieder dran. Auch wenn man als Lehrer keine Lieblingsschüler haben sollte, konnte ich doch behaupten, dass ich einer war.
Versteht das nicht falsch, ich gebe nicht viel auf Noten und den ganzen Kram, das einzige was ich will, ist jeden stolz zu machen. Meinen Vater, meine Mutter, Jace' Mutter, den Alpha... Das ganze Rudel steckte Erwartungen in mich und alles, was ich will, ist besser zu werden. Ich verdanke Jace und seiner Familie viel, dieses Band zwischen uns ist so unglaublich stark und ich werde alles tun, um ihn zu beschützen. Ich will sein Beta sein, der beste Beta von allen, der einzig wahre. Ich zweifle daran, dass irgendjemand meine Gefühle nachvollziehen kann, wahrscheinlich nicht einmal ein anderer Beta. Denn meine Loyalität geht tiefer, als irgendeiner von euch kleinkarierten Holzköpfen sich vorstellen kann!
Entschlossen starrte ich auf das beschriebene Blatt Papier und ballte meine Hand zur Faust.
Mein Kugelschreiber antwortete mit einem Knacken.
Na toll... Ich sah auf die blauen Einzelteile in meiner Hand. Der wievielte war das jetzt...?
Genau deswegen bleibe ich bei diesen Billigkugelschreibern...
Mit einem Seufzen nahm ich den nächsten aus meiner Federtasche und schrieb weiter von der Tafel ab. Ich sollte mich besser zusammenreißen können...
In der Mittagspause trafen wir uns mit dem Rudel in der Cafeteria. Wir hockten fast immer zusammen, sogar mit den Schülern aus den unteren Klassen, aber nie saß jemand anderes außer eines unserer Rudelmitglieder mit am Tisch. Außer heute. Heute setzten sich Will und Benjamin mit ihrem Rudel mit an unseren Tisch.
Es war noch nie so voll.
Und quetschig.
"Ich bin der Alpha Will Aquila, es freut mich euch zu treffen!", lächelte Mr. Lächelfresse.
Ach ja?
"Ich hoffe, wir werden alle gute Freunde!"
Sind wir hier im Kindergarten?
"Aber bei eurem verständnisvollen Alpha wird das sicher kein Problem!"
Oh mein Gott!! Mr. Lächelfresse kann auch noch schleimen!! Was für ein Wunder....
"Falls doch, müssen wir uns wohl in Acht nehmen, ihr habt einen starken Alpha und einen stärkeren Beta als wir!", lachte er. Alle lachten mit.
Er nervt.
"Wann willst du eigentlich zu meinem Vater?", fragte Jace Mr. Lächelfresse. Dieser lächelte.
Wegen ihm werde ich wahrscheinlich noch aufhören zu Lächeln, so oft wie der seine Fresse verzieht. Das ist ja gruselig!
"Ich wollte morgen oder übermorgen vorbeischauen!", antwortete er und sein Beta Benjamin nickte zustimmend. "Nehmt ihr uns dann in Empfang?"
Wehe er lächelt jet- ...Er hat's getan...
Warte, wieso guckt Mr. Lächelfrese jetzt mich an?!
"Ich finde es unglaublich, wie du einen richtigen Beta geschlagen hast. Zwar war es nur per Augenkontakt, aber es ist wirklich beeindruckend." Dann lächelte er mal nicht, sondern hatte einen interessierten Gesichtsausdruck aufgesetzt. Es war, als wollte er durch mich hindurchschauen und versuchen das Geheimnis meiner Willensstärke zu finden. Aber er würde es nicht finden...
UNDURCHDRINGLICHES POKERFACE AKTIVIERT!
"Du bist wirklich interessant..", murmelte er mit schief gelegtem Kopf.
"Haha, aber er ist mein Beta! Du hast einen eigenen!", lachte Jace, doch ich konnte deutlich den unverhohlenen Stolz aus seiner Stimme heraushören.
Will lächelte.
Ich frage mich, was für ein Trauma er gehabt haben muss, dass er so viel lächelt! Ein Lächel-Trauma...
"Ich würde Benj niemal eintauschen, ich mein, was für ein Alpha wär ich dann? Aber euer Beta ist wirklich sehr ...ja... interessant einfach. Ich hab noch nie einen so starken zukünftige Beta gesehen! Allerdings habe ich auch noch nicht besonders viel Erfahrung." Er lächelte.
Sein Lächeln ist traumatisierend.
Jace nickte und Will lächelte.
Ich werde bleibende Schänden davontragen...
"Ich bin auch sehr stolz auf ihn. Das Avis-Rudel bringt imer stärkere Betas hervor, vielleicht wird der Vater deines Betas auch schon davon gehört haben."
Mr Lächelfresse lächelte wieder, dann wechselten sie das Gesprächsthema.
Am Ende der Mittagspause verabschiedeten wir uns und gingen wieder in den Unterricht bis die Schule vorbei war.
Das einzig gute ist, dass Jace seine Bitches vergessen hat.
Es sei denn er hat was anderes getriebenen als Pinkeln, als er fünfmal aufs Klo musste.
Jace und ich stiegen wieder in den Lamborghini, der mit einer dünnen Schneedecke überzogen war und fuhren wieder nach Hause. Die ganze Fahrt über dachte ich über den neuen Alpha nach. Irgendetwas in mir sah in als Feind, das fühlte ich immer wieder. Eigentlich war ich immer unvoreingenommen gegenüber anderen, doch ein Teil von mir hasste jede Faser seines Körpers, jede noch so kleine Regung die er tat. Doch das war nicht alles. Da war noch etwas anderes.
Ich fühlte ganz tief in mir etwas tiefgreifendes, etwas, das nicht Hass war.
Angst.
Soll ich eine Besetzung für die Charaktere erstellen?
Ich weiß, dass es momentan noch ziemlich unspektakulär und langweilig ist, aber ich versuche einfach rüberzubringen, wie Gravel aufgebaut ist (was meiner Meinung ziemlich wichtig für die Geschichte ist und ich ihn total mag...). Er ist loyal, ruhig, aber trotzdem frech! Er ist verantwortungsbewusst, mutig, treu, tapfer und dennoch verbirgt sich eine tiefe Melancholie in seinem Herzen. Er ist oft ausdruckslos und trotzdem hat er mehr Gefühle als irgendjemand sonst. Er ist unglaublich selbstlos und noch so viel mehr! Er ist der beste Charakter von allen!
...Und ich übertreibe es gerade...😅
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