7.Kapitel

7.Kapitel

Alex stand tatsächlich vor mir. Ich wollte ihm nicht zeigen, dass ich mich ihm angezogen fühlte, dass ich ihn irgendwie vermisste. Auch wenn mir dies absurd erschien. Ich kannte diesen Typen doch nicht wirklich. Er sah mich nur an. Langsam nahm er die Hand von seiner Wange und schob sie in seine Hosentasche. Er hatte keine Handschuhe an. Fror er nicht? Mein Körper verspürte ein Verlangen, seine Hände zu nehmen und sie zu wärmen. Doch ich hielt mich zurück. Und er sagte immer noch nichts.

„Wenn das deine Nummer war, warum hast du dann aufgelegt? Und warum arbeitet irgendeine Blondine hier?"

War sie seine Freundin? Hatte er einfach keine Lust mehr mit mir zu sprechen? War das von gestern nur ein bedeutungsloser Flirt? Zu viele Fragen für so eine kurze Zeitspanne. Ich konnte in seinen Augen sehen, dass er darüber nachdachte, was er mir wohl sagen könnte. Er seufzte und rieb sich die Hände aneinander. Dann sah er mir in die Augen.

„Als du angerufen hast, dachte ich ein Spinner hat wieder meine Nummer gewählt. Du hast dir ja ganz schön viel Zeit gelassen, um ein Wort zu sagen."

Er lachte nervös auf. Sein schiefes Lächeln beschleunigte meinen Herzschlag.

„Als ich deine Stimme hörte, wusste ich genau, wer angerufen hatte. Nämlich du. Ich war überrascht, dennoch habe ich mich gefreut, deine Stimme zu hören, wollte es dir auch am Telefon sagen, doch das konnte ich nicht. Meine Stimme hatte mich in dem Moment verlassen und ich wusste einfach nicht, was ich dir sagen sollte. Also hab' ich aufgelegt."

Er hatte sich gefreut, von mir zu hören. Perplex sah ich ihn an. Er meinte das ernst.

„Eigentlich war ich auf dem Weg zu Annie, die übrigens nur eine Aushilfe ist, stoße auf dich und kriege eine geklatscht." Er machte eine kurze Pause. „Das hat übrigens wehgetan!", fügte er noch hinzu.

Also hieß diese Blondine Annie. So, wie er über sie sprach, kannten sie einander gut. Sonst hätte er nicht ihren Vornamen gesagt.

Als ich etwas erwidern wollte, hörte ich die hohe Stimme meiner Mama hinter mir. Ich kniff die Augen zusammen. Na super. Das konnte ja nicht besser werden. Alex merkte die Peinlichkeit in meinem Gesicht und schaute sich um. Als er meine Mama entdeckte, blieb sein Blick auf ihr haften.

„Wer ist dieser junge Mann hier?", fragte sie.

Sie klang sehr interessiert. Ich wollte gar nicht in so eine Situation geraten. Jemand musste mich hier rausholen. Ich hatte keine Lust, das hier zu erklären.

„Oh, hallo Mama! Da seid ihr ja."

Ich versuchte, mich irgendwie aus der Situation zu befreien, doch sie war zu sehr auf Alex fixiert.

Alex merkte das sofort und streckte ihr die Hand entgegen.

„Hi, ich bin Alex. Freut mich, Sie kennenzulernen", sagte er höflich.

Du Schleimer!

Reichte es ihm nicht, meine Gefühle durcheinander zu bringen?

Meine Mama reichte ihm die Hand und freute sich ebenfalls, ihn kennengelernt zu haben.

„Möchtest du etwas mit uns trinken, Alex?", fragte sie.

Überrascht sah ich sie an. War das ihr Ernst?

„Ähm, Alex war eigentlich dabei, zu gehen. Er hat noch einen Stand zu bedienen. Oder nicht, Alex?"

Ich legte meine Hände auf seine Schulter und forderte ihn auf zu gehen.

Bitte, bitte, bitte! Geh einfach.

Er wusste nicht, wie aufdringlich meine Mama manchmal sein konnte.

„Eigentlich würde ich mich schon auf ein Bier freuen. Annie passt ja auf den Stand auf."

Sein Grinsen reichte ihm bis zu den Ohren. Mit einem klagenden Blick schaute ich zu meiner Tante, die bisher nichts gesagt hatte. Sie schien die Spannung zwischen Alex und mir bemerkt zu haben, jedoch hielt sie sich da raus.

„Komm mit, Alex! Ich lade dich auf ein Bier ein", sagte meine Mama, legte ihre Hand auf seinen Rücken und führte ihn zum nächsten Getränkestand.

Die Schlangen vor den Ständen konnte man oft nicht erkennen, da sich die anderen Leute immer zu den hohen Tischen, direkt vor dem Stand, gestellt hatten und man dann nicht mehr wusste, wer gerade wartet und wer nicht. Schließlich kamen wir dran und Mama bestellte zwei Bier und zwei Punsche und reichte sie uns eins nach dem anderen. Wir stellten uns zu einem der hohen Tische, so wie all die anderen Menschen, die die Schlange blockierten, Alex zu meiner Linken, und stießen an.

„Und Alex! Was machst du denn so in deiner Freizeit?", fragte Tante Maria.

„Sich auf ein Bier einladen lassen", rutschte es mir heraus.

„Klara! Sei bitte höflich."

Ja, Mama! dachte ich und streckte ihr meine Zunge in meinem Kopf raus. Kindisch all diese Gedanken, doch Alex brachte mich immer wieder in solche Situationen, wo ich nicht anders konnte, obwohl ich ihn nicht einmal richtig kannte.

Er lachte kurz auf und legte beiläufig seine Hand auf die meine. Plötzlich spürte ich einen Schwarm von Bienen in meinem Bauch herumfliegen und zog langsam die Hand weg.

„Ist schon gut", meinte er dann. „Ich habe mir neuerdings eine PlayStation zugelegt und spiele oft mit meinem Mitbewohner. Also, nichts Aufregendes."

„Oh, das ist aber schön. Ich habe Klara auch oftmals gesagt, sie solle sich eine größere Wohnung suchen und mit einer Freundin zusammenleben, aber sie hört ja nie auf mich", antwortet Mama mit einem heiteren Ton.

„Ja, weil ich einen Mitbewohner nicht brauche, Mama. Du weißt ja selbst, wie aufwendig es mit Haustieren ist und Beziehungen..."

Zum Schluss wurde meine Stimme leiser. Ich wollte keine weiteren Details über mich preisgeben. Vor allem nicht, bevor ich selbst mehr über ihn erfahren hatte.

Nach einer Weile setzten wir uns in Bewegung, um bei den eisigen Temperaturen nicht zu frieren. Mama und Tante Maria hatten Alex in ihre Mitte genommen und schienen sich gut mit ihm zu unterhalten. Denn ich geriet in Vergessenheit. Ständig musste ich mich durch irgendwelche Menschen durchquälen, um sie nicht aus den Augen zu verlieren. Worüber sie auch redeten, es schien interessant zu sein, denn alle drei lachten hin und wieder.

Hin und wieder hörte ich laute Wortfetzen wie „Wirklich?" oder „Das ist aber schön!", die von meiner Mama kamen. Unmerklich versuchte ich aufzuschnappen, was Alex zu erzählen hatte. Doch die meiste Zeit machte er für die Wahl der Bekleidung oder Accessoires meiner Mama oder meiner Tante Komplimente. Die Art, wie er versuchte, sich bei den beiden beliebt zu machen, ging mir auf die Nerven, doch vielleicht übersah ich etwas.

Die Minuten vergingen. Langsam wurde es für mich lächerlich. Das durfte doch nicht wahr sein. Es sollte ein Familientag werden. Nicht ein fremder-Typ-kommt-dazu-Tag. Ich benahm mich vielleicht wie ein Kind, doch Alex tat es nicht besser. Das machte er absichtlich. Mich auf die Palme zu bringen. Zuerst antwortete er auf meinen Anruf nicht, dann sagte er irgendwas über mich-vermissen und jetzt bezirzte er auch noch meine Familie. Ich lief langsam zu ihnen und klopfte auf Mamas Schulter. Alle drei verstummten gleichzeitig. Na, das war ja ein Timing. Warum sie aber überrascht dreinschauten, war mir ein Rätsel.

„Also, ich wollte mich auf den Weg nach Hause machen. Ihr unterhaltet euch ja gerade viel zu gut. Da will ich nicht stören. Rufst du mich bitte die Woche einmal an, Mama?"

Entweder war ich eine gute Schauspielerin oder meine Mama war schlecht im Sarkasmus-Verstehen.

„Ja klar, Schätzchen. Ich ruf' dich wahrscheinlich am Wochenende an. Komm gut heim!"

Sie drehte sich um und ging weiter. Ich winkte Tante Maria zu und setzte mich in Bewegung.

Zeit zum Gehen. Am besten nach Hause. Ich hörte Alex' Stimme, als er sich von meiner Mama und meiner Tante verabschiedete und mir hinterherlief.

„Warte, Klara!", rief er mir nach.

Automatisch begann ich schneller zu gehen. Ich wollte raus aus dieser Menschenmenge. Ich joggte an Weihnachtsschmuck- und Imbiss-Ständen vorbei und erreichte fast den Rand des Marktes.

„Warte doch kurz. Lauf nicht davon! Hey, warte!"

Seine Größe war sein Vorteil, denn mit wenigeren Schritten als ich gelaufen war, war er schon hinter mir und griff nach meinem Oberarm. Er brachte mich zum Stehen. Ich wehrte mich nicht, doch ich sah ihm auch nicht in die Augen. Ich sah einfach irgendwohin.

„Bitte, Klara! Schau mich an. Habe ich was falsch gemacht? Bitte rede mit mir."

Er war außer Atem, obwohl er nicht wirklich gelaufen war. Sein Griff um meinen Oberarm war nicht fest, doch er ließ auch nicht los.

„Ich weiß nicht, was du willst, Alex. Einmal flirtest du mit mir, einmal ignorierst du mich komplett. Du weißt, dass ich in einer Beziehung bin und versuchst mein Leben auf den Kopf zu stellen. Was soll das Ganze überhaupt mit dem Einschleimen vor meiner Mama?"

„Es tut mir leid. Ich wusste nicht, dass du so durcheinander bist..."

„Natürlich bin ich durcheinander, Alex. Was denkst du dir nur? Ich bin ein braves Mädchen. Ich mach' bei solchen Klischees nicht mit. Das ist nur für hoffnungslose Romantiker."

„Ist unsere Unterhaltung für dich nicht klischeehaft genug?", meinte er und lachte kurz auf, doch das Lächeln verschwand so schnell es gekommen war.

Es herrschte eine angespannte Stille zwischen uns. Ich wusste nicht, wasich noch sagen sollte. Er schien es auch nicht für notwendig zu halten, weiterzu reden. Zögernd nahm er meinen anderen Arm in die Hand. Ich wehrte michnicht. Sein Blick schweifte zu meinen Lippen. Ich sah, wie er unmerklich inseine Unterlippe biss. Verhalten näherte ich mich ihm. Ich bewegte meinen Kopfnach vorne, doch dann hielt ich inne. Alex näherte sein Gesicht dem meinen undkurz darauf lagen seine Lippen auf den meinen. Für einen kurzen Moment war ich unsicher.Das war falsch, doch es fühlte sich so richtig an. Sekunden später gab ich michdem Gefühl hin und erwiderte den Kuss.

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