THE RISING
[Dean]
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Auf meiner Brust lag eine Schwere, die ich zuletzt gespürt hatte, als Luzifer Jacks Gnade geraubt hatte.
Dieses erdrückende Gefühl der Hilflosigkeit, daneben zu stehen, doch Nichts tun zu können.
Die Lähmung meiner Muskeln; dieses brenndende Feuer der Angst um Valerie und Josie, sowie die Abneigung gegen Alael.
Ich hasste aus tiefstem Herzen unsere scheinbar einzige verdammte Lösung für Jack.
Nicht, weil ich überzeugt war, dass uns diese Engelin nicht die ganze Wahrheit erzählt hatte.
Nicht, weil ich den Gedanken fürchtete, dass sie jederzeit von Jack Besitz ergreifen konnte oder uns ausspionieren könnte.
Nicht, weil ich mich um Josies Entwicklung ohne die restliche Gnade sorgte.
Nicht, weil es mir zu schnell ging.
Ich hasste es, weil Cas gerade die Engelsklinge in die Hand nahm, um Alael, und somit Valerie, die Kehle durchzuschneiden.
Wir hatten keine Zeit zu verlieren - das hatte jedenfalls die Engelin gemeint, als sie vorhin behutsam Jacks Stirn berührt hatte.
Ich musste mich zusammenreißen, sie nicht von ihm zu stoßen und sie anzuschreien, ihn gefälligst nicht anzufassen.
Doch unter dem warnenden Blick von Sam, blieb mir nichts anderes übrig, als sie machen zu lassen.
Alael hatte Rowena Anweisungen zur Ausführung des henochischen Zaubers gegeben, da dieser irgendwie anders war. Schwieriger.
Cas hatte es erklärt, doch es interessierte mich einfach nicht. Stattdessen musste ich an Valerie denken, und ob Alael wirklich die Wahrheit sagte, wenn sie meinte, Valerie wolle es so. Ob sie überhaupt wusste, welche Konsequenzen es für Josie gab? Oder wollte die Engelin nur von Jacks Körper Besitz ergreifen und ging dafür über Leichen? Vorstellen konnte ich es mir, denn außer Cas war mir noch kein Engel begegnet, der aus reiner Barmherzigkeit handelte.
Rowena zog mich aus meinen Sorgen, als sie anfing irgendwelche unverständlichen Wort zu murmeln und der Engelin mit Unruhe in ihrem Blick zu verstehen gab, dass sie bereit war, für was auch immer geschehen mochte.
Und ich hoffte inständig, dass es funktionierte und wir Jack heilen konnten. Doch gleichzeitig musste ich mich fragen, was wir Valerie nur zumuteten.
,,Tu es, Castiel", befahl Alael mit harter Stimme, ehe sie sich neben Jack setzte, bereitwillig den Kopf in den Nacken legte und Cas damit ihre Kehle entblößte.
Cas nickte konzentriert, legte seine linke Hand in den Nacken seiner ehemaligen Schwester.
,,Es tut mir leid", flüsterte er ihr zu und ich erkannte wie Alael langsam nickte und die Augen schoss.
Mein Herzschlag verdoppelte sich, als Cas die silberne Klinge anhob und sie an ihren Hals führte.
Nur ein Wimpernschlag später durschschnitt das Geräusch reißender Haut die angespannte Stille, bei dem sich mein Magen umdrehte.
Kurz darauf hörte ich ein unterdrücktes schmerzverzehrtes Wimmern, während gleichzeitig strahlende Gnade aus dem Schnitt austrat.
Ich bemerkte erst, dass ich mich in Bewegung gesetzt hatte, als Sam mich grob an der Schulter festhielt, um mich aufzuhalten.
,,Sam...!", warnte ich ihn eindringlich, mich loszulassen, damit ich Valerie beistehen konnte. Meine Muskeln spannten sich an, während er mit beruhigender Stimme auf mich einredete.
,,Warte. Nur kurz-", versucht er mich aufzuhalten, doch die Hälfte des Satzes wurde von einem immer lauter werdenden, schrillen Tons verschluckt, der sich schlagartig im ganzen Raum ausbreitete.
Dann ging alles zu schnell, um es nachvollziehen zu können.
Rowenas melodischer Sprechgesang erhob sich zu einem Höhepunkt, während sie ein komisch aussehendes Gemisch mit einem Zischen verbrannte.
Wie aus dem Nichts riss Jack die Augen auf und atmete tief ein.
Alarmiert stieß ich Sam beiseite und sah, wie sich die rötlich schimmernde Gnade, die aus Alaels Hals quoll, ihren Weg zu dem Naphil suchte.
Wie gelähmt beobachtete ich fast fasziniert, wie die grelle weiße Wolke durch die Luft in Jacks Mund schwebte, bis mein Blick auf Alael fiel - und mein Herz zum Stehen brachte.
Denn keine arrogante weißhaarige Engelin saß mehr neben Jack, nein.
Das Weiß wich strähnenweise langsam einem dunklen Braunton, sowie sich das Kleid mit goldenem Glitzern in Valeries Pullover und Jeans verwandelte.
Dabei leuchtete sie so hell, dass ich meine Augen zusammenkneifen musste.
,,Was passiert da?!", versuchte Sam Cas gegen das grelle Piepsen anzuschreien.
,,Sie verwandelt sich von einer Trueborn in einen Menschen!", antwortete Rowena an seiner Stelle, die zwar immer noch über ihren Zutaten stand, doch genauso die Verwandlung mit Unglauben verflogte.
Valeries Brust zuckte unkontrolliert, während immer mehr Gnade ihre Kehle verließ und in Jacks Mund eindrang.
Je mehr Energie Valerie verließ, desto mehr erstrahlte Jacks Körper und gewann an Spannung, bis er aufrecht mit durchgedrückten Rücken im Bett saß. Etwas, was noch vor einer halben Stunde undenkbar gewesen war.
Es war nichts annähernd menschliches in seinen Bewegungen zu finden, nur animalischer Genuss spiegelte sich in seinen Zügen, als Jacks Kopf in seinen Nacken fiel und seine Haut anfing zu schimmern.
So hatte ich ihn noch nie gesehen, so unbeherrscht, wild. Und das ließ sämtiche meiner Warnlichter aufleuchten.
Cas, der neben mich getreten war, keuchte überrascht auf, als die Iris des Naphils anfing in einem altbekannten Rot zu erstrahlen.
Es war zu viel. Alaels Magie war zu viel für Jack, erkannte ich, als der Fluss der Gnade nicht versiegte.
,,Wie verdammt viel ist das denn?!", wollte ich rufen, doch bevor ich nur ein Wort sagen konnte, brach eine Explosion aus reinem Licht aus Valerie heraus. Scheiben sprangen aus ihrem Ramen, zerbrachen klirrend auf dem Boden, während die Möbel gegen die Wand gestoßen wurden.
Ich sah noch, wie Jack das Licht absorbierte, doch riss meine Arme vor mein Gesicht, als mich die Welle traf und unsanft gegen die Steine schleuderte, bis für einen kurzen Moment Stille herrschte.
Der dumpfe Schmerz sog mir jegliche Luft aus der Lunge und ich versuchte vergebens meine Augen offenzuhalten.
Mit schrillenden Ohren versuchte ich nach Luft zu schnappen.
,,Scheiße. Sam?! Bis du okay?", stöhnte ich flachatmig, nach Luft ringend und tastete mit meiner Hand nach meinem Bruder, während weiße Punkte vor meinen Augen flimmerten.
,,Ja... ist schon in Ordnung", kam die erschöpfte Erwiederung, doch ich hatte keine Zeit mich zu versichern, denn das nächste, was ich wahrnahm, war Valerie, die langsam in sich zusammensank und drohte, vom Bett zu stürzten.
,
,Dean!", machte mich Cas laut unnötigerweise darauf aufmerksam, aber da hatte ich mich schon schwerfällig aufgerichtet und fing ihren regungslosen Körper auf, bevor sie auf dem harten, kalten Betonboden aufkam.
Panisch strich ich ihr die dicken braunen Strähnen aus dem Gesicht, hoffte, betete, dass ihre liebevollen braunen Augen offen standen. Doch das taten sie nicht.
,,Verdammte Scheiße, Valerie", fluchte ich, als ich merkte, dass jegliche Spannung aus ihren Musklen gewichen war.
Ihre Arme hingen regungslos an ihrem Körper hinab, als ich meine Hände möglichst sanft unter ihren Rücken bettete.
Selbst durch ihre Klamotten hindurch, konnte ich die fehlende Wärme ihrer Haut spüren, als ich sie vorsichtig in meinen Armen hielt.
,,Valerie, komm schon!", flehte ich. Die Worte fühlten sich rau und schwer auf meiner Zunge an, während ich auf ihrer eiskalten Haut nach ihrem Puls suchte.
Wenn dieser Engel ihr oder Josie wissentlich etwas getan hatte... Dann war es mir egal, dass sie Jack half.
Wir würden eine andere Lösung für ihn finden müssen und ich würde diese Schlampe umbringen. Mit größtem Vergnügen.
,,Atmet sie noch?", fragte mich Cas drängend und wollte ihre Stirn berühren, doch noch bevor er sie erreichte beugte ich mich schützend vor und verwehrte Valerie ihm. Irittiert und verblüfft musterte er mich.
,,Cas, ich schwöre dir, wenn diese Schlampe sie auf dem Gewissen hat und du irgendwelche Bedenken nicht geäußert hast, weil du nur...!", fuhr ich ihn aufgelöst an. Der rationaler Teil meiner Gedanken wusste, dass er das nie tun würde, doch meine Hilflosigkeit und der daraus resultierende Zorn war zu groß.
,,Das würde ich niemals tun! Und das weißt du, Dean!", unterbrach er meine vor Wut strotzede Anschuldigungen. Er nahm sein Blick von ihr, schaute mich aus seinen blauen Augen wütend an.
,,Das würde ich nicht tun und habe es auch nicht! Und jetzt lass mich schauen, ob es ihr und Josie gut geht", wies er mich aufgebracht zurecht und wartete gar nicht auf mein Einverständnis, sondern legte seine Hand bestimmt auf ihre Haut. Seine Iris leuchtete kurz weiß auf, bevor sie wieder zu ihrem normalen hellen Blau wechselte. Irritiert blinzelnd zog er seine Hand langsam zurück.
,,Was?! Ist was mit Josie?!" Kalter Schweiß der Angst brach auf meinem ganzen Körper aus, während ich die immer noch bewusstlose Valerie schützend näher an mich zog.
,,Nein, beiden geht es gut. Valeries Ohnmacht ist stressbedingt, sie muss sich nur richtig ausruhen und Josie geht es auch gut", versuchte Cas mich mit ruhiger Stimme zu beschwichtigen, doch ich nahm seinen kaum hörbaren Unterton, das leichte Wackeln wahr.
Außerdem vermied der Engel es, mir direkt in die Augen zu sehen. Mein Magen zog sich schmerzhaft zusammen und ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen.
,,Cas, ich weiß, dass du mich gerade anlügst, um mich zu besänftigen. Also... die Wahrheit?" Ein ertapptes Blitzen glitzerte in Cas' Augen, als er seinen Blick auf den Boden richtete, ehe er mit seinem Blick an Valeries Bauch hängen blieb.
,,Mit Josie ist alles okay, aber... Ich weiß wie mächtig sie ist, doch es zu spüren..." Er schüttelte den Kopf, bevor er meinem fragenden Blick ernst begegnete.
,,Alael hatte Recht, Dean. Wir müssen Naomi ausfindig machen und mit ihr diesen Deal aushandeln. Wenn wir es nicht tun oder wir scheitern, sind wir alle verloren."
Prüfend musterte ich Cas, ob er die Wahrheit sagte, doch nickte dann ergeben.
,,Ich weiß. Ich will nur warten, bis sie-", aufwacht wollte ich sagen, doch ein erschöpftes Stöhnen hinter mir, ließ mich, genauso wie Cas inne halten.
,,Jack?" Freude und Unglauben vermischten sich in Cas' Stimme, während er sich aufrichtete und an mir vorbei lief. Ich saß noch immer auf dem Boden, während ich mich mit der bewegungslosen Valerie im Arm umdrehte und voller Unglauben beobachtete, wie sich der Junge leichtfüßig und ohne Hilfe, aus dem Bett erhob.
,,Mir geht es... gut."
Von dem Rot in seinen Augen war nichts mehr zu sehen, doch bei genauerem Betrachten konnte ich einzelne weiße Strähnchen entdecken, die sich zwischen seinen blonden Haaren versteckten. Doch es war mir egal.
Denn ich hatte das Gefühl der Erleichterung, das mich bei seinem gesunden Anblick wie eine Welle traf, maßlos unterschätzt.
Doch jetzt, als er nur vor Leben strotzte, da fiel mir wieder ein, wie wichtig er mir war.
Er war genauso ein Sohn für mich, wie für Cas oder Sam. Sie waren Familie.
Sein Anblick ließ die schwere Last der Sorge auf meiner Brust für einen Moment in Luft auflösen.
Und gleichzeitig dämpfte die enge Schuld, meine Euphorie, weil mir das erst jetzt auffiel.
Cas überwand mit schnellen Schritten den Abstand und zog den Naphil in eine feste Umarmung, während ich mich ebenfalls aufrichtete.
,,Jack, was-", fing Sam an, doch Jack schenkte seinen Worten kaum Beachtung. Langsam glit sein Blick in unsere Richtung, bevor seine warmen blauen Augen erst mich verwirrt ansahen, ehe er Valerie in meinen Armen ausmachte.
,,Sie hat sich für mich geopfert." In seinen ruhigen Worten klang keine Fragestellung, sondern eine reine Feststellung.
,,Ich... Ich habe ihr doch gesagt..."
,,Das hat sie aber nicht interessiert Jack", unterbrach ich ihn. Denn so war es. Valerie war es egal, was auch immer Jack zu ihr gesagt hatte.
,,Sie wusste, dass sie dir helfen kann und hat es getan. Sie konnte nicht mitzusehen, wie es du sterben würdest, obwohl sie es verhindern könnte." Und das war die Wahrheit, das wusste ich. Valeries Seele war so hilfsbereit und so gut, dass sie es nicht über ihr Herz gebracht hatte, ihm nicht zu helfen. Eine Sache, die ich nicht kannte.
Klar, für mein Familie würde ich mein Leben geben, doch Valerie kannte Jack erst seit ein paar Wochen. Sie hatte sich für jemanden geopfert, den sie kaum kannte. Dafür wollte ich sie umarmen, doch genauso stark anschreien, was sie sich dabei gedacht hatte.
Jack zog die Augenbrauen zusammen, so als würde er ihr Handeln nicht verstehen und durchquerte ohne ein Wort zu sagen den Raum, bis er vor mir stehen blieb. Doch seine gesamte Aufmerksamkeit galt der aufopferungsvollen Mutter an meiner Brust.
,,Geht es ihr gut?", fragte er mich, als er eine Hand auf ihre Wange legte.
,,Sie muss sich ausruhen, aber ja. Sie kommt wieder in Ordnung", erwiederte ich und ließ ihn keine Sekunde aus den Augen. Ich beobachtete, wie von seinen Fingern aus ein kleiner goldener Schimmer unter Valeries Haut erschien. Keine Sekunde danach seuftzte Valerie leise auf und bewegte sich kurz an meiner Brust. Ihre Wangen nahmen wieder ihren rosigen Ton an, wie auch ihr Körper erwärmte sich.
,,Ich kann ihren Herzschlag spüren."
,,Jack, mit Valerie-", setzte Cas an, der neben ihn getreten war und eine Hand auf Jacks Schulter gelegt hatte.
,,Nein, nicht Valeries, Cas. Ihren. Ich kann Josies Herz neben meinem schagen hören."
Überrascht riss ich die Augen auf und blickte den Naphil ungläubig an. ,,Was?"
Jack nickte, als sein Blick auf Valeries Bauch glitt.
,,Es schimmert voller Liebe und Sorge", fuhr er mit zögernder Stimme fort.
Konsteriert beäugte ich den Naphil, bis ich mich wieder besann und den Kopf schüttelte.
,,Okay, ich bringe Valerie auf ihr Zimmer und pass auf sie auf. Jack, du lässt es ersteinmal langsam angehen, verstanden? Du bist gerade erst von den lebenden Toten auferstanden, gönn dir eine Pause. Und Rowena?", fordernd sah ich die Hexe an. ,,Check ihn durch, ob die Engelin wirklich das Problem behoben hat oder uns nur Zeit verschafft hat."
Ohne eine Antwort abzuwarten, drehte ich mich um und trat auf den Flur hinaus, um Valerie in ihr Bett zu bringen.
,,Was hast du dir nur dabei gedacht?", fragte ich sie leise, als ich außer Hörweite der anderen war, und schaute auf sie herab.
Wenn sie so in meinen Armen lag, sah sie so zerbrechlich und unschuldig aus. Wut brach in mir hervor und ich presste meinen Kiefer zusammen.
Warum musste der Bastard ausgerechnet sie auswählen? Ich hatte mir diese Frage schon hundertmal gestellt und kam nie auf eine Antwort. Diese dunkle und kalte Welt voller Missachtung und Gewalt war nichts für Valerie, schon gar nicht in ihrem jetzigen Zustand.
Immer öffter bekam ich mit, wie Valerie traurig auf ihren Babybauch schaute und ich wusste einfach, dass das nichts mit ihrem baldigenTod zu tun hatte.
Sie fürchtete sich nicht vor dem Tod, sondern davor, dass sie Josie nicht aufwachsen sehen konnte. Etwas, was ich wahrscheinlich niemals nachvollziehen können würde. Denn Valerie war Josies Mutter, sie trug sie unter ihrem Herzen, opferte ihr Leben für sie und würde sie trotzdem höchstwahrscheinlich niemals kennenernen.
Sie hätte eine großartige Mutter werden können, doch Michael hatte ihr dieses Geschenk rücksichtslos geraubt.
Michael zerstörte Träume und Hoffnungen, Realitäten und Menschen, war bereit die Welt niederbrennen zu sehen, nur damit er einen lächerlichen Streit mit Chuck gewinnen konnte.
Valerie war in mitten dieses Sturms, doch konnte sich nicht vor ihm schützen.
Und ich konnte nichts auf dieser Welt oder in diesem verlogenen Himmel oder dieser dunkelsten Hölle tun, um sie vor ihrem Schicksal beschützen.
Nicht mal ich, der Angst und Schrecken unter tausenden von Monstern verbreitete, der ein Träger des Cainsmal war, der schon mehrmals vom Tode auferstanden war, der so viel Scheiße miterlebt hatte, so viele Menschen gerettet hatte!
Ich war Dean fucking Winchester und ich konnte nur hilflos am Rand stehen und zusehen, wie Michael alles vernichtete, was ich liebte.
Und das machte mich so unglaublich wütend.
Laut ausatmend versuchte ich mich zu beruhigen, nachdem ich die Schwelle zu ihrem Zimmer übertritten hatte.
Langsam beugte ich mich über das Bett und legte sie behutsam auf die Matratze, ehe ich nach der Decke griff und sie über die schalfende Valerie drapierte.
Danach drehte ich mich um, um den Raum zu verlassen und zu den anderen zu gehen, doch irgendetwas ließ mich innehalten und mich umdrehen.
Valerie hatte sich auf ihre linke Seite gedreht und ihre dunklen Locken verteilten sich breit auf dem weißen Kopfkissen. Ich konnte sie nicht alleine lassen, wenn sie aufwachte. Ich musste bei ihr sein und sie beschützen.
Und ehe ich mich versah, zog ich ein Stuhl an ihr Bett heran und nahm seufzend auf ihm Platz. Danach streckte ich meine Beine aus und verschränkte meine Arme, sodass ich sie im Auge behalten konnte.
Ich wusste nicht, wie lange ich so da saß, wahrscheinlich war ich auch eingeschlafen, denn das Nächste, woran ich mich erinnerte, war ein gedämpftes Schluchzen, dass mich hochfahren ließ. Schnell verzog sich der schläfrige Schleier aus meinem Körper und ich sprang auf, in höchster Alarmbereitschaft, um Valerie zu beschützen, egal was es kosten mochte.
Doch bei einem schnellen Blick durch den schwach beleuchteten Raum, begriff ich, dass niemand eingedrugen war.
Verwirrt drehte ich mich um und was ich sah, ließ mein Blut in den Adern gefrieren.
Valerie hatte sich zusammengerollt und weinte bittere Tränen, die langsam auf das Kissen tropften.
Ich wusste, wie Panik und wie Furcht aussahen. Der schnelle Atem, die verkrampften Gesichtsmuskeln. Doch was sich in ihren Gesichtsszügen wiederspiegelte... war der hundertfache Schrecken dieser urspünglichtsen Ängste Es war pure Todesangst und grauenhafte Verzweiflung. Und ich kannte diese Gefühle nur zu gut.
Ihre tiefsten, unausprechlichsten Ängste quälten sie in einem Ausmaß, das ich bisher einmal gespürt hatte. Sie durchlitt buchstäbliche Höllenqualen.
,,Scheiße!", schnell schubste ich den Stuhl beiseite, der unbeachtet auf den Boden fiel und setzte mich auf das Bett, während ich Valeries krampfenden Oberkörper in meine Arme nahm.
,,Valerie! Es ist nur ein Traum!", meine Hände umgriffen ihre verhärteten Wangen, indem ich versuchte gegen ihren Alptraum anzukommen. Tränen strömten unaufhaltsam über ihr Gesicht, als ihr Kopf in den Nacken fiel und ihre Hände verzweifelt versuchte mich wegzuschieben.
,,Ich kann nicht mehr, Michael!", schrie sie mit heiserer Stimme. Entsetzen machte sich in mir breit. Dachte sie etwa, dass ich...?
Erstarrt ließ ich sie los und sofort entfernte sie sich von mir, kauerte sich am Bettende zusammen. Valerie zog ihre Arme vor ihr Gesicht und schluchzte immer und immer wieder: ,,Ich kann nicht mehr."
-
Nüchtern betrachtet wusste ich, dass ich Sam oder Cas, zur Hölle, vielleicht sogar Rowena holen sollte, wenn sie mich mit Michael verwechselte, damit sie sie aus ihrer persönlichen Hölle befreien konnten.
Und ich wusste, dass sie einen Alptraum hatte; Realtät und Traum nicht auseinanderhalten konnte. Und doch versetzte es mir einen tiefen Stich in mein verkümmertes Herz, dass es so war.
Dass ich für sie noch das Monster war, dass sie misshandelt hatte.
Reglos starrte ich auf sie hinab, konnte mich nicht bewegen, als diese grauenerregenden Bilder aus dieser verheerenden Nacht in mir aufkamen.
Die Ketten, mit denen ich die Kiste mit diesen Erinnerungen gesichert hatte, zersprangen mit einem furchteregenden Knallen.
Kalter Schweiß brach mir aus und alles war wieder präsent.
Die kalten Fesseln, die mich zurückgehalten hatten, kehrten im Hier und Jetzt zurück, zwangen mich noch einmal zuzusehen.
Die weinende Valerie verschwand vor meinen Augen, stattdessen trat sie mit Michael in meinem Körper auf diesem scheußlichen Bett wieder auf.
Als ich sah, wie Michael Valerie mit meinen Lippen küsste, wollte ich auf sie zulaufen, sie anschreien, dass sie verschwinden sollte.
Doch etwas packte meine Füße, hielt mich fest, genauso schlang sich eine unsichtbare Hand um meinen Mund, sodass kein Laut mehr meine Lippen verließ.
Ich hörte nur ihr leises Stöhnen und sein haaresträubendes Lächeln, als er sie mit meinen Lippen küsste und sie langsam auszog.
Ich konnte meine Augen nicht schließen, als Michael mit meinen Händen genüsslich über Valeries weiche Haut fuhr und durch ihre Haare strich.
Jede seiner Berührungen verursachte mir panischer Schwindel, doch die Ketten erlaubten es mir nicht, meinen Blick abzuwenden.
Währenddessen wurden meine Arme hinter meinem Rücken festgehalten, sodass ich mich nicht mehr bewegen konnte, nichts mehr tun konnte, als er begann mit meinem Körper, Besitz von ihr zu ergreifen.
Ich konnte nichts tun, als vor Grauen lautlos und vergeblich gegen meinen Knebel zu schreien.
Sein erregtes Lachen traf mich so hart, wie eine Kugel und ich wünschte mir nichts sehentlicher als zu sterben.
Mein Herz klopfte so schnell und meine Haut brannte so heiß vor Ekel, dass mein Magen rebellierte und ich mich am liebsten übergeben wollte.
Ich spürte wie sich in meinem Körper Erlösung aufbaute und heiße Tränen der puren Verzweiflung bahnten sich einen Weg über meine Wangen.
Doch ich konnte nichts tun, als mich vergeblich gegen Michaels Willen zu wehren, aber mit jeder Versuch mich zu befreien, wickelten sich die Fesseln nur enger um meinen Körper.
Und mit jeder weiteren Sekunde, die er in ihr war, schnürrte sich etwas um meine Kehle, machte es mir immer schwerer zu atmen.
Stoß um Stoß, Stöhnen um Stöhnen, versank ich in einer dunklen, klebrigen Masse meiner Verzweiflung, meines Ekels und meiner Hilflosigkeit. Bis ich keine Luft mehr bekam und ich vollkommend reglos war.
Bis alle Gegenwehr erlosch, nur noch innere Verzweiflung herrschte.
Und als ich Michaels Namen auf Valeries Lippen stöhnen hörte, dann zerbrach etwas in mir.
,,Dean." Mein fast lautlos gehauchter Name drang dumpf in meine Gedanken. Es war nicht die Valerie vor meinen Augen, die unwissend gerade mit einem Erzengel geschlafen hatte, nein es war die, die nun meine Hilfe brauchte.
Sie brauchte meine Hilfe, weil wir beide gleichermaßen traumatisiert waren.
Also versuchte ich mit aller Macht und aller Kraft, die mein erschöpfter Körper aufwenden konnte, mich von der Dunkelheit zu befreien. Stumm schreiend bahnte ich mir einen Weg, Schritt für Schritt, einer schwerer als der andere, aus dieser grausamen Erinnerung. Nahm ihre Stimme als einen Pfad in die Helligkeit.
Ich hatte einmal versagt sie zu retten. Und das würde nie wieder vorkommen.
Brutal entriss ich mich den Fesseln meines Verstandes, bis ich wieder sah, was um mich herum passierte.
Bis ich es geschafft hatte, in die Realität zu kommen.
Mit immernoch geschlossenen Augen und verkrampfter Körperhaltung flüsterte Valerie meinen Namen, wie ein Hilferuf.
Und als ich mich diesmal bewegen wollte, ging es ganz einfach.
Ich schätzte meine Kraft falsch ein, als ich auf sie zu gehen wollte und taumelte deswegen ungeschickt auf ihr Bett zu, doch nichts in diesem Universum würde mich in diesem Moment aufhalten zu ihr zu gelangen.
Kein Trauma, kein Erzengel, nicht einmal Gott.
Also griff ich mit meinen immernoch vor Schrecken gelähmten Händen nach Valerie und hörte mich selbst, mit dem letzten bisschen Kraft, rau rufen: ,,Wach auf, Valerie. Es ist nur ein Traum!"
Auch, wenn ich wusste, dass Träume eine genauso mächtige Wirkung hatten, wie die Realität.
Auch, wenn ich wusste, dass ich der letzte Mensch auf dieser ganzen beschissenen Erde war, den sie sehen wollte.
Ich tat es dennoch, weil sie meine Freundin war.
Weil sie die Einzige war, die nachempfinden konnte, wie ich mich jetzt fühlte.
Weil sie mich für Josie auserwählt hatte, obwohl ich ihr Todesurtreil unterschreiben hatte.
Ich tat es, weil ich, nicht Michael, Josies Vater war.
Ich tat es, weil beide zu meiner Familie gehörten.
Ich tat es weil ich ich war, und niemand sonst bestimmte, was ich tat.
Und als sie ihre wunderschönen braunen Augen aufschlug, da war ich frei.
-
Ist dieses Kapitel dunkler geworden, als ich es geplant hatte? Ja.
Mag ich es trotzdem? Ja.
Hoffentlich geht es euch auch so und ich hoffe ebenfalls, dass ich Dean gut porträtieren konnte.
Ich hatte immer wieder Respekt vor seiner Sichtweise und seinen Gedankengängen.
Ich wollte es unbedingt gut machen.
Deswegen hat es so lange gedauert.
Ich wollte Dean Winchester so schreiben, wie er es verdient.
Lasst einen Stern da und wir lese uns im nächsten Kapitel,
-liebliche
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