Kapitel 19

Elena

Sirenengeheule. Hupende Autos. Lärm.

Schlagartig öffne ich die Augen und blicke an eine dunkle Decke. Wo bin ich? Was ist passiert?

Ruckartig setze ich mich auf. Die schwarze Seidenbettwäsche, die meinen Körper bedeckt, rutscht von meinem Oberkörper. Ich liege in einem Bett. Langsam lasse ich meinen Blick durch das dunkel eingerichtete Zimmer gleiten. Ein großes Bett, mit schwarzer Bettwäsche, steht inmitten eines offenen Zimmers mit ebenso schwarzen Wänden. Ich halte inne, als er in mein Blickfeld gelangt. Süffisant grinsend, lehnt Lucifer im Durchgang zum angrenzenden Raum. Sein Maßgeschneiderter Anzug sitzt ebenso perfekt wie seine arrogante Maske.

Auch wenn er Gottes Sohn ist, habe ich mich nie verpflichtet gefühlt, ihm den gleichen Respekt zu zollen, wie ich es gegenüber dem Erzengel tue. Er hat seinen Weg gewählt und dafür wurde er in die Hölle verbannt. Ein Ort voller Schmerz und Leid. Gepeinigter Seelen und Abtrünnige. Jene, die mich verraten haben. Azael. Damian. Camio.

Ihre Namen brennen sich durch meine Lunge und hinterlassen ein dumpfes Gefühl in meiner Brust. Ich spüre, wie mein Herz zu rasen beginnt. Wie es sich schmerzlich zusammenzieht, nur weil ich an die drei denke. Ich habe mich ihnen verbunden gefühlt. Mich ihnen hingegeben. Ihnen mein Vertrauen geschenkt. Doch es sind Verräter. Mörder.

Ich schlucke und erwidere starr den Blick des Teufels. Er hat ihnen geholfen. Hat sie aus dem Fegefeuer gerettet, damit sie ein sorgloses Leben auf der Erde führen können. Er ist nicht besser als sie.

»Interessant. Interessant. Interessant!« Langsam tritt Lucifer an mich heran, was mich augenblicklich dazu ermutigt, aus dem Bett zu springen.

Ich breite meine Flügel aus und gehe in Verteidigungshaltung. Wissend, dass ich gegen Lucifer keine Chance habe. Aber kampflos werde ich nicht aufgeben.

»Wo bin ich?«, frage ich.

Dass ich nicht mehr im Haus der drei Verräter bin, ist klar. Dafür ist der Lärm, der von draußen an meine Ohren dringt, viel zu laut.

»In Los Angeles!« Lucifer lacht und breitet die Arme aus. »Stadt der Engel und der Sünden. Bienvenido a mi casa.«

Ich hebe eine Augenbraue. Er hat mich in sein Zuhause verschleppt?

»Warum?«, fauche ich ihn an. »Was geht hier vor sich?«

»So viele Fragen.« Er schüttelt den Kopf. »Wie wäre es mit einem Drink?«

Ohne meine Antwort abzuwarten, wendet sich Lucifer ab und schreitet durch den Durchgang. Ich blicke ihm nach, nicht wissend, was ich davon halten soll. Da ich aber sonst nirgendwo fliehen kann, da der Raum kein Fenster besitzt, folge ich ihm.

Ich gelange in einen großen Raum, der als Wohnzimmer genutzt wird. Eine große Bar dominiert die Wand zu meiner Linken und ist beeindruckend mit diversen Flaschen bestückt. Hinter dieser steht Lucifer, einen Cocktailmixer in der Hand.

»Devil's Punch?« Er sieht mich fragend an und reicht mir ein Martiniglas mit einer rötlichen Flüssigkeit.

Vorsichtig nehme ich den Drink entgegen und schnuppern daran. Er riecht nach Kirschen.

»Meine Eigenkreation.« Er zwinkert, bevor er sich einen Whiskey einschenkt und das Glas in einem Zug leert.

Ich stelle das Glas auf die beleuchtete Theke, ohne es angerührt zu haben. »Warum hast du mich hierher gebracht? Beschützt du sie?«

Lucifer grinst und schenkt sich nach. »Sie brauchen meinen Schutz nicht. Du allerdings schon.«

»Ich?« Ich lache.

Lucifer setzt das Glas an seine Lippen und betrachtet mich über den Rand hinweg.

»Du siehst ihr sehr Ähnlich.« Seine Aussage irritiert mich. Redet er von meiner Mutter?

Ich schüttle mich innerlich, um die aufkeimenden Gefühle an die Frau niederzuringen, die ich über alles liebe. Sie wurde mir an jenem Tag brutal genommen. Der einzige, der je für mich da war, war Michael. Niemand sonst.

»Mir egal«, brumme ich und wende mich der großen Fensterfront, die auf einen Balkon führt, zu. »Ich habe wichtigeres zu erledige, als mit dir ein Pläuschen zu halten.«

Ich bin hier, um meine Mission zu beenden. Rache an diejenigen zu nehmen, die für ihren Tod verantwortlich sind.

»Sicher?« Ich gehe weiter. »Auch nicht, wenn alles, was du glaubst zu wissen, eine Lüge ist?«

Jetzt halte ich inne und drehe mich Lucifer zu. Dieser steht weiter diabolisch grinsend hinter der Theke.

»Warum sollte ich dir glauben?«

»Ich bin der Teufel«, antwortet er ruhig. »Ich lüge nicht.«

Plötzlich steht er direkt vor mir. Ich keuche. Wie ist er so schnell zu mir gelangt? Ein Finger streicht über meine Stirn und ein Prickeln breitet sich auf meinem Körper aus.

»Also sag mir, Elena«, flüsterte er leise. »Was wünscht du dir am meisten?«

Ich starre in seinen pechschwarzen Iriden, die mich auf seltsame Art und Weiße gefangen nehmen. Ich kann meinen Blick nicht abwenden. Egal ob ich möchte oder nicht.

»Rache, für den Tod an meiner Mutter«, anworte ich leise.

Lucifer lächelt. »An Damian, Azael und Camio?«

Ich nicke und abermals packt mich die Wut. Meine Hände ballen sich zu Fäusten. »Ja!«

Sein leises Lachen dringt an meine Ohren. »Was wäre, wenn sie unschuldig sind?«

Perplex weiche ich einen Schritt zurück. »Unmöglich«, keuche ich. »Ich weiß es. Die Verräter haben sie getötet, das hat ...«

»...Michael behauptet?«, vollendete Lucifer meinen Satz.

Ich erstarre und Lucifers lachen wir lauter. Er dreht sich um und schlendert gemütlich zurück zur Bar.

»Normalerweise mische ich mich nicht in Vaters Probleme ein, aber ich habe eine Schuld bei Azael zu begleichen.« Er schenkt sich ein neues Glas Whiskey ein und leert es, ehe er weiter redet. »Ich erzähl dir jetzt etwas, Elena. Bevor mein Vater die Menschen und die Engel erschuf, kreierte er Soldaten. Mächtige Soldaten, die ihn unterstützen.«

»Die Erzengel«, brumme ich. Jeder Engel kennt die Geschichte der Entstehung. Sie wurde uns als Kinder beigebracht.

»Falsch!« Verwirrt blicke ich Lucifer an, der mittlerweile sein viertel Glas in den Händen hält. »Vor den Erzengeln erschuf mein Vater, die goldenen Engel, wie er sie nannte. Engel, die viel mächtiger waren als die Erzengel. Sie besaßen einen Teil seiner Kraft.« Ungläubig blicke ich Lucifer an. »Doch Vater fürchtete ihre Macht und befehligte seine Erzengel, sie zu töten.«

»Das ist eine Lüge«, knurre ich aufgebracht. »Sie wurden verbannt und getötet, weil sie gegen Gott rebellierten. Dabei kam meine Mutter ums leben.«

Luzifer lacht und Wut kocht in mir empor. Wie kann er es wagen, alles was uns gelehrt wurde zu verraten.

»Deine Mutter war auch eine von ihnen«, raunt er. »Ein goldener Engel.«

Ich schüttle den Kopf, der mittlerweile dumpf zu pochen beginnt. »Nein! Die Rebellen haben sie getötet. Michael hat mich gerettet, bevor sie mir ebenfalls schaden konnten.«

»Hat er dir das erzählt?«

Ich blicke Lucifer an, der wieder direkt vor mir steht. Seine dunklen Iriden huschen über mein Gesicht. »Du lebst in einer Lüge, Elena. Wach auf, wenn du die Wahrheit erfahren willst. Nicht alles was glänzt ist Gold und jeder Dunkelheit gibt es Licht.«

Meine Atmung ist flach. Mein Herz schlägt ruhig. Es sind seine Augen, die mich wieder fesseln an einem Ort, der mir Sicherheit verspricht. Kann ich ihm wirklich trauen? Dem Teufel höchstpersönlich?

»Du bist wirklich anders«, flüstert Lucifer und lässt mich blinzeln.

»Wie meinst du das?«

»Weißt du wie Engel entstehen?« Lucifers Augen huschen über mein Gesicht. »Sie werden erschaffen. Jedes Lebewesen auf dieser Welt wurde von meinem Vater erschaffen, bis auf...«

»Seine Kinder«, beantworte ich seinen Satz. Dennoch weiß ich nicht, was er mir sagen möchte.

Lucifer lächelt zart. »Genau. Seinen geliebten Menschen hat er die Macht gegeben, sich fortzupflanzen. Ein überaus netter Zeitvertreib. Aber sicherlich hast du das ebenfalls schon herausgefunden.«

Röte schießt mir in die Wangen. »Was hat das jetzt damit zu tun.«

»Engel werden erschaffen«, raunt er.

Ich kräusle meine Stirn, bis Lucifer schnaubt. »Du wurdest geboren, Elena. Verstehst du, was das bedeutet?«

Langsam sickern seine Worte in meinen Kopf und noch langsamer kann ich sie verarbeiten. Ich wurde geboren? Bedeutet das, ich bin kein Engel?

»Ist dir nie aufgefallen, dass es im Himmel keine Kinder gibt?«, spricht er weiter, während meine Kopfschmerzen weiter voranschreiten. Meine Mutter wollte nie, dass ich raus gehe. Damals war unser Zuhause alles was ich kannte. Sie lehrte mich. Sie spielte mit mir. Es gab nur uns beide, bis zu jenem Tag.

»Wie kann das sein?«, hauche ich und blicke zu Lucifer empor. Doch dieser lächelt nur, was mich zunehmend nervöser macht. Wie konnte meine Mutter mich bekommen? Wer bin ich? Wer ist mein Vater? Michael?

Ich beginne im Raum auf- und abzugehen, um die Nervosität abzuschütteln. Doch es hilft nicht. Jede Menge Fragen bombardierten mich und keine davon konnte ich beantworten.

Die goldenen Engel. Die Erzengel, die böse sein sollen. Ich wurde geboren. 

Azael. Damian. Camio.

Abrupt bleibe ich stehen. Kennen Sie die Antworten?

»Ich muss mit ihnen reden«, platzt es aus mir heraus. Ich blicke Lucifer an.

»Dafür ist es zu spät«, raunt er leise.

»Was?«

»Die Erzengel sind bereits da.«


Gefällt euch die Geschichte bis hier her?

Da ich ein drauf los Schreiber bin, mit einem kleinen Plot, tut es mir leid, wenn hier und da Unstimmigkeiten auftauchen. Meist bearbeiten ich diese erst, wenn die Story abgeschlossen ist. :-)


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