35 Getsändnisse
Jungkooks Augen öffneten sich langsam, der Schlaf verließ langsam seinen Körper. Er schaute sich um, obwohl seine Sicht ein wenig verschwommen war, bemerkte er, dass er nicht in seinem eigentlichen Raum war.
Er setzte sich langsam auf und es fühlte sich an, als ob jeder Zentimeter seines Körpers von innen nach außen zerquetscht worden wäre. Sein Nacken und seine Schultern schmerzten fürchterlich, jeder Zentimeter seines Halses war mit dunklen violetten und roten Flecken übersät. Auch sein ganzer Unterkörper schmerzte.
Dann kamen die ganzen Erinnerungen. Das Stöhnen, das Wimmern. Das Blut. Die Hitze. Die Art, wie sich ihre Körper zu einem vereinten. Das Gefühl. Alles kam auf einmal zurück.
Jungkook errötete tiefrot. Er wusste nicht, ob er sich beschämt oder froh fühlen sollte. Bereute er es? Es war dumm, sich selbst das zu fragen. Er wusste die Antwort, er bereute es nicht im geringsten.
Er drehte langsam seinen Kopf, immer noch auf dem Bett sitzend, und schaute zum Körper neben ihm. Taehyung lag oben ohne, die Laken bedeckten seinen Unterkörper. Er schlief.
Jungkook untersuchte ihn.
Seine Brust lag auf der Matratze, während sein geflügelter Rücken der Luft ausgesetzt war. Sein dunkles Haar war flauschig und flog in alle Richtungen gegen das Kopfkissen. Er konnte sehen, wie sich die Seiten seines Oberkörpers und sein Rücken bei jedem ruhenden Atemzug auf und ab bewegten. Etwas so Natürliches wie Schlafen, und doch sah Taehyung aus wie aus einer anderen Welt.
Dieser Mann war wirklich hypnotisierend, dachte er, alles an ihm war attraktiv.
Wie konnte ein Dämon so göttlich aussehen.
Eine Bewegung im Bett ließ Jungkook aus seinen Gedanken erwachen und seine Augen blickten schnell auf alles andere als Taehyung.
Taehyungs Augen öffneten sich langsam und das erste was er tat, war nach Jungkook zu gucken. Als er ihn neben sich sah, lächelte er in sich hinein.
Jungkook wusste nicht, was er tun sollte, er war zu schüchtern, um mit ihm zu reden, aber auch zu schüchtern, um aufzustehen und rauszugehen. So saß er da in komischer Stille.
"Du bist nicht verletzt?", war das erste, was Taehyung fragte. Seine Stimme war rau.
Jungkook schaute ihn nervös an, sein Körper tat tatsächlich sehr weh, aber nein, er war nicht wirklich verletzt. "Nein- Nein, mir geht es gut"
"Bist du dir sicher?"
Jungkook lächelte, er konnte in seine Augen sehen, dass er aufrichtig fragte. Dies füllte ihn mit Trost, irgendwie.
"Ja, mir geht es gut"
Taehyung nickte und warf ihm ein leichtes Lächeln zu, bevor er sich aufsetzte und aufstand.
"Wasch dich und Treff mich vor dem Schloss, sobald du fertig seid", sagte er schlicht und streckte Arme und Hals. Jungkook warf ihm einen verwirrten Blick zu.
"Ich meine, möchtest du den Tag mit mir verbringen?" formulierte er 'höflich' um und grinste verspielt, "Oh- ja, natürlich"
Taehyung nickte, "So Treff mich unten sobald du fertig bist" wiederholte er und verließ das Schlafzimmer.
Jungkook stand auf, bereit, zu gehen aber er konnte seine Klamotten nicht finden, er blieb also dort und suchte nach ihnen. Sie waren nirgendwo auf dem Boden.
Nachdem er beschlossen hatte, dass es im Moment unmöglich war, sie zu finden, stand er auf, wickelte sich die schwarze Seidendecke von Taehyungs Bett um den Körper und verließ darin den Raum.
Er machte sich auf den Weg in sein Zimmer, schloss die Tür hinter sich und ging ins Bad, um sich zu waschen.
Nach ein paar Minuten kam er endlich aus dem Bad. Mit tropfnassem Haar stand er vor dem Spiegel. Er strich vorsichtig mit der Hand darüber und wischte den Dampf weg, der sich durch die Hitze gebildet hatte. Er stand da und starrte sein Spiegelbild an, besonders seinen Hals.
Vorsichtig hob er seine Finger und berührte die geschwollene Stelle, obwohl der Schmerz durch die Dusche nachgelassen hatte. Er wurde wieder rot und spürte Schmetterlinge im Bauch. Er fühlte sich gut.
Die Art und Weise, wie Kim Taehyung jeden Zentimeter seines Körpers markiert hatte, physisch und nicht physisch, gab ihm ein so gutes Gefühl. Aus irgendeinem Grund fühlte er sich besonders. Vielleicht lag es daran, dass es sein erstes Mal war, vielleicht gab es aber auch einen tieferen Grund dafür.
Oder vielleicht beides.
Er verließ das Badezimmer und ging zum Kleiderschrank, um ein Paar aus dem dortigen Bestand an Kleidung auszusuchen.
Danach verließ er das Zimmer und machte sich auf den Weg nach unten. Als er durch die langen, schummrigen Flure ging, erinnerte er sich an den Raum, in dem er die seltsame Spiegelbegegnung hatte. Er wusste nicht, warum, aber es kam ihm in den Sinn. Es war, als wollte etwas, dass er dort hineinging.
Er dachte daran, dass Yoongi und Taehyung ihm gesagt hatten, er solle sich davon fernhalten, und das war's. Sie hatten ihm nie gesagt, warum genau. Er verspürte den Drang zu fragen - er könnte Taehyung danach fragen. Aber er wollte die gute Bindung, die sie aufgebaut hatten, nicht zerstören.
Inzwischen war Jungkook unten an der Vorderseite des Schlosses angekommen. Er trat nach draußen und sah sich nach Taehyung um, der nicht da war.
"Endlich" eine Stimme sprach von hinten.
Taehyung stand direkt hinter Jungkook, was ihm einen Schauer über den Rücken jagte. Jungkook atmete aus: "Hör auf, aus dem Nichts aufzutauchen", lachte er.
"Sorry" Taehyung lachte und ging an Jungkook vorbei, "Komm" sagte er.
Jungkook folgte ihm. Sie liefen auf den Wald zu, wo er und Jimin von dem Portal herkamen.
Der Wald war wie ein Bereich zwischen Himmel und Hölle; wie ein Durchgang.
"So" begann Taehyung, als sie gingen, "Ich weiß, es ist gefühlt das dritte Mal, dass ich heute frage, aber geht es dir gut?" fragte er Jungkook, in Bezug darauf, wie es ihm danach ging.
Jungkook lachte, "Mir geht es gut" bestätigte er nervös. Er konnte sich nicht helfen, aber errötete jedes Mal, wenn Taehyung ihm Aufmerksamkeit schenkte.
"Gut gut" sagte Taehyung. Sie gingen immer tiefer in den Wald hinein. Eine Mischung aus hohen, blattlosen Bäumen und vollen Bäumen umgab sie. Aus der Ferne hörte man Krähen, Eulen und andere Kreaturen, die einzigartige Geräusche machten.
"Was magst du wirklich?", fragte Taehyung zufällig.
"Ich bewege mich gerne; ich mag es nicht, an einem Ort zu sein, sonst wird mir langweilig. Ich mag es, verschiedene Dinge zu erkunden, und ich bin gerne draußen", lächelte er. "Ich und Jimin haben oft draußen gespielt", er machte eine Pause, "so sind wir hier gelandet. Jimin hat mich geführt", kicherte er schüchtern.
Taehyung lächelte, "Hm. Natürlich. Ich kann mich klar an diesen Tag erinnern, als Yoongi dich zu mir brachte"
Die Erinnerungen kamen auch zu Jungkook zurück; er erinnerte sich, wie ängstlich er sich gefühlt hatte, als er dass erste mal Taehyung vorgestellt wurde. Wie er ihn harsch packte, wie er ständig von Rache redete.
Die Gedanken ließen Jungkook runzeln, erinnerte sich, wie viel Angst er einmal vor Taehyung hatte, aber nun, irgendwie, mit mehr Tagen, die sie miteinander verbrachten, hatte sich das geändert. Er beschloss, es zu vergessen, was Taehyung einst schlimmes angetan hatte, selbst wenn es zu ihm oder einem andren Wesen war.
Taehyung fuhr ruhig fort, "Wenn Jimin nicht so ein hinterhältiger Idiot gewesen wäre- ich meine, ein Freund, wärst du nicht hier gelandet-"
"-aber dann wären wir uns nie begegnet" unterbrach Jungkook-
Taehyung verstummte und sah ihn leicht geschockt an. Jungkook fühlte sich ein wenig nervös, als die Worte einfach so aus ihm kamen. Irgendwas in ihm hatte den Drang, dies zu sagen.
"Genau, das ist das Beste. Wenn ich dich nicht kennengelernt hätte, Jungkook, hätte ich dich nie (körperlich) verletzt, wie ich es getan habe. Ich wäre nicht auf die Idee gekommen, mich an den Engeln zu rächen - für etwas, das gar nicht deine Schuld ist." ließ Taehyung verlauten. "Ich war nur wütend auf die Welt? Ich habe dich, Namjoon, Seokjin - jeden Engel für etwas verantwortlich gemacht, wofür ich nichts konnte. Meine Mutter und Y/n waren schon tot - und ich hätte das so akzeptieren sollen. Ich habe mich kindisch verhalten - unreif - egoistisch - ich konnte und wollte nicht über etwas hinwegkommen, das wahrscheinlich passieren sollte, und ich hätte es von Anfang an so akzeptieren sollen. Es tut mir leid, Jungkook. Es tut mir leid, dass ich so bin, wie ich bin - oder war"
Jungkook starrte ihn an, da waren so viele Gedanken, die er sagen wollte, aber er fand keinen Weg zu starten.
Taehyungs Augen schweiften verzweifelt ab, als sich in ihren Ecken Flüssigkeitstropfen bildeten. Weine jetzt nicht. Sagte er sich selbst. Er wollte nicht, dass Jungkook ihn wieder so schwach sah.
"Taehyung-"
"Aber hätten wir uns nicht getroffen, dann hätte ich mich nicht geändert. Ich war verloren. Ich war verloren, suchend nach Rache, suchend für etwas, dass die Leere füllt, die der Tod meiner Mutter hinterlassen hatte. Ich hatte meinen Vater nicht wirklich, unsere Beziehung war nicht so gut, wie die zu meiner Mutter. Deshalb wollte ich verzweifelt etwas fühlen- um mich nicht alleine zu fühlen- Ich dachte, wenn ich Rache bekommen würde, dass ich mich stolz und mächtig fühlen würde, und das würde den Tod meiner Mutter wettmachen- aber das war es nicht. Du hast mich verändert Jungkook- ich weiß nicht wie aber- fuck- du veränderst mich- du lässt mich Sachen fühlen- Und ich bereue es nicht im Geringsten" ließ Taehyung aus.
Ohne ein weiteres Wort kam Jungkook näher an ihn heran und zwang Taehyung, ihn anzuschauen. Seine Augen waren den Tränen nahe, doch er war ruhig. Jungkook streckte seine Finger nach Taehyungs Wangen aus und wischte eine Träne weg, bevor sie ganz abrutschte. Er hatte noch kein Wort gesagt, doch Taehyung fühlte sich bereits durch seine Berührung getröstet.
"Es ist okay", flüsterte Jungkook, um endlich die Tränen loszuwerden, die es wagten, aus Taehyungs Augen zu fallen. "Wie du gesagt hast, manche Dinge sollen einfach passieren. Alles, was passiert ist, wäre nicht ohne Grund passiert, Taehyung. Wir waren dazu bestimmt, zu passieren. Wir sollten uns treffen", sagte Jungkook auf die tröstlichste, ruhigste, engelsgleichste Weise.
"Manchmal denkst du, dass du diese Person bist, aber dann, nach langer Zeit, merkst du, dass du es nicht bist. Du erkennst, dass du dich nur selbst belogen hast, und das ist okay", sagte Jungkook. "Das ist Selbstfindung, du findest dich selbst, Taehyung", lächelte Jungkook.
Taehyung starrte ihn nur an, ohne ein Wort zu sagen. Gelassenheit und Glücksgefühle. Das waren die besten Worte, die Jungkook in diesem Moment beschreiben konnten.
Jungkook lächelte und strich mit seinem Finger sanft über Taehyungs Unterlippe. Dann, mit einer sanften Bewegung, verband die zarteste, federleichte Berührung ihrer Lippen sie. Es war kein langer leidenschaftlicher Kuss. Es war ein sanftes, zärtliches Knutschen.
Jungkook zog sich zurück und lächelte wieder. Ein verlegenes, schüchternes Lächeln bahnte sich seinen Weg auf Taehyungs Lippen.
"Und übrigens, du lässt mich auch Sachen Fühlen", fügte Jungkook hinzu und Taehyung sah verlegen weg.
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