31 Hilf mir
Jungkook schaute wieder in seine Augen, las sie. Schuld, Kummer, Sympathie.
Tat es ihm wirklich leid?
Jungkook konnte weder Worte noch Gedanken finden. Seine Wangen färbten sich purpurrot. Er war sich nicht sicher, ob sich Taehyung wirklich bei ihm entschuldigte- und er wusste nicht, worum es bei dem Kuss ging.
Aber es fühlte sich sicher fantastisch an. Es fühlte sich surreal an. Er hatte sowas vorher noch nie erlebt. Ein Teil von ihm wünschte sich, dass sie sich niemals von ihren aufeinandergepressten Lippen gelöst hätten.
Aber ein anderer Teil wünschte sich, dass es niemals passiert wäre. Wegen dem Gedanken, jemanden geküsst zu haben, der in Verbindung zu der Person steht, welcher das Leben seiner Eltern miserabel gemacht hatte, ließ ihn schuldig fühlen.
Die plötzliche Verärgerung, die Jungkook noch vor ein paar Minuten verspürte, war wieder da, "Nein, nein das tust du nicht. Es tut dir nicht leid. Du bist nicht fähig, dich zu entschuldigen, genau wie dein V-"
"Aber kennst du mich? Du bist so schnell, mich wegen das Verhalten meines Vaters zu verurteilen, aber kennst du mich überhaupt?" unterbrach Taehyung ernst. Jungkook verstummte.
Er kannte ihn nicht wirklich.
Er hatte ein paar Sachen über seine Vergangenheit durch Yoongi erfahren, aber er selbst kannte ihn nicht wirklich.
Aber es wäre schön, wenn es so wäre.
"Du kennst mich nicht. Du weißt nicht, wie ich mich wirklich gefühlt hatte, als meine Mutter gestorben ist. Du bist nicht der einzige, der ein Elternteil verloren hat, Jungkook" sagte Taehyung, Verzweiflung und Schmerz lag in seiner Stimme.
Jungkook sprach nicht.
"Ich habe meine Mutter geliebt. Ich habe sie mehr geliebt, als alles andere in der Welt" begann Taehyung, seine Stimme bebte etwas. "Sie war die einzige, mit der ich mein Zeit verbringen wollte, abgesehen von Yoongi natürlich" er kicherte leise, am Ende seines Satzes.
"Sie war so fürsorglich zu mir, ich war alles, was sie wollte, sagte sie mir. Einen kleinen Jungen. Sie scherte sich nicht um Macht - oder Blut - oder Herrschaft - sie wollte nur ein eigenes Kind", lächelte er nostalgisch.
"Sie war nicht ganz damit einverstanden, mit dem Verhalten meines Vaters, wie du weißt; sein streben nach Macht. Allerdings hatte sie nie was dagegen getan, außer mir zu sagen, dass ich niemals wie er sein soll. Ich kann nicht verstehen, wie sie ihn heiraten konnte- oder auch nur in Erwägung gezogen, mit ihm zusammen zu sein. Aber das hatte mich nie wirklich gekümmert. Ich kümmerte mich nur um sie. Nur sie. Ich konnte -und kann- niemals das gleiche für meinen Vater fühlen. Ich habe ihn nie so sehr geliebt, wie sie. Er hatte mir niemals so viel Zuneigung gezeigt. Also wieso sollte ich es?" beendete Taehyung kalt.
Jungkook hörte stumm zu.
"Ich hasse ihn Jungkook. Ich hasse ihn. Ich hasse ihn dafür, dass er so ist, wie er war. Ich hasse ihn dafür, dass er mir niemals Interesse gezeigt hatte" seine Stimme brach, "Ich hasse es, dass ich g-genauso bin wie e-er"
Jungkook starrte ihn an. Er schien außer Atem zu sein. Als ob ein dicker Kloß in seiner Kehle den Sauerstoff in seiner Lunge blockieren würde, doch sein Gesichtsausdruck blieb ernst. Seine Augen waren glänzend, doch keine Träne wagte zu fallen.
Er sah aus, als bräuchte er dringend Trost und Beruhigung.
"Seit dem Tag, an dem meine Mutter starb, habe ich es verloren. Ich konnte danach einfach nicht mehr "okay" sein. Dieser unerwartete Hass auf Engel - wie könnte ich keinen Hass empfinden? Deine Leute haben sie getötet. Dessen bin ich mir sicher. So wie sie es auch mit Y/n getan haben. Und so konnte ich nicht anders - ich wurde immer mehr wie er, wie mein Vater. Immer grausam und machthungrig. Macht, damit mir nie wieder jemand etwas wegnehmen kann"
"Aber wie kannst du dir so sicher sein, dass es ein Engel war? Du hast sie nicht gesehen, nicht wahr?" fragte Jungkook.
Taehyung stoppte für einem Moment, nachdenklich. Er hatte eigentlich niemanden in der Nähe gesehen, als er die Leiche seiner Mutter und Y/ns fand. Er fand nur seine Mutter, die kaum noch lebte und nach dem Krieg verblutet war, und Y/ns Leiche mit einem goldenen Pfeil, der den Engeln gehörte. Aber er hatte eigentlich niemanden gesehen.
Seine Mutter starb im Krieg.
Aber Y/n starb auf mysteriöser Weise.
"Willst du andeuten, dass vielleicht etwas oder jemand anderes als ein Engel Y/n getötet hat? Und es so aussehen ließ, als sei es ein Engelsangriff gewesen?" Taehyung starrte Jungkook an.
War es möglich?
Aber wer war es dann?
Jungkook sagte nichts, da er genauso ratlos war wie Taehyung, ob es möglich war oder nicht.
Eine komische Stille brach herein.
Zum hundertste Mal starrte Jungkook Taehyung an, analysierte sein Gesicht, auf der Suche nach all den Gefühlen, die tief in diesen dunklen Augen verborgen waren. Er sah wirklich miserabel aus. Obwohl sein Gesicht fast immer gerade blieb, wirkte er geistig ausgelaugt, als wüsste er nicht, was er glauben, tun oder fühlen sollte.
Er war verloren.
Taehyung schaute verbittert weg, aber nur um wieder zurück zu Jungkook zu gucken, und dieses mal, eine Träne rann langsam über sein linkes Auge. Er biss sich auf die Lippe und versuchte so gut es ging, nicht zusammenzubrechen.
Obwohl er es irgendwie erwartet hatte, wurde Jungkook bei diesem Anblick sofort sanft. König Kim Taehyung weinte. Vor ihm.
"Jungkook..." hauchte Taehyung. Er begann zu zittern. "...bitte hilf mir"
Da er sich dazu verpflichtet fühlte, lief Jungkook zu ihm und umarmte ihn. Zuerst blieb Taehyung wie erstarrt stehen, die Tränen liefen weiter, aber langsam gab er der Umarmung nach, schlang seine Arme fest um Jungkook und wünschte sich, ihn nie wieder loszulassen.
"I-ich weiß nicht mehr, w-wo ich stehen soll-" er schluchzte leise, verstärkte seinen halt um Jungkook. Er hielt so fest, dass Jungkook sich so fühlte, als könnte er nicht mehr atmen, dennoch fühlte es sich so tröstend an.
"Ich will n-nicht so s-sein wie e-er, aber es ist zu spät, n-nicht wahr?" Jungkook hörte jedem Wort zu, welches er schluchzte. Taehyung hatte endlich realisiert, wie er während seiner gesamten Regierungszeit verhalten hatte, sogar bevor Jungkook hier her kam, genau wie sein Vater. All diese Grausamkeit, dass foltern, was er vielen Leuten angetan hatte, die kalte Herzlichkeit, das Selbstsüchtige -Jungkook zu entführen, um sich zu rächen, nur damit er den Engeln seinen Schmerz zurückgeben kann- das war alles, was sein Vater genau getan hätte. Das alles widersprach dem Rat seiner Mutter.
Und das hat ihn sehr getroffen. Das hat ihn sehr betroffen. Es verletzte ihn. Ließ ihn sich selbst hassen.
Und dann wurde es klar für Jungkook; Kim Taehyung war ein gebrochener Junge, der versuchte, seinen Schmerz und wahren Emotionen durch einer ernsten, kalten, achtlosen Persönlichkeit zu verbergen.
"Bitte J-Jungkook...bitte h-hilf mir.. Ich erkenne m-mich selbst nicht mehr- Ich bin so so verloren, so verwirrt- Ich" würgte er zwischen verzweifelten Schluchzern hervor. Jungkook ließ ihn nicht los, Taehyung grub sein Gesicht in Jungkooks Hals. Jungkook konnte seine nassen Tränen auf seiner eigenen Haut spüren.
"Shh... e-es wird alles okay Taehyung. Ich werde dir helfen.." flüsterte er beruhigend und er konnte fühlen, wie Taehyungs Zittern etwas weniger wurde.
Jungkook konnte Taehyung für immer umarmen. Es fühlte sich beruhigend an. Es fühlte sich an, als würden sich ihre Seelen brauchen. Als würden sie zusammen gehören. Es war klar, dass keiner der beiden den anderen loslassen würde. Als sie sich zu Hause fühlten, legten sie einander den Arm um.
Jungkook schloss seine Augen. Genoss den Moment. Er spürte nur Taehyungs kalten Körper an seinem, hörte leise auf sein Wimmern, während er versuchte, ihn zu trösten.
Doch dann ließ ein leises Flüstern in seiner Halsbeuge Jungkook die Augen öffnen,
"Ich habe angst, dich zu verlieren" sagte Taehyung sehr leise, aber Jungkook konnte es klar hören.
Jungkooks Herz setzte unerwartet einen Schlag aus. Ein kleines, aufgeregtes Lächeln zwang sich auf seine Lippen, eine Welle der Erleichterung und Freude durchlief seine Nerven und ließ ihm Schauer über den Rücken laufen.
"Du wirst mich nicht verlieren Taehyung, niemals" flüsterte Jungkook sanft.
Und in genau diesem Moment wussten beide;
Sie waren Seelenverwandte.
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