3. In der Stille kannst du es hören, in der Einsamkeit sehen
Das Einzige, was Hawks nach einem harten Arbeitstag brauchte, war ein heißes Bad und sein Bett. Selbst seine Lieblingsserie, die er sonst nie verpasste, konnte ihn heute nicht vom Gegenteil überzeugen, selbst wenn es die Premiere der neuen Staffel war.
Normalerweise verbrachte er Abende wie diesen vor dem Fernseher, schaute Serien und verspeiste dabei seine geliebten Chickenwings aus dem Imbiss von gegenüber. Und wenn nicht, dann lag er einfach auf seiner Couch. Las die Neuigkeiten des Tages im Netz, während im Hintergrund der Fernseher lief, nur damit die sonst herrschende Stille, die er so verabscheute, erträglich war.
Es kam äußerst selten vor, dass Hawks die Nächte frei hatte. Meistens war es die Schuld der Patrouille oder dem, was er sonst tun musste. Spionieren. Vielleicht sah man es ihm gar nicht so an, aber die Erschöpfung war da. Sein Beruf war auch so schon anstrengend, auch ohne seiner zusätzlichen Arbeit, der er zur Zeit nachging.
All das zerrte an seinen Kräften. Für den Helden war es eine Leichtigkeit, seine Gefühle zu verbergen. Wieso sollten sich andere auch um ihn sorgen, schließlich war er der Held Nummer zwei. Es gab also keine Gründe zur Sorge. Wer sich hier Gedanken um andere machen sollte, war schließlich er.
Die Sorge um die Sicherheit der Bürger dieses Landes und seine eigenen Träume, denen er nacheiferte – immer zu einen Schritt dorthin. Irgendwann würden sich diese schließlich erfüllen.
Nach einer halben Stunde in der Badewanne konnte er den Punkt ›Baden‹ auf seiner heutigen To-do Liste streichen. Der nächste Punkt gestaltete sich dagegen schwieriger, kaum hatte er sein Schlafzimmer betreten, da klopfte es doch tatsächlich an der Tür. So viel zum Thema Schlafengehen.
Genervt verzog Hawks das Gesicht und mit einer gewissen Mordlust in den Augen verließ er wieder das Schlafzimmer. Währenddessen dachte er darüber nach, wer seine nächtliche Ruhe zu stören vermochte. Zunächst vermutete er seine gute Freundin Mirko, es wäre nicht ungewöhnlich für die junge Frau.
Sie kam her, fühlte und benahm sich wie zu Hause, und er? Er nahm es ihr nicht einmal übel. Jedoch gab es auch Situationen, in denen Hawks befürchtete, sie würde irgendwann zu einem mehr als unpassenden Moment bei ihm aufkreuzen. Einen wie der, der sich in dem Moment gerade anbahnte.
Gleich nachdem er die Tür geöffnet hatte, verflog jegliche Mordlust, genauso wie der genervte Gesichtsausdruck. Was blieb, war Verwunderung. Der Letzte, den Hawks vor seiner Tür erwartet hatte, war der Mann, den er Stunden zuvor noch gesehen hatte. Vor allem da Dabi nicht der Typ Mensch war, der einfach so bei ihm auftauchte.
In der Regel kamen sie beide zusammen zu ihm. Oft nachdem sie sich zufällig in der Stadt getroffen hatten oder wenn sie ohnehin schon den ganzen Tag zusammen mit den anderen Mitgliedern der Liga verbracht hatten. In ihrer Gesellschaft bekam man nur noch mehr graue Haare.
Nun stand der Schurke da, mit den Händen in den Hosentaschen und dem typisch gelangweilten Gesichtsausdruck und trotzdem konnte Keigo erkennen, dass irgendwas in der Luft lag. Doch bevor er auch nur ein Wort hervorbringen konnte, begann auch schon sein Partner.
»Wollen wir hier Wurzeln schlagen, oder lässt du mich endlich eintreten?«, fragte er mit einem leichten Seufzen. Fakt, dass sie schon eine ganze Weile so da standen und genervt wie Dabi war, wollte er nicht noch länger sinnlos herumstehen. Schon gar nicht an diesen mehr als beschissenen Tag und mit seinem ohnehin schon verkürzten Geduldsfaden.
Beim Anblick von Hawks, in seinen schwarzen Boxershorts und dem grauen Shirt, zuckten Dabis Mundwinkel kaum merklich und für kaum eine Sekunde, aber sie taten es. Ohne etwas zu sagen, ging Hawks einen Schritt zur Seite, um seinen Gast den Eintritt zu gewähren.
Nachdem Hawks die Tür geschlossen hatte, drehte er sich mit einer Frage auf den Lippen um, doch als er den Schwarzhaarigen nirgends erblickte, verzog er wieder die Augenbraue und folgte ihm ins Innere.
Wie er vermutete, fand er ihn in seinem Schlafzimmer, liegend auf dem Bett. Bei diesem Anblick, legte sich ein leichtes Lächeln auf seine Lippen. Und genau da verstand er auch, was der Grund für den Besuch war. Dabi sah fertig aus. Ziemlich fertig.
»Wann fängst du endlich an, dich auszuschlafen?«, fragte Hawks, als er sich mit dem Rücken zu dem Schwarzhaarigen, der an die Decke starrte, auf die Bettkante setzte.
Dabi antwortete nur mit einem Grummeln, denn worauf er gerade keine Lust hatte, war, sich rechtfertigen zu müssen. Sogesehen hatte er zu gar nichts Lust. Am liebsten würde er jetzt einfach einschlafen. Das gemütliche und weiche Bett, auf dem er lag, lud ihn gerade zu ein, genau das zu tun.
Jedoch gab es da etwas, das ihn davon abhielt. Und der Grund dafür saß gleich neben ihm. Hawks, der noch immer mit dem Rücken zu Dabi saß und einen ihm unbekannten Punkt am Fenster fixierte. Warum ihn das so wunderte?
Nun, Hawks war alles andere als eine stille Person. Normalerweis konnte der Blonde seine Klappe kaum halten, oft genug brachte er seinen Partner damit zur Weißglut und weckte ihn ihm die Mordlust. Jedoch kam es nie zu Handgreiflichkeiten. Alles mehr im übertragenen Sinne. Und obwohl Dabi sich eigentlich nichts mehr als Ruhe gewünscht hatte, war sie ihm in dem Moment einfach zuwider.
»Wieso so still?« In dem Augenblick spannte Hawks sich an, fühlte wie der Schurke seine warmen Hände in die weichen Federn tauchte. Es war ein so angenehmes Gefühl, dass er befürchtete, er würde gleich dahin schmelzen. Dabi wusste es genau und nutzte dieses Wissen immer wieder aufs Neue gegen ihn. »Sag, Little Bird ...«
Hawks musste schlucken. Diese Stimme ... Sie war so erotisierend, so verführerisch. Er fühlte sich, als würde sein Herz jeden Moment aus seiner Brust hüpfen. Die Berührung der heißen Hand an seinem Rücken machte die ganze Situation keinesfalls besser. Ja, bei der Liebkosung könnte er wirklich beinahe dahinschmelzen.
Wieso hatte dieser Mann so eine Wirkung auf ihn? Dabi kannte einige seiner empfindlichen Punkte und nutzte sie immer wieder aufs Neue aus, anstrengen musste er sich dabei nun wirklich nicht.
Meistens reichte es, wenn er den geflügelten Helden tief in die Augen schaute und schon wurden seine Beine, durch den Einfluss der türkisfarbenen Augen, weich wie Butter. Denn diese Augen waren die schönsten, die Hawks jemals in seinem Leben gesehen hatte. Er konnte stundenlang in sie hinein schauen und mit jeder Minute, die verging, verlor er sich ein Stückchen mehr darin.
»Es ist nichts. Ich bin einfach nur müde«, antwortete er nach einer Weile des Zögerns. Dass es nicht besonders glaubhaft klang, wusste er selbst. Schließlich konnte er ihm schlecht davon erzählen. Von seinen Alpträumen, die ihn immer wieder plagten. Es würde sie nur noch näher an diese Szenerie rücken. Gerade jetzt fühlte er sich einfach nur noch unsicher.
Dabi seufzte ohne dabei den Blick von dem Helden abzuwenden. Wie er es sich gedacht hatte – irgendetwas bedrückte seinen Partner und es blieb ihm verwehrt, es zu erfahren. Hawks wollte eindeutig nicht darüber reden, und Dabi, er würde ihn auch nicht dazu zwingen.
Außerdem war er kein Psychologe, mit dem er über das reden konnte, was auf seinem Herzen so schwer lastete. Doch das hielt ihn nicht auf, denn gleich darauf ergriff er das Handgelenk des Helden und zog ihn zu sich.
Desorientiert wie Keigo war, schaffte er es noch in letzter Sekunde, sich mit beiden Händen neben Dabis Kopf abzustützen, gleichzeitig bewahrte er beide vor einem harten Zusammenstoß.
Eigentlich wollte er Hawks mit der Geste nur zeigen, dass er für ihn da war, dass er sich nicht verstellen muss und seine Maske fallen lassen konnte. Der junge Mann wusste das, ein Blick in die türkisen Augen reichte dafür.
Es war Dabis spezielle Art, seine eigenen Gefühle zu zeigen, doch auch das war einer der Gründe, wieso Hawks sich zu ihm hingezogen fühlte. Es machte ihn anders und bewirkte, dass Hawks noch mehr Verlangen nach ihm hatte.
Sie schauten sich still an, keiner der beiden vermochte in diesem Moment die Stille zu brechen, und während sie so verweilten, studierten sie das Gesicht des Gegenüber genau. Doch dann streckte Dabi seine Hand aus und legte sie sogleich auf die Wange des anderen Mannes.
Mit dem Daumen fuhr er vorsichtig über die schwarzen Male an Keigos Augen entlang. Anfangs dachte er doch tatsächlich, diese Male seien nur aufgemalt, doch Keigo belehrte ihn eines Besseren und erklärte ihm, dass sie angeboren seien.
»Ja ... Ich bin ebenfalls müde«, gab er mit einem leichten Grinsen zu, worauf sein Partner ihm ebenfalls ein Lächeln als Antwort schenkte. Augenblicklich verpufften sowohl der ganze Stress als auch seine Sorgen und Hawks beruhigte sich. Dabei schloss er seine Augen, schob sein Gesicht etwas näher heran und lehnte seine Stirn gegen die von Dabi.
Vielleicht war er manchmal ein äußerst nerviger Held, mit dem man es nicht immer leicht hatte, doch sobald sie beide allein waren, da war er ein völlig anderer, viel emotionaler. Und genau das mochte Dabi an ihm.
Er war der einzige Mensch, mit dem er Zeit verbringen konnte und es auch noch genoss. Bei ihm konnte er sich entspannen, zurücklehnen und sich einfach fallen lassen. Hawks hatte großen Einfluss auf Dabi und genau das irritierte ihn manchmal.
In dieser Nacht kamen beide in den Genuss der ersehnten Ruhe und genossen die Nähe zueinander. Vor allem Keigo war glücklich, denn als er am nächsten Morgen erwachte, fand er den Schwarzhaarigen doch tatsächlich neben sich …
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