1 - WEF? - WTF!

Autsch. Scheiße, wo bin ich? Hotel? Ich sollte nicht mehr so viel trinken!

"Sebastian Bachofen, du bist ein vierzigjähriger Idiot; du bist nun mal nicht mehr zwanzig!"

Aber heute Morgen fühlt es sich echt an wie siebzig. Schwarze Bettwäsche? Ist das Seide? In welchem Hotel bin ich denn; mein Kopf ist schwer. Meine Beine sind schwer. Mein Körper ist unglaublich schwer.

Aber die Kleine gestern - wie hieß sie nochmal? - Die hatte Klasse. Dass ich mich nicht mehr an ihren Namen erinnern kann, ist ungewöhnlich. Aber ihre Beine, ihr Hintern, ihre wunderbaren B ... - "Börk" - Augen; daran erinnere ich mich. Sie hat mich so angesehen. - Meine Augen sind schwer; alles noch verschwommen.

Ich erhebe mich schwerfällig und suche meine Pantoffeln.

Komisch, an das Bild kann ich mich nicht erinnern. US-Flagge im Hotelzimmer? Scheiß WEF -'World Economic Forum' - von wegen ökonomisch; und ökologisch schon gar nicht; die würden besser die Davoser Alpen abbilden, dann wüssten die Idioten von Wirtschaftsbossen immerhin, in welchem Land sie sind, so mit Schnee anstatt mit Sand. '

Jetzt erinnere ich mich: Sandee - das war die Kleine; Amerikanerin. Sicherheitsbeamte für irgend so einen reichen Arsch. Hehe, ich erinnere mich auch, dass sie meinen Namen nicht hat aussprechen können. Sagte immer 'Beethoven' - als ob ich komponieren könnte. Nun, englisch ausgesprochen klingt Bachofen auch ähnlich, zugegeben. Aber dann könnte man auch 'dumb' sagen anstatt von Trump - würde eh keiner merken. Shit, ich muss pissen.

"Komm schon, Körper - du stellst dich doch sonst nicht so dämlich an."

Mit meinen Augen stimmt aber echt was nicht; wo zum Teufel ist mein Schwanz?

Langsam torkle ich ohne Pantoffeln ins Badezimmer. Es scheint mir weiter zu sein als noch gestern. Als ob mein Hotelzimmer in der Nacht gewachsen wäre. Und nicht nur das - ich habe das Gefühl, eine gewaltige Trommel vor mir zu tragen. Mein Bauch scheint auch gewachsen zu sein.

Erinnert mich irgendwie an diesen dämlichen Weihnachtsfilm mit Tim Allen. Pissen geht zum Glück auch blind - einfach fühlen. Was denn - echt jetzt? Hier stimmt was nicht! Wie soll ich mit dem Streichholz anständig pissen? Wo ist mein ... Ich sollte nicht mehr so viel saufen.

Nach der Wohltat untenrum schnell etwas Wasser ins Gesicht.

"What the fuck ...?"

Ein markerschütternder Schrei durchdringt sämtliche Sicherheitstüren des Davoser Nobelhotels. Die Security-Beauftragten kommen angerannt. Bevor sie die Tür öffnen, klopft der Sicherheitschef dezent an.

"Mister President? Alles in Ordnung bei Ihnen? ... Mister President?"

Ich renne aus dem Badezimmer. Im Spiegel hat mich soeben Donald Trump angesehen - und er sah nicht aus wie siebzig - eher wie neunzig. Jemand klopft an meine Tür. Ein Mann spricht Englisch.

Was ist hier los zum Teufel nochmal? Ich halluziniere!

Der Mann klopft erneut und ruft wieder nach seinem Präsidenten.

Der meint mich!

"Ja, alles gut! Ich habe mir den Fuß gestoßen; geht schon!", rufe ich - doch es klingt nicht nach mir.

Akzentfreies Ami; heisere Micky-Maus-Stimme. Das bin nicht ich. Ich habe einen warmen Bass, der die Herzen der Frauen zum Schmelzen bringt.

"Brauchen Sie einen Arzt?" Der Typ lässt nicht locker.

Eher einen Psychiater - oder einen Entgifter; einen Exorzisten, vielleicht?

"Nein, wirklich alles gut. Ich geh dann wieder schlafen. - Haben Sie vielen Dank."

Wer immer Sie auch sind. Ich gehe nicht mehr schlafen - auf keinen Fall.

Nur zögerlich wanke ich zum großen Spiegel im Wohnzimmer der unbekannten Suite.

Das muss ein Traum sein. Allerdings ein ziemlich gut gemachter KI-Traum in 4K. Das sieht alles verdammt echt aus. Diese Bildqualität, diese Grafik - das hat ein Vermögen gekostet!

Im Spiegel steht Donald Trump; da besteht kein Zweifel. In meinem Kopf aber fühlt es sich noch an wie die verkaterte Version von Sebastian Bachofen.

Licht. Ich ziehe die schweren Vorhänge zur Seite. Die Sonne strahlt vom wolkenlosen, kitschig blauen Himmel über Davos in mein Gesicht. Licht schmerzt noch.

Kaffee! Ich brauche Kaffee.

Noch immer ohne Pantoffeln schlurfe ich über den flauschig dicken Teppich zur Tür und lausche zuerst, ob da noch jemand ist. "Hallo? Sind Sie noch da?", rufe ich durch die geschlossene Tür; ich höre mich wie ein Idiot an.

"Mr. President? Ich höre Sie."

"Könnte ich vielleicht etwas Kaffee kriegen? Wenn es geht?"

"Aber sicher, kommt sofort. Dauert eine Sekunde."

Ich höre, wie der Mann Befehle erteilt, selbst jedoch offenbar vor meiner Tür stehenbleibt. Scheint zu klappen.

Tatsächlich klopft jemand kurz danach an. Ich öffne und sehe einen bulligen Mann - könnte Jake Blues sein, seinem schwarzen Anzug und der Sonnenbrille nach zu urteilen. Eine attraktive Serviceangestellte tritt ein, macht einen Knicks und schwebt wortlos zum runden Tisch im Wohnzimmer. Dort stellt sie die Kanne und die Tasse hin, zusammen mit einem kleinen Korb herrlich duftender Backwaren. Sie verschwindet ebenso wortlos wieder.

"Danke!", rufe ich ihr nach, doch der Blues Brother an der Tür schließt ebendiese bereits wieder.

In welche Scheiße bin ich hier geraten? Das gibt's doch gar nicht!

Ich gieße Kaffee ein, trete ans Fenster und kaue genüsslich ein Hörnchen. Vor dem Hotel steht eine Gruppe Menschen mit Fotoapparaten. Sie sehen nicht nach Touristen aus. Als ich das Fenster öffne, beginnen sie zu mir hochzuschreien und Fotos zu machen. Security-Männer treiben sie weg. Ich hebe die Hand zum Gruß und lächle.

"Mr. President. Sie sollten nicht so nah ans Fenster treten." Der Blues Brother steht plötzlich neben mir. Ich beschließe, ihn Jake zu nennen.

"Entschuldigen Sie. Ich wollte etwas frische Luft. Darf ich auf den Balkon treten?"

"Bitte warten Sie, bis wir das Okay dazu haben." Jake plappert wieder in seinen Ohrstöpsel. Er lauscht, nickt, lauscht. Dann öffnet er die Balkontür.

"Bitte, es ist sicher. Sie können draußen sitzen. Ich bringe Ihnen noch Ihren Morgenmantel."

"Danke."

Ich setze mich in die Morgensonne und genieße den Kaffee. Dabei befinde ich mich wie in Trance. Langsam kommen die Erinnerungen wieder.

Ich bin in Davos. Während des WEF ist das eigentlich doof, doch ich hatte das Zimmer schon gebucht. Die internationalen Partys sollen umwerfend sein, hat man mir gesagt. Jede Menge gelangweilter und reicher Damen, die auf einen Mann wie mich warten. Ein Gesicht wie der Marlboro-Mann, ein Körper wie der Typ von der Unterhosenwerbung, harte Muskeln wie der Bachelor, aber deutlich mehr Hirn.

Hier wollte ich mein Glück versuchen. Eine von den Reichen abschleppen, mich für ein Jahr finanzieren lassen - Geschäft. Dazu ist das WEF doch da. Ich schweife ab.

Auf der Party gab es nicht nur jede Menge Drinks. Da waren auch noch Pillen und diverse Pülverchen. Ich hätte das Zeugs nicht durcheinander einwerfen sollen. Aber Sandee - sie war der Hammer.

Meine Kaffeetasse ist leer. Ich gieße nach. An diesen Balkon mit dieser Aussicht könnte ich mich gewöhnen. Jakobshorn zum Greifen nah. Wenn ich mich anstrenge, kann ich gar einzelne Skifahrer erkennen. Meine Augen sind offensichtlich wieder in Ordnung - viel mehr seine Augen!

Wie ist das möglich? Ich dreh noch durch. Vor einigen Jahren habe ich mal ein Buch über eine Frau gelesen, die starb und dann als Ameise wiedergeboren wurde, um gutes Karma zu sammeln. Was zum Teufel habe ich verbockt, dass ich in diesem Kerl wiedergeboren werde? Bin ich etwa tot? Nicht doch - Ich denke, also bin ich! Ich bin bloß falsch.

"Sebastian, reiß dich zusammen! Gehen wir die Alternativen durch." Ein Schluck Kaffee hilft.

Mit einem Kater im Kopf, der dauernd an seine Miezen denkt, na klar. Ich muss auf jeden Fall meinen Körper wiederfinden. Nicht auszudenken, dass die Seele dieses alten Körpers hier vielleicht nun meinen Luxus-Body durch die Gegend steuert. Aber bis es so weit ist, habe ich nur das hier.

Moment mal ... wenn ich für Trump gehalten werde, dann habe ich Bodyguards, Limousinen, Flugzeuge - Ich kann überall hin!

Vergiss das schnell wieder. Ich kann nirgendwo hin. Was, wenn auskommt, dass Trump ein kleiner Heiratsschwindler ist? Einer, der versucht, den Frauen das Geld aus der Tasche zu ziehen, indem er sie ins Bett führt?

Dummes Zeug, das wird nicht mehr funktionieren - nicht mit diesem Körper. Mann - ich muss echt meinen Body wiederfinden.

Vielleicht ist es doch nur eine Halluzination, eine von den Pillen, vielleicht? Gott - oder wer auch immer da oben wohnt - lass es bitte eine Halluzination sein.

"Ich habe es begriffen; ich sollte ehrlicher sein. Kannst du mich nun bitte wieder aufwachen lassen?"

Es klopft erneut und Jake tritt ein. Mit ihm zusammen erscheint ein zu kurz geratener Financier mit schütterem Haar.

"Mr. President, sind Sie bereit für den Talk am Morgen?"

"Den was?", knurre ich.

"Die Diskussionsrunde. Heute um zehn. Es ist schon neun Uhr. Sie sollten sich bereitmachen. Wir müssen bald los, damit die Security die Halle noch prüfen kann, bevor Sie auf die Bühne gehen."

Meine Tasse stelle ich wohl etwas zu heftig auf den Tisch. Der kleine Mann erschrickt und zuckt zusammen. Ich stehe auf und eile ins Badezimmer.

"Mir ist nicht gut!", rufe ich noch schnell zurück.

Jake rennt mir nach, doch ich habe die Toilettentür bereits abgeschlossen. Schnell war ich schon immer.

"Wir rufen einen Arzt, Hilfe ist sofort da, Mr. President."

"Ich brauche keinen Arzt. Holen Sie mir einige Bananen - ich habe Durchfall." In Gedanken gratuliere ich mir zu diesem Einfall. "Und lassen Sie den Koch von gestern feuern! Da war bestimmt was im Essen." Ich kichere, als ich die Hektik vor meiner Badezimmertür höre.

Nach wenigen Minuten trete ich wieder in die Suite hinaus. "Meine Herren", verkünde ich mit fester Stimme, "ich habe gestern etwas gegessen, was wohl nicht gut war."

Das ist nicht mal falsch, wenn ich an die Menge Pillen denke.

"Bitte entschuldigen Sie mich bei diesem 'Talk' oder wie Sie es nennen. Mit Durchfall kann ich nicht auf eine Bühne; das werden die Leute sicher verstehen." Um meinen Worten zusätzliches Gewicht zu geben, trete ich wieder ins Bad.

"Wir werden es für die Presse eine 'geschäftliche Unpässlichkeit mit dringenden Terminen' nennen. Ist schon so gut wie erledigt, Mr. President. Gute Besserung. Soll nicht doch besser ein Arzt nach Ihnen sehen?"

"Schon gut, lassen Sie meinetwegen jemanden kommen. Aber stellen Sie sicher, dass er Englisch sprechen kann."

"Wir haben eigene Ärzte des Vertrauens mit dabei. Ich lasse sie rufen, Sir."

Natürlich haben wir das - wie dumm von mir.

"Haben Sie vielen Dank." Ich betätige die Wasserspülung und schmunzle.

Das wäre geschafft. Durchfall hat schon immer gewirkt - er ist die universelle Entschuldigung; niemand kommt dagegen an. Jetzt muss ich bloß noch mit den Ärzten klarkommen. Sollten sie nicht verschwiegen sein, verlange ich einen Schweizer Arzt. Wir Schweizer können Geheimnis! Wir haben das Arztgeheimnis, das Bankgeheimnis, das Appenzeller-Käse Geheimnis - seit Wilhelm Tell bewahren wir Geheimnisse; oder glaubt jemand ernsthaft daran, dass der alte Mann damals tatsächlich den Apfel getroffen hat?

Es klopft - die gehen mir auf den Nerv mit ihrer ewigen Klopferei. "Es ist offen! Kommen Sie herein." Ich liege wieder im Bett.

Zwei Menschen in Anzügen treten ein; offenbar sollen sie nicht sofort als Ärzte erkannt werden - Arztgeheimnis mal etwas anders interpretiert.

"Bevor Sie näherkommen: Wer erfährt von den Untersuchungen hier?"

"Mr. President; niemand erfährt davon, wenn Sie es nicht wünschen. Wir werden das Protokoll nur dem engsten Kreis einreichen."

Genau, wie ich vermutete. Das bedeutet mit anderen Worten: Jeder verdammte Politiker in Washington erfährt davon.

"Kein Protokoll. Das ist eine Anordnung."

Die beiden Männer starren sich an, dann blicken sie fragend zu mir.

"Was ich Ihnen zu sagen habe, darf nicht nach draußen. Wenn Sie nicht in Guantanamo enden wollen, erstellen sie keine Protokolle."

Der war gut. Die beiden ziehen den Kopf ein. Sebastian, du bist wach - los geht's.

"Kein Protokoll, sehr wohl, Sir. Wir hörten von Durchfall? Wie fühlen Sie sich?"

Beschissen, wie denn sonst.

"Mir geht es gut, danke. Der Durchfall war ein Vorwand. Mir geht es psychisch nicht so gut."

Untertreibung des Jahrzehnts!

"Ich wachte heute Morgen auf und dachte, ich wäre jemand anderer."

Was ausnahmsweise der Wahrheit entspricht.

Die beiden Ärzte blicken sich an. Ich habe das Gefühl, einer der beiden nickt dem anderen zu.

"Das ist bestimmt nur der Stress, Mr. President. Wir könnten Ihnen ein Mittel geben, damit Sie sich ausschlafen können. Morgen sieht bestimmt alles wieder besser aus."

Der jüngere Arzt zieht unterdessen eine Flüssigkeit in eine Spritze. Keiner der beiden stellt Fragen - sie gefallen mir.

"Ist das auch sicher?", frage ich beunruhigt.

"Aber ja, Sir, Sie kennen das Mittel doch schon. Sie nehmen es auf allen Reisen zu sich." 

Er setzt die Spritze an meinen Oberarm; ich spüre einen schwachen Piecks, dann drückt der Arzt die Flüssigkeit in meinen Temporärkörper. Hoffentlich wirkt das Mittel auch gegen Fettpolster.

"Schlafen Sie wohl, wir schauen morgen wieder nach Ihnen. Sie werden sehen, es wird alles wieder gut." ✨

Die letzten Worte höre ich nur noch im Dunst. Ich schlafe ein und träume von der süßen, blonden Sandee. Ich frage mich, ob ich sie jemals wiedersehen werde. Andererseits ist das auch egal - Hauptsache, ich erwache morgen in meinem Sebastian Bachofen Luxuskörper wieder - Süße Träume Donald!

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