Ein ganz normaler Morgen

Hallo, ich heiße Faith, bin 13 Jahre alt, kann alles, habe Schuhgröße 37 und Komplexe, weil ich so hässlich bin. Außerdem weiß ich nicht, mit wem ich überhaupt rede.
Als ich an diesem Morgen aufwache und meinen Wecker an die Wand klatsche (was kein Problem ist, da ich in einer Villa lebe und sowieso in Geld schwimme), weiß ich sofort, dass sich heute alles ändern wird. Keine Ahnung, woher ich das weiß.
Ich erhebe mich gähnend von meinem 1,50-Himmelbett mit vergoldeten Vorhängen und begebe mich zu meinem ebenfalls goldenen Kleiderschrank, wobei ich über leere Kaffeebecher, Boyband-Plakate und Zigarettenschachteln stolpere. Es ist überhaupt nicht ungewöhnlich, in meinem Alter zu rauchen und jeder, der was anderes behauptet, ist dumm.
Bei meinem Schrank angekommen, betrachte ich mich erstmal in der verspiegelten Tür.
Ich bin ungewöhnlich groß für mein Alter und habe absolute Modelmaße, sage aber trotzdem ganz gerne, dass ich zu fett bin, weil ich dann viele Komplimente bekomme.
Mein sandblondes Haar fällt mir in perfekten Wellen über die Schultern und ich binde es zu einem genauso perfekten Messy Bun.
Meine Augen sind Hellblau und von langen, dunklen Wimpern umrahmt, die immer so aussehen, als wären sie frisch getuscht.
Alle in meiner Klasse sind neidisch auf meine ebenmäßige, elfenbeinfarbene Haut und meine schneewittchenroten Lippen.
Wie gesagt, ich bin so hässlich, dass ich Komplexe habe.
Mit einem Blick auf meine überteuerte Armbanduhr stelle ich fest, dass ich, wie immer, zu spät bin, da ich gerade eine geschlagene halbe Stunde vor dem Spiegel vergeudet habe.
Seufzend schnappe ich mir meine High-Waisted Jeans-Hotpants, aus der unten immer der Hintern herausquillt und ein weißes, bauchfreies Top mit Riesenausschnitt (keine Ahnung, warum ich in der Schule nicht den besten Ruf habe) und ziehe beides an. Unterwäsche wechseln ist völlig überbewertet.
Dann gehe ich ins Bad und schminke mich dezent, also eine dicke Schicht Makeup, Puder, Highlighter, Rouge, Augenbrauenstift, Lidschatten in vier Farben, Eyeliner, Kajal, Wimperntusche, Lipliner und Lippenstift.
Mit Schrecken stelle ich fest, dass ich vergessen habe zu Kontourieren, schminke mich nochmal ab und wiederhole das Ganze.
Mittlerweile habe ich gerade noch Zeit, meinen auf magische Weise gefüllten Coffee-To-Go-Becher zu schnappen und aus dem Haus zu rennen.
In der Garage setze ich mich in meinen vergoldeten Porsche und drehe den Schlüssel. Meine Eltern sind bei einem Autounfall gestorben, weshalb ich vorzeitig den Führerschein machen durfte, um zur Schule zu fahren. Und nein, es ist nicht so, dass man in einem solchen Fall normalerweise ins Waisenhaus kommt.
Unfallfrei komme ich an der Schule an und fahre mit einer einzigen, geschmeidigen Bewegung in die Parklücke. Vor dem Aussteigen konsumiere ich noch meinen Kaffee, dann wappne ich mich für diesen ach so stressigen Tag.
"Mein Leben ist ja sooo schlecht", denke ich mir, während ich meine Designer-Schultasche schultere und den Porsche abschließe.

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