Was gegangen und was geblieben ist
Wie es dennoch kommen musste wurde es wieder Morgen. Lucy öffnete die Augen und mit einem mal kamen alle Erinnerungen an den gestrigen Tag wieder. Es tat weh. Es tat weh, zu wissen, dass man erneut eine Familie verloren hat. Es tat weh, wieder enttäuscht zu werden. Es tat weh wieder verletzt zu werden und es tat weh, wieder betrogen zu werden. Ein Stöhnen entwich Lucys Lippen. Sie wollte nicht aufstehen, wollte sich nicht aufraffen, wollte nicht wieder zur Gilde, wollte nicht wieder zu den Menschen, die mich verachteten. Lucy wollte nicht, hatte keine Lust und jetzt auch eigentlich keinen Grunde mehr wieder aufzustehen. Dennoch tat sie es, langsam und zögerlich, aber sie tat es; sie setzte sich aufrecht hin und lies ihre Füße den kalten Boden berühren. Mit einem Seufzen drückte sie sich vom Bett ab. "Nützt ja doch nichts...", murmelte sie zu sich selbst. Schleppend begann Lucy ihren Tag mit der üblichen Routine. Kurz unter die Dusche springen, dann anziehen und ab zur Gilde. Schon beim zweiten Schritt stockte sie. Wie man sich sicherlich denken kann, hatte sie sich aus Gewohnheit wieder einen Mini-Rock mit passendem Top angezogen. Nun aber blickte sie mit ihrem alltäglichen Outfit in den Spiegel und ehrlich gesagt war es ibr gar nicht bewusst geworden, wie schwer sie tatsächlich getroffen wurde. Es wurde ihr erst jetzt klar, wo sie die ganzen blauen Flecken auf ihren Oberschenkeln und Armen sah. Jetzt, wo sie die verkrustete Wunde an ihrem Kopf entdeckte. Jetzt, wo sie die Schnitte an ihrem Körper fand. Eine halbe Ewigkeit verging, in der Lucy sich selbst im Spiegel betrachtete. Jedoch sah sie nicht die Lucy von jetzt, von heute. Sie sah Lucy, als sie Natsu begegnete, als sie Fairy Tail beitrat, als sie Teil des stärksten Teams von Fairy Tail wurde, als sie Levy von ihrem Roman erzählte. Sie sah die glückliche Lucy, die tapfere Lucy. Dann verschwamm das Bild und sie sah wieder die Lucy, die sie jetzt war. Die verletzte, kleine und schwache Lucy. Ihre Kraft schwand uns mein Körper und Lucy fing unkontrollierbar an zu zittern. Wie konnte es soweit kommen? Wie konnte aus der fröhlichen, lächelnden Lucy dieses Stück Elend werden? Was ist passiert, dass Leute es geschafft haben sie so zu verletzen? Es tat auf einmal weh zu atmen. Lucys Atemzüge wurden immer kürzer, flacher, bis sie nur noch nach Luft schnappen konnte. Langsam sackte sie zu Boden. Sie saß da, wie ein elender Jammerlappen, die Hand ins Top gekrallt und hysterisch nach Luft schnappend. Lucy konnte nicht sagen wie viele Minuten vergingen, bis sie wieder normal atmen konnte, aber für sie fühlte es sich an wie Jahre. Vorsichtig stand Lucy wieder auf, ihr war etwas schwindelig, aber es war nicht so schlimm, als das es sie aufhalten konnte. Ohne sich noch einmal im Spiegel zu betrachten taumelte Lucy zurück zu ihrem Kleiderschrank. Zum ersten Mal seit langem nahm sie sich ein langärmliges Shirt aus dem Schrank und dazu ein paar lange Jeans, die ihr sogar bis runter an die Knöchel reichten. Vor nicht mal eine paar Tagen hätte sie niemand dazu bringen können, im Sommer lange Sachen anzuziehen und dennoch war sie jetzt gerade dabei sich eine Jeans anzuziehen. Umgezogen blickte ich wieder in den Spiegel. Es war viel angenehmer, nichts von der blauen und roten Haut zu sehen. Nur die Platzwunde war noch zu sehen. So verkrustet sah die echt böse aus. Deshalb ging Lucy ins Badezimmer, um sie sich mit Wasser abzuspülen. Sie zuckte leicht und musste ihre Zähne fest zusammen beißen um nicht zu schreien, als das kalte Wasser die Wunde berührte. Mit Vorsicht, damit es nicht wieder anfing zu bluten, spülte Lucy das verkrustete Blut ab. Als die Wunde gesäubert war, betrachtete sie sich ein letztes Mal im Spiegel. Sie zwang sich ein Lächeln auf das Gesicht. Es munterte sie auf, dass sie doch tatsächlich ganz normal aussah. Auch wenn sie selbst wusste, dass dieses Lächeln gefälscht war, würde jeder andere nur die normale Lucy sehen. Die fröhliche Lucy, die glückliche Lucy, die Lucy, deren Licht noch nicht erloschen ist. Ehrlich gesagt, enttäuschte Lucy das nicht, denn so konnte sie immerhin nach Außen hin noch stark aussehen. Sie nahm sich wieder einen Apfel aus der Schale, die auf dem Küchentisch stand, und ging aus dem Haus. Heute balancierte sie nicht über den Steg, wie jeden anderen Tag. Sie war nicht in der Stimmung dazu. Als die Bootjungs an ihr vorbeifuhren, warfen sie Lucy besorgte Blicke zu. "Alles gut bei ihnen Ms. Lucy?", rief einer der Beiden. Einen kurzen Moment brauchte Lucy, bevor sie sich zusammenreißen konnte. Dann blickt sie zu den Beiden und setzte das beste Lächeln auf, dass sie gerade zu Stande bringen konnte. "Ja, alles super bei mir!", lächelte Lucy ihnen schließlich als Antwort zu. Die zwei Männer musterten Lucy noch einmal misstrauisch, dann fuhren sie mit einem "Na, wenn sie das sagen" davon. Lucy schaute ihnen noch kurz hinterher, bevor sie ihren Weg langsam fortsetzte. Wie sie vermutet hatte fiel niemand anderem auf ihrem Weg auf, dass ihr irgendetwas widerfahren war. Für sie war Lucy immer noch die fröhliche, lächelnde Lucy. Und plötzlich stand sie vor dem Gildentor. Ihr war nicht aufgefallen, dass sie schon so weit gelaufen war. Aber hier stand Lucy nun. Kurz überlegte sie wieder umzudrehen und nach Hause zu gehen, jedoch dachte sie im selben Moment, dass sie damit nur ihre Niederlage eingestehen würde. Noch einen tiefen Atemzug, dann drückte Lucy das große Tor auf.
Lucy duckte sich schon fast aus Reflex, obwohl diesmal gar nichts auf sie zu geflogen kam. Keine Flasche, kein Stuhl. kein gar nichts. Zögerlich lies sie den Blick über die Gilde schweifen, bevor sie eintrat. Die meisten Köpfe waren von ihr abgewandt. Niemand nahm ihre Präsenz wirklich wahr. Vielleicht war das für Lucy auch besser so, dennoch löste es irgendwo tief ihrem Herzen einen Schmerz aus, der so an ihr zerrte, dass ihre Knie fast unter ihrem Gewicht nachgaben. Lucys Körper wollte wieder anfangen zu zittern. Aber bei Gott, das würde sie nicht zulassen. Sie wollte ihnen nicht auch noch den Gefallen tun sie so verletzt zu sehen. Um sich vom zittern abzuhalten krallte Lucy ihre Fingernägel fest in ihre Oberarme, vielleicht zu fest, aber im Moment konnte sie den Schmerz nicht fühlen. In ihr ging erneut ein Kampf los. Sie musste sich rumringen um nicht auf der Stelle umzudrehen und aus der Tür zu stürmen. Wollt ihr wissen, was das Einzige war, was Lucy davon abhielt? Dieses eine lächelnde Gesicht in der hintersten Ecke der Gilde. Klein, unauffällig und dennoch nicht zu übesehen. Das lächelnde Gesicht gehörte einer jungen Dragon-Slayerin und Gott, wie dankbar Lucy war dieses Gesicht jetzt zu sehen. Ohne weitere Gedanken ging sie mit schnellen Schritten auf Wendy zu. Die Flasche, die von hinten auf Lucy zu kam, bemerkte sie nicht. Sie traf Lucy am Kopf, allerdings nicht so schlimm wie gestern. Es bildete sich keine neue Wunde und Lucy fing nicht wieder an zu bluten. Die Flasche fiel dennoch zu Boden und zersprang in viele kleine Teile. Der Wurf war irgendwie schwach. Lucy schüttelte den Kopf und ging zu dem Tisch, an dem Wendy saß, während sie hinter ihrem Rücken eine betrunkene Cana lachen hörte. "Du I-di-ot-!", lallte Cana, während ein paar andere Gildenmitglieder leise kicherten und gackerten. "Was war das denn? Alles gut Lucy?", begrüßte Wendy die ältere Magierin mit besorgten Blick. Letztere seufzte kurz, schüttelte leicht den Kopf und antwortete mit einem Lächeln: "Du weißt doch wie Cana ist, wenn sie betrunken ist. Natürlich ist alles gut." "Wie geht es dir denn? Du warst gestern gar nicht mehr hier". Lucy sah Wendy mit neugierigen Augen an. Die kleinere Magierin zwang sich ein nervöses Lächeln auf und man konnte förmlich sehen, wie sich die Schweißtropfen auf ihrer Stirn bildeten. "Ich glaube ich habe gestern ein Glas zu viel von etwas getrunken, dass garantiert kein Saft war", sagte sie mit immernoch demselben aufgezwungenen, nervösem Lächeln. Lucy konnte nicht anders als leise zu lachen. Kaum hatte sie jedoch ihren Mund jedoch geöffnet, hallte es zischend vom anderen Ende der Gildenhalle: "Klappe Schwächling..!" Sofort schnappte ihr wieder Mund zu. Wendy guckte erst Lucy an, dann die Richtung aus der der Kommentar kam. "Lass Lucy lachen! Ich finde sie hat eines der schönsten Lächeln der Welt!", rief sie in genau die Richtung. Ein kurzes "Jaja, was auch immer" kam zurück. "Was ist denn heute mit allen los? Die benehmen sich schon den ganzen Tag sp seltsam", murmelte Wendy. Mehr zu sich seber, als zu Lucy, weshalb Letztere beschloss keine Antwort zu geben. Stattdessen guckte Lucy sie kurz an und flüsterte dann: "Danke, das ist süß von dir". Wendy lächelte Lucy nur an und rutschte ein Stück auf der Bank, sodass Lucy sich neben sie setzen konnte. "Sag mal, wo ist eigentlich Carla? Und wo sind die Anderen? Also Juvia, Lisanna, Erza und so?". Bevor Lucy eine Antwort bekam, sprang das Gildentor auf und Lisanna kam mit Carla hereingetrapt. Von links und rechts kamen Begrüßungen auf Lisanna zugeflogen und Lucy konnte nicht anders, als bemittleidenswert schwach darüber zu lachen. Das fing ihr einen überraschten Blick von Wendy ein, aber das kümmerte sie nicht weiter. Als Lisanna die zwei Magierinnen sah, kam sie direkt rüber gerannt. Sie sprang Lucy förmlich in die Armw und gab ihr eine Umarmung. Lucy drückte sie fest und vergrub ihr Gesicht in Lisannas Nacken. Die Umarmung war genau das, was Lucy gerade brauchte und für das was sie damit kompensieren wollte, war die Umarmung viel zu schnell wieder vorbei. Lisanna lehnte sich kurz über Lucy, um Wendy auch einen kurzen Drücker zu geben, den die Kleine keinesfalls ablehnte. Dann setzte sie sich gegenüber von Wendy und Lucy. Carla machte es sich auf Wendys Schoß bequem und beobachtete alles mit ihrem strengen Blick. Wie immer. "Gott Lu, es ist Sommer! Zieh dich aus!", unterbrach Lisanna die Stille. Wendy sah so aus, als würde sie gleich anfangen zu kochen, sah Lucy dann aber an und realisierte was Lisanna eigentlich meinte. Lucy öffnete ihren Mund, um eine passende Antwort zu finden, schloss ihn dann aber auch gleich wieder. Jedenfalls bis ihr etwas in Lisannas Worten auffiel. "Lu?", fragte Lucy skeptisch, während sie ihren Kopf neugierig zur Seite legte. Somit konnte sie wenigstens gekonnt vom Thema ablenken. Lucy war gar nicht aufgefallen wann, aber an irgendeinem Punkt ist ihr ganzer Stress und ihre Anspannung wohl von ihr gewaschen worden, denn sie fühlte sich jetzt viel leichter, viel freier, als heute Morgen. "Naja, ich meine Levy nennt dich ja auch Lu-chan und Natsu nennt dich Luce, da dachte ich - dachte ich, ich könte auch...", versuchte Lisanna zu erklären. Wendy schmunzelte und Lucy lachte leise. "Keine Panik, ich freu mich, dass du dir einen Spitznamen für mich ausgedacht hast", sagte sie mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Lisanna grinste zurück.
Wendy, Lisanna, Carla und Lucy verbrachten noch viel Zeit in der Gilde und redeten. Wobei Carla wohl eher eine passivere Rolle spielte. Keiner von uns bemerkte, dass die Sonne schon unterging und den Himmel in ein sanftes Rot-Orange tauchte, und auch als die Sterne schon hoch am Himmel standen redeten die Magierinnen noch weiter. Fast ganz zuletzt, naja, noch vor Mira und dem Master, verließen sie die Gilde. Die Arme eingehakt und laut lachend trotteten die Mädchen durch die Gossen der Stadt. Wendy und Carla waren die Ersten, die sich von der kleinen Gruppe trennten, da das Fairy Tail Mädchen Wohnheim eben nah an der Gilde lag. Lisanna und Lucy liefen noch ein bisschen weiter, Arm in Arm. Aber auch Lisannas Haus hatten wir bald erreicht und Lucy verabschiedete sie mit einer festen Umarmung, die Lisanna genauso erwiederte. "Bis Morgen!", sagte die weißhaarige Magierin noch, während sie mit einer winkenden Hand schon halb im Haus stand. Lucy winkte zurück und machte sich dann alleine auf den Weg zu ihrem Haus. Erst lachte sie noch, dann wurde aus dem Lachen ein leises Kichern und schließlich nur noch ein stilles Grinsen. Lucy atmete einmal tief ein, hörte aber nicht auf einen Fuß vor den Anderen zu setzen. Dann seufzte sie und richtete ihren Blick zum Himmel. Langsam blieb sie stehen. "Wie schön zu sehen, dass ich doch nicht alles verloren habe", murmelte Luvy, teils zu sich selbst, teils zu den Sternen. Sie senkte ihren Blick wieder und grinste in sich hinein. Dann setzte sie ihren Weg fort, weiterhin still grinsend.
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