Von Rasenmähern und Entführungen

Während wir die Doku gucken, sind die Mitties still. Sogar Thranduil hat das Buch weggelegt. Aber vielleicht will er auch einfach nicht, dass Käse auf die Seiten tropft, womit er auch recht hat, denn wäre das passiert, hätte ich ihm jedes seiner perfekten Haare einzeln ausgerissen. 

Nat wuselt zwischendurch immer mal wieder in die Küche, um die neue Ladung Spätzle aus dem Ofen zu holen. 

Am Ende sind alle unsere großen Schüsseln benutzt, die Küche sieht teilweise aus wie ein Schlachtfeld und alle Spätzlepackungen sind leer. „Das waren mindestens zehn Kilo",bemerkt Charly beeindruckt. „Da wird sogar Louis neidisch." Louis ist Charlys dreijähriger Cousin, der von uns offiziell den Titel 'Rasenmäher' bekommen hat, weil er einfach alles isst und das fast so schnell wie ein Rasenmäher.  

Aber die Mitties schenken dem keine Aufmerksamkeit, sondern starren nur verstört auf den Fernseher. „Alles in Ordnung?",fragt Nat mitfühlend, obwohl es irgendwie klar ist, dass bei den Mitties nicht alles in Ordnung ist. „Das ist barbarisch",haucht Legolas. Gut, die Doku hat ihn (und die anderen wahrscheinlich auch) traumatisiert. „Ja, ist es",bestätigt Nat. „Kein Wunder, dass Deutschland keine Atombomben haben darf",meint Fili. „Aua",empöre ich mich. „Das ist hart." „Nicht alle Diktatoren kommen aus Deutschland!",verteidigt Nat den Ruf unserer Heimat. 

„Warum geht ihr mit dem Thema so locker um?",will Bilbo wissen. „Wir gehen damit nicht lockerer um als alle anderen",erklärt Charly. „Man gewöhnt sich irgendwann daran. Keine Frage, es ist grausam, aber wir können nicht ändern, was war, also akzeptieren wir es und leben damit, dass es passiert ist. Aber was wir können, ist dafür sorgen, dass das nicht noch einmal passiert." 

„Das hast du schön gesagt, Charles",sage ich und klopfe ihr auf die Schulter. Sie grinst und wirft ihre Haare zurück. „Ich kanns halt." 

„Ihr nehmt gar nichts ernst, oder?",meint Thranduil, ganz in seiner Rolle als alter Vaterelb. „Wenn wir erwachsen sind, haben wir genug Zeit um die Dinge ernstzunehmen. Außerdem ist das Leben zu kurz, um sich schwarze Gedanken zu machen." „Jetzt haust du das epische Zeug raus, Aria",sagt Charly und ich grinse. „Du färbst halt ab." „Nur Billigzeug färbt ab",kommentiert Nat aus der Küche, wo sie die Spülmaschine einräumt. „Ich hab dich auch lieb",erwidert Charly. 

„Haltet mal die Fresse!",befehle ich liebevoll und sofort sind meine Freundinnen still. „Also, ich hab 'n Vorschlag: Zur Traumabewältigung zeigt ihr uns jetzt, was ihr so gekauft habt. Und dann sollten wir uns vielleicht mal dem Kofferpacken widmen. So viele wie wir sind, kann das ewig dauern." „Koffer packen?",fragt Gandalf verwirrt. „Wir fahren in den Urlaub",erinnert Charly ihn. „Glaubst du, wir nehmen da nur die Sachen mit, die wir anhaben? Wir müssen schon ein bisschen Gepäck mitnehmen." 

„Jetzt kommt, zeigt uns die Sachen!",dränge ich, ohne Gandis Frage zu beachten (voll pädagogisch wertvoll, ich weiß). „Ich will sehen, was ihr so gekauft habt." Charly verdreht die Augen. „Du bist manchmal echt ziemlich zurückgeblieben." Zum Dank gewähre ich Charly einen Blick auf mein wertvollstes Stück, meinen Mittelfinger. „Also, auf geht's!",kommandiere ich und schnappe mir die Tüten, die wir formschön auf den Boden neben der Wohnzimmertür drapiert haben. 

Ich lasse mich wieder auf die Couch fallen und ziehe das erste Teil aus der ersten Tüte. Ein grauer Pulli. „Wer hat sich sowas langweiliges rausgesucht?",frage ich und halte den Pullover hoch. „Wer im Glashaus sitzt",kommentiert Charly streng, ganz Muddihaft. „Sollte besser eine Toilette im Keller haben",vervollständigt Nat und lässt sich neben mich fallen. „Und ich wette, Gandalf hat sich das rausgesucht." 

„Stimmt das, Gandalf?",frage ich, dramatisch wie der Quizmaster in einer Quizsshow. Gandalf nickt, ein bisschen verschreckt von meinem dramatischen Ton. Ich schüttele theatralisch den Kopf und werfe Gandalf das Shirt zu, dass dieser verwirrt fängt. „Mein innerer Modedesigner bricht gerade unter Höllenqualen zusammen!",verkünde ich ebenso theatralisch. „Du hast keinen inneren Modedesigner",meint Nat. „Deswegen wirst du Cinna auch nie heiraten, weil der Heulkrämpfe kriegen würde, wenn der deine Klamotten sehen würde." 

Die Mitties sehen uns verwirrt an. „Das ist nicht wichtig, vergesst einfach, was wir gesagt haben." Damit ziehe ich das nächste Teil aus der Tasche. 

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Jeder Mittie hat einen Stapel Klamotten vor sich liegen, als ich beginne, die letzte Tüte, die von DM auszuräumen. „Guckt mal",sage ich, dreckig grinsend, während ich die regenbogenfarbenen Strähnen aus der Tüte hole und hochhebe. „Was hast du damit vor?",fragt Charly alarmiert. Ich grinse noch dreckiger. „Das wirst du sehen." „Sprach der Blinde",vervollständigt Nat. 

„Jetzt komm, es ist gleich drei. Wir müssen noch Koffer packen",erinnert Charly uns. „Na gut",erwidere ich und lasse die Strähnen wieder in die Tüte fallen. „Aber ich muss gucken, wie viele Koffer wir überhaupt noch haben." „Leggy, helf Aria mal die Koffer zu suchen!",fordert Charly den Elben auf und mein Kopf schnellt herum. Ich bring Charly um. Aber irgendwie freue ich mich wieder darauf, mit Legolas alleine zu sein. Verdammt, ich sollte meine Gedanken in den Griff kriegen. 

„Komm",fordere ich den Elben auf und er folgt mir ins Büro meines Vaters, wo hoffentlich noch ein paar Koffer stehen. Leider werde ich enttäuscht, denn bis auf den kleinen pinken Kinderkoffer, sind alle anderen verschwunden. „Ganz toll",murmele ich genervt. „Leggy, Abteilung zurück, hier finden wir nichts!" Der Elb sieht mich kurz an, dann schüttelt er den Kopf und geht wieder aus dem Zimmer heraus. 

„Nat, Charly, ganz schlechte Neuigkeiten!",verkünde ich, als ich zurück ins Wohnzimmer marschiere. „Meine Familie war so nett und hat alle unsere Koffer nach Italien entführt." „Na ganz toll",stöhnt Charly. „Und was machen wir jetzt?" „Abwarten und Tee trinken?",schlage ich hilfsbereit vor, was Charly mit einem Augenrollen quittiert. „Koffer suchen gehen?",kommt ein etwas sinnvollerer Vorschlag von Nat. „Nope, alle Koffer, die wir haben, stehen entweder im Büro oder bei Fiona. Aber ich glaub Fiona hat auch alle ihre Koffer mit zu Nico genommen." 

Nico, Fionas Freund, lebt in Holland und seit die beiden sich bei unserem Urlaub dort kennengelernt haben, führen sie eine Fernbeziehung. Und in fast jeden Ferien kommt Nico entweder zu uns oder Fiona fährt zu ihm. 

„Aber was ist mit..." Aber weiter kommt Nat nicht, denn plötzlich springe ich wie von der Tarantel gestochen auf und schlage mir die Hand auf die Stirn. Warum ist mir das nicht schon früher eingefallen? Ohne Charly, Nat und die Mitties zu beachten, stürme ich die Treppe nach oben in unser Gästezimmer. 

Dort haben sich Kili und Fili schon häuslich eingerichtet, aber zum Glück haben sie die Finger von den Skiern und den ganzen anderen Sportgeräten meines Vaters gelassen. Aber ich bin nicht wegen der Sportgeräte hier, sondern wegen der Taschen. Also reiße ich eine Schranktür nach der anderen auf. Dabei finde ich alles, aber nicht das, was ich suche. Erst als ich die letzte Tür aufreiße, kommt mir ein Stapel Sporttaschen entgegen. „Na endlich",seufze ich und schnappe mir ein paar Taschen, mit denen ich die Treppe wieder hinunter und ins Wohnzimmer stürme. 

„Ich hab sie gefunden!",verkünde ich und lasse die Taschen auf den Boden fallen. „Sporttaschen?",fragt Charly ungläubig. Also manchmal ist sie echt schwer von Begriff. "Ja Sporttaschen",bestätige ich. „Die könnte groß genug sein, dass da alle Klamotten reinpassen." „Oh... klar, macht Sinn." „Aber sind das auch genug Taschen?" „Wir könnten eine ganze Kompanie mit Sporttaschen versorgen, also japp, die reichen." „Dann hol sie doch mal alle runter",schlägt Nat liebenswürdig vor. „Zu Befehl mein General!" Ich salutiere zackig und hechte wieder nach oben ins Gästezimmer. 

Wieder komme ich komplett beladen mit Taschen zurück ins Wohnzimmer. „Das sind echt viele",staunt Legolas beeindruckt. „Ja, ich weiß",meine ich schulterzuckend. „Es könnte sein, dass die Taschen 'n bissele kaputt sind oder dass die Reißverschlüsse nicht mehr funktionieren. Meine Mutter behält die kaputten Taschen immer, um daraus noch was zu nähen. Ihr seht ja, wie gut das klappt." 

„Hat irgendjemand besondere Farbwünsche?",fragt Charly in die Runde, aber die Mitties schütteln die Köpfe. Außer Thranduil, der sich (mal wieder) Harry Potter geschnappt hat und ganz vertieft in seine Lektüre ist. Also so langsam sollte er doch mal mit dem Buch durch sein, so viel wie der ließt. 

„Thrandy, Buch weg und zuhören!",kommandiere ich, woraufhin Thranduil hochschreckt und mich unverwandt ansieht. „Buch her!",wiederhole ich und seufzend gibt mir der Elbenkönig das Buch. „Also, dann nehmt euch einfach irgendeine Tasche und packt die Klamotten da rein. Nur die Schlafanzüge und die Klamotten für morgen müsst ihr draußen lassen." Sofort springen Kili und Fili auf und schnappen sich jeweils eine Tasche. 

„Der Rest auch, nicht so schüchtern!",fordert Nat die Mitties auf. Zögernd nehmen sich auch die anderen nach und nach eine Tasche. „Meine Fresse",murmele ich genervt. „Die tun ja so als ob die Taschen beißen würden!" „Tja, das ist die Gefahr des Neuen",grinst Charly. Ich verdrehe die Augen. „Das Nutella haben sie auch ohne Fragen gegessen!" 

„Packt eure Sachen da einfach rein, die Taschen tun euch nichts",erklärt Nat sachlich und ganz pädagogisch wertvoll. „Japp",stimme ich ihr zu. „Ich hab sie heute Morgen ganz ordnungsgemäß gefüttert." Thorin und Bilbo sehen ihre Taschen verunsichert (Bilbo) und misstrauisch (Thorin) an. „Das war ein Witz!",seufze ich und schnappe mir ebenfalls eine der Taschen. „Die sind noch nicht mal lebendig, okay? Die sind aus Stohoff!" 

Zögernd packen die Mitties ihre Klamotten in die Taschen, gehen dabei aber so vorsichtig vor, als könnten die Sporttaschen wirklich beißen. „Ich brauch 'nen Drink",seufze ich und lehne mich nach hinten. „Martini, geschüttelt nicht gerührt?",schlägt Nat hilfsbereit vor. „Heißt es nicht gerührt nicht geschützelt?",mischt sich Charly ein, aber Nat schüttelt energisch den Kopf. „Zuerst geschüttelt, dann gerührt!" „Es heißt gerüttelt nicht geschürt",unterbreche ich die beiden, bevor sie weiterdiskutieren können. „James Bond müssen wir auch noch gucken, gell." 

Bevor meine Freundinnen antworten können, egal ob es für oder gegen James Bond spricht, meldet sich Legolas. „Was sollen wir machen, wenn wir fertig sind?" Ich finde es so lustig, dass Legolas die gleiche Frage stellt, die eigentlich jeder in der Schule schonmal gestellt hat (oder ich habe einfach ein falsches Weltbild, weil ich immer als erste fertig bin), dass ich unkontrolliert anfange zu kichern. „Beachte sie nicht weiter",sagt Charly freundlich zu Legolas, der mich halb besorgt, halb verstört mustert. 

Sie sieht auf die Uhr. „Es ist viertel nach drei, wir haben also noch viel zu viel Zeit." „Irgendwelche Ideen, was wir machen könnten?",seufzt Nat und sieht in die Runde. Mittlerweile habe ich mich wieder beruhigt und schüttele pflichtbewusst den Kopf. „Müssen wir noch irgendwas vorbereiten?",fragt Charly und ich schüttele wieder den Kopf. „Ihr habt eure Sachen, ich hab meine Sachen, die Mitties haben ihre Sachen, mehr brauchen wir nicht."

„Können wir noch einen Film gucken?",fragt Fili. „Oh ja!",stimmt Kili seinem Bruder zu. „Können wir Fluch der Karibik weitergucken?" 

Fragend sehe ich meine Freundinnen an. „Irgendwelche Einwände? Mal abgesehen davon, dass die letzten beiden Filme einfach nur scheiße sind?" „Du hast doch keine Ahnung!", verteidigt Nat ihre Lieblingsteile, aber ich verdrehe nur die Augen. In Sachen Filmgeschmack muss Nat wirklich noch an sich arbeiten. „Also wenn keine Einwände erhoben werden, können wir Fluch der Karibik gucken." 

„Bekomme ich mein Buch zurück?",bittet Thranduil genervt. Der Oberelb hat anscheinend gar keinen Bock auf den Film. Freundlich, wie ich von Natur aus bin, gebe ich ihm seine geliebte Lektüre zurück. Einen beginnenden Bücherwurm muss man unterstützen, wo es nur geht. 

Mit einem ungesund klingenden Stöhnen, hievt Charly sich von der Couch und schiebt die DVD in den DVD-Player. „Let's go!",verkünde ich und schalte den Fernseher an. 

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