KAPITEL 5
Drei Tage nach dem Tag, an dem mir Sanemi den Namen „Kazehiro" verpasst hatte, konnte ich mich auf einmal nicht mehr daran erinnern. Es war, als hätte der Name einen schleichenden Rückzug angetreten und wäre in den Tiefen meines Gedächtnisses verschwunden, ohne eine Spur zu hinterlassen. Und wenn ich ehrlich bin, war das nicht unbedingt die größte Überraschung in meinem chaotischen Leben.
Es begann an einem Morgen, als ich mich in der Küche über dem Frühstück beugte und versuchte, mich an die Zubereitung eines bestimmten Rezepts zu erinnern. Sanemi trat ein, wie gewohnt mit dem Gesichtsausdruck eines Mannes, der nicht gerade voller Freude darüber war, das erste Licht des Tages zu sehen.
„Guten Morgen, Kazehiro", sagte er sarkastisch und setzte sich an den Tisch. „Wie läuft das Frühstück?"
Ich starrte ihn an und blinzelte. „Kazehiro? Was ist das für ein Name?"
Sanemi erstarrte und starrte mich an, als hätte ich ihm gerade eine Schale Hundefutter serviert. „Was?", fragte er schockiert. „Hast du gerade gesagt, was für ein Name?"
„Ja", antwortete ich, während ich den Löffel in die Suppe tauchte. „Ich glaube, ich erinnere mich nicht mehr an diesen Namen. Was war das noch mal?"
„Das ist nicht dein Ernst", knurrte er, seine Augen weit aufgerissen. „Du erinnerst dich nicht mehr an den Namen, den ich dir gegeben habe?"
„Ähm, es tut mir leid", sagte ich entschuldigend und versuchte, meine Verwirrung zu verbergen. „Ich habe wirklich versucht, mich daran zu erinnern, aber... es ist einfach weg."
„Das ist unglaublich", murmelte Sanemi, während er sich an den Tisch setzte und seine Stirn in Falten legte. „Ich habe dir diesen Namen gegeben, damit wir uns nicht ständig ankeifen, und jetzt... jetzt hast du ihn einfach vergessen."
„Na ja", sagte ich und zuckte mit den Schultern. „Es scheint, als ob mein Gedächtnis einen eigenen Kopf hat. Vielleicht wird er bald wieder auftauchen."
„Das ist nicht witzig", erwiderte Sanemi ungeduldig. „Wie soll ich dich jetzt nennen, wenn du dich nicht an deinen Namen erinnerst?"
„Komm schon", versuchte ich zu scherzen, „vielleicht kannst du mir einfach einen neuen Namen geben. Schließlich habe ich schon ein paar Tage mit dem alten verbracht und ihn vergessen. Wie wäre es mit etwas Kreativem?"
Sanemi sah mich an, als ob ich ihn mit einem weiteren dieser albernen Vorschläge herausfordern wollte. „Wenn du dir schon keinen Namen merken kannst, dann bleib einfach bei ‚Du'. Das ist simpel und funktioniert für mich."
„Das ist sehr großzügig von dir", sagte ich trocken. „Aber vielleicht könntest du mir wenigstens versuchen, meinen Namen wieder in Erinnerung zu rufen."
„Ich habe es schon versucht", erwiderte Sanemi. „Das habe ich in den letzten Tagen herausgefunden. Aber anscheinend ist es wie ein nasser Fisch, den du nicht fangen kannst. Der Name scheint wie aus einem schlechten Traum verschwunden zu sein."
„Tja, da bin ich also", sagte ich mit einem schiefen Grinsen. „Zurück bei ‚Hey, du' und ‚Miststück'."
„Komm nicht auf dumme Gedanken", sagte Sanemi und schüttelte den Kopf. „Aber es scheint, als ob ich tatsächlich keinen besseren Namen für dich habe, wenn du dich nicht an deinen eigenen erinnern kannst."
„Das klingt fast so, als ob du dich daran gewöhnt hast, mich so zu nennen", sagte ich grinsend und stellte die Suppe auf den Tisch.
Sanemi schnaubte. „Wahrscheinlich habe ich das auch. Und wahrscheinlich werde ich dich nicht nur wegen deines Namens weiter ärgern. Du hast immer noch keine Ahnung, wie man eine vernünftige Mahlzeit zubereitet."
„Danke für das Kompliment", sagte ich und setzte mich ihm gegenüber. „Ich werde mein Bestes geben, damit es nicht noch schlimmer wird."
„Ich erwarte nichts anderes", erwiderte Sanemi und begann, seine Portion Suppe zu essen. „Aber trotzdem, du solltest es wirklich versuchen, dich an den Namen zu erinnern. Es wäre praktisch, ihn in dieser verrückten Situation nicht ständig vergessen zu müssen."
„Ich werde es versuchen", sagte ich und nahm einen Schluck von meiner eigenen Suppe. „Aber ich kann dir nichts versprechen. Mein Gedächtnis hat anscheinend seine eigenen Pläne."
Sanemi schüttelte nur den Kopf und schien resigniert. „Na gut. Dann behalten wir es eben dabei. Vielleicht werde ich irgendwann so frustriert sein, dass ich dir einfach einen neuen Namen gebe, bis du dich an einen davon erinnern kannst."
„Das klingt nach einem Plan", sagte ich lachend und nahm noch einen Bissen. „Vielleicht wird mir der nächste Name besser in Erinnerung bleiben. Wer weiß?"
Sanemi brummte zustimmend und schien zumindest einen Hauch von Entspannung zu zeigen, während wir unser Frühstück beendeten. Die Situation war immer noch verrückt, aber irgendwie schien das Chaos, das wir gemeinsam durchlebten, uns zumindest ein kleines Stück näherzubringen – selbst wenn ich immer noch keinen Namen behalten konnte und Sanemi mich immer noch mit seiner schroffen Art ertragen musste.
„Auf jeden Fall", sagte ich schließlich, „könnte es schlimmer sein. Immerhin habe ich jetzt einen Namen, auch wenn ich mich nicht daran erinnere. Und wenn nicht, dann ist es eben wieder ‚Hey, du'."
Sanemi schnaubte und ließ sich in seinen Stuhl zurückfallen. „Ja, ja. Du wirst mir schon noch auf die Nerven gehen, egal, wie du heißt."
„Das habe ich bereits gemerkt", sagte ich mit einem Lächeln und konnte nicht anders, als mich darüber zu amüsieren, wie wir uns trotz aller Widrigkeiten immer noch gegenseitig in den Wahnsinn trieben.
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