KAPITEL 4

Die ersten Tage bei Sanemi waren ein ständiger Kampf gegen die Langeweile und die Eigenheiten meines unfreiwilligen Hausherren. Während ich versuchte, mich in diesem seltsamen Arrangement zurechtzufinden, entwickelte sich eine merkwürdige Routine zwischen uns. Er war derjenige, der mir unmissverständlich klar machte, dass ich mich nützlich machen sollte, und ich versuchte mein Bestes, um seine Erwartungen zu erfüllen, ohne dabei den letzten Rest meines Verstandes zu verlieren.

Eines Morgens, als ich gerade versuchte, das Frühstück zuzubereiten (mit mäßigem Erfolg), kam Sanemi in die Küche, seine Gesichtszüge wie gewohnt in eine unnachgiebige Maske aus Wut und Ungeduld gehüllt. „Du bist spät dran", bemerkte er, während er sich auf einem Stuhl niederließ. „Was macht das Frühstück?"

„Es dauert, wie immer", antwortete ich, während ich das Feuer unter dem Topf einstellte. „Es scheint, als ob ich nicht gerade als Wunderkind in der Küche bekannt bin."

Sanemi ließ ein unzufriedenes Knurren hören. „Das merke ich schon. Und warum dauert es so lange?"

„Vielleicht, weil ich nicht den ganzen Tag Zeit habe, um die Küchenutensilien zu bewundern", erwiderte ich und drehte mich zu ihm um. „Außerdem habe ich noch nie behauptet, dass ich eine Meisterköchin bin. Aber wenn du mir helfen möchtest, wäre ich froh darüber."

Sanemi rollte mit den Augen, als ob er die Vorstellung, mir beim Kochen zu helfen, völlig absurd fand. „Helfen ist nicht mein Stil. Aber das hast du wahrscheinlich schon bemerkt."

Ich schnaubte und wischte mir eine Schweißperle von der Stirn. „Ja, und es ist auch sehr nett von dir, mir das jeden Tag aufs Neue zu zeigen."

„Nun, dann mach deinen Job ordentlich", sagte er schroff, „denn ich habe keine Lust, in einem Saustall zu leben."

„Ja, ja, ich werde schon sehen, was ich tun kann", murmelte ich, während ich weiter in der Küche werkelte.

Die Gespräche zwischen uns verliefen selten freundlich, und es war klar, dass Sanemi mich so oft wie möglich auf die Probe stellte. Doch eine Sache fiel mir besonders auf: Er schien eine seltsame Besessenheit dafür zu haben, mich nicht beim Namen nennen zu können. Die ständige Verwendung von „Du" oder „Miststück" zeigte mir deutlich, dass er sich der Tatsache bewusst war, dass ich keinen Namen hatte. Diese Unannehmlichkeit schien ihn zu reizen, was ich nicht gerade zu seinem Vorteil fand.

Eines Abends, als wir gemeinsam in der Küche saßen und ich versuchte, eine halbwegs essbare Suppe zu zaubern, bemerkte ich, dass Sanemi eine seltsame Unruhe in seinem Gesicht hatte.

„Was ist los?", fragte ich, während ich den Löffel in die Suppe tauchte und ihn neugierig ansah.

„Nichts", knurrte er, obwohl seine Miene verriet, dass doch etwas auf dem Herzen lag. „Es geht dich nichts an."

„Klar", sagte ich skeptisch, „du bist ja auch nie jemand, der seine Gefühle offenbart."

Er warf mir einen scharfen Blick zu, doch anstatt weiter zu streiten, schien er sich eine Weile in Gedanken zu verlieren. Schließlich seufzte er und griff nach einem Stück Papier auf dem Tisch. „Weißt du was?", begann er, und ich spürte den Hauch von Entschlossenheit in seiner Stimme. „Ich werde dir jetzt einen Namen geben. Kazehiro. Das klingt akzeptabel, oder?"

Ich starrte ihn ungläubig an. „Kazehiro? Das ist dein Vorschlag?"

„Ja, Kazehiro", wiederholte er, während er mir einen unnachgiebigen Blick zuwarf. „Das ist besser als ‚Hey, du', und es passt. Ab jetzt wirst du diesen Namen benutzen, und ich werde nicht darüber diskutieren."

„Und woher kommst du auf diesen Namen?", fragte ich, obwohl ich den Namen schon beinahe hätte annehmen wollen, nur um ihn zu ärgern.

„Das ist eine lange Geschichte", murmelte er, „aber ich bin mir sicher, dass es dir egal ist. Nimm den Namen einfach an."

„Okay, Kazehiro", sagte ich schmunzelnd und zog eine Augenbraue hoch. „Du wirst also wirklich nicht locker lassen, bis du mir diesen Namen aufdrängst."

„Das ist kein Aufdrängen, sondern eine Notwendigkeit", sagte er mit einem resignierten Seufzer. „Ich will einfach nicht mehr dieses ständige ‚Hey, du' hören."

„Gut, dann bin ich also Kazehiro", wiederholte ich und grinste. „Vielleicht wird das ein bisschen mehr Normalität in diese verrückte Situation bringen."

Sanemi schien ein kleines bisschen erleichtert, obwohl sein Gesichtsausdruck immer noch einen Hauch von Genervtheit verriet. „Das ist gut. Dann müssen wir uns nicht mehr über den Namen streiten. Und jetzt, wo das geklärt ist, lass uns diese Suppe essen. Ich habe keinen ganzen Tag Zeit, um deine Kochkünste zu bewundern."

„Ach, du machst es mir wirklich leicht, mich zu integrieren", sagte ich und setzte den Löffel ab. „Ich freue mich schon auf den nächsten Teil deiner charmanten Persönlichkeit."

Sanemi verdrehte die Augen und stand auf. „Hör auf zu reden und iss, bevor ich noch wütender werde. Und denk daran, wenn du weiter so viel Reden machst, könnte es passieren, dass ich die nächste Mahlzeit einfach selbst zubereite."

„Verstanden", antwortete ich und begann zu essen, während ich ihn beobachtete, wie er sich in den Stuhl zurücklehnte und sein eigenes Essen begann. Trotz aller Spannung und Streitigkeiten war es irgendwie beruhigend, dass wir diese kleine Routine gefunden hatten – selbst wenn sie von Sanemis unerbittlichem Drang geprägt war, mir den Namen Kazehiro aufzuzwingen.

„Weißt du", sagte ich schließlich, „vielleicht kann ich mich tatsächlich an diesen Namen gewöhnen. Schließlich ist es besser als gar kein Name."

Sanemi schnaubte und nickte. „Ja, das ist der Plan. Und jetzt iss, bevor ich wieder auf die Idee komme, dir irgendwelche Aufgaben aufzudrücken."

„Ja, Chef", erwiderte ich lächelnd und tauchte den Löffel erneut in die Suppe. Während wir in einem ungewohnten Frieden aßen, konnte ich nicht umhin zu denken, dass vielleicht – nur vielleicht – wir uns irgendwann in dieser seltsamen, unfreiwilligen Partnerschaft besser verstehen würden. Bis dahin war es zumindest ein Anfang, den Namen Kazehiro anzunehmen und mich der Realität zu stellen, dass ich wohl noch eine Weile bei Sanemi bleiben würde.

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