Kapitel 16

Die Tage vergingen und mit jedem neuen Morgen wuchs in mir die Gewissheit, dass das, was ich für Sanemi empfand, mehr war als nur Freundschaft. Es war nicht mehr bloß das Gefühl der Dankbarkeit, das ich ihm gegenüber verspürte, weil er mich damals gerettet und in seinem Haus aufgenommen hatte. Nein, es war tiefer, intensiver – ein warmes, kribbelndes Gefühl, das meinen Magen jedes Mal in Aufruhr brachte, wenn er in meiner Nähe war. Es war Liebe. Da war ich mir sicher.

Ich konnte nicht mehr ignorieren, was in meinem Herzen vorging. Diese Nächte, in denen ich stundenlang wach lag und an ihn dachte, seine sanften Momente, die mich mehr berührten, als ich zugeben wollte... All das führte zu einem unausweichlichen Entschluss: Ich musste es ihm sagen. Egal, was passieren würde, ich musste ihm meine Gefühle gestehen.

Es war an einem sonnigen Nachmittag, als ich beschloss, dass der Moment gekommen war. Sanemi war draußen im Garten und beschäftigte sich mit den Pflanzen, was für ihn eine seltene, aber beruhigende Tätigkeit war. Ich beobachtete ihn eine Weile aus dem Fenster, wie er sich in der Sonne bewegte, das Licht seine Gesichtszüge sanft umspielte, und mein Herz klopfte schneller. Jetzt oder nie, sagte ich mir und atmete tief durch, bevor ich mich entschlossen auf den Weg nach draußen machte.

„Sanemi?" Meine Stimme war leiser als beabsichtigt, aber sie erreichte ihn dennoch.

Er drehte sich um, die Augen zusammengekniffen gegen die Sonne. „Ai? Was ist los?" Sein Ton war, wie immer, ein wenig rau, aber ich konnte den Hauch von Neugier in seiner Stimme hören.

Ich trat näher zu ihm und rang einen Moment lang mit mir, bevor ich direkt in seine Augen sah. „Ich... ich muss dir etwas Wichtiges sagen."

Sanemi legte den kleinen Spaten beiseite, den er gerade in der Hand gehalten hatte, und richtete seine Aufmerksamkeit vollständig auf mich. „Was ist es? Hast du ein Problem?"

„Nein, kein Problem", sagte ich hastig und spürte, wie meine Hände anfingen zu zittern. Ich schob sie hinter meinen Rücken, um meine Nervosität zu verbergen. „Es ist nur... es ist etwas, das ich schon eine Weile sagen wollte."

Er sah mich neugierig an, doch in seinen Augen lag auch ein Funken Sorge. „Dann spuck's aus, Ai. Du machst mich nervös."

Ich holte tief Luft und spürte, wie mein Herz bis zum Hals schlug. „Sanemi, ich...", begann ich und stockte dann. Warum war es so schwer, die richtigen Worte zu finden? Es war, als hätte ich tausend Dinge gleichzeitig sagen wollen und konnte keines davon richtig greifen.

„Ai?" Er trat einen Schritt näher, seine Stimme war nun sanfter, fast beruhigend. „Du kannst mir alles sagen."

Diese Worte gaben mir den Mut, den ich brauchte. Ich holte tief Luft und ließ es heraus. „Sanemi, ich... ich glaube, ich habe mich in dich verliebt."

Es fühlte sich an, als ob die Zeit für einen Moment stillstand. Die Worte hingen zwischen uns in der warmen Luft, und mein Herz hämmerte so laut, dass ich fast nichts anderes mehr hören konnte. Sanemi stand da, regungslos, seine Augen weit aufgerissen vor Überraschung.

„Was... was hast du gerade gesagt?", fragte er schließlich, als ob er sicherstellen wollte, dass er mich richtig verstanden hatte.

„Ich habe gesagt, dass ich mich in dich verliebt habe", wiederholte ich, diesmal etwas fester, obwohl mein Herz wild raste. „Ich weiß, dass das vielleicht plötzlich kommt, und ich weiß, dass wir uns in einer seltsamen Situation befinden, aber... ich kann diese Gefühle nicht länger ignorieren. Sie sind echt, Sanemi."

Er schwieg, und ich konnte sehen, wie seine Gedanken hinter seinen Augen hin- und hergingen. Dann, plötzlich, wandte er den Blick ab, als ob er mit dem Ansturm an Emotionen, die in ihm aufstiegen, nicht umgehen konnte.

„Ai...", begann er schließlich, aber es war klar, dass er nach den richtigen Worten rang. „Ich... weiß nicht, was ich sagen soll. Das ist... das ist viel, okay?"

Mein Herz zog sich zusammen. Hatte ich einen Fehler gemacht? Hatte ich ihn in eine unangenehme Situation gebracht? Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, aber diese Unsicherheit fühlte sich an, als würde sie mich von innen heraus zerreißen.

„Es tut mir leid", sagte ich leise und senkte den Blick. „Ich wollte dich nicht überfordern. Wenn du nicht dasselbe empfindest, ist das in Ordnung. Ich wollte nur ehrlich zu dir sein."

Sanemi sah mich an, und in seinen Augen war etwas, das ich nicht ganz deuten konnte – ein Mix aus Verwirrung, Unsicherheit und vielleicht sogar einem Hauch von Zuneigung. „Ai, es ist nicht so, dass..." Er brach ab und fuhr sich durch das Haar, ein Zeichen dafür, dass er nervös war. „Verdammt, Ai, das ist nicht einfach. Ich bin... Ich bin nicht gut in solchen Dingen."

Ich konnte ein kleines Lächeln nicht unterdrücken, trotz der Tränen, die in meinen Augen brannten. „Das hätte ich mir denken können", sagte ich mit einem schwachen Lachen.

Sanemi verzog das Gesicht, als ob er sich ärgerte, dass er mich zum Lachen gebracht hatte. „Es ist nur... Ich bin nicht der Typ für romantisches Zeug. Aber das bedeutet nicht, dass du mir nichts bedeutest. Ganz im Gegenteil..."

Mein Herz machte einen kleinen Sprung. „Wirklich?", fragte ich hoffnungsvoll.

„Ja, verdammt", antwortete er grimmig, aber seine Stimme war weicher als sonst. „Du bist... wichtig für mich, Ai. Vielleicht... vielleicht sogar mehr, als ich zugeben will."

Es war nicht das perfekte Liebesgeständnis, das man sich in Märchen vorstellte, aber es war echt, es war Sanemi – und das war genug für mich. „Das ist alles, was ich hören wollte", flüsterte ich und trat einen Schritt näher an ihn heran.

Sanemi schien immer noch unsicher zu sein, wie er reagieren sollte, doch dann hob er langsam seine Hand und legte sie auf meine Schulter. „Ich... Ich werde versuchen, besser darin zu werden. Aber erwarte nicht zu viel von mir, okay?"

„Ich erwarte nichts", sagte ich leise und sah ihm tief in die Augen. „Nur, dass du ehrlich bist."

Sanemi nickte und schien sich etwas zu entspannen. „Das kann ich tun."

Für einen Moment standen wir einfach nur da, in der Stille des Gartens, umgeben von der warmen Nachmittagssonne. Dann, ganz langsam, zog Sanemi mich in eine vorsichtige Umarmung – als ob er Angst hatte, mich zu zerbrechen, wenn er zu fest zudrücken würde.

„Wir werden sehen, wohin das führt", murmelte er und ich spürte, wie mein Herz vor Freude hüpfte. „Aber mach dir keine falschen Hoffnungen. Ich bin ein verdammt schwieriger Mensch."

Ich lächelte gegen seine Brust und ließ mich in seiner Umarmung sinken. „Schwierig ist okay. Solange du bei mir bleibst."

Sanemi lachte leise, und der Klang war so beruhigend wie das sanfte Rauschen des Windes durch die Bäume. „Ja, das werde ich."

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