KAPITEL 10
Der Spaziergang zum See war erfrischend und beruhigend, besonders nach unserem hitzigen Streit. Die Ruhe des Waldes um uns herum schien unsere Stimmung langsam zu heilen, und als wir schließlich am Ufer des Sees ankamen, war es, als ob die Natur uns ihre eigene Art von Frieden und Klarheit schickte.
Der See lag friedlich da, die Sonne glitzerte auf der Wasseroberfläche, und ein paar Enten schwammen gemütlich vor sich hin. Wir setzten uns auf eine Bank am Ufer, und ich holte die kleine Tüte mit Brotkrumen heraus, die ich mitgebracht hatte. Ich begann, die Enten zu füttern, und beobachtete, wie sie eifrig nach den Krümeln schnappen.
Sanemi saß neben mir, seine Haltung war entspannter als gewöhnlich. Er starrte auf das Wasser und schien in Gedanken versunken. Es war eine seltene Gelegenheit, ihn so ruhig und nachdenklich zu sehen, und ich genoss die ungewöhnliche Ruhe, die zwischen uns herrschte.
„Du weißt", begann Sanemi schließlich, als ob er sich von seinen Gedanken losreißen musste, „ich habe über etwas nachgedacht."
„Oh, wirklich?" fragte ich und sah ihn neugierig an, während ich den Enten weiterhin Krümel zuwarf. „Was beschäftigt dich denn so?"
„Nun...", Sanemi schien einen Moment lang nach den richtigen Worten zu suchen. „Ich habe darüber nachgedacht, wie ich dich nennen sollte."
Ich hielt inne und sah ihn fragend an. „Wieso? Du hast mir doch schon einen Namen gegeben."
„Ja", sagte Sanemi und drehte sich leicht zu mir, „aber ich dachte, es wäre vielleicht schöner, dir einen Namen zu geben, der besser zu dir passt."
„Einen Namen, der besser zu mir passt?" fragte ich, immer noch nicht ganz sicher, wohin das führen sollte.
Sanemi nahm einen tiefen Atemzug und begann dann zögernd: „Ich habe beschlossen, dass ich dir den Namen ‚Ai' geben möchte."
Der Name traf mich wie ein sanfter, unerwarteter Schlag. Ai? Ich wusste, dass dieser Name „Liebe" bedeutete, und ich fühlte, wie meine Wangen sich erwärmten, während ich Sanemi anstarrte. „Ai..." wiederholte ich, während ich versuchte, die Bedeutung des Namens in meinem Kopf zu verarbeiten. „Das bedeutet Liebe, oder?"
Sanemi nickte, aber er schien verlegen und vermied meinen Blick. „Ja, das bedeutet es. Ich dachte, es würde gut zu dir passen. Und... nun ja, auch zu deinen roten Haaren. Rot ist schließlich die Farbe der Liebe."
„Das ist... unerwartet", sagte ich, und ein warmes Gefühl breitete sich in meiner Brust aus. „Warum hast du diesen Namen gewählt?"
Sanemi schien noch mehr zu erröten und murmelte: „Es passt einfach. Du bist... nicht nur irgendeine Person für mich. Ich sehe dich als etwas Besonderes, und ich dachte, dass ‚Ai' eine schöne Art wäre, das auszudrücken. Außerdem... deine Haarfarbe erinnert mich an das, was ich mit diesem Namen verbinden würde."
Ich konnte nicht anders, als ein lächelndes Gefühl zu spüren. „Das ist wirklich... eine wunderschöne Geste. Ich hätte nicht gedacht, dass du so etwas empfindest."
„Ja, naja, ich weiß", sagte Sanemi und versuchte, sich zu fassen. „Es mag seltsam erscheinen, aber ich wollte dir einfach zeigen, dass du mir etwas bedeutest."
„Das bedeutet mir wirklich viel", sagte ich sanft und sah ihn mit Wärme an. „Du weißt nicht, wie sehr es mich freut, diesen Namen zu tragen. Ich nehme ihn gerne an."
Sanemi nickte, als ob er erleichtert war, dass ich den Namen akzeptierte. „Gut. Dann... willkommen als Ai."
„Danke, Sanemi", sagte ich und fühlte mich von diesem Moment der Verbundenheit tief berührt. „Das ist wirklich etwas Besonderes."
Wir verbrachten den Rest des Nachmittags am See, wobei die Atmosphäre zwischen uns viel intimer und herzlicher wurde. Die Enten hatten sich längst mit dem Brot gefüttert und waren weitergezogen, aber wir blieben noch eine Weile dort, genießten die Ruhe und die Gesellschaft des anderen. Das sanfte Plätschern des Wassers und die friedliche Umgebung trugen zur Atmosphäre bei, die unsere Verbindung vertiefte.
„Weißt du", begann Sanemi, als wir uns zurücklehnten und den Sonnenuntergang betrachteten, „ich habe das Gefühl, dass ich in den letzten Monaten viel über mich selbst gelernt habe. Und dass ich vielleicht nicht so unnahbar sein muss, wie ich es früher immer war."
„Das kann ich verstehen", sagte ich lächelnd. „Es ist nie einfach, seine eigene Art zu ändern, aber du machst es wirklich gut."
Sanemi grinste leicht. „Ich hoffe, dass ich das Beste aus dieser Veränderung herausholen kann. Und ich hoffe, dass es uns beiden dabei hilft, etwas Gutes daraus zu machen."
„Das wird es sicherlich", sagte ich und legte meine Hand sanft auf seine. „Wir lernen und wachsen gemeinsam, und das ist das Wichtigste."
Als die letzten Sonnenstrahlen über den See glitten und die Dämmerung einsetzte, saßen wir eng beieinander und spürten die Bedeutung des Moments. Der Name „Ai" war nicht nur eine Bezeichnung für mich geworden, sondern auch ein Symbol für die wachsende Nähe und das Verständnis, das zwischen uns entstand. Inmitten des friedlichen Szenarios fühlte es sich an, als ob wir einen neuen Anfang gefunden hatten, einen, der sowohl unsere Vergangenheit als auch unsere Zukunft miteinander verband.
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