Kapitel 17
Die Woche mit Noah kommt mir wie ein Traum vor. Ein Traum, der nie enden soll und doch so vergänglich ist.
Am Donnerstag überrascht mich Noah mit der Nachricht, ob ich schon etwas für den Abend geplant habe. Eigentlich wartet eine neue Folge meiner Lieblingsserie auf mich, aber die Priorität ist leicht zu setzen.
Ich: Nein bisher nicht 😊 wieso?
Noah: Ich hole dich um 18 Uhr ab. Lass dich überraschen.
Ich antworte mit einem strahlenden Lächeln auf den Lippen, weil allein die Aussicht, Noah zu sehen, mich auf Wolke sieben katapultiert. Seine mysteriöse Antwort ändert daran nichts. Allerdings stellt sie mich vor die herausfordernde Frage, was ich anziehen soll. Führt er mich zum Essen aus? Dann sollte ich mich etwas schicker anziehen. Oder hat er eher einen gemütlichen Abend im Sinn und ich schlage mit etwas Schickem völlig über die Strenge?
Nach einer halben Stunde und dem gesamten Inhalt meines Kleiderschrankes auf dem Boden, greife ich zu verzweifelten Mitteln. Oder genauer gesagt zu meinem Handy.
„Eva, du musst mir etwas von deinen Klamotten leihen."
„Hi May, freut mich ebenfalls von dir zu hören. Mir geht es gut und dir?", zwitschert meine beste Freundin als Antwort auf meinen unverblümten Gesprächseinstieg. Im Hintergrund sind die Stimmen anderer Mädchen zu hören, was meine Hoffnung schwinden lässt, dass Eva kurz vorbeifahren und mit etwas von ihren Sachen leihen kann.
„Noah will mit mir ausgehen, aber ich weiß nicht, was er geplant hat, und nichts in meinem Kleiderschrank wirkt gleichzeitig ganz casual und wird ihn trotzdem umhauen!"
Die Worte entkommen mir mit einem Atemzug und lassen Eva am anderen Ende der Leitung auflachen.
„Okay, okay. Ich sehe es handelt sich um einen waschechten Notfall. Was steht denn zur Auswahl?"
„Dein spitzenbesetzter Body mit einem beigen Cardigan", kommt meine Antwort wie aus der Pistole geschossen und bringt meine beste Freundin erneut zum Lachen.
„Ich meine aus deinem Kleiderschrank, MayMay. Der Tanzunterricht beginnt gleich."
Ihre Worte lassen einen kurzen Stich durch meine Brust fahren, aber der Gedanke an Noah lenkt mich von meiner Sehnsucht nach dem Tanzen ab.
„Ich habe nur Sachen, in denen ich wie elf aussehe oder als würde ich mich Noah an den Hals werfen wollen", maule ich und schiebe ein erbostes Schnauben hinterher, als Eva stichelt: „Willst du dich nicht Noah um den Hals werfen?"
„Klar, aber das muss er ja nicht auf den ersten Blick wissen!"
Als Eva dieses Mal lacht, zupft auch an meinen Lippen ein Lächeln, das die dramatische Verzweiflung meiner Situation durchbricht.
„Alles klar. Also du wirst folgendes tun. Hast du noch das weiße Top mit dem tollen Spitzenausschnitt? Dazu die beige Stoffhose, in der dein Hintern so toll zur Geltung kommt und die kurzgeschnittene Strickjacke..."
Ich folge Evas Anweisungen, dankbar die Entscheidung in fähige Hände zu legen, und letztendlich sind wir beide mit dem Endprodukt zufrieden. Das Outfit ist bequem, der Ausschnitt schön, aber nicht zu aufdringlich, und solange Noah nicht in ein Sternerestaurant will oder ihm ein Date in der Kletterhalle vorschwebt, sollte ich für alles gewappnet sein.
Evas aufmunternde Worte im Ohr gehe ich Punkt 18 Uhr runter und schlüpfe in meine Schuhe. Mein ganzer Körper prickelt vor aufgeregter Energie und ich bin froh, dass Mom noch auf der Arbeit ist und ich ihr nicht erklären muss, wo ich zu dieser Uhrzeit geschminkt hinmöchte. Ich habe mein Makeup zwar dezent gehalten, doch Mom wäre viel zu neugierig, um nicht nachzufragen.
So muss ich nur meine Nerven unter Kontrolle kriegen, bis es an der Tür klingelt und ich mit einem tiefen Atemzug öffne.
Noah sieht fantastisch aus. Er trägt eine schwarze Hose, die an den Füßen durch zwei Gummibünde eng zusammenläuft, dazu weiße Sneaker und ein weißes Shirt mit einem Holzfällerhemd im gleichen beigen Ton wie meine Hose darüber. Als hätten wir uns abgestimmt. Diese kleine Nebensächlichkeit lässt ein breites Grinsen auf meinem Gesicht erscheinen und nachdem auch Noah ausgiebig seinen Blick über mich hat wandern lassen, erwidert er dieses.
„Du siehst toll aus."
Verlegen streiche ich mir eine Haarsträhne hinters Ohr, während ein Schwarm Schmetterlinge in meinem Bauch ihr Unwesen treibt. „Danke, du auch."
Noah hält mir seine Hand entgegen, die ich sofort ergreife. Dabei beugt er sich zu mir herunter und sein warmer Atem jagt mir einen Schauer den Rücken hinunter, als er mir leise ins Ohr haucht: „Weißt du eigentlich, wie schwer es war, dich nicht jede Sekunde anzustarren, als du mit deiner Familie zum Essen rüberkamst? Du hast mich komplett umgehauen in dieser verfluchten Stoffhose und dem bauchfreien Oberteil. Genauso wie heute." Die Erinnerung lässt ihn mit einem amüsierten Schnauben den Kopf schütteln. „Ich hatte schon Angst, dass deine Mom mir mit ihrer Handtasche eine über den Kopf zieht."
Das Geständnis lässt mich zittrig nach Luft schnappen, denn ich weiß noch, wie sein Blick mich damals verunsichert hat. Ich dachte, er würde mein Outfit missbilligen. Nun das Gegenteil zu hören, lässt die Schmetterlinge gleich doppelt so schnell flattern.
„Das würde Mom niemals tun. Nicht bei ihrem liebsten Nachbarssohn." Neckisch stoße ich Noah mit der Schulter an und ziehe die Haustür hinter uns zu. Sein tiefes Lachen legt sich wie eine Umarmung um mich und ich genieße jede Sekunde davon.
„Wenn du das sagst. Ich befürchte, wir werden es noch herausfinden."
Oh, das hoffe ich doch. Am liebsten hätte ich vor Glück ein kleines Tänzchen aufgeführt, als Noahs funkelnder Blick mich trifft. Doch ich reiße mich zusammen und lasse mich stattdessen von Noah zu dem Auto seiner Eltern führen. Galant öffnet er mir die Beifahrertür, bevor er sich hinter das Steuer setzt und gekonnt rückwärts aus der Ausfahrt herausfährt. Ich nehme mir die Zeit, um der allgemeinen Euphorie in meinem Körper Einhalt zu gebieten. Wenn das so weiter geht, sind meine Endorphin-Reserven in einer halben Stunde aufgebraucht.
Erst als das Kribbeln etwas nachlässt und ich mir zutraue zu sprechen, ohne dass sich meine Stimme überschlägt, wage ich es wieder das Wort an Noah zu richten.
„Wohin bringst du mich?"
Mit einem Lächeln auf den Lippen schaut Noah geradeaus auf die Straße. „Etwas Geduld. Ich habe mir gedacht, dass du bestimmt deinen Aussichtspunkt auf dem Dach vermisst."
Mehr Informationen bekomme ich nicht, was die wildesten Überlegungen durch meinen Kopf schießen lässt. Will Noah in die Berge fahren? Ich weiß nicht, ob die Hügel Rund um Heidelburg die Bezeichnung verdienen, aber sicherlich hat man von dort eine erstaunliche Sicht auf die Stadt und das Umland. Auf der anderen Seite hätte ich mir dann besser eine richtige Jacke mitgenommen. Die Nächte werden kühler und meine Strickjacke ist zwar schön anzusehen, jedoch nicht sonderlich Wind schützend.
Aber Noah fährt nicht Richtung Berge, sondern weiter in die Stadt hinein. Vorbei an Restaurants, dem Kino und allen anderen üblichen Date-Locations. Nachdenklich schaue ich aus dem Fenster. Wo will er nur hin?
Der Groschen fällt bei mir erst, als Noah auf einen großen Parkplatz einbiegt. Überrascht schnappe ich nach Luft. „Wir gehen ins Planetarium?"
Noah lächelt warm, bei der kindlichen Begeisterung, die in meiner Stimme mitschwingt. Die Idee ist so süß und einzigartig, dass ich ihm am liebsten um den Hals gefallen wäre. Ein Vorhaben, dass die Mittelkonsole erschwert, weshalb ich mich begnüge Noah voller Freude anzustrahlen.
„Ich hatte gehofft, dass es dir gefallen würde."
„Und wie!" Meine Antwort kommt wie aus der Pistole geschossen und lässt mich im nächsten Moment erröten. Ich will mich nicht wie ein kleines Kind aufführen, doch die Art wie Noah nach meiner Hand greift und sie drückt, lässt die kritische Stimme in meinem Inneren verstummen.
„Sehr schön."
Wie sich herausstellt läuft heute eine Vorführung zu den verschiedenen Sternenbildern am Sommerhimmel und ich kann nicht fassen, wie Noah, ohne meine Gedanken zu lesen, ein so passendes Date heraussuchen konnte. Alles an diesem Abend fühlt sich wie eine schicksalshafte Fügung an. Die Ergänzung zu unseren ersten Begegnungen.
Voller Faszination lasse ich mich ins Weltraum entführen, während Noahs und meine Hand die ganze Zeit über ineinander verschränkt auf der Lehne zwischen uns ruhen.
Danach knurrt uns beiden der Magen und der Abend wird sogar noch perfekter, während wir es uns mit unserem Take-away Essen im Auto gemütlich machen und über Gott und die Welt reden. Noah erzählt mir von seinen Freunden aus dem Studium und ihren gemeinsamen Erlebnissen. Sie hören sich nach einem Haufen Chaoten an und ich lache herzlich, während Noah Anekdote nach Anekdote von sich gibt. Von gemeinsamen Urlauben, Festivals und durchgemachten Nächten. Im Gegenzug berichte ich von Allie und ihrer einzigartigen Fähigkeit, jeden unserer Lehrer zur Weißglut zu bringen. Von Rico und Max, die zu zweit auf die dümmsten Ideen kommen und David, der dann ein Wort der Vernunft fallen lassen muss. Und natürlich Eva, die der Sonnenschein in unserer Gruppe ist.
Irgendwann gehen wir vom Reden ins Küssen über und als wir uns auf den Weg nach Hause machen, ist mein Magen und mein Herz zum Platzen gefüllt. Noah gibt eine erstaunlich gute Deutsch Rap-Darbietung, als ein Kontra K Lied aus meiner Playlist anklingt, und ich revanchiere mich mit einer reichlich schiefen Version von Nina Chuba. Unser darauffolgendes Duo bringt mich zum Lachen, bis mein Bauch schmerzt und wir vor den Häusern unserer Familien halten.
Die plötzliche Stille, als Noah den Motor ausdreht, fühlt ich falsch an. Genauso wie der Gedanke sich verabschieden zu müssen. Also zögere ich den Moment hinaus, blicke tief in diese wunderschönen blauen Augen und bete, dass irgendjemand genau jetzt die Zeit anhält.
Anscheinend geht es Noah ähnlich, denn eine Zeit lang erwidert er nur meinen Blick und gewährt dem Moment ein paar weitere Sekunden. Doch dann schleicht sich ein kleines Lächeln auf sein Gesicht und ich weiß, dass es Zeit wird auszusteigen.
Mein Herz sinkt, meine Gedanken rasen. Ich bin nicht bereit, schon nach Hause zu gehen. Am liebsten würde ich die ganze Nacht zusammen mit Noah in diesem Auto verbringen. Oder wo anders. Hauptsache zusammen mit Noah. Also fasse ich all meinen Mut zusammen und stoße die entscheidenden Worte aus: „Kann ich noch mit zu dir?"
Mir wird erst eine Sekunde später bewusst, wie sich meine Frage anhört, und schiebe mit heißen Wangen hinterher: „Wir könnten noch einen Film schauen oder so."
Okay, das hat es nicht besser gemacht. Mein Gesicht fühlt sich an, als würde es gleich in Flammen aufgehen, aber auf Noahs Lippen schleicht sich nur ein breites Grinsen.
„Einen Film schauen, so, so."
Schalk blitzt in seinen Augen auf, als ich mich unter seinen Worten winde, und bar einer guten Erwiderung boxe ich ihn kurzerhand auf den Oberarm. „Du weißt, wie ich das gemeint habe."
Noah lacht, eindeutig nicht sonderlich verletzt von meinem Schlag, und grinst mich dann wieder an.
„Du kannst gerne noch kurz mit rein. Meine Eltern freuen sich bestimmt, dich mal wieder zu sehen."
Ein Familientreffen ist zwar nicht unbedingt, was ich mir vorgestellt habe, aber immer noch besser, als mich jetzt schon verabschieden zu müssen. Also nicke ich und wir steigen gemeinsam aus. Noahs Hand, die auf dem kurzen Weg zur Haustür in meinem Rücken ruht, fühlt sich himmlisch an.
Kaum hat er den Schlüssel im Schloss umgedreht, lässt er sie jedoch sinken, um mir Vortritt zu gewähren. Im Haus riecht es herrlich nach selbstgekochtem Essen und aus dem Wohnzimmer höre ich Noahs Eltern gemeinsam lachen. Auch ohne sie zu sehen, kann ich mir ihre glücklichen Gesichter vorstellen, und wie immer schlingen sich die giftigen Fühler des Neides um mein Herz. Doch zumindest gibt es heute einen Lichtblick in Form des jüngsten Millers, der mir ein aufmunterndes Lächeln schenkt, bevor er mich Richtung Wohnzimmer führt.
„Noah, mein Schatz! Schau mal, was wir in den Tiefen der alten DVDs gefunden haben."
Andrea dreht sich strahlend zu uns herum und wenn möglich wird das Lächeln auf ihrem Gesicht noch breiter, als sie mich erblickt. „Oh May! Wie schön, dich zu sehen. Kommt her ihr Zwei, setzt euch zu uns. Das müsst ihr euch anschauen."
Neugierig linse ich auf den Fernseher und erkenne sofort das wirre Chaos, das sich früher meine Haare genannt hat. Eingefroren auf dem großen Monitor blicken mir meine eigene und Noahs jüngere Version entgegen. Wir stehen im Garten der Millers und sind für einen besonderen Anlass schick gemacht. Dabei zupfe ich mit mürrischer Miene an meinem Kleid herum, während Noah seinen Arm um meine Schultern gelegt hat.
„Oh Gott. Wie peinlich wird es, wenn wir hierbleiben?" Noahs Stimme ist der Schalk anzuhören und er macht es sich auf der Lehne des Sessels gemütlich, auf den ich mich habe fallen lassen.
„Gar nicht! Ihr seid zuckersüß." Verteidigt sich Andrea und ich schmunzle, weil das wohl jede Mutter sagen würde, egal was auf dem Video zu sehen ist. Entsprechend mache ich mich auf alles gefasst, als Noahs Dad auf Play drückt und das Bild sich wieder in Bewegung setzt.
„May, lass dein Kleid in Ruhe", ertönt Moms Stimme und Hände tauchen im Bild auf, die mich davon abhalten, weiter an meinem Kleid herumzuzerren.
„Aber es ist blöd!", empört sich mein Kinder-Ich und schaut trotzig in die Kamera. Ein Striemen Schmutz zieht sich über meine Wange und es ist offensichtlich, dass ich lieber, wie Noah in einer Hose stecken würde.
„In dem Alter hast du Kleider gehasst", kichert Andrea neben uns. „Wenn es nicht praktisch war, um durch die Gegend zu rennen, dann wolltest du es auch nicht."
Ich schmunzle und betrachte weiter die Szene. Gerade drückt mich Noah an sich und sagt in der Inbrunst der Überzeugung eines sieben Jährigen: „Du siehst toll aus, May! Aber soll ich dir sagen, wie du mir noch besser gefällst?"
Noah grinst auf mich herab und lässt sich von dem bitterbösen Blick, dem ich ihm schenke, nicht beeindrucken.
„Voller Grasflecken!"
Und bevor einer unserer Eltern eingreifen kann, hat mich Noah schon mit sich auf den Rasen gezogen und wir rollen uns lachend und kreischend den Hang hinunter. Die Kamera wird ruckelnd fallen gelassen und im nächsten Moment umschwärmen uns unsere Mütter, die uns schimpfend wieder auf die Beine ziehen. Doch Noah und ich haben nur Augen füreinander, während wir lachen und uns trotz der Ermahnungen unserer Eltern versuchen, gegenseitig auf den Boden zu schmeißen.
Kurz bevor das Video abblendet, hört man noch Noah rufen: „Auf unserer Hochzeit darfst du anziehen, was du willst, May! Hose, Kleid mir völlig egal. Hauptsache du bist bei mir."
Meine Wangen werden warm, während ich mich nicht traue zu Noah zu blicken. Ich hatte ganz vergessen, dass wir damals fest überzeugt waren, eines Tages zu heiraten. Doch jetzt steht mir die Szene, wie Noah mir einen Ring aus zusammengeknoteten Grashalmen ansteckt, als wäre es erst gestern geschehen, vor den Augen. „Was könnte es Besseres geben, als seine beste Freundin zu heiraten?" hat er damals mit breitem Zahnlücken-Lächeln gesagt und ich habe nur gekichert und ihm gegen die Brust geschlagen. „Du bist doof. Liebe ist eklig!"
„Ihr zwei wart so entzückend." Andreas gerührte Stimme reißt mich aus meinen Gedanken und als ich ihr zulächle, fühlt es sich unbeholfen an.
„Naja, in erster Linie habt ihr uns immer auf Trapp gehalten", wirft da Noahs Dad ein, doch das Schmunzeln auf seinen Lippen nimmt seinen Worten die Strenge.
„Ach was. Am liebsten hätte ich euch zwei Wirbelwinde wieder zurück. Das Chaos, dass ihr stets hinterlassen habt, ist besser als die Leere, wenn Noah nicht hier ist."
Noahs Mom zieht eine traurige Schnute, was diesen wiederum die Augen verdrehen lässt.
„Jetzt tu nicht so, als würdest du die Zeit für dich nicht zu schätzen wissen, Mom. Ich habe das riesige Bücherregal gesehen, dass du in meinem alten Zimmer aufgebaut hast."
Andrea gibt ein schniefen von sich und wischt sich heimlich eine Träne von der Wange. „Das macht es trotzdem nicht leichter dich in kaum einer Woche wieder gehen zu lassen."
Die Worte fahren wie ein Stich in mein Herz und sofort schießt mein Blick zu Noah. Nur noch eine Woche? Wann fährt er denn genau wieder?
Als würde er meine Gedanken hören, kriechen seine Finger unauffällig zu meinen und drücken diese kurz.
„Bis nächste Woche Sonntag ist es durchaus noch länger als eine Woche."
Ich teile Andreas teils empörten teils traurigen Blick vollkommen. „Nicht lang genug."
Noah schüttelt mit einem Lächeln den Kopf. „Ich bin ja nicht aus der Welt. Schneller als du denkst, ist Weihnachten und du hast mich wieder an der Backe."
Mir wird übel. Noah kommt erst Weihnachten wieder heim? Das sind noch fast vier Monate!
Doch Noahs Mom scheint sich mit dieser Aussicht zufrieden zu geben. Sie stößt ein tiefes Seufzen aus und schaut ihren Sohn voller Zärtlichkeit an. „Ich weiß, ich weiß. Du bist groß und ich muss lernen, dich gehen zu lassen."
Die Aussicht Noah gehenlassen zu müssen, bereitet mir physische Schmerzen. Am liebsten würde ich mich schon jetzt an ihn klammern und ihn nie wieder loslassen. Doch vor seinen Eltern bleibt mir nicht mehr, als der kleine Kontakt über unsere Finger und als Noah mich wenig später mit einem heimlichen Kuss an der Haustür verabschiedet, bleibt weder die Zeit noch habe ich den Mut anzusprechen, was wird, wenn er wieder fährt. Zu sehr fürchte ich mich vor der Antwort.
Mein größter Alptraum wäre, wenn alles zum Status Quo zurückkehren würde. Wenn wir wieder zu Fremden werden würden. Ich habe schon meinen Sandkastenfreund aus tiefstem Herzen vermisst. Aber den Noah, mit dem ich über alles reden, den ich berühren und küssen kann? Darüber werde ich nie hinwegkommen.
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