Akt 2

"Dort oben liegt eine Leiche!", rief Susan außer sich.
Sowohl sie als auch Katy waren blasser als der tote Mann in der Bibliothek.
Katy jedoch bewahrte ihre Fassung, so gut es ihr möglich war.
"Wissen wir", raunte Charles, während er sich ein weiteres Glas Whiskey eingoss. Der Schock hatte sie allesamt ausgenüchtert.
Seit einer halben Stunde saßen die Gäste im Wohnbereich und überlegten, was sie wegen des Vorfalles unternehmen konnten. Der Sturm schien kein Ende zu nehmen und würde höchstwahrscheinlich das gesamte Wochenende über wüten. Demnach gab es kein Entkommen und keine Verbindung zur Außenwelt.
"Wie konnte der Butler mit dem Hausherren sprechen, wenn es gar kein Satellitentelefon gibt?", murmelte Brian vor sich hin - die Lippen am Rand seines Cognacglases. 
"Was glaubst du wohl?", wandte Katy ein. "Der Butler hat es bei sich."
George schnaubte. Er lehnte an der Kücheninsel und hatte die Arme vor seiner Brust verschränkt. Ein typischer Selbstschutzmechanismus des menschlichen Körpers - was man ihm eigentlich wie den meisten Politikern abtrainiert hatte.
"Dann heißt es, wie in den alten Kriminalgeschichten: der Butler wars?", fragte er spöttisch in die Runde. "Ist das nicht zu einfach, um die Lösung zu sein?"
Katy stand vom Sofa auf und musterte ihn argwöhnisch. "Wir sind hier nicht bei einem Krimidinner!", entgegnete sie. 
Aus dem Nichts tauchte plötzlich völlig lautlos der Diener auf. Er stand im Eingang zum Wohnbereich und stierte regungslos vor sich hin. 
"S...Sie", stammelte Susan. Keine Sekunde später sprang sie vom Sofa auf und zeigte mit ihrem Finger auf den schaurigen Mann. Ihre pinken mit Strass verzierten Nägel erschienen in der Gesamtsituation etwas surreal. "Wo waren sie?!"
"In meinem Zimmer.", antwortete der Butler nüchtern. "Ich vergaß Ihnen wohl mittzuteilen, dass Sie an der Kordel neben dem Kamin ziehen können, wenn Sie etwas benötigen.", erklärte er.
Tatsächlich hing neben der Feuerstelle eine lange, dicke Kordel, wie man sie in alten, herrschaftlichen Gemäuern benutzte, um Diener zu sich zu rufen.
"Ich dachte, ihr habt überall nach ihm gesucht", zischte George zu Charles hinüber.
Letzterer hob abwehrend die Hände und appellierte mit: "Das haben wir auch!"
Brian ging einen vorsichtigen Schritt auf den Butler zu und deutete zum ersten Stock. "Bernard ... Mister Coopers lebloser Körper befindet sich in der Bibliothek.", teilte er dem Diener mit.
Der Butler zuckte kaum merklich mit der linken Augenbraue. "Wenn Sie mir die Frage gestatten, was ist geschehen?", wollte er wissen - seine Stimme unverändert.
Brian stieß die Luft lange aus und strich sich die Haarsträhnen, die in sein Gesicht hingen, zurück. "Bernard wollte sich ein Buch aus der Bibliothek ansehen", erzählte er. "Susan ging wenig später nach oben und entdeckte ihn. Wir haben nichts an ihm oder dem Ort verändert."
"Lassen Sie uns die Küstenwache verständigen", warf George ein. Seine sonst gefasste Haltung wirkte verunsichert.
"Würden Sie so freundlich sein und mir Mister Cooper zeigen?", fragte der Butler. 
Die Männer nickten. Brian ging voran. George schloss sich ihnen an, während die anderen im Wohnbereich zurückblieben.
"Ich gehe davon aus, dass es ein Herzinfarkt war, obwohl mir keine gesundheitlichen Probleme bekannt waren", berichtete George dem Butler.
Vor der Bibliothek zögerten die Männer kurz, weswegen der Butler sich räusperte und die Tür selbst öffnete. 
Zum Vorschein kam eine leere Bibliothek.
Es gab keinerlei Anzeichen von dem kürzlichen Todesfall, noch konnte man Bernard irgendwo ausfindig machen. Selbst der Cognacfleck und die Glasscherben waren spurlos verschwunden.
George und Brian stürmten unverblümt und entsetzt in den Raum - ihre Augen weit aufgerissen. Der Musiker drehte sich um seine eigene Achse. Der Politiker suchte den Boden und die Ecken ab - selbst unter den kleinen Tisch blickte er, ganz gleich ob es Sinn ergab. 
"Wie kann das sein?", brachte Brian keuchend hervor. Im plötzlichen Adrenalinrausch eilte er auf den Butler zu und deutete auf die Stelle des Teppichbodens, wo sie zuvor den Abgeordneten gefunden hatten. "Er lag genau hier!"
Der Butler - nicht aus der Fassung zu bringen - blickte zu der Stelle, auf die er deutete. "Verzeihen Sie die Frage, aber sind Sie sich ganz sicher, dass Mister Cooper tatsächlich tot war, als Sie ihn gefunden haben?"
George drehte sich zu den beiden um - sein üblicherweise besonnenes Gesicht spiegelte blankes Entsetzen und höchste Verwirrung wider. "Ich ... ich...", stammelte er.
Brian winkte ab. Sein Blut rauschte und seine Kiefermuskeln arbeiteten. "Wäre er noch am Leben, würde er sich wohl kaum verstecken.", argumentierte er. Kurz darauf flitzte er an dem Diener vorbei aus dem Raum hinaus und hin zu jenem Zimmer, das ursprünglich für den Abgeordneten vorgesehen gewesen war. 
Ohne zu zögern - oder anzuklopfen - riss er die Tür zum Gästezimmer auf, nur um dieses leer und unberührt vorzufinden. Brian stieß die Luft in seinen Lungen hörbar aus, ehe er den Raum betrat und nach Hinweisen absuchte. Allerdings fand er nicht das Geringste vor. Dies galt ebenfalls für das Gepäck von Bernard Cooper. Der blaue, runde Teppich in der Mitte des Raumes erschien augenblicklich zu schrill für Brians Augen, weswegen er das Zimmer wieder verließ und die Tür ins Schloss warf.
"Wo sind Bernards Sachen?", verlangte er von dem Butler zu wissen.
Dessen hagere Gestalt bewegte sich keinen Zentimeter. Stattdessen antwortete er in einem unveränderten Tonfall: "Das kann ich Ihnen nicht beantworten, Sir. Ich habe jedes Gepäckstück in die jeweiligen Zimmer gestellt."
George zog Brian am Arm mit sich - nicht grob oder schmerzvoll, jedoch bestimmend und mit Nachdruck. 
"Wir werden aus ihm nichts herausbekommen. Außerdem..." George schielte über seine Schulter zum Diener. "Sieh ihn dir an. Weshalb sollte jemand wie er Bernards Leiche weggebracht haben? Er konnte gerade so unser Zeug die Treppen hochtragen."
Brian ließ einige Sekunden schweigend verstreifen. Schließlich wandte er sich von George ab und dem Butler wieder zu. "Wir müssen die Küstenwache verständigen. Wo haben Sie das Satellitentelefon?"
Der Butler nickte mit seinem Haupt und eilte - so schnell seine dürren Beine ihn eben tragen konnten - die Treppe hinunter. George und Brian fanden sich wieder im Wohnbereich ein und erzählten den anderen, was vorgefallen war. Keiner der Anwesenden konnte glauben, geschweige denn verstehen, was die zwei Herren ihnen erzählten.
"Warum seid Ihr nicht mit ihm gegangen?", zischte Susan. "Was, wenn der Butler erneut abhaut?"
Just als Brian sich auf den Weg machen wollte, kam der Diener zurück - in seiner Rechten hielt er das Telefon.
"Ich fürchte, selbst hiermit lässt sich kein Kontakt nach außen herstellen", teilte er den Anwesenden mit. Mit gesenktem Haupt reichte er das klobige Telefon an Brian weiter, welcher die Antenne ausfuhr und ebenfalls einen Versuch wagte. 
Beinahe hätte er das Gerät gegen die Wand geworfen, hätte George es ihm nicht rechtzeitig abgenommen. Ein Kontakt nach außen erschien unmöglich und von dem Abgeordneten fehlte jegliche Spur. 
"Sie können gehen", meinte George an den Butler gerichtet, welcher sich mit einer höflichen Verbeugung verabschiedete und im Dienertrakt verschwand. George konnte sich nicht vorstellen, dass der Butler bei diesem Sturm von der Insel kommen würde. 
"Wir brauchen alle Ruhe.", sagte er schließlich. "Wir haben getrunken und können ohnehin nichts unternehmen. Morgen, wenn wir wieder halbwegs bei Sinnen sind, überlegen wir uns, was zu tun ist. Eventuell hat der Sturm bis dahin nachgelassen."
Keiner der Anwesenden besaß die Kraft, etwas dagegenzusetzen. 



Samstag, 14. Mai, 0900 Uhr

Die Nacht war für jeden Gast unangenehm gewesen. Der Sturm wütete weiter, als wäre der Weltuntergang eingetreten. Keiner hatte die Ruhe bekommen, die er gebraucht hätte, weswegen alle sich gegen neun Uhr langsam im Speisesaal einfanden. 
Der Butler servierte ihnen Frühstück, von herzhaft bis süß stand alles zur Auswahl. Den meisten Anwesenden rumorte der Magen bei diesem Anblick. 
"Ich dachte, die Gäste würden Kaffee anstelle von Tee wünschen", sagte der Butler. Er kam mit einer eigenartigen Kanne zum Tisch. Die Kanne hatte die Form eines Buddhas und diente wohl vorwiegend dazu, Tee zu servieren. Kaum einer schenkte dem Beachtung. Lediglich Katy war es aufgefallen und sie dachte, dass sonst nie Kaffee in diesem Haus getrunken wurde und nun die Teekanne herhalten musste.
Tatsächlich berichtete der Butler, dass er in letzter Sekunde Kaffee besorgt hatte, weil der Hausherr ausschließlich Tee trank. Somit wurde dem Buddha kein Blick mehr geschenkt, dafür goss dieser kräftig duftenden Kaffee in die Tassen der Gäste. 
Der Diener verließ den Speisesaal und so wandten sich die Zurückgebliebenen ihrem Frühstück zu. 
Charles schlürfte nur an seinem schwarzen Kaffee, Susan entschied sich für eine Waffel, Katy nahm sich ein Brötchen und die restlichen beiden entschieden sich für Spiegelei mit Speck und Bohnen.
Nach dem Frühstück wagten es die Gäste schließlich in den ersten Stock zum Zimmer des Abgeordneten. Wie befürchtet, hatte sich nichts verändert. Der Raum war weiterhin leer. Gepäck und Gast fehlten.
"Der Plan ist jetzt, alles auf den Kopf zu stellen?", fragte Charles - in seiner Hand ein Glas Whiskey.
George nickte. "Bis wir etwas finden", meinte er. "Eine Leiche kann nicht einfach verschwinden." Somit machte er sich als Erster daran, das Zimmer auf mögliche Hinweise zu untersuchen.
"Eventuell hat der Herr Abgeordnete das ja alles geplant", warf Charles ein. Er lehnte sich gegen den Türrahmen und sah keinen Grund, bei dieser Suche zu helfen.
"Und was hätte er davon?", entgegnete George. 
Brian und Katy hatten sich ihm angeschlossen, während Susan eher zögerlich half. Man sah der Influencerin an, dass ihr das alles nicht geheuer war.
Charles zuckte mit den Schultern. "Das kann wohl nur einer beantworten, oder?"
"Ich denke weiterhin, dass der Butler nicht unschuldig sein kann", meldete sich Brian. Er überprüfte das Bett. Von Bettwäsche bis hin zur Matratze ließ er keinen Fleck aus.
"Was sollen diese hässlichen Teppiche...", murmelte Susan völlig aus dem Konzept gerissen.
Um sich selbst abzulenken, ging sie in die Hocke - dieses Mal trug sie Hauspumps - und rollte den Teppich zusammen. Ein blauer Zettel flog in die Luft und segelte langsam in Richtung Bett.
George bekam ihn in der Luft zu fassen und warf einen Blick darauf. Er erstarrte.
Die einzige Farbe in seinem Gesicht waren die leicht geröteten Wangen, die er seit heute morgen hatte.
"Was ist denn?", wollte Charles wissen. Er stieß sich ab und warf einen Blick über Georges Schulter. In binnen weniger Sekunden hatten sich alle um den Politiker und den kleinen Post-It versammelt. 

"Was hat das zu bedeuten?", murmelte George - weiterhin zu Stein erstarrt.
"Dass irgendjemand hier ein Spielchen spielt", meinte Brian. "Und der einzige, abgesehen von uns, der dafür in Frage kommt, ist dieser Butler!"
"Was heißt hier außer uns?", entgegnete Charles. "Willst du hier irgendjemanden ankreiden?"
Brian hob beschwichtigend die Hände auf Kopfhöhe. "Ich spreche nur aus, was Sache ist.", argumentierte er. "Fakt ist; wir und dieser Butler sind die einzigen Menschen auf dieser Insel."
Katy machte einen Schritt auf den Rockstar zu. Ihre Augen verengt zu Schlitzen. "Und woher willst du wissen, dass wir hier die Einzigen sind?", entgegnete sie. Auch ihre Wangen waren leicht gerötet. "Immerhin habt Charles und du auch behauptet, ihr hättet im gesamten Haus nach dem Butler gesucht, als wir Bernard gefunden haben."
"Haben wir", brummte Charles. 
"Leute?" Es war die Influencerin, die eine hitzige Diskussion verhinderte. Dank der Beunruhigung, die sie in der Stimme trug, und dem Finger, der auf den rechten Pfosten am Fußende des Himmelbettes deutete.
"Was sind das für Symbole?", fragte sie in die Runde.
Damit war die Auseinandersetzung beendet, denn die Köpfe der Anwesenden drehten sich zum Bett. Brian ging näher an den Holzpfosten heran und strich mit seinen Fingern über die eingeritzten Markierungen. Seine Ringe reflektierten das Licht eines Blitzes, der nahe dem Fenster ins offene Meer einschlug. Ein nervenaufreibender Donner folgte.

Die Kerben waren oberflächlich - fast zärtlich - in das weiche Holz geritzt worden, wodurch sie im ersten Augenblick niemanden auffielen. Susan waren sie eher zufällig ins Auge gesprungen, weil sie der Diskussion hatte aus dem Weg gehen wollen.
"Was bedeutet das?", murmelte Katy.
"Keine Ahnung.", kam es von Charles. Er spreizte den Ringfinger von seinem Glas ab. "Aber ich frage mich, ob in allen Zimmern solche Markierungen sind."
Auf seine Worte hin machten sich die Anwesenden ohne große Umschweife auf den Weg in ihre eigenen Räumlichkeiten. Ob es bedauerlich oder erleichternd war, dass sie dort nichts dergleichen vorfanden, vermochten sie zunächst nicht zu beurteilen.
Anschließend fanden sich alle wieder im Zimmer des Verschollenen wieder. George sah sich die Einkerbungen etwas genauer an.
"N20 ... W35...", las er leise vor. Dabei wiederholte er die Markierung immer wieder, bis ihm eine Idee kam. Er hielt inne. "Was...", raunte er. "Was, wenn W für West steht und N für Nord... Und die Zahlen könnten Schritte sein."
Die Köpfe hoben sich, als wäre die Erleuchtung des Jahrhunderts eingetreten. George schob sich an den anderen vorbei, sein Blick unscharf und sein Verstand fokussiert. Vor der Tür zu Bernards Zimmer blieb er stehen, überlegte einen Augenblick und sah anschließend nach rechts. 
Norden.
Er ging normale Schritte und zählte dabei jeden leise mit. Bei 20 stand er knapp vor der Wand - dem Ende des Flurs. George wandte sich nach links.
Westen.
"Vierunddreißig ... fünfunddreißig.", raunte er. Ihm war bewusst geworden, wohin ihn die Kerben geführt hatten, noch bevor er vor seinem eigenen Zimmer stehengeblieben war. 
Der Rest war ihm leise gefolgt, hatte für sich selbst die Schritte gezählt und war zum selben Ergebnis gekommen.
George starrte abwesend und angespannt auf seine Tür. Nachdem er sich nicht bewegte, schob sich Brian an ihm vorbei und öffnete die Tür mir einem Ruck. In der Mitte des Raumes drehte er sich einmal um die eigene Achse. Die anderen folgten zögernd in das Gästezimmer.
Des Musikers Blick blieb am Teppich haften. "Hast du darunter nachgesehen vorhin?", wollte er von George wissen. Dabei deutete er auf das grüne Stück Kunstfell.
Der Politiker schüttelte den Kopf, woraufhin Brian sich bückte und den Teppich umdrehte. Eine weitere Notiz flog in die Luft. Brian schnappte danach und drehte die beschriftete Seite nach oben, damit jeder die Worte darauf lesen konnte.

"Was will man uns damit sagen, George?" Es war Charles, der mit dieser Frage jedem zuvor gekommen war. 
Der Politiker verzog das Gesicht, strich sich durch die Haare und biss sich auf die Lippe.
"Sorry!", rief Susan, bevor sie an den anderen vorbei ins angrenzende Bad lief und sich dort in die Toilette erbrach. 
Dem wurde kaum Beachtung geschenkt. Stattdessen sah jeder Übrige George abwartend an. Dieser hielt sein Gesicht für einige Atemzüge in beiden Händen, ehe er es endlich zu einer Antwort brachte.
"Bernard", raunte er mit geschlossenen Augen. "Hatte damals einen harten Konkurrenten." George schlug seine Lider auf und ging ein paar Schritte in Richtung Fenster. 
"Und weiter?", hakte Katy ungeduldig nach. Sie hatte ihre Arme um ihren Oberkörper geschlungen.
"Er...", brachte George unter zusammengebissenen Zähnen hervor. "Seine Konkurrenz, John L. Smith, drohte ihm, zur Presse zu gehen. Er besaß Beweise für etwas, das Bernard in seiner Vergangenheit getan hatte. Bernard ... Er wurde rasend vor Wut. Einen Tag später, am 30. April, hatte John einen Autounfall. Bestimmt wisst ihr, dass er den nicht überlebt hat."
Katys Augen weiteten sich, Brian hingegen stieß die Luft aus seinen Lungen und Charles trank einen großzügigen Schluck Whiskey. 
"Hat er...?", hauchte die Schauspielerin.
George zögerte, nickte schließlich kaum merklich. "Er hat es mir erzählt. Ich half ihm bei der Vertuschung... Dafür half er meiner Karriere."
"Und was war derart skandalös, dass er deswegen einen Mann getötet hat?", wollte Katy wissen. Sie wagte es nicht, zu atmen, geschweige denn sich zu bewegen.
George presste seine Lippen fest aufeinander, bis jegliches Blut aus ihnen wich und das dunkle Rosa heller und heller wurde.
"Verdammt, was hat er getan, George!", rief Brian, um den Politiker wach zu rütteln.
"Er hat sich an einem Ring mit minderjährigen Prostituierten beteiligt!", platzte es aus George heraus. Katy erstarrte zu Stein, während Brian lediglich kurz innehielt und anschließend einige Flüche aussprach. Charles trank den Rest seines Whiskeys auf Ex aus und verließ das Zimmer.
Susan stand in der Tür zum Badezimmer. Die Influencerin hatte alles gehört und musste sich im Türrahmen abstützen. Ihre Pupillen geweitet und ihr Magen rumorend.
George fing an zu husten und rieb sich den Hals. "Ich muss hier raus...", murmelte er, kurz bevor er an den anderen vorbeirauschte und hinunter in die Küche eilte. Dort riss er die Tür zum Kühlschrank auf und nahm sich eine der Wasserflaschen, die er in einem Zug austrank. 
Keuchend lehnte er sich an die Kücheninsel. Charles stand an der Bar und hatte ihn beobachtet. In seiner Linken hielt er ein bis zum Rand gefülltes Glas Whiskey.
"Der Stress wird dir ebenfalls einen Herzinfarkt bescheren.", meinte er nüchtern. "Versuch durchzuatmen." Er trank sein Glas auf Ex aus.
Brian kam wenige Minuten später ebenfalls in die Küche und berichtete: "Ich habe dein Zimmer noch einmal genauer unter die Lupe genommen. Bis auf den Zettel befand sich nichts darin."
Katy betrat mit Susan am Arm den Raum. "Es gibt nur eine Möglichkeit.", meinte sie. "Unser Gastgeber hat all das hier geplant und sein Butler führt seine Scharade aus."
Brian schenkte sich ein Glas Whiskey ein und nickte zustimmend. "Oder der Hausherr versteckt sich hier irgendwo. Wir kennen das Haus schließlich nicht."
Susan hob ihren Kopf. "Was ist mit dem Büro?"
Die Anwesenden hielten inne. Jeder hatte diesen verbotenen Raum längst vergessen gehabt. Der Butler hatte ihnen schließlich mit Nachdruck gesagt, sie können sich überall im Gebäude aufhalten, abgesehen vom Büro des Hausherren.
George schnappte sich eine weitere Wasserflasche und eilte anschließend zurück zur Treppe. "Dann werde ich jetzt herausfinden, was sich darin befindet."
Brian folgte ihm mit einem frischen Glas der gold-gelben Flüssigkeit. Susan atmete tief durch, nahm sich ebenfalls ein Wasser aus dem Kühlschrank und schloss sich gemeinsam mit Katy und Charles den ersten beiden Männern an.
Das Büro des Gastgebers befand sich im Trakt der Gästezimmer. Am Ende des Flures. Somit hätte jener es nicht weit gehabt, um die Post-Its zu verstecken und Bernards Leiche zu verschleppen.
Als die Frauen und Charles oben ankamen, warf sich George gerade gegen die Tür des Büros. Allerdings bewegte sie sich keinen Zentimeter.
"Fest verschlossen", teilte Brian den hinzustoßenden Gästen mit.
"Gibt es hier denn kein Brecheisen oder so was?", fragte Katy. Sie musste die blonde Influencerin stützen, wobei sie selbst es nicht weniger schwer hatte, auf ihren Beinen stehen zu bleiben. Einzig allein der Gedanke "Es ist alles nur ein Film" ließ die Schauspielerin in eine Rolle fallen, die es ihr ermöglichte, weiterzugehen. 
"Gestern lag keines herum", meinte Brian.
George schnaubte verächtlich. "Ihr habt den Butler ebenfalls nicht gefunden.", argumentierte er.
Charles nippte nahezu ununterbrochen an seinem Whiskey. Brian rollte mit den Augen, hob die Arme kurz abwehrend auf Kopfhöhe und sagte: "Ich sehe nach, okay?"
Im Anschluss ließ er die anderen Gäste zurück und machte sich auf die Suche, nach etwas, das diese Tür aufbrechen könnte.
George lehnte sich keuchend gegen die verschlossene Bürotür und schraubte seine Flasche auf, nur um festzustellen, dass er das Wasser bereits ausgetrunken hatte. Seine Lippe hatte haarfeine Risse bekommen und sein Husten wurde nicht besser. 
"Hast du Asthma?", fragte Susan unwissend. Ihr Zustand war dabei nicht viel besser. Die Influencerin war kurz davor, sich ein weiteres Mal zu übergeben, obgleich sich nichts mehr in ihrem Magen befand, das an die Oberfläche hätte wollen können.
"Wir sind alle im Schock", meldete sich Charles auf ihre Frage. Er sah in dieser Runde am besten aus, wenn man seinen alkoholisierten Zustand ignorierte. 
Wobei George ebenfalls ein wenig beschwipst wirkte. Wahrscheinlich hatte er sich heute gleichermaßen einen Drink gegönnt. Immerhin hatte er wenige Stunden zuvor die Leiche seines Kollegen gefunden gehabt. Mit den mysteriösen Nachrichten war es verständlich, dass die Gäste allmählich ihren Verstand verloren.
Brian kam kurzatmig um die Ecke gebogen. Schweißperlen hatten sich auf seiner Stirn gebildet. Wahrscheinlich war er durch das gesamte Gebäude gerannt.
"Der Butler ist wieder verschwunden", berichtete er nüchtern. Eine Erleichterung jedoch bot er. 
In seiner Rechten hielt er ein Brecheisen. "Aus dem Weg."
George ging vom Büro weg und gesellte sich zu den anderen, wo sie aus sicherer Entfernung Brian dabei beobachteten, wie er das Eisen ansetzte und mit seiner gesamten Kraft versuchte, die Tür aus den Angeln zu heben. 
"So wird das nichts", brummte Charles. "Hier, halt mal." Er drückte George sein Glas in die Hand und ging Brian zur Hand. 
Gemeinsam brachten sie keuchend und stöhnend die Kraft auf, die barrikadierte Tür aufzubrechen. Das Holz knackste bedrohlich, Sekunden bevor die Tür sich spaltete. Man hatte das Büro mit drei Sicherheitsschlössern und eigens konstruierte Bolzen verschlossen, weswegen sie sich nicht hatte öffnen lassen.
Brian und Charles keuchten gleichermaßen. Letzterer stieß die Tür schließlich mit einem Fuß auf. Sie schlug gegen die Wand rechts im Raum.
Im stockfinsterem Raum.
Brian tastete nach einem Lichtschalter, konnte aber keinen finden, weswegen Susan ihr Handy aus ihrer Leggings zog und die Taschenlampe einschaltete. 
Der Musiker nahm ihr das Smartphone ab, um in den Raum zu leuchten.
"Das Büro ist... leer?", raunte Katy hinter den beiden Männern.  

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