Kapitel 2

Ink's P.o.V.

Es sind mittlerweile weitere Monde vergangen, seid Kriegsgesangs Leichnam hier unten gelandet ist. In der Zeit hat sich nicht viel verändert. Die Katzen ertrinken weiter in ihren Gedanken, schreien sich weiter die Kehle wund, verschwenden weiter unnötige Energie und sterben letztendlich weiter an Hunger, Durst und dem Wahnsinn. Der Alltag halt. Jedoch hat sich in diesem Alltag etwas verändert zu mindestens in meinem Alltag, und zwar hat sich etwas an meiner Wahrnehmungskraft verändert. Der Wahnsinn frisst sich wie eine Krankheit durch mein Gehirn. Das Gefühl andauernd beobachtet und verfolgt zu werden schwindet nie von meiner Seite. Ich habe Verfolgungswahn. Immer wieder höre ich Stimmen flüstern, wie sie mir versuchen einzureden einen der Wächter vor der Hölle zu attackieren oder Selbstmord zu begehen. Des öfteren nehme ich Geräusche war, die ich schon lange nicht mehr gehört habe. Ein deutliches Anzeichen, dass ich Verrückt werde. Selbstmord werde ich so schnell nicht begehen, zumindest nicht solange ich es schaffe eine Katze aus diesem Höllenloch zu bekommen. Ich hatte es mir geschworen. Ich werde nicht so wie die. Ich hatte es mir hoch und heilig geschworen. Ich werde sie hier rausholen. Seid ein paar Tagen bilde ich mir mittlerweile sogar merkwürdige Fratzen ein, die in den Ecken der Höhle mir auflauern. Der Wahnsinn ist anscheinend intensiver geworden. Zudem ist Wispergeist seid geschätzter Ewigkeit nicht mehr in meinen Träumen erschienen, ich vermisse ihn schrecklich. Ich habe zwar noch Lua und Jeliel, ich glaube sogar Viola, als Freunde, aber die Zeit mit Wispergeist ist... unbeschreiblich. Wie auf ein Kommando blickt Lua in dem Moment zu mir und schreitet wenige Herzschläge später auf mich zu. Doch anstatt sie weiter aus den Augenwinkeln zu beobachten oder mich zu ihr zu wenden, denke ich weiter über den mystischen Kater in meinen Träumen nach. Er war... nein. Er ist mein einziger Hoffnungsschimmer in meinem jetzigen trostlosen, armseligen Leben. Ich vermisse den Klang seiner Stimme, das funkeln in seinen Augen, das leuchten seines makellosen Fells und die Schönheit seines gesamten Erscheinungsbildes... Jeder weitere Gedanke an den schönen Kater zerreist mich innerlich. Er hatte mich verlassen, obwohl er weiß wie sehr ich ihn brauche. Lua hat sich in der Zeit neben mich gesetzt und beobachtet schweigend ihren kleinen Bruder Jeliel. Er fängt wohl wieder an Zuckungen zu bekommen, die zusätzlich von merkwürdigen Geräuschen begleitet werden. Jedesmal, wenn das geschieht sehe ich ihn an wie er versucht diese Zuckungen zu unterdrücken und bei mehreren Misserfolgen sich letztendlich in eine Ecke zurück zieht. So wie ich mich immer in meinen Träumen zurück gezogen habe, zu Wispergeist. Seid seinen Verschwinden sehe ich in meinen Träumen nichts mehr als einen endlosen See neben dem ich immer wieder laufe. Fühle nichts mehr außer leere in meiner Brust und feinen Sand und weiches Gras unter den Pfoten meines Traum-Ichs. Höre nichts mehr außer das monotone Schappen des Wassers am Ufer und dumpfe Geräusche die sich mit jedem folgenden Traum, jeden folgenden Schritt klären. An jeden Tag bei dem ein Stück in mir die Hoffnung verliert und letztendlich vor Verzweiflung stirbt, wirkt dieser Weg länger und länger. Ich habe Angst bekommen zu träumen. Ich will nicht wissen was am Ende des endlosen Weges ist und dennoch rede ich mir immer wieder neue Hoffnung ein womit der Weg ein Stück kürzer wird. Ich will nicht wissen was diese Geräusche oder Stimmen preisgeben. Ich will einfach nur Wispergeist wieder haben. Ich will die Zeit mit ihm zurück haben. Ich will wissen wieso er weg war.
Um nicht weiter in Trauer um Wispergeist zu verfallen konzentriere ich mich nun auf die cremefarbene Kätzin mit der rötlichen Maske und den himmelblauen Augen neben mir und dessen kleinen weiß-silbernen Bruder mit der schwarzen Maske und den Ozeanblauen Augen vor uns. Gedanklich seufze ich kläglich auf. Wir reden nicht oft, da es nichts zu sprechen gab und meine beste Freundin manchmal plötzliche Ausbrüche erlitt wobei sie verletzende Worte sprach und verletzende Gesten tat. Ich wusste, dass sie es nie so meint während ihren Aussetzern und genau so gut wusste ich, dass sie dafür nichts kann. Und einfach schweigend da zu sitzen reichte uns vollkommen aus. Das spendete uns irgendwie am meisten Trost als miteinander zu sprechen. Beste Freunde müssen nicht immer reden um anderen zu verstehen.

Apropos Freunde. Vor knapp einen Mond habe ich eine andere Kätzin hier kennengelernt, ihr eigentlicher Name ist Viola. Sie gehört eventuell auch zu meinen neuen Freunden und ist so gesehen ebenfalls eine Veränderung in meinem Alltag. Ich war mir nie in allen Dingen ganz sicher bei der Schneeweißen Kätzin, denn es schien so als habe sie eine recht große Anzahl an verschiedenen Katzenseelen in sich. Es ist schwer zu erklären, sie scheint manchmal einfach wie eine fremde Katze mit einer fremden Persönlichkeit, mit einem fremden Namen zu sein. Obwohl einige der anderen Persönlichkeiten, so nenne ich es mal, mich nicht gut leiden können ist sie dennoch eine tolle Freundin. Bisher "durfte" ich Sayonara, Nyx und Harmony kennen lernen. Laut Lua soll sie noch weitere drei Persönlichkeiten namens Nyx, Niagara und Loreley haben. Sie sind zwar alle sehr unterschieden, doch geben Viola's facettenreichen Charakter preis und wirken wie eine Familie für die Schneeweiße. Faszinierend was der Verstand mit uns macht um uns zu schützen. An den wenigen Tagen wo ich mit ihr sprach und Viola, Viola war, erzählte sie mir oft wie sie mit den Sechs in Gedanken sprach und ihr auch, wie in diesem Gespräch, verschiedene Sachen sagten. Ich schaue mich nach ihr um, wenn wir schon bei Viola sind. Zu meiner Verwunderung kann ich sie nicht finden, sie hat sich wohl in den Schatten zurück gezogen. Oder Sayonara hat Nyx eingeredet, dass er versuchen soll abzuhauen. Schon komisch, wenn man von anderen Katzen spricht die dennoch die selbe Katze ist. Mein schweigsamer Blick gilt wieder den Geschwistern. Jeliel hat immer noch mit den Zuckungen zu kämpfen wie ich sehe, während Lua sich mit verkrampften Körper neben mir krümmt. Sie hat wohl wieder einen Aussetzer und versucht sich zusammen zu reißen. Mal schauen ob das etwas wird oder sie wieder auf jemanden losgeht. Mein Mundwinkel zuckt leicht nach oben als die Erschöpfung in den blauen Augen der Geschwister aufblitzt und somit den Inneren Kampf noch unterstreicht. Lange her, dass ich so etwas wie Lächle. Die Beiden sagten oft, sie seien verschieden, doch in Momenten wie diesen sind sie sich ähnlicher als nie zuvor. Ich lasse meinen Blick wieder durch die Menge gleiten. Alles ist so ruhig. Ich weiß noch, wie laut es an meinem ersten Tag war. Doch nun, kein Ton. Ich höre lediglich Atemgeräusche und leise Stimmen die miteinander sprechen. Die Katzen, die um uns herum in der schwach beleuchteten Höhle wuseln und die ich soweit erkennen kann, interessieren sich allerdings nicht für andere wie mich, sondern nur für sich selbst. Jedoch werden sie in der Hölle nicht als egoistisch abgestempelt, wie die Katzen auf der Erde die im Netz der Gesellschaft hängen es tun. Nein. Sie sind Überlebenswillig und kümmern sich sehr um andere. Sie sind alles, aber nicht egoistisch. Der Egoismus hätte uns schon längst alle umgebracht. Sie merken es nur nicht. Generell unterscheiden wir, die eingesperrten Katzen, uns nicht mehr voneinander. Hier gibt es keine Individuen mehr, die Individualität wurde einen nach dem ersten halben bis ganzen Mond genommen. Danach war man wie die anderen. Einsam. Gebrochen. Ein Nichtsnutz. Ein Platzverschwender. Vielleicht ein weiteres Mahl. Ein Spielzeug, ein nichts bedeutendes Etwas für die Katzen die über uns auf der Erde leben. Wir sind übrigens nicht tot, leider. Wir nennen unser Gefängnis nur Hölle, da dies dem Glauben an die Unterwelt stark ähnelt. Die Katzen die außerhalb dieser Höhle sind, womit auch unsere Entführer und Peiniger dazu gehören, leben selbsterklärend auf der Erde und nicht in der Hölle. Ich konnte noch nie gut erklären, was ich gerade merke. Meine Gedanken sind heute wieder so durcheinander, von einem Thema zum anderen. Ich glaube der Wahnsinn übernimmt nicht nur meine Wahrnehmungskraft sondern auch meinen Verstand. Vielleicht könnte dies auch der Grund dafür sein, dass Wispergeist nicht mehr in meinen Träumen war. Das ist mir noch nicht in den Sinn gekommen. Eine starke Welle aus Wut überrollt meine gesamten anderweitigen Emotionen und verschlingt sie regelrecht. SIE sind daran Schuld. Unbewusst fahre ich meine Krallen aus und komme mit ihnen mit dem kalten Steinboden in Berührung. SIE sind Schuld, dass ich hier sitze. Dass so viele Katzen hier sitzen. Wieso tun sie das überhaupt?! Flintmerzern, oder wie auch immer der Anführer dieser Gruppe heißt, muss doch irgendeinen Grund haben uns hier runter zu bringen. Was nützt dem das? Jeder hat einen Grund für seine Taten und seiner scheint der mysteriöseste zu sein.
Ungemeiner Zorn übernimmt meinen Verstand und schaltet zum ersten mal seit Monden diese Verrücktheit ab. Lua und Jeliel scheinen das zu merken, denn sie schauen nun zu mir, die Zuckungen und Ausbrüche scheinen wie vergessen. Jeliel murmelt mir mit einem verwirrten Gesichtsausdruck etwas zu, doch ich verstehe ihn nicht. Dieser Haufen Abschaum soll büßen. Büßen für ihre Taten. Immer mehr sterben hier. Immer mehr werden hier hinab gebracht. Werden gefoltert. Werden Verrückt. Und das Sinnlos. Mit Schock bemerke ich etwas schreckliches. Bis jetzt habe ich alles ausgeblendet. Alle Schreie. Alle Gebete. Alle Schluchzer. Alle Gewalttaten. Alles was für mich noch vorhin als "Ruhig" galt. In meiner Rage höre ich wieder alles auf mich einschlagen. Jedes einzelne Wort. Kein Wunder, dass ich es nicht gehört habe. Die Laute sind schrecklich. Wie in Zeitlupe stehe ich auf. Mein Kopf schlägt wild hin und her, suchend nach dem Ursprung dieser quälenden Laute. Leicht kauere ich mich zusammen. Diese Geräusche kommen von überall! Sie... sie hallen in meinen Kopf wieder um nur noch Intensiver zu schallen. Für Lua und Jeliel sehe ich bestimmt wie ein aufgescheutes Beutetier aus. Plötzlich wurde mir die Luft knapper und ich spüre wie ich hektisch begonnen habe zu atmen. Ich weiß nicht mehr was mit mir los ist! Das ist zum Fell ausreißen. Erst versinke ich in Kummer, dann schwelge ich in Nostalgie, im nächsten Moment bin ich zornig und nun beinahe noch panisch. Es ist so als kann ich mich nicht für eine Emotion entscheiden. Ich bleibe wieder mit dem Gesicht zu Lua und Jeliel stehen. Meine Beine zittern wie Espenlaub und noch immer ringe ich nach Luft. Für einen kurzen Moment verklingen die Laute. So kurz, dass ich erst denke es sei eine Einbildung gewesen. Und dann sehe ich warum die Katzen kurz verstummt sind. In der Menge liegt plötzlich eine fremde Kätzin. Dem Anschein nach ist sie noch völlig benommen, da sie verwirrt den Kopf schüttelt. Sie hatte beschmutztes aber dennoch schönes weiß-silbernes Fell, welches mich an Wispergeist erinnert. Ich sollte aufhören so oft an ihn zu denken. Erst jetzt steht sie auf und ich erkenne wie schrecklich dünn diese Kätzin ist. Auch Jeliel hat sie mittlerweile bemerkt, sein mitleidiger und ängstlicher Blick spricht förmlich Bände. Lua allerdings sieht sie noch nicht. Langsam setze ich mich in Bewegung, ich weiß wie schrecklich es ist von jedem ignoriert zu werden. An meinem ersten Tag war es nicht anders. Ich habe genau wie sie jetzt, geschockt und voller Panik umher geschaut. Ich habe wie sie Angst gehabt auf mich allein gestellt zu sein, weswegen ich mehr als froh und erleichtert war Lua, Jeliel und Viola kennengelernt zu haben. Mittlerweile habe ich aufgehört zu zittern und bewege mich mit einer verwirrten Lua und einem verschüchterten Jeliel im Schlepptau näher auf die Kätzin zu. Vor ihr bleibe ich stehen und ziehe somit ihren mit Tränen gefüllten verängstigten Blick auf mich. Ich sehe schon jetzt die Verzweiflung in ihren blauen Augen. So kann es nicht weiter gehen. Als ich meine Schnauze öffne, um die Kätzin anzusprechen wird mir bewusst wie kratzig, heiser und gebrochen meine Stimme klingt. Als habe ich Monde lang nicht gesprochen. "Hallo, mein Name lautet Ink. Die zwei Katzen hinter mir sind Lua und Jeliel. Wie heißt du, Fremde?", sind meine Worte zu der weiß-silbernen Kätzin. Ich konnte noch nie besonders gut mit anderen Katzen umgehen. Sie scheint ebenfalls schüchtern zu sein. "I-ich bin Aromaschlummer. Wo... bin ich hier? Was ist das hier für ein Ort?", fragt sie mich mit weinerlichen Unterton. Aromaschlummer? Sie hat so einen ähnlichen Namen wie Kriegsgesang... Gehört sie zu ihnen? Ist sie ebenfalls eine Verräterin? Was auch immer es ist, so kann das nicht weiter gehen. Lua antwortet für mich, während ich kurz nachdenke. "Willkommen in der Hölle, Aromaschlummer. Das ist der Ort von dem du höchst wahrscheinlich nie wieder flüchten kannst und nun ebenfalls dein Grab werden wird." Dafür kassiert sie von Jeliel einen Knuff in die Seite. Aromaschlummer ähnelt uns jetzt schon stark. Allein ihre Tränen der Hoffnungslosigkeit die ihr über die helle Wange laufen, deuten daraufhin. "Hör nicht auf Lua. Ich verspreche dir, irgendwann finden wir einen Weg hinaus. Wir sind schon lange hier unten gefangen und es wird mal Zeit, dass jemand etwas dagegen sagt.", beruhige ich sie ein bisschen. Ja, es wird Zeit, dass jemand die Stimme erhebt. Wir haben es schon zu lange stumm über uns ergehen lassen. Mit neuem Mut und einem Flämmchen Hoffnung werde ich einen Plan schmieden um hier raus zu kommen.


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~ Can't tell me there's no point in trying. I'm at one, and I've been quiet for too long...~
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