Blue Blood

Der Fernseher flimmert und geht aus. Jetzt ist es stockdunkel in dem kleinen Zimmer. Aufstehen möchte ich nicht, da meine Fantasie jetzt schon mit mir durchgeht. Ich stelle mir vor, wie Monster unter meinem Bett sind, nach oben starren, manchmal hervor gucken und sich verziehen, wenn Licht brennt. Nur brennt in diesem Moment kein Licht. Sie können ungestört kommen und ich bemerke sie erst, wenn es schon zu spät ist.
Der Sabber wird auf mein Gesicht tropfen und der Atem schiebt sich in meine Nase und meinen Mund, den ich bemüht geschlossen halte. Die hellen Augen schimmern durch die Dunkelheit hindurch, bohren sich in mein Gehirn. Lange, scharfe Klauen halten mich fest. Ich kann mich nicht bewegen und verspüre Panik. Eine Träne kullert mir über meine Wange.
Ich stelle mir vor, wie meine Leiche zwischen den zerschlissenen Kissen liegt, von der Dunkelheit umhüllt. Mein Haar ist mit Blut verkrustet und meine Lippen zu einem stummen Schrei geöffnet. Meine Augen sehen panisch aus.
Niemand wird merken, dass es ein Monster war, das mich so zugerichtet hat. Die Polizei wird es für einen kranken Serienmöder halten und es wird ungeschoren davon kommen. Niemand glaubt daran, dass dieses Wesen existiert. Ich bleibe als Leiche dort, keiner findet meinen Mörder, da niemand DNA-Spuren auf meinem kalten Körper findet.
Vielleicht finden mich meine Eltern, vielleicht mein Freund oder meine beste Freundin. Vor meinem inneren Auge erscheint ihr Gesicht, voller Trauer und Schmerz. Vielleicht brechen sie zusammen, vielleicht bewahren sie einen kühlen Kopf und rufen die Polizei. Ein Krankenwagen wird dann nicht mehr viel bringen. Er kommt trotzdem, das weiß ich.
Meine Familie könnte nicht mehr ruhen, bis es zur Strecke gebracht wird, aber niemand weiß, wo und was es ist.
Erkennt man eigentlich einen Unterschied, wenn ich es verletzte?
Hat sein Blut eine andere Farbe?
In meinem Kopf erscheint ein kleines Wesen, das blutet.
Es hat riesige Augen, einen dünnen Körper und sieht auch sonst nicht gruselig aus, wenn ich von den spitzen Zähnen absehe.
Aus seinem Arm fließt blaues Blut.
So schlimm sehen die Monster nicht aus, wenn ich sie mir vorstelle. Herrin meiner Fantasie bin ich. Ich kann mir ausmalen, was ich möchte und ich kann es genauso gut verschwinden lassen.
Ich erhebe mich. In meinem Kopf dreht sich alles. Langsam und unsicheren Schrittes gehe ich zu Tür, an deren Seite der Lichtschalter ist.
Ich schalte das Licht an. Es flackert und mein Zimmer ist hell erleuchtet.
Keine Gestalt schwirrt hier herum, kein Schatten verkriecht sich unter meinem Bett. Alles ist normal, wie es sein sollte.
Ich lasse mich auf meinem Nachtspeicher sinken, der direkt vor meinem Fenster steht, welches mit Lichterketten geschmückt ist. In der Mitte hängt ein roter Stern, den ich anschalte. Dann schalte ich die Deckenlampe wieder aus, setzte mich wieder auf den Nachtspeicher und starre hinaus in die Dunkelheit. Um dieser Uhrzeit ist niemand mehr auf den Straßen unterwegs, das kalte Licht der Laternen wurde abgeschaltet oder erst gar nicht eingeschaltet. Das kommt in meiner Gegend auch häufig vor.
Ich gähne. Das Gefühl von lähmender Müdigkeit überkommt mich. Oder es ist schon immer da, aber ich bemerke es erst jetzt.
Ich schließe meine Augen, aber irgendwie schaffe ich es nicht sie wieder zu öffnen. Mit geschlossenen Augen tappe ich zum Bett und lasse mich fallen. Meine Decke ziehe ich mir bis zu den Schultern hoch und darunter rolle ich mich wie ein Fötus zusammen. Meine Gedanken schweifen, doch ich bin so müde, dass ich wegnicke.

Ein Knacken ertönt. Langsam komme ich aus dem Schlafmodus heraus und schlage müde beide Augen auf. Dann höre ich ein Knurren. Ein Schatten kommt unter meinem Bett hervor. Eine Gestalt, ungefähr ein Meter lang und ganz dünn. Ihr Körper ist über und über mit Schuppen bedeckt, aus ihrem Gesicht leuchten mir zwei schmale, gelbe Augen entgegen.
Sie lächelt und entblößt so eine Reihe von scharfen Zähnen.
Sie huscht auf mein Bett. Ihre Krallen funkeln im roten Licht des Sternes. Einen Schritt, dann ist sie über mir.
Mein ganzer Körper scheint bewegungslos zu sein. Alles ist steif, nur ein Schmerz pocht in meinem Handgelenk.

Ich schrecke hoch. Meine Hand ist zwischen meinem Bettgestell und meiner Matratze eingeklemmt. Daher kommt der Schmerz. Zum Glück hat er mich geweckt. Meine Hand ziehe ich zu mir. Meine Augen wandern zu meinem Handy auf dem Nachttisch, jedoch traue ich mich nicht aufzustehen. Wer weiß, ob vielleicht wahrhaftig ein Monster lauert? Es kann auch sein, dass ich bloß zu große Angst vor nichts habe. Da ist nichts. Diesen Satz wiederhole ich wie eine Mantra. Da ist wirklich nichts. Meine Bettdecke liegt am Fußende. Ein Bein schwinge ich aus dem Bett. Und ziehe es sofort wieder ein. Kalt.
Ich bemühe mich wieder einzuschlafen. Langsam dämmere ich wieder weg.

Die Sonne scheint und dennoch regnet es. Dicke, blaue Tropfen. Sie tropfen von meinem Haar und meinen Wimpern. Sie rinnen über meinen Körper.
Blaues Blut, es regnet blaues Blut.
Am Himmel ist ein Regenbogen zu sehen, aber er sieht anders aus. Komisch.
Es sind nicht die normalen Farben zu sehen, sondern Blautöne und Grau. Ganz unten erkennt man auch leicht schwarz.
Was ist hier los?
Die Bäume sind rot. Blutrot.
Alles wirkt surreal. Ich mag es irgendwie. In meiner verrückten Vorstellung wirkt es toll. Mit dem Rot und dem Blau, welches das Rot an manchen Stellen überlagert.
Trotzdem fehlt etwas; etwas stört mich. Ich kann es momentan nicht ganz zuordnen.
Langsam laufe ich zu einem der Bäume, um mich unterzustellen. Der Boden dort ist noch violett. Violett wie das Gras vor dem Regenschauer war, der abflaut. Ich setze mich an den Baum gelehnt hin und starre auf die leblose Landschaft. Leblos. Das fehlt! Hier ist kein Leben. Kein Tier, kein Fluss. Nirgendwo lebt irgendwas, außer den Bäumen. Es kann nichts leben.
Die Regentropfen sind so dick, dass sie einem jede Luft zum Atmen nehmen.
Wenn sie einem in die Kehle fallen, hat man schon verloren.
Der Regen hat aufgehört, der Regenbogen ist schon weg.
Ich erhebe mich und trete auf die glitschige, blaue Wiese. Die Sonne scheint warm auf mein Gesicht.
Mein Blick wandert weiter. Über die Hügelkette. Dahinter ist wahrscheinlich wieder Gras. Nichts als Gras, Bäume, Büsche und Felsen. Nicht einmal unter den Felsen leben Maden, wie ich feststelle, als ich einen leicht anhebe. Meine Jeans ist vom Knien nass und blau.
Ich renne los. Ich muss hier weg.
Das ist mir zu unheimlich.
Meine Beine tragen mich und mein Atem geht weiterhin regelmäßig.
An einer Schlucht bleibe ich stehen. Es gibt nur einen Weg über sie hinweg.
Ein starker Baumstamm. Er sieht nicht gebrechlich oder morsch aus.
Jedoch gehe ich trotzdem auf Nummer sicher und stelle mich erst einmal auf den Teil, der noch auf festem Boden liegt.
Nichts passiert.
Weiterhin vorsichtig gehe ich noch einen Schritt nach vorne und noch einen. So lange, bis ich in der Mitte des Baumstammes stehe. Ich tue einen Schritt und rutsche ab.
Ein spitzer Schrei durchdringt die Stille. Mein Schrei.
Ich falle ins bodenlose Nichts.

Aufwachen werde ich niemals. Ich liege da in blauem Blut.

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