KAPITEL 20
Yuna konnte sich nicht bewegen. Nicht atmen.
"Nein", hauchte sie. Professor Libus lachte dunkel. "Das hier ist der Beweis. Du lässt dich zu sehr beeinflussen. Und genau deshalb wirst du nie mehr als ein schwaches Mädchen sein, das nicht stark genug ist, um zu kämpfen. "
"Yuna", flüsterte Flynn von hinten. "Du bist immer stark genug." Damit riss er Yuna aus ihrer Starre. Doch dann traf eine Erkenntnis sie wie ein Schlag. Sie konnte nicht kämpfen.
Bei dem letzten Kampf mit den schwarzen Gestalten hatte eine von ihnen ihren Stab zerbrochen. Verzweiflung machte sich in ihr breit, doch sie achtete darauf, sich nichts davon anmerken zu lassen.
Professor Libus würde es nur als weiteren Beweis sehen, dass sie nicht stark genug war. Langsam wanderte ihr Blick zu dem schwarzen, mit blutroten Fasern durchzogenen Stab, den Professor Libus in der Hand hielt. Sie musste bloß auf den richtigen Augenblick warten...
Auf den ersten Blick schien die Situation aussichtslos. Ihre Freunde griffen wie auf ein geheimes Kommando die Gestalten an, kämpften verzweifelt, doch Yuna merkte, dass es nicht gut genug war. Sie waren unterlegen.
Aber dann sah sie vorsichtig zu Professor Libus. Er war ein Verräter. Ein Lügner.
Doch in einem Punkt hatte er recht. Die Ruhe, die sie in Kämpfen bewahren konnte, war ihre Stärke.
Diesmal hatte er sie unterschätzt.
Jetzt. Ihr Geist gab Yuna ein stummes Signal. Sie schnellte nach vorne und entriss Professor Libus den Stab. Er war überrumpelt und sein Griff locker, sodass sie kein Problem damit hatte. Yunas Atem ging schneller. Jetzt durfte sie keinen Fehler machen, denn es kam auf jede einzelne Sekunde an.
Kaum hatte sie jedoch den bedrohlich wirkenden Stab an sich genommen, schoss ein elektrisches Kribbeln durch ihren Körper. Die Kraft der Waffe schien ihre Energie direkt auf sie zu übertragen.
"Los!", brüllte Yuna zu ihren Freunden, die auf das Kommando hin einen zweiten Kampf starteten. Linh wirbelte herum, versetzte einer der drei Gestalten einen Schlag. Cosmo tat dasselbe. Die beiden getroffenen Männer wichen einige Schritte zurück.
Yuna trat nach vorne und sah Professor Libus entschlossen in die Augen. Die Energie des Stabes brodelte in ihrem Inneren und schien nur darauf zu warten, freigesetzt zu werden.
Ihr ehemaliger Professor in Geschichte der Custos schien jedoch nicht im geringsten beunruhigt zu sein. "Yuna, du überschätzt dich selbst. Du bist bei Weitem nicht so stark, wie du jetzt vielleicht glaubst. Du wirst nicht mit einem verfluchten Stab umgehen können."
Yuna reagierte nicht, sondern fixierte Professor Libus konzentriert. Er schien nicht gemerkt zu haben, was die Waffe mit ihr gemacht hatte. Er würde sich nicht gegen sie wehren können. Sie war so nah dran. Doch eines musste sie noch wissen.
"Sind Sie der Time Lord?" Professor Libus lachte gehässig. "Du bist so naiv. Hinter all dem steckt etwas größeres, was du nicht verstehst. Was du niemals verstehen wirst." Wut loderte in seinen Augen. "Diese Welt ist ungerecht. Wir sind nicht die Bösen. Wir sind schlicht und einfach sie, die erkannt haben, wo das Problem liegt. Und wir sind die einzigen, die sich trauen, dagegen anzukämpfen."
Professor Libus kniff die Augen zusammen und funkelte sie an. "Bring mich um, Yuna, wenn du kannst. Ich bin nicht der Time Lord. Die Black Time wird weiterkämpfen, mit oder ohne mir." Seine Gelassenheit beunruhigte Yuna. Etwas hier stimmte nicht. Und dabei war es so simpel.
Sie musste nur den Stab in Professor Libus Körper stoßen und sich dann die anderen Gestalten vornehmen. Sie hatte einen langen weg voller Widerstände und Gefahren hinter sich. Sie wollte sich an Professor Libus rächen, der daran Schuld war, dass sie beinahe verbrannt und auf andere Art und Weise gestorben war. Doch nun, wo es endlich so weit war... konnte sie es einfach nicht.
Etwas in ihrem Inneren hielt sie davon ab, einen lebendigen Magier einfach umzubringen. Sie konnte ihn nicht ohne ein schlechtes Gewissen töten. Ein siegessicherer Ausdruck machte sich auf Professor Libus Gesicht breit. "Und genau das ist der Grund, warum du uns immer wieder unterlegen bist."
Plötzlich ging alles viel zu schnell. Professor Libus versetzte versetzte Yuna ohne Vorwarnung einen festen Tritt in die Rippen. Ihr blieb die Luft weg. Unerträgliche Schmerzen machten sich in ihr breit und sie fiel nach hinten auf die harte Brücke, die bedrohlich schwankte. Entsetzt spürte sie, wie Blut durch ihren Umhang sickerte.
Doch auf einmal nahm sie wahr, wie Yunus und Flynn sie unter den Armen packten und aufrichteten. Sie zwang sich dazu, die Augen zu öffnen und einige Meter nach vorne zu gehen. Linh reichte ihr Professor Libus Stab, der ihr bei dem Fall aus der Hand geglitten war.
Als Yuna ihn nahm, kippte sie beinahe erneut um. Die Energie jagte durch ihren Körper, fast wie ein Feuerwerk, das in all seinen Farben am Himmel explodierte. Sie spürte nur noch die Kraft der Waffe und blendete alles aus, was in ihrer Umgebung vorging.
Dieses Mal zögerte sie keine Sekunde und schlug Professor Libus den Stab mit einer solchen Wucht in die Seite, dass er von der Brücke fiel und in dem gigantischen Wald verschwand.
Das Adrenalin pulsierte in Yunas Adern, als sie die beiden anderen Gestalten auf dieselbe weise angriff. Diese versuchten, sich zu wehren - chancenlos. Yunas Körper fühlte sich an, als stünde er in Flammen. Sie begann erst wieder zu atmen, als die schwarzen Umhänge der Männer in dem grünen Dickicht eintauchten. Izzy war frei.
"Du hast es geschafft!" Flynn lief auf sie zu und schloss sie in seine Arme. "Du bist unglaublich."
Langsam kam Izzy auf Yuna zu, die allerdings schon von den anderen umringt wurde. "Alles okay bei dir?" Besorgt musterte Haily Yuna. Stumm schüttelte sie den Kopf. Ihre Rippe schmerzte so sehr, dass sie kaum noch klar denken konnte. Doch sie hatte es geschafft - und das war alles, was im Augenblick zählte.
"Wenn ich auch mal etwas sagen dürfte?" Yuna konnte nicht glauben, dass sie Izzy vergessen hatte.
"Danke, Yuna."
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