Playboy Mommy

Montag Nachmittag. Mom war gerade in der Phase ihres kreativsten Schaffens für den Tag und ich in meiner Phase kreativsten Rumsitzens.

Lasst mich den Raum analysieren: viereckig, dreidimensional, unterirdisch, verspiegelt, deshalb größer wirkend, schlechtes Feng-Shui.

Barbara saß vor dem Spiegel. Barbara im Spiegelland. Gleich würde er mich aufsaugen.

Urplötzlich überkam mich eine Lust, mir Motoröl übers Haar zu schütten.

Solche Ideen hab ich manchmal und dann lassen sie mich nicht mehr los. Sie quälen mich Tage, manchmal Wochen, bis ich sie runtergeschluckt und verdaut habe.

Es gibt viele Ideen, die alle in meinem Magen geendet sind, als Magenschmerzen oder als Unpässlichkeit oder hin und wieder in Übergeben mündeten.

Mein Magen ist sehr empfindlich, was Ideen angeht. Er hätte es wohl auch lieber, wenn ich die eine oder andere mal in die Tat umsetzen würde.

Nun, ich werde sie alle mit ins Grab nehmen!

Motoröl im Haar. Das wäre jetzt cool. Auf den Moment gefiel mir, wie es aussehen würde, wenn mir eine schwarze Brühe die Schläfe herabrinnen würde.

Ich schaute mich um. Ich würde das einzige schwarze Fleckchen in diesem Raum sein. Der schwarze Fleck der Familie...

Ich mochte es, wenn ich bei irgendwas, das „einzige" war, oder die Idee, „einzig" zu sein.

Tatsächlich war ich ständig „einzig" und es fühlte sich nach nicht besonderem an. Ich merkte es noch nicht mal, wenn ich das „einzige" Kind auf der Erwachsenen-Party, das „einzige" angezogene Mädchen auf dem Photo shoot war, wenn ich als „einzige" den Umkleideraum nicht verließ.

Mom ist da ganz anders. Sie mag es im Mittelpunkt zu stehen, aber sie mag es auch in einer Gruppe zu sein und überhaupt fällt es ihr leicht glücklich zu sein, mit dem was sie ist.

Sie ist abhängig von Nikotinpflastern und mag Zitronenduft. Sie ist Photomodell. Sie arbeitet für den Playboy. Sie muss ständig herumreisen. Sie hat eine Tochter und diese Tochter bin ich.

Sie hat nicht oft Ideen. Vielleicht war ich ihre „einzige". Und sie hat mich nicht untergeschluckt. Oder doch?

Im Moment schien mich der Raum zu verschlucken.

Er sah in jeder Ecke aus, wie sanft geschmacksverstärkter Traubenzucker und es roch entsetzlich nach Zitrone.

Langeweile ließ mich im Zimmer auf und ab gehen und alles ganz genau beobachten. Nichts was mein Interesse hätte wecken können. Weit und breit kein Motoröl!

Alles abgeschliffen, sauber, frisch und süß! Ein Wunder, dass es einen solchen Ort überhaupt gibt! Gänzlich dekadent und weltfremd. Wie ein naives Märchen, an das man noch nicht mal glauben möchte, wenn man mitten drin steht.

Zehn Jahre später, stellte ich mir vor, würde man sich an meine Mutter erinnern. Sie würde längst tot sein, da machte ich mir nichts vor. Diese Frau würde so nicht mehr existieren. Früher oder später zieht es ihresgleichen alle auf ein englisches Landhaus, weil sie den Zitronenduft nichts mehr ertragen.

Dann würden sie mich fragen: Wie war sie denn so als Mutter? Hast du sie verurteilt, weil sie nie Zeit für dich hatte? Weil sie dich mitgeschleppt hat? Weil sie dich vernachlässigt hat?

Ich würde sagen: Sie war einzigartig, weil es das einzige ist, was alle Kinder über ihr Mutter sagen.

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