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· sarcasm ·
the use of remarks that clearly mean the opposite of what they say, made in order to hurt someone's feelings
× × ×
Es ist, als wäre mein geistig begrenzter Schutzengel augenblicklich wieder in seinen ewigen Dornröschenschlaf gefallen, gleich nachdem er für eine viel zu kurze Zeit seinen heiligen Glitter über mich geworfen hat.
Denn kaum kommt die rettende Tür in Sicht und spornt mich nochmals zu Höchstleistungen an, knistert es plötzlich leise über mir; und der Strom fällt aus.
Boom, zack.
Ohne Vorwarnung, ohne Countdown. Einfach weg.
Innerhalb dem Bruchteil einer Sekunde erlischt jede noch so schwache Beleuchtung, das Surren der Kühlregale verstummt abrupt und zurück bleibt eine eiserne Stille, die mir durch Mark und Bein kriecht. Es herrscht eine düstere Stimmung im menschenleeren Gebäude, die einzige Lichtquelle bietet der kaum erleuchtete Abendhimmel der unerreichbaren Außenwelt. Doch selbst dieser Schein ist gräulich und dumpf, als wolle er das Szenario noch etwas dramatischer wirken lassen.
Natürlich lasse ich es mir nicht nehmen, trotzdem gegen die automatische Schiebetüre zu laufen. Ich trete und schlage und werfe mich mit all meinem Fliegengewicht gegen das dicke Glas, doch das elektronische Teil zeigt mir seinen nicht vorhandenen Mittelfinger, indem es einfach gar nichts tut. Nicht mal einen Notfallschalter kann ich auf die Schnelle finden. Was für ein apokalysen-freundliches Sicherheitssystem mein Kaff doch hat.
Hinter mir ertönt das gut bekannte Klack-Geräusch, und ich kann durch die schwache Reflexion der Scheibe eine Gestalt ins Blickfeld treten sehen. Natürlich ist mir klar, dass es der Kater sein muss. Sonst ist ja niemand hier.
Hektisch umfasse ich den Fleischspieß fester, atme tief durch und wende ich dann betont langsam zu meinem Feind um.
Er hält die Arme immer noch verschränkt, seine dunklen Augenbrauen sind fragend zusammengezogen und er mustert mich mit einem undefinierbaren Blick. Seine Augen wandern abermals suchend über mein gesamtes Erscheinungsbild, als vermisse er irgendein ausschlaggebendes Detail, bis sie schließlich an meinen eigenen hängen bleiben. Für einen Moment bannt mich der Anblick des grellen Farbtons, sodass ich beinahe vergesse, dass ich gerade meinem baldigen Tod gegenüberstehe.
Die Iriden sind wirklich stechend grün und scheinen wie von innen heraus zu leuchten, fast schon unmenschlich - haha.
Wie witzig ich bin. Wahrer Galgenhumor.
Und doch haut mein Flachwitz in diesem Fall tatsächlich hin; denn jedes andere Lebewesen hat normalerweise einen Farbverlauf, eine Abstufung, eine Mischung aus verschiedenen Nuancen in seiner Iris versteckt. Aber bei diesen ist da nur grün; grell und giftig, wie ein Leuchtstift. Im fahlen Dämmerlicht glühen die spitzen Pupillen auf wie zwei kleine Taschenlampen, leuchten mir neugierig entgegen.
"Ich... komme in Frieden?"
Es klingt mehr wie eine unsichere Frage, als wüsste der Kater nicht genau, wie er mit einem verschreckten Menschlein umzugehen hat.
Endlich löst er sich aus seiner Macho-Pose und hebt unterwürfig die Hände über den Kopf, als würde ich ihn bedrohen. Was ich im Prinzip ja auch tue... oder zumindest versuche.
Dass er sich aufgrund eines kleinen Mädchens mit Grillspieß ergibt, wage ich zu bezweifeln.
Erst nach dieser bitteren Erkenntnis dringt der eigentliche Sinn seiner geschnurrten Worte zu mir durch.
Ach, er kommt also in Frieden?
Trotz eisiger Klauen der puren Todesangst um meine Brust kann ich eine entflammbare Hitze in mir aufsteigen fühlen. Eine glühend heiße Welle, bestehend aus bitterem Zorn und geballt mit einer Menge Überlebenswille und gehässigem Sarkasmus, rollt über meine Panik hinweg wie ein Tsunami und fegt sie für einen Moment aus meinem Kopf.
"Ach ja? Wo war denn davor dein weißes Fähnchen, hm?"
Meine Stimme klingt rau, aber nicht minder kalt. Mit Genugtuung kann ich erkennen, wie mein Gegenüber unter meiner gezischten Anschuldigung leicht zusammenzuckt. Seufzend lässt er die Arme sinken und verschränkt sie wieder vor seiner Brust, doch er meidet meinen Blick und sieht stattdessen zu Boden.
"Ich habe nicht..."
"Ach nein?!"
Es mag naiv und leichtsinnig sein, doch die Defensive der Mutation lässt mich nicht unberührt. Wie aus einem inneren Instinkt heraus ziele ich genau auf den neu gefundenen wunden Punkt des Gegners, und eröffne sogleich das Feuer.
"Ihr kommt in Frieden, aber zerfleischt alles, was noch so dürftig fleucht und keucht! Wie witzig. Aber leider macht man das nicht so in unserer Gegend, weißt du? Da bringt man niemanden aus purer Langeweile um!"
Meine Stimme wird unbeabsichtigt immer lauter, doch es zeigt Wirkung.
Der Kater tritt einige Schritte zurück und streckt mir beschwichtigend die Hände entgegen, doch ich habe die Schnauze noch lange nicht satt.
"Was rennt bei euch eigentlich schief? Seid ihr aus dem Kuscheltierladen entkommen, oder was? So auf Friedhof-der-Kuscheltiere-Art? Ich brauche so einen Mutanten-Scheiß nicht in meinem Vorgarten, danke der Nachfrage. Geht gefälligst zurück nach Chernobyl, in die Kanalisation oder wo ihr sonst auch hergekommen seid!"
Ich fühle mich mächtig - ja fast schon unbesiegbar - wie ich das Kätzchen zur Schnecke machen kann. Zumindest hält dieses teuflische Hoch so lange an, bis der Kater sich ohne Vorwarnung in Bewegung setzt und mit wenigen blitzschnellen Schritten auf mich zukommt, mir mit einer fließenden Bewegung den Spieß entreißt und mit bloß einer Hand meine beiden Gelenke fixiert, sodass ich plötzlich völlig wehrlos und perplex direkt vor der zwei Meter hohen Mieze stehe.
Das alles geht so schnell, dass ich nicht einmal die Zeit habe, zu schreien. Oder zu schimpfen. Oder sonst irgendwie zu reagieren.
Sattdessen erstarre ich zu einer reglosen Salzsäule, die Lippen vor Verblüffung leicht geöffnet und die Augen vermutlich so groß wie zwei Schneekugeln.
"Hör zu...",
knurrt der Kater mir bedrohlich leise ins Gesicht, doch seine Stimme selbst ist emotionslos und monoton. Heißer, nach Blut stinkender Atem prallt gegen mein schweißig-feuchtes Gesicht.
"Ich habe keine Ahnung, was hier los ist. Ich habe keine verdammte Ahnung, warum meine Kollegen herumrennen und wie irre Zombies Menschen anfallen. Und vor allem weiß ich nicht, was passiert ist, bevor ich mit einem netten kleinen Messer in den Rippen zu mir gekommen bin.
Und ich wäre dir äußerst dankbar, wenn du mir meine Wissenslücken füllen könntest. Jetzt."
Der dunkle Bass bereitet mir schon wieder eine angstvolle Gänsehaut und ich zerre halbherzig an dem Griff um meine Handgelenke, jedoch wie erwartet ohne Erfolg. Er ist nicht sehr fest, schmerzt auch gar nicht, doch die Faust ist eisern und rührt sich keinen Millimeter vom Fleck, so sehr ich auch daran rütteln mag.
"Ich...",
presse ich dünn hervor, fasste mich dann aber schnell wieder. So leicht würde ich nicht Schweif und Krallen einziehen, das ist unter meiner Ehre.
"Seit wann sind wir denn per Du?",
gebe ich möglichst sarkastisch von mir und schnaube ihm kräftig ins Gesicht.
"Geh und hol dir deine Whiskas-Dose aus dem Tierfutterregal, oder ein Snickers, du Diva. Aber lass mich in Ruhe, Flohbeutel."
Herausfordernd recke ich das Kinn weit in die Höhe, reiche meinem Gegenüber damit aber bloß bis zur Schulter. Der Kater knurrt genervt und seine Pupillen verengen sich kaum merklich. Oh nein.
Was ist, wenn dieser Blutrausch durch Wut ausgelöst wird? Treibe ich ihn gerade zu einer erneuten Verwandlung in ein wahnsinniges Monster? Immerhin hat er sich im Moment scheinbar doch halbwegs im Griff und sabbert mir nicht vor Mordlust ins Gesicht. Ich Genie bringe mich möglicherweise gerade selbst um...
Doch es dauert keine zwei Sekunden, da klärt sich der wütende Blick des Katers auch schon wieder. Anstatt dass ihm schäumender Geifer aus den Mundwinkeln tropft, entfährt ihm bloß entnervter Seufzer.
"Dann machen wir es halt verständlich für die ganz Blöden unter uns. Fangen wir leicht an: Wo bin ich?"
"In einem Einkaufsmarkt, du Idiot."
"Warum bin ich hier?"
"Um eine Mordstsimmung zu machen, wie's aussieht!"
"Wie lange bin ich schon hier?"
"Lange genug. Du darfst wieder gehen, tschüss."
"Warum kannst du mir nicht einfach normal antworten?!"
Jetzt klingt er ehrlich frustriert, er versucht seine aufsteigende Verzweiflung jedoch mit einem tiefen Knurren zu überspielen. Doch ich habe das leichte Zittern in seiner Stimme trotzdem gehört; und es macht mich stutzig. Irgendwie passt diese kaum erkennbare Verletzlichkeit nicht zu einem grausamen Mörder.
Doch ich bewahre mein kaltes Pokerface, um mir meine Verwirrung nicht anmerken zu lassen.
"Ich bin doch nicht blöd! Damit du mir danach dann doch die Kehle durchbeißen kannst, oder wie? Das passiert doch immer in den Filmen so. Ich bin kundig, weißt du!"
Unsere Blicken verhaken sich ineinander, keiner willig, den stummen Kampf um die Oberhand zu verlieren. Er mag ja wirklich beängstigend wirken, doch gegen meinen Sturschädel hat er keine Chance; und schließlich ist es tatsächlich er, der den Blick als erstes abwendet. Hah, gewonnen.
Der Griff um meine Handgelenke lockert sich allmählich, ehe ich letztendlich gänzlich freigegeben werde. Der Kater tritt einen kleinen Schritt nach hinten und fährt mit beiden Händen seufzend durch sein Haar. Am Kopf ist es tatsächlich etwas länger als am übrigen Körper, was ihn einen Moment lang noch ein Stück menschlicher wirken lässt.
"So funktioniert das nicht",
murmelt er mehr zu sich selbst als zu mir und verkreuzt wieder die Arme vor seiner Brust. Schon langsam bin ich mir sicher, dass dies mehr eine abwehrende als lässige Geste ist.
Der lange, buschige Katzenschweif peitscht aufgeregt hin und her und fegt knapp über den dreckigen Boden hinweg, als er wieder zu sprechen beginnt.
"Ich will nur wissen, was hier los ist, und was ich mit dir gemacht habe. Mehr nicht. Dann lasse ich dich in Frieden, ok?"
Auf einmal entknotet er seine kräftigen Arme und streckt mir seine Hand hin, als sollte ich einschlagen. Unschlüssig starre ich die helle, felllose Handfläche an. Die Haut ist an dieser Stelle nicht braungebrannt, sondern zart und rosig, wie bei der Pfote einer Katze.
Alles in mir sträubt sich, diesen bekrallten Pranken auch nur einen Mikrometer näher zu kommen.
"Deal?"
Sollte ich echt darauf eingehen? Immerhin will er danach wieder abhauen, und ich kann alleine hier bleiben. Zwar werde ich auf mich alleingestellt wohl kaum lange durchhalten, doch mit dem Feind persönlich in der direkten Reichweite steht es wohl kaum besser...
Ganz langsam, dass selbst der Zeitlupeneffekt hier schneller verlaufen wäre, hebe ich die Hand und strecke sie nach seiner aus. Mit jedem Centimeter Abstand, den ich mehr überbrücke, steigt die Angst in mir wieder, doch ich versuche meine zitternden Finger so gut es geht unter Kontrolle zu halten.
Bloß keine Angst zeigen. Ich habe keinen Respekt vor menschenfressenden Mäusejägern.
Mit einer Engelsgeduld wartet der Kater vollkommen reglos, bis meine Hand auf gleicher Höhe wie seine schwebt, dann erteilt er mir den Gnadenstoß und ergreift sie. Nun, da kein Schreck meine Sinne lähmt, kann ich deutlich die hohe Körperwärme durch die weiche Haut pulsieren spüren, wie ein Thermophor fühlt es sich an. Bestimmt hat er eine Körpertemperatur von 40°C, wenn nicht mehr.
Ein quälend langer Herzschlag vergeht.
Dann noch einer.
Meine Gedanken kreisen unaufhörlich.
Was jetzt? Soll ich warten, bis er mich loslässt? Oder soll ich mich eher rasch losreißen, bevor er noch irgendetwas Dummes tut?
Diese schwere Entscheidung wird mir jedoch abgenommen, als der leichte Druck um meine Hand sich plötzlich schlagartig verstärkt und mein Körper mit einem kräftigen Ruck nach vorne gerissen wird. Unvorbereitet stolpere ich einige Schritte dem heftigen Zug hinterher, falle an dem Kater vorbei und umarme der Länge nach den Fließenboden.
Mir liegt bereits ein herber Fluch auf den Lippen, als es hinter mir auf einmal ohrenbetäubend knackt und knirscht, ich kann Glas bersten und splittern hören. Das protestierende Ächzen von Metall auf Metall zerschneidet die Stille wie eine rasiermesserscharfe Klinge und bohrt sich widerlich in mein Trommelfell.
Mein Blick schießt herum und bleibt sofort an der Glasscheibe der Schiebetür hängen.
Es starrt mich direkt an, das Ding. Mit gelben, großen Augen, größer als jedes Little-Pet-Shop-Tierchen sie je besessen hat.
Dunkelbraune Federn umhüllen den Körper des Viehs und bilden einen dunklen Heiligenschein um den kugelrunden Kopf. Das Gesicht ist seltsam breit und abgeflacht, und doch erweckt es mit der langen Nase einen spitzen, hakenförmigen Eindruck. Wie das einer... Eule.
Das Ding schreit laut auf, dabei klingt es wahrhaftig wie ein wütender Greifvogel. Die Rufe werden immer schriller und spitzer, bis sich wage Worte aus dem dumpfen Lärm herauskristallisieren.
"Mensch! Mensch! Tötet sie!"
Eine eisige Gänsehaut läuft mir das Rückgrad hinab und lässt mich erschaudern.
Starr sehe ich dem riesigen Vogel zu, wie er ruckartig von der angebrochenen Scheibe zurückweicht. Dann stürzt er sich abermals vorwärts, das Glas gibt entgültig nach und zersplittert unter dem Gewicht der hagernen Gestalt.
Splittern. Glas.
Die Szene aus dem Bus kommt mir augenblicklich in den Sinn. Ich meine wie in Trance, aus den Eulenschreien heraus das leise Weinen von Kindern zu hören; ein stechend heißer Schmerz kriecht mir vom Herz beginnend hinauf bis in den Nacken und lähmt mich in meiner kauernden Position. Ein seelischer Schmerz.
Die Schuld.
Vielleicht sollte ich schreien, laufen, weinen. Irgendetwas tun.
Stattdessen sehe ich der Mutation nur stumm entgegen, als sie sich mit einem Satz auf mich stürzt.
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Anmerk:
Wie findet ihr die neue Schriftart auf dem Cover? :3
× κεκsκακαδυ ×
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