Chapter 22
Zu Hause wollte ich direkt in mein Zimmer verschwinden. Ich hatte nicht mehr die Kraft überhaupt irgendetwas zu tun. Ich hatte nicht einmal mehr die Kraft zu Leben.
Es war inzwischen Abend und ich traf meine Eltern im Wohnzimmer an. Sie sahen sich wie immer die Nachrichten an. Eigentlich wollte ich vorbei gehen, doch die Nachrichtensprecherin hielt mich auf.
"Das Mädchen wurde mit schwersten Verletzungen gefunden. Sie wurde noch am Unfallort ohnmächtig, aber von dem Krankenwagen sofort ins Krankenhaus gefahren. Sie scheint Ausländerin zu sein, aber hier in Seoul zu leben. Der Fahrer, ein 20 jähriger junger Mann wurde von der Polizei festgenommen und verhört."
Bilder flimmerten über den Bildschirm. Es zeigte Hyuhwa mit einer Decke am Unfallort bedeckt. Am weißen Transportwagen waren Blutspritzer zu sehen, Hyuhwa selbst wurde unkenntlich gemacht. Man konnte einen Zipf ihrer dunklen Haare sehen, die in rotem Blut getränkt waren. Danach gab es Szenen wie man den Unfallort untersuchte.
"Die Polizei hat noch nicht beschlossen ob es ein Unfall war oder versuchter Mord. In dem Fall wird noch ermittelt. Das Mädchen ist im Krankenhaus und mittlerweile aus dem Koma erwacht. Die Ermittlungen finden im Moment noch statt. Und nun zum Wetter. Heute wird es..."
Ich starrte den Fernsehr an. Versuchter Mord? Von wem? Engel würde sich nicht selbst umbringen, das könnte sie nicht. Und ein anderer? Wer sollte meinen Engel umbringen wollen?
Ich rannte hinauf in mein Zimmer, ich wollte nichts mehr wissen und hören.
Der Tag heute war schon Hölle genug gewesen, ich brauchte ihn nicht in doppelter Dosis.
Ich legte mich aufs Bett. Dann wartete ich bis das Taubheitsgefühl einsetzte.
Engel...
Eine Träne lief mir über die Wange.
5 Tage traute ich mich nicht mehr aus dem Zimmer. Kein Essen, kein Schlafen, kein Trinken, ich brauchte nichts. Ich versprürte keinen Durst, keinen Hunger, nichts würde meine Sehnsucht stillen können. Immer wieder wollte ich sie besuchen, aber ich traute mich nicht. Wenn ich sie sah, würde ich sicher einen Anfall kriegen.
Nach 1 Woche gab ich mir den Ruck. Ich ging erstmals aus meinem Zimmer raus, ich hatte Stunden genug mit meinen Gedanken allein verbracht. Sie hatten mich genug gequält.
Im Krankenhaus suchte ich wieder nach dem Zimmer. Das Zimmer war inzwischen eine Hölle für mich geworden. Ich klopfte, hörte wieder ihre Stimme die mir ein wenig Mut gab. Als ich eintrat, wurde der Albtraum aber schlimmer.
Dort saß Jungkook an ihrer Bettkante und hielt ihre Hand.
Fast wäre ich wieder hinaus gerannt. Ich versuchte meine Panik zu überspielen.
"Was machst du hier?", fragte ich ihn mit zusammen gebissenen Zähnen.
"Darf ich nicht meine Freundin besuchen?", antwortete er mit einer Frage zurück.
Ich schluckte. Freundin? Was für eine Freundin?
"Jungkook, was heißt Freundin?", zischte ich nun leise. Doch stattdessen antwortete mein Engel.
"Jungkook ist mein Freund. Angeblich waren wir vor meinem Unfall zusammen. Das wusste ich nicht, hatte ich sicher mit vergessen", erklärte sie überzeugt.
Was?
Nein.
Das stimmte nicht. Das ist eine Lüge! Eine gottverdamte Lüge!
Ich starrte ihn und sie ungläubig an.
Auf Jungkooks Lippen konnte ich ein schwaches Grinsen entdecken. Und seine Augen verrieten mir, das er erreicht hatte was er wollte. In ihnen lag pure Selbstsicherheit.
Mir wurde schwindelig, weshalb ich mich an der Wand abstützen musste. Mein Bauch fing an zu hyperventillieren und schmerzte.
"Jungkook. Aufs Klo. Sofort", stieß ich hervor. Er stand auf und wir gingen ins Klo, direkt nebenan.
"Was zur Hölle hast du ihr erzählt?!", schrie ich beinahe. "Nur die Wahrheit", gab er zurück und lächelte dumm mit verschränkten Armen. Ich war fast dabei ihn hier und jetzt umzubringen.
"Du richtiges Arschloch! Wieso fütterst du sie mit deinen vergifteten Lügen!", fuhr ich ihn an.
Er kam näher. "Jetzt hör mal gut zu, Min Yoongi. Sie gehört jetzt mir klar? Sie war immer meins. Und ich werde sie um keinen Preis an dich zurück geben. Du wirst sie nicht kriegen, ehe du in deinem Grab nach ihr schreist."
Ich bring ihn um. Das schwöre ich.
"Sie war nie deins! Lass sie ihn Ruhe! Du bist krank, Jungkook, ekelhaft krank! Wehe du-", doch er schnitt mir das Wort ab.
"Wehe was? Was dann? Du kannst mir nichts anhaben. Oder soll ich etwa der Polizei erzählen, das du sie vergewaltigt hast und sie deshab von der Gala verschwunden war in Panik, weil du sie ein 2 Mal belästigt hast?", drohte er hämisch.
Dieser Bastard.
Ich schlug ihm ins Gesicht, wollte ihn zu Boden ringen. Doch er blockte ab und wollte mich ebenfalls schlagen.
Bevor es in etwas größeres ausarten konnte, kam die Krankenschwester hinein, wie ich bemerkte. Wir beruhigten uns, aber ich war noch unter Strom. Die Wut war kaum zu bändigen, so war ich noch nie.
Wir liefen hinaus, so als wäre nichts gewesen. Die Krankenschwester gab Hyuhwa gerade eine Spritze und diese verzog danach schmerzhaft das Gesicht.
Ich wollte meinen Engel nicht leiden sehen.
Ich wollte nicht das Jungkooks ekelhafte Hände über ihren Körper wuselten, wie dreckige Kakarlaken.
Ich musste meine Trauer, meine Hölle beiseite schieben und Jungkook aus dem Weg schaffen.
Ich durfte nicht zu lassen, das er sie mir verdirbt.
"Mr. Jeon, könnten sie bitte mitkommen? Es gibt einige Formalitäten zu klären", forderte die Krankenschwester ihn auf. Er nickte uns folgte ihr aus dem Zimmer.
Meine Chance mit Hyuhwa zu reden. Ich ging an ihr Bett, ich musste ihr alles erklären.
"Enge- äh Hyuhwa. Hör mir bitte gut zu."
Sie nickte, verzog aber sofort schmerzhaft das Gesicht. Anscheinend bereiteten ihr ihre Schmerzen Leiden.
"Ich erzähle die Wahrheit okay? Jungkook lügt. Er ist nicht dein Freund, er war es nie. Hyuhwa, ich bin derjenige mit dem du die Zeit verbracht hast. Jungkook hasst du. Bitte glaub mir, du warst nicht einmal mit ihm befreundet", versuchte ich ihr verzeifelt ins Gewissen zu reden.
Doch sie war zu fremd. Sie war so anders. Das war nicht meine Hyuhwa.
"Ich kenne dich nicht. Außerdem wieso sollte Jungkook lügen? Er hat mir doch selbst unser Kussbild gezeigt. Wir müssen zusammen gewesen sein, sonst hätte ich ihn ja nicht geküsst", erklärte sie.
Ich fiel beinahe in Dunkelheit.
Das verkackte Bild. Sie dachte nun wirklich, sie sei mit zusammen.
Das konnte nicht sein. Nein, ich konnte sie nicht verlieren.
Er hatte sie manipuliert. Sie zu sich gezogen, er spaßte nicht.
Es war alles eine furchtbare Hölle. Ich musste aufwachen und Hyuhwa mit mir. Engel wo bist du? Wo bist du wirklich.
Ich sah sie an, ich sah ihr Gesicht. Sie schlug schüchtern die Augen nieder. Meine Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Meine Wunden brannten.
Das war sie nicht. Und ich wollte sie zurück haben.
Mittlerweile kam Jungkook ins Zimmer. "Ich denke du solltest jetzt gehen", sagte er bestimmt. Ich stand auf und verzog mein Gesicht zur Bitterkeit.
Warte ab Jeon Jungkook.
Hyuhwa's Gedächnissverlust ist Todesstrafe genug, aber sie als deinen Besitz zu markieren ist der Teufel.
Ich ging hinaus. Den Schmerz musste ich erstmal beiseite schieben. Erst kam die Nachforschung.
Nach 6 Wochen war Hyuhwa aus dem Krankenhaus entlassen worden. Ihre Wunden waren zwar noch vernarbt und brauchten mindestens ein halbes Jahr zum verheilen, aber ihre Knochenbrüche waren schon fast ganz und gehörten der Vergangenheit an. Außer die Wunde am Kopf, diese musste ständig beobachtet werden. Öffnetete sie und entzündete sie sich, würde sie sterben.
Ich hatte mich ihr angeboten, sie zu umsorgen, denn selbst zu Hause bei ihr musste sie noch Bettruhe halten.
Selbst wenn sie sich nicht erinnerte, konnte ich mich dennoch mit ihr anfreunden irgendwie. Diese Hyuhwa scheint netter zu sein. Die alte würde sofort auf Abstand gehen.
Wenigstens konnte ich ihr so nahe sein, indem ich mich um sie kümmerte.
Dennoch zeriss mein Herz jedes Mal, wenn ich sie ansah.
Es waren kleine Momente. Wenn sie aß. Wenn sie fernsehn schaute. Wenn sie stirnrunzelnd auf ihr Handy sah.
Ich wusste jedes Mal nicht mehr wohin mit mir.
"Brauchst du noch etwas?", fragte ich. Sie schüttelte den Kopf, ihre Haare flogen mit. Ich ging hinunter um den dreckigen Teller in die Spühlmaschine zu stecken. "Danke Yoongi, das du uns zur Hand gehst", bedankte sich Hyuhwa's Mutter und klopfte mir fürsorglich auf die Schulter. Sie wusste nichts von uns beiden. Oder besser gesagt von den Personen die wir waren, bevor ihr Unfall geschah. Sie wusste nicht wie nah ich ihrer Tochter gewesen war. Niemand wusste es, außer wir beide. Jetzt wusste es nur noch ich. Nur noch ich hatte die glitzernden Erinnerungen in meinem Kopf.
Jungkook war mit seinen Eltern in Amerika für 1 Monat, er schwänzte die Schule um Spaß zu haben. Aber mir war es nur Recht. Ich würde ihn umbringen, wenn er meinen Engel in meiner Gegenwart noch einmal anfassen würde.
Als die Spühlmaschine mit einem Surren anfing zu spülen, sah ich hinaus aus den rießigen Fenstern dieses Penthouses. Was sollte ich nur tun? Mein Leben war seit ihrem Unfall stehen geblieben. Tag für Tag wuchs mein Hass auf mich mehr, dafür das ich ihr das angetan hatte. Dafür das ich sie verjagt hatte. Dafür das ich sauer auf sie gewesen war.
Dafür das ich nicht da war als sie mich brauchte.
Du bist Schuld.
Ich fing wieder an fast zu hyperventillieren, ich stoppte meine Gedanken.
Oben lag Engel friedlich im Bett und sah sich eine koreanische Talkshow an. Ich setzte mich zu ihr. Sie hob den Kopf in meine Richtung und lächelte schwach.
Zack - ein weiterer Riss im Herz.
"Yoongi-ah? Willst du mir erzählen was wir so gemacht haben früher? Ich würde gern wissen", fragte sie mich mit großen Augen. Ich nickte und setzte mich weiter zu ihr auf.
Vor ein paar Tagen konnte ich sie überzeugen, das sie mich doch gekannt hatte und wir gemeinsam in eine Klasse gingen. Ich hatte ihr die Klassenliste gegeben, danach hatte sie mir geglaubt.
"Also, es gibt nicht sehr viel zu erzählen", fing ich an, indem ich sie belügte. Es gab eine verdammte Menge die es zu erzählen gab, ich konnte jedes Sekunde mit ihr zusammen aufzählen. Emotionale Sachen behielt ich für mich. Sie sollte vorerst die Oberflächlichen Sachen erfahren.
"Nun ja, wir waren befreundet."
Lüge. Wir hatten uns geliebt, nicht nur körperlich.
"Wir haben uns oft auf dem Schuldach getroffen, um gemeinsam die Pausen zu überstehen."
Wahrheit. Weiter.
"Wir hatten gemeinsame Schulprojekte. Und dann waren wir eben oft bei dir zu Hause und so."
Wahrheit vermischt mit Lüge. Ich war nicht nur bei ihr zu Hause um ein unnötiges Schulprojekt zu machen. Wir waren uns bei ihr das erste Mal nahe gekommen. Und nach ein paar Mal hatte ich gemerkt das mein verschlossener, übrig gebliebener
Tropfen Liebe für immer ihr gelten würde.
"Dann haben wir uns eben mal in der Stadt getroffen und Zuckerwatte gegessen."
Wahrheit? Wir hatten auch Händchen gehalten und ich bin von ihr zu Hause geflohen, als sie mich auf sie angesprochen hatte.
Feige Yoongi, erbährmlich feige.
"Dann war da eben die Jahresabschlussfeier. Und wir sind eben gemeinsam dorhin gegangen."
Wahrheit. Und ich wollte sie dort küssen, aber ich hatte mich nicht getraut. Außerdem hatte sie Jungkook dem Ekel eine überragende Faust ins Gesicht gegeben.
Ein wenig musste ich lächeln.
"Was? Ist dort etwas peinliches passiert?", fragte sie mich, als Reaktion auf mein Lächeln. Ich biss mir auf die Lippe und schüttelte den Kopf. Sie sah sofort beruhigter aus.
Ich redete weiter.
"Nach der Feier sind wir gemeinsam nach Busan in den Urlaub geflogen. War eine tolle Zeit."
Sie machte große Augen. Das Blau leuchtete heller.
"Dann mussten wir ja beste Freunde gewesen sein", schlussfolgerte sie.
Zack- Riss Nr. 10678 im Herzen.
Wir waren weitaus mehr, Engel. Busan war wunderschön und das Schrecklichste der Welt zugleich. Meine Lippen hatten deine nicht vergessen. Mein Körper hat deinen nicht vergessen. Und meine Seele kennt das Wort "Vergessen" erst gar nicht.
Wie ich dich im Wasser geküsst hatte. Als du mich abgewiesen hast, weil ich es so wollte am Anfang. Als du mich angeschrien hast und ich zur Vernunft gekommen bin.
Als ich nicht mehr warten konnte und du das Wichtigste für mich wurdest. Als ich mich in dich verloren hatte, so intensiv und farbenfroh wie noch nie.
Als ich dir die schönste Nacht deines Lebens bereiten wollte.
Die Liste könnte unendlich weiter gehen.
Doch als ich dich verletzt hatte, indem ich dir keinen Glauben schenkte als du die Wahrheit erzählt hattest über Jungkook.
Einen größeren Fehler im Leben gab es nicht. Ich schäme mich so sehr dafür.
"Und weiter?", fragte sie neugierig.
"Tja, das wars so zusagen. Danach waren wir gemeinsam auf einer Gala und danach weißt du ja was passiert ist, sicher hat es dir jemand erzählt."
Sie nickte und wurde ernster.
Wir sahen uns gemeinsam die koreanische Talkshow zu Ende, irgendwann schlief sie auf meiner Schulter ein. Meine Haut brannte vor Schmerz. Doch es fühlte sich wie seelischer Schmerz an. Tiefer, fieser seelischer Schmerz.
Eine Weile lag ich noch so da und genoss es still, dann stand ich vorsichtig auf um nach Hause zu gehen. Die Nacht hatte eingesetzt.
Und mit der Nacht, kam auch wieder die Taubheit wieder zurück.
Und die Gedanken die mich ermordeten.
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