Chapter 1
Genervt sah ich nach draußen, während wir durch Seouls Straßen fuhren. Ich saß in einem Range Rover Evoque, ein ziemlich protziges Auto wie ich fand. Aber meine Eltern wollten es so, Sicherheit hatte bei ihnen die höchste Priorität. Was konnte ich denn dafür, dass ich die Tochter eines Milliardenschweres Paares war?
Mein Chauffeur saß vorne und blickte ruhig auf die Straße. Heute sollte mein erster Tag in der berühmten Elite Privatschule in Seoul, in dem Stadtteil Gangnam sein. Ein paar Straßen weiter war auch das Penthouse meiner Eltern in einem Glaswolkenkratzer.
Das hier war schon mein 8 Schulwechsel innerhalb Asien und irgendwann werde ich noch die Geduld verlieren. Ich hatte es satt jedes Mal in eine neue Schule zu müssen, wenn wir jedes Mal aufs Neue umzogen. Ich hatte es satt immer wieder in diese neugierig, gaffenden Gesichter zu blicken, wenn ich, als eine Europäerin den Klassenraum betrettet und in perfektem Koreanisch sich vorstellen muss. Diese überraschenden Gesichter, wenn man als Nicht-Asiatin die Sprache des Landes beherrscht. Ja, es gibt so etwas wie Nicht-Asiaten die eine asiatische Sprache beherrschen, so dumm sind wir Europäer nicht.
Zu 100% werde ich mir nicht die Mühe machen, Freundschaften zu schließen. Wozu auch? Ich weiß sehr gut, dass ich nicht länger als 2 Monate hier bleiben werde. Höchstens 3. Also wozu Freundschaften? Total unnötig also. Ich war sowieso ein Mensch, der gerne einsam blieb. Ich komme gut alleine klar, gewohnt war ich die Einsamkeit sowieso, da meine Eltern nie Zeit für mich hatten.
"Wir sind da", sagte mein Chauffeur von vorne. Ich öffnete meine Augen die ich während der ganzen Fahrt geschlossen gehalten hatte, und sah aus dem Fenster. Die Schule war groß und sah recht modern aus mit der Kalkweißen Außenfassade. Eine sehr kantige und abstrakte Architektur. Ich bedankte mich mit einem Nicken in den Rückspiegel, strich meinen Rock der Uniform glatt und trat nach draußen. Sofort schlug mir die Frühlingshitze Seouls ins Gesicht. Ich wollte wieder in das geschütze, kühle Dunkle des Autos zurück.
Anscheinend hatte der Unterricht schon begonnen, denn draußen war kein Schüler zu sehen. Ich lief durch den sauber bepflanzten Innenhof zur großen Einganstür aus Glas. Drinnen nahm ich kurz meinen Zettel, den ich von der Schule gekriegt hatte, heraus und studierte ihn.
Gebäude A, Zimmer 6. Da fing mein Unterricht an. Ich begann mich auf dem Weg zu machen, indem ich mich an Hinweisen auf Schildern oder Wänden orientierte. Meine Schritte hallten von den Fluren wieder. Alles hier war sehr sauber und steril eingerichtet. Das einzige bisschen Farbe dass ich erkennen konnte, waren die exotischen Pflanzen und abstrakte Wandgemälde.
Irgendwann stand ich dann vor Zimmer 6.
Ich strich mir meine schwarzbraunen Haare aus dem Gesicht und plazierte sie vor meinem Oberkörper. Ich hasste meine langen Haare eigentlich, aber man konnte sich prima hinter ihnen verstecken, weshalb ich sie lang ließ. Ich klopfte einmal. Sofort drang ein gedämpftes "Herein" aus dem Zimmer. Ich trat hinein und lief schnurstracks nach vorne zum Pult, ohne vorher in die neue Klasse geblickt zu haben. Die Lehrerin sah eigentlich nett aus, aber ich hatte keine Lust mich einzuschleimen, geschweige denn einen netten Eindruck zu machen. Besser wenn ich während meiner Zeit hier Einzelgänger blieb.
"Ach du musst unsere neue Schülerin sein, willkommen", sagte sie mit einem Lächeln. Ich beschloss nichts zu sagen und verbeugte mich nur leicht. Natürlich musste sie mich direkt dann in den Blickfeld der ganzen Klasse rücken, indem sie mich aufforderte mich vorzustellen.
Nun gut, mein Moment war gekommen den auswendig gelernten Text herunter zu rasseln.
"Wenn ihr etwas von mir wollt, sprecht mich mit HyuHwa an. Wenn ihr nichts von mir wollt, seht ihr mich nicht an, sprecht mich nicht an, erwähnt mich nicht und lasst mich in Ruhe."
Keiner war fähig etwas zu sagen, alle starten mich nur an. Ob es an meinem perfekten Koreanisch als Europäerin lag oder meiner klaren Ansage, konnte ich nicht einschätzen. Aber es war mir egal, Hauptsache sie blieben mir alle vom Leib. Den koreanischen Namen habe ich mir angelegt, um nicht jedes Mal meinen deutschen Namen sagen zu müssen, den niemand in ganz Asien ausprechen konnte. Es war nervig mit anzusehen, wie sich die Koreaner bemühten meinen Namen auszusprechen und somit meine kostbare Zeit verschwendeten. Hier war ich HyuHwa und damit mussten sie leben.
Die Lehrerin lächelte kurz nervös und schickte mich neben einem gelangweilt ausehenden Jungen, der mintgrüne Haare hatte. Sie sahen aus wie Pfefferminzkaugummi, fand ich. Naja solange er mich nicht anspricht, kann ich mit allem leben. Ich setzte mich neben ihn und würdigte ihn keines Blickes. No Connections, no Problems.
Irgendwann während des Unterrichts hörte ich 2 Mädchen neben mir tuscheln. Sie sahen ganz hübsch aus, bestimmt einer dieser beliebten Kicher-Mädchen der Klasse. Davon gab es reichlich genug.
"Schau dir mal ihre Augen an. So ein helles Blau, hach, ich wünschte ich hätte auch solche Augen von Natur aus", flüsterte die eine ihrer Sitznachbarin zu, mit einem Seitenblick auf mich. Ich starrte strikt nach vorne und versuchte sie zu ignorieren. Was konnte ich dafür, dass ich die einzigste mit blauen Augen war. Pech, wenn die anderen Asiaten waren und braune Augen hatten. Nicht mein Problem.
"Und diese dunklen braunen Haare. Und woher kann sie so gut Koreanisch? Was denkst du woher sie kommt?", fragte die eine leise.
"Keine Ahnung. In welchem Land wohnen denn Blauäugige?", flüsterte die eine fragend zurück.
Fast musste ich grinsen, aber nur fast. Nah, was denkst du wohl wo Blauäugige wohnen? Im Meer oder was? Innerlich musste ich den Kopf schütteln. Soviel Dummheit tat schon echt weh. In den letzten Minuten der Stunde fingen an sich ein paar zu mir umzudrehen und mich anzustarren. Widerrum andere flüsterten mit Blicken auf mich. Ich tat so als würde ich die Blicke nicht sehen und konzentrierte mich auf das Gelaber der Lehrerin. Nur noch ein paar Minuten und ich konnte wieder alleine sein. Nur noch ein paar Minuten.
Neben mir fiel plötzlich ein Stift auf den Boden. Fast hätte ich vergessen das der Kaugummi Junge neben mir saß. Aus den Augenwinkeln beobachete ich wie er langsam sich bückte und den Stift aufhob. Dünne Beinchen hatte der Junge. Passte irgendwie zu ihm, wie ich fand.
Die Klingel klingelte und alle anderen neben mir sprangen sofort auf und packten ihre Sachen zusammen. Sofort schwoll die Lautstärke im Zimmer und auf den Fluren draußen unerträglich laut an. Schon jetzt hatte ich keine Lust mehr auf den Tag. Ich hoffe es wird nicht all zu schwierig später einen ruhigen Platz zu finden.
Ich packte meine Sachen in Zeitlupe zusammen und stand langsam auf. Der Kaugummi Junge blieb immer noch sitzen und so waren wir alleine im Zimmer. Ich schlurfte nach draußen, den kalten Lufzug um meine nackten Beine spürend.
Draußen im Flur war die Hölle los. Überall Kinder, überall Menschen. Ich setzte meinen ausdruckslosen Blick auf und bahnte mir den Weg durch die Mengen. Mit langsamen gemütlichen Gehen kam ich kaum vorran, wie ich merkte. Also lief ich zügiger um der Masse zu entkommen. Draußen angekommen lief ich in den Innenhof, auf dem noch mehr Grünzeug draufgepflanzt war als vor dem Eingang. Ich saugte die frische warme Luft ein und genoss das bisschen Ruhe.
Wo sollte ich nur hin? Rechts war die Cafeteria. Die schloss ich schon mal aus, ich hasste Cafeterien. Links ging es zur Bibliothek. Jetzt konnte es dort kaum ruhig sein, das würde ein Fluchtplatz werden, wenn ich Hohlstunden hatte. Vor mir war ein weiteres Gebäude, dass für die kleineren Schüler war. Die Unterstufen und Oberstufen hier waren getrennt.
(Der Innenhof, nur etwas größer und beiter und nicht so eng)
Ich lief zu dem Unterstufengebäude. Drinnen sah es farbenfroher aus. Ich lief einige breite Treppen nach oben, mal sehen wo ich ankommen würde.
Im obersten Stock war ganz hinten im Flur eine Tür mit der Aufschrift "Ausgang Dach". Zum Dach? Warum nicht, sicher war es dort ruhig. Und da es ein Flachdach war konnte man dort sicher irgendwo sitzen oder sich anlehnen.
Ich lief zur Tür und drückte sie auf. Hinter der Tür war eine dunkle Treppe nach oben. Ich stieg die Treppe nach oben die in eine erneute Tür endete. Diese drückte ich auch auf und sofort knallte mir hellens Sonnelicht ins Gesicht. Ich kniff die Augen zusammen.
(So ungefähr siehts da oben aus)
Nachdem ich mich an das grelle Tageslicht gewöhnt hatte, sah ich mich kurz um. Dass Dach war groß und neben mir waren einige silberne große Abgasröhren an denen man sich anlehnen konnte. Ich lief zu ihnen und wollte mich hinsetzten.
Endlich Ruhe.
Doch ich bemerkte nicht dass dort schon jemand saß. Das kleine Fitzelchen Kaugummigrün hätte ich eigentlich nicht übersehen können.
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