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░▒► nomisch ◄▒░

𝙸𝚏 𝚢𝚘𝚞 𝚝𝚊𝚕𝚔 𝚝𝚘 𝚊  𝚖𝚊𝚗 𝚒𝚗 𝚊 𝚕𝚊𝚗𝚐𝚞𝚊𝚐𝚎 𝚑𝚎 𝚞𝚗𝚍𝚎𝚛𝚜𝚝𝚊𝚗𝚍𝚜, 𝚝𝚑𝚊𝚝 𝚐𝚘𝚎𝚜 𝚝𝚘 𝚑𝚒𝚜 𝚑𝚎𝚊𝚍.
𝙸𝚏 𝚢𝚘𝚞 𝚝𝚊𝚕𝚔 𝚝𝚘 𝚑𝚒𝚖 𝚒𝚗 𝚑𝚒𝚜 𝚕𝚊𝚗𝚐𝚞𝚊𝚐𝚎, 𝚝𝚑𝚊𝚝 𝚐𝚘𝚎𝚜 𝚝𝚘 𝚑𝚒𝚜 𝚑𝚎𝚊𝚛𝚝.

"Wo ist jetzt deine Wunderheilerin?"
Carina hastete mit ihren Krücken Kevin nach, der nur gebannt auf sein Smartphone starrte und verzweifelt versuchte, das Haus seiner Schwester zu finden. Carina kam ihm in dem Tempo kaum nach und hielt deswegen. 

Kevin hielt ebenfalls und kratzte sich leicht an der Stirn. Er sah vom Display auf und zeigte in eine Richtung. 

"Ein paar Meter gerade aus und dann links."

Carina schnaubte und stützte sich auf den Krücken ab.
"Das sagst du jetzt schon zum fünften Mal."
Ihr Lachen hallte durch die Luft und trotz diesem Monsterfußmarsch, auf dem sie sich nun schon eine dreiviertel Stunde befanden, scheint ihre Fröhlichkeit nicht verstummt. 

Sie bewegte sich auf die Bank zu und ließ sich dort nieder. Eigentlich hätte sie geglaubt, wenigstens etwas von Chicago zu sehen. Als sie vorhin mit dem Bus vom Stadtteil Rogers Park nach Edgewater gefahren sind und sie sich dort den Blick auf den Lake Michigan erhaschen hat können, kribbelte es hinter ihren Fingernägeln, Seeluft zu schnuppern.

Carina nahm einen tiefen Atemzug, während sich Kevin neben ihr niederließ; seine Aufmerksamkeit nicht mehr dem Bildschirm, sondern ihr geschenkt. Seine Hand wanderte an ihren Oberarm und langsam über das Holz der Banklehne über ihre Schultern weiter.

Es wirkte alles, sogar für einen Fremden der vorbeikommen müsste, unbehaglich und verklemmt.

Seit Carina sich letztes Jahr verletzt hat und Kevin weiterhin bei den Weltcupspringen dabei gewesen war, hat sich die Lage ihrer noch undefinierten Beziehung zugespitzt. 

Wo sie sich sonst schon so wenig gesehen haben, sind sie Gefahr gelaufen, dadurch den Kontakt fast abzubrechen und Kevin hat die rettende Hand gereicht und Carina gefragt, ob sie nicht mal nach Illinois kommen möchte. 

Seine Schwester war von einem Auslandsjahr zurückgekehrt und Therapeutin spezialisiert auf Knieverletzungen. 

Doch auch wenn Carina wusste, dass er seine Schwester nur als Vorwand dafür verwendet hat, sie in seine Heimat zu locken, wusste sie beim besten Willen nicht, was sich zwischen den beiden befand.

Gute Freundschaft, vielleicht ein Schritt über diese Grenze oder bereits ein Haufen Trümmer.

"Kevin?", sah sie in die Luft und betrachtete den großen Baum, der sich hinter ihnen über die Parkbank erstreckte und kleine Blätter trug.

"Mhm?"

"Hast du eigentlich mal darüber nachgedacht?"

Er senkte seinen Kopf, der ebenfalls auf dem Baum gelastet war und veranlasste Carina ebenfalls dazu, ihren Blick zu trennen. Doch er schaffte es, nur beim kleinsten Streifen ihres Blickes nur leicht schüchtern den Kopf mit roten Wangen zu senken und hinter den bereits schulterlangen Haaren zu verstecken.

"Viel zu viel...", hauchte er leise und hob den Kopf, ohne dabei auch nur Carina anzusehen. "...glaube ich. Und du?" Doch auch wenn er traurig klang, lächelte er. Er strahlte eine Wärme aus, wie ein Sunny Boy am Malibu Beach.

Carina lächelte und war dankbar dafür, dass Kevin in die Ferne sah und ihre ebenfalls roten Wangen nicht erkennen konnte.

"Ich habe einen Entschluss gefasst, glaube ich."

Kevin riss den Kopf zur Seite, dass seine Haarspitzen die Wange von Carina streiften und sie leicht erschrak.

"Entschuldige", strich er schon fast reflexartig über ihre Wange und verharrte nach wenigen Sekunden, nachdem offenbar sein Kopf realisierte, was er gerade machte. Er starrte ihr nur tief in die Augen, so wie er es noch nie getan hat und brachte selbst sie aus der Fassung. 

Seine Haare waren zwar verrückt, ließen ihn aber elegant aussehen, wenn sie sich mit dem Wind leicht wiegten. Und seine blauen Augen machten dem Blau des Lake Michigan Konkurrenz. 

Und jetzt stand für Carina nur noch eine Frage in der Luft des Parks, durch den sie gestreift waren und jetzt einer seiner vielen Parkbänken sitzen.

Hat er dieses Kribbeln auch gespürt, als seine Finger meine Wangen berührt haben?

Seinem Blick zu urteilen, bestand daran keine Zweifel, doch Kevin war manchmal eine Person voller Widersprüche.

"Darf ich deine Entscheidung hören?", fragte er zart, als würde er den Moment nicht zerstören wollen. Er zerbrach fast an den Gedanken, nicht zu wissen wie Carina dachte. Sie glaubte zumindest das in seinen Augen zu lesen.

"Ich hab' aber zuerst gefragt", schmunzelte sie leicht und brachte ihn dazu, ein Augenrollen aufzubringen.

"Sind alle deutschen Mädchen so komisch?", senkte er seine Hand auf seinen Oberschenkel und drehte sich wieder etwas von Carina weg. 

Sie boxte ihm leicht beleidigt auf den Oberarm und hörte ein offenbar geschlagenes Au.
"Entschuldige", korrigierte er sich, die schmerzende Stelle reibend. "Speziell."

"Schon besser", entgegnete sie und lächelte stolz. Ihr Blick fiel auf ihre Armbanduhr und ihr wurde bewusst, dass sie gerade ihre Therapiestunde versäumte.

"Wir werden deine Schwester wohl nicht mehr finden, oder?"

Kevin zog wie auf ein Stichwort sein Smartphone hervor und holte auch einen Zettel aus seiner Tasche. Es war die Adresse, die ihm seine Schwester schnell beim Geburtstagsessen des Vaters auf die Rechnung geschrieben hatte.

Carina lugte auf die Google Maps Karte und danach auf den Zettel, bevor sie zu lachen begann. Kevin verstand die Welt nicht mehr, was sie aus heiterem Himmel dazu brachte, so loszulachen. 

"Thorndall nicht Thomdall", schnappte Carina nach Luft und Kevin war sich nicht ganz sicher, ob sie gerade durchdrehte, dafür, die ganze Zeit in die falsche Richtung gegangen zu sein. 

"English ist nicht meine Muttersprache, okay?", hob er nur verteidigend seine Hände und sie verstummte allmählich. Mit einem leicht irritierten Blick musste sie erstmal seine Worte in ihrem Kopf verarbeiten und griff an sein Handgelenk, um diese Unschuldshände aufzulösen.

"Du bist Amerikaner", bemerkte sie trocken und konnte darauf erneut lachen, diesmal aber mit Kevin. Ihre Hand war immer noch an seinem Handgelenk und sie scheint es nicht einmal zu bemerken. Er spielte doch nur auf die olympischen Spiele in Pyeongchang an, wo die beiden eigentlich ein gutes Bibimbap-Restaurant finden wollten und Carina Kevin durch Gassen geführt hat, ohne wirklich zu wissen, wo sie sich befanden. Gestrandet im Nirgendwo haben die beiden dann fast zu streiten begonnen und sie darauf plädiert, dass Koreanisch ja nicht ihre Muttersprache sei. 

"Also du willst sicher Lake Michigan bei Sonnenuntergang sehen", verschränkte er die Arme vor der Brust und schenkte ihr einen kurzen Blick, als würde sein Stolz nicht mehr zulassen. 

Sie faltete die Hände vor der Brust, ersetzte ihr breites Grinsen aber gleich durch eine fragende Miene. Ihr war es neu, dass Kevin gedankenerratende Kräfte besaß.

"Woher weißt du das", legte sie den Kopf leicht schief und ihr dicker dunkler Zopf hing dem Boden entgegen. Ein leichtes Lächeln schmuggelte sich auf seine Lippen und er scheute immer noch ihren Blick, worauf sie sich etwas in sein Blickfeld lehnte.

"Du hast ihn ja aus dem Busfenster angehimmelt", setzte er sein spitzbübisches Lächeln auf und sie verschränkte die Arme vor der Brust. Er übertrieb wieder einmal maßlos. "Aber vorher gehen wir noch was essen."

Er zeigte in Richtung des Weges, den sie bewältigt hatten.

"In der Nähe gibt es ein richtig gutes Restaurant, da gehen wir immer hin, um den Abschluss des Skisprungjahrs zu feiern."

Kevin erhob sich, strich die Sitzfalten in seiner Hose glatt und stellte sich vor Carina, die ihn nur mit großen Augen ansah. Er räusperte sich, lachte und versuchte offenbar ernst zu bleiben, was bei Kevin eine Seltenheit war.

"Liebe Carina", streckte er seine Hand ihr entgegen und hatte schon wieder stark glühende Wangen, die ihm aber egal zu sein scheinen. "Darf ich dich zu einem Date ausführen?"

Im ersten Moment war Carina so überfordert mit sich selbst, dass sie kein Wort herausbrachte. Ihre Stimmbänder fühlten sich an, als wären sie miteinander verknotet. Sie blinzelte und schrie sich im Hinterkopf an, endlich etwas zu sagen, da die Mundwinkel ihres Gegenübers von Sekunde zu Sekunde weiter sanken und er diese Situation wahrscheinlich falsch verstehen wird.

"Ja!", rief sie schon fast und lachte kurz. Auch ihre Wangen nahmen eine Farbe an, als hätten sie beide in der Frühlingssonne einen Sonnenbrand bekommen. Sie griff nach seiner Hand, die sie kräftig aufzog und in Kevins Arme fallen ließ. 

Sie schmunzelte zu ihm hinauf und lugte kurz über ihre Schulter.
"Dann kann ich die Krücken ja hier lassen, oder?"

"Jetzt will sie auch noch, dass ich sie trage", spielte Kevin genervt und entlockte ihr ein kurzes Lachen. Doch ihr Gedanke war sowieso schon Wahrheit in seinem Kopf seit guten zehn Minuten, da er sich für den unnötig zurückgelegten Weg revanchieren will.

"Seit wann kannst du denn Gedanken lesen", prustete er unter Anstrengung hervor, während er Carina auf seine Arme hob und sie überrascht davon, ihre Finger an seinem T-Shirt festkrallte.

"Alles gut", lachte er und sie lockerte ihren Griff. "Ich kidnappe dich ja nur. Kein Grund mir gleich das T-Shirt zu zerreißen."

Und wieder lachte sie und sein Blick lastete auf ihr, der ihr Lachen verstummen ließ und sämtliche Aufmerksamkeit auf seine Augen zog. 

Sie waren zu schön, um sich darin nicht zu verlieren.

Wie aus dem Nichts riss Kevin den Kopf hoch und sah gespannt in die Ferne.
"Was ist denn das da hinten", kniff er die Augen leicht zusammen.

Und wie er Carina kannte, riss auch sie den Kopf in die selbe Richtung und fragte, was dort zu sehen sei. Ihre Neugier konnte sie nicht vor ihm verbergen. 

So nutzte er den Moment und drückte ihr einen kurzen Kuss auf die Wange. 

Sie erstarrte und wusste im ersten Moment gar nicht, wie ihr geschah. Carina griff sich nur an die Wange und rieb über die glühende Stelle. 

Wie konnte er nur immer und immer wieder ihre Schmetterlinge im Bauch in Lichtgeschwindigkeit flitzen lassen.

Doch Carina scheint sich damit nicht geschlagen zu geben. Sie schloss ihre Augen und drehte den Kopf in die Richtung, von der diese Attacke gekommen war.

Jedoch traf sie unbewusst nicht die Wange, sondern die Lippen von Kevin.
Erneut erschrocken, verharrte sie in dieser Position, doch er zeigte ihr, dass er nicht zurückschrecken wird. Im Gegenteil. Er erwiderte es. 

Und je länger dieser Kuss andauerte, desto mehr zog es ihr ein Lächeln auf das sie nicht kontrollieren konnte. Sie wollte sein Gesicht zwischen ihre Hände nehmen, doch krallte sie sich nur fester an sein Shirt. Sein wundervoller Duft umschwebte sie und sie konnte nicht glauben, dass sie für ihren ersten Kuss nach gefühlten Jahrhunderten verantwortlich war.

Aus einer kindischen Geste heraus.

Sie lösten sich langsam und versuchten sich ihren Blicken zu entgehen, da die jeweiligen Wangen Feuer gefangen haben. Doch Carina hatte das Verlangen, sich noch einen zu stehlen. Wer weiß, die lange sie auf den nächsten Kuss warten muss.

"Also...", hauchte Carina und wusste nicht recht, wie sie dies beschreiben oder diese Stille beenden sollte.

"Dann kann das Date ja wohl starten, oder?", lächelte Kevin zu ihr hinab und er zuckte leicht mit den Augenbrauen. "Also schnapp' dir deine Zahnstocher und ab geht's", klang es nun eher nach einem Junggesellenabschied, als nach einem romantischen Date. Doch Carina gefiel es.

Den er gefiel ihr. 

Dieser chaotische Amerikaner, der fast aus dem Nichts in ihr Leben getreten war.
Dieser Mensch, der wusste was sie wollte, ohne sie danach fragen zu müssen.

Er war so besonders anders, dass er nur für sie maßgeschneidert war.
Für sie alleine.

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