Kapitel 9

Geräusche weckten mich aus meinem kurzen Schlaf. Ich öffnete etwas verwirrt die Augen und schaute mich um. Es war niemand zu sehen. Nur mein Schlafzimmer. Sofort vielen mir die gestrigen Ereignisse wieder ein und die Trauer und Verzweiflung brachen wie Flutwellen über mich herein. Julien war weg. Für immer. Ich würde ihm nie sagen können, was ich für ihn empfand.

Ich stand auf und ging den Geräuschen nach. Melina stand in der Küche und kochte Spiegeleier.

"Morgen." Melina zuckte kurz zusammen. "Oh, morgen. Habe ich dich geweckt?" "Schon ok. Wie viel Uhr ist es?" "10 Uhr." "Wie bist du rein gekommen?", fragte ich etwas verwirrt während ich den Tisch deckte. "Ich bin nicht gegangen. Du hast gesagt, ich soll im Gästezimmer schlafen." Ich nickte. Gerade hatte Melina die Eier fertig, als ich ebenfalls fertig mit aufdecken war. Wir ließen es uns schmecken, bis es an der Tür klingelte. Ich deutete Melina sitzen zu bleiben und ging zur Tür.

Zu meiner Überraschung stand Lucy davor. "Hey. Darf ich rein kommen, oder stört es gerade?" "Komm ruhig rein. Melina und ich essen gerade", antwortete ich und machte Platz. Auch wenn ich kein gutes Gefühl bei der Sache hatte.

Lucy setzte sich auf den freien Sessel zu Melina. Ich setzte mich wiederum auf meinen alten Platz. "Was gibt's?", fragte Melina gut gelaunt. "Ich hätte ein paar Fragen, aber ich weiß nicht ob es ok ist wenn ich sie stelle." "Sag schon", forderte ich sie auf und nahm den letzten Bissen von meinem Ei.

"Naja...ihr kennt ja Ju besser als ich, denke ich", fing sie an. Schon spürte ich Wut, Trauer, Verzweiflung, Neid und vieles mehr in mir aufsteigen.

"Ich... Liebe Ju und würde es ihm gerne sagen... Aber ich weiß nicht wie", beendete Lucy ihre Frage. Ich starrte sie perplex an. Nein! Nicht Ju! Nicht Lucy!

Melina warf mir einen fragenden Blick zu. Ich stand mit meinem Teller auf und umrundete den Tisch, während dem Vorbeigehen beugte ich mich zu ihr hinüber: "Sag ihr die Wahrheit. Das mit Ju und mir wird eh nichts", flüsterte ich und ging dann weiter. Ich wollte die Ratschläge meiner Freundin nicht hören, weshalb ich langsam und abwesend meinen Teller in den Geschirrspüler stellte und dann zurück ging. "Ok, danke. Das hat mir sehr geholfen", bedankte sich Lucy gerade bei Melina. "Kein Problem." Antwortete Melina, mit einem entschuldigenden Blick zu mir. Ich allerdings starrte auf meine Hände. "Danke nochmal. Ich muss dann mal los." Ich nickte ihr kaum merklich zu, dann verließ Lucy meine Wohnung auch schon. "Bist du ok?", fragte Melina besorgt. "Ja, schon gut. Ich geh mal mein Leben hinterfragen", antwortete ich ein wenig sarkastisch, stand auf und ging in mein Zimmer.

Fast eine Stunde war vergangen, in der ich fast nur geheult hatte. Jetzt klopfte jemand an meiner Tür. "Was?", schluchzte ich. "Du hast Besuch", flüsterte Melina. Ich schreckte auf. Ich konnte gerade so gar nicht Besuch gebrauchen. Ich wusste ganz genau wie verheult ich aussah. Sicher hatte ich rote Augen, tiefe Augenringe und zerstörte Haare!
"Wer ist da?", fragte ich und wischte mir die Tränen weg. "Musst du selbst sehen", grinste meine Freundin. Ich verdrehte die schmerzenden Augen und stand auf. Ich konnte bloß hoffen, dass ich nicht zu schlimm aussah.

Ich folgte Melina ins Wohnzimmer. Als ich sah wer da auf meiner Couch saß, hielt ich abrupt an. Wie konnte er es wagen?

"Was willst du hier?", fragte ich kalt. "Mit dir reden", antwortete Vince. "Nicht du auch noch", seufzte ich. "Ich bin verheiratet. Nicht jeder Mann ist in dich verliebt. Ich will wirklich nur reden." Ich sah etwas überrascht auf, setzte mich aber zu ihm. Ich fühlte mich irgendwie geborgen bei ihm. Sicher. "Lucy war gerade da, als ich gegangen bin." Schon füllten sich meine Augen mit Tränen. Also war er gekommen um mir zu sagen, dass Ju jetzt mit Lucy zusammen war. Na toll!

"Hey! Es gibt keinen Grund zum weinen", flüsterte Vince sanft und strich mir eine Träne weg. "Was denkst du denn, was Ju gesagt hat?" Er lächelte ein wenig. "Ich denke es nicht, ich weiß es!", schluchzte ich und vergrub mein Gesicht in meinen Unterarmen. "Ju geht es genauso wie dir. Desswegen hat Lucy auch lange gezögert es ihm zu sagen. Ju hat sie raus geschickt. Sie ist heulend weg gerannt. Er liebt dich, Caro. Nicht Lucy." Vince streichelte mir über den Rücken. "Das Stimmt doch gar nicht!", murmelte ich. "Doch. Du kannst Lucy fragen. Falls du sie in den nächsten Tagen zu Gesicht bekommst." "Warum wollte er dann gestern nichts von mir wissen?" "Wie würdest du reagieren, wenn du Melina mit Ju rum knutschen sehen würdest?" "Hey!", warf Melina ein. Ich musste ein wenig lächeln und sah auf. "Du hast ja recht", gab ich schließlich zu. Konnte es wirklich sein, dass Julien mich liebte?

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