Schwerer Entschluss
Es dauerte zwei Wochen, bis mir auffiel, dass sich etwas änderte. Das Gras wurde weniger, Steine und Felsen nahmen seinen Platz ein, und über ihnen flimmerte die Hitze. Sie war umwerfend, heißer noch als die, die ich bisher gekannt hatte. Hier waren keine Tiere mehr, die letzten, die wir gesehen hatten, waren Giraffen gewesen. Lediglich große, tiefe Abdrücke zwischen den Felsen zeugten davon, dass eine Horde Elefanten hindurch gelaufen war. Dafür gab es hier viele Eidechsen, Salamander, Geccos, die klein und schnell über den unebenen Boden flitzten. Ich wischte mir den Schweiß von der Stirn und blickte dem Horizont entgegen, doch das Geröll wollte kein Ende nehmen. Ich ahnte schreckliches. "Thabo", sagte ich, "was ist das?" Rooba begann zu weinen und ich nahm sie auf meinen Arm, um sie zu trösten. "Das ist eine Wüste", antwortete Thabo, der nach unseren Vorräten an Wasser sah, knapp. Ich schnappte nach Luft. "Eine Wüste? Das überleben wir nicht! Wir haben kaum noch Wasser und sie ist endlos." Ich drückte meine Tochter an mich, während ihre dicken, salzigen Tränen in meine Halsbeuge flossen. Ich hätte sie gerne beruhigt, aber das konnte ich nicht, wenn ich selbst aufgeregt war. Thabo berührte sanft meine Schulter und sah mit eindringlich in die Augen. "Wir werden haushalten müssen mit dem, was wir haben. Aber glaub mir, Rhona, wir schaffen das." Er lächelte, doch konnte ich dieses Lächeln nicht erwidern. Meine größte Angst war die Angst vorm Verdursten. Es gab nichts, was mich mehr fürchtete als Machtlosigkeit. Wurde ich angegriffen, konnte ich mich wehren, aber gegen Mangel an Wasser konnte ich nichts unternehmen. Früher, als ich klein gewesen war, hatte meinr Mutter mir oft von Wüsten erzählt. "Pass' immer auf, dass du niemals in eine Wüste gerätst, Liebling", hatte sie gesagt und mich zugedeckt. "Denn sie lässt dich nie wieder los. Bist du einmal in ihr gefangen, irrst du umher, bis du verdurstest. Es gibt dort kein Wasser und die Hitze ist unerträglich. Die Luft ist trocken." "Aber die Wüste hat doch ein Ende", hatte ich immer geantwortet, doch sie schüttelte den Kopf. "Sie ist heimtückisch. Du weißt nicht einmal, in welche Richtung du gehst, denn es sieht überall gleich aus." Und dann hatte sie Luft geholt und mir die Geschichte von drei Männern aus der Stadt erzählt, die einmal losgezogen und nie wieder zurückgekehrt waren. Mamai sagte, sie seien in der Wüste verdurstet und von da an hatte ich Angst vor ihr.
"Wir müssen einen Umweg finden", sagte ich bestimmt. Thabo schüttelte den Kopf. "Das geht nicht. Weißt du eigentlich, wie riesig das Ding ist? Wir müssen mitten durch und eine Oase finden. Jede Wüste hat Oasen." Ich ließ meinen Blick über die grauen und sandfarbenen Steine gleiten. Ein heißer, staubiger Wind fuhr durch meine Haare und zerrte an den Ästen eines ausgetrockneten Bäumchens, das aus dem Boden emporragte. Der Tod schien seine Arme nach mir auszustrecken, er wollte mich an sich reißen, mich verführen. Mich durchfuhr trotz der Hitze ein kalter Schauer. "Nein." Ich kaute auf meiner Unterlippe und sah Thabo ernst an. "Was nein?", fragte er verwirrt. "Wir werden diese Wüste nicht durchqueren", erwiderte ich scharf, "weil wir ihr Ende niemals erreichen werden. Wir werden sterben." Ich wischte mir mit dem Handrücken über die Augen, um die Tränen wegzuwischen; ich wusste nicht, ob sie wegen des Windes da waren oder wegen meiner Angst. Ich zog die Schultern hoch, während Thabo mich ansah. Mitleidig irgendwie, als wäre ich ein kleines Kind, dem er sagen musste, dass es über seinen eigenen Schatten springen musste. "Wir haben kein Wasser. Mit dem, was wir haben, kommen wir höchstens zwei Tage durch", bekräftigte ich, damit er nachgab, aber das tat er nicht. Er machte einen Schritt auf mich zu und fasste eine Locke, die in meiner Stirn hing. Ich biss mir auf die Lippe. "Immer mit der Ruhe", sagte er sanft. Zornig schlug ich seine Hand weg, fasste Roobas Köpchen und trat zurück. "Ich werde nicht zulassen, dass mein Kind da drin verhungert!" Ich deutete mit dem Finger auf das endlose, tödliche, gefährliche Geröll. "Ich werde verhindern, dass meine Familie der Machtlosigkeit ausgesetzt ist!" Es platzte einfach aus mir heraus und meine Brust wurde so bleiern und schwer, dass mir auch die Tränen nun über die Wangen liefen. In meiner Halsbeuge vermischten sie sich mit Roobas Tränen. Obwohl ich ihn mehrmals zurückgewiesen hatte, nahm Thabo mich in seine starken Arme, lehnte seine Stirn an meine. Ich schloss die Augen, doch genoss die Geborgenheit, die von ihm ausging und roch seinen Geruch. Er roch nach Gras und nach etwas schwerem, süßen, etwas männlichem. Sein Atem kitzelte meine Wange. "Vertrau mir", hauchte er. "Ich werde uns hindurchführen. Es ist hart, ja, aber sonst werden wir nie ankommen." Ich spürte, wie sich das Blei in meiner Brust auflöste, aber es floss nun durch meine Adern und beschwerte meinen ganzen Körper.
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