Healed World
Wir errichteten unser spärliches Lager für die Nacht erst, als der Mond schon hoch und sichelförmig am Himmelssaum hing. Ich fühlte mich müde, erschöpft und hungrig. Meine nackten Füße schmerzten vom vielen Laufen über heißen Sand, hartes Gras und spitze Steinchen, doch in mir war dieses unglaublich warme Gefühl von Glück. Ich hatte die richtige Entscheidung getroffen, indem ich mit ihm aufgebrochen war. Und während ich zähes Fleisch kaute, hantierte Thabo mit ein paar trockenen Hölzern, aus denen er ein Feuer zauberte. Alles was er tat, machte er wunderbar. Die Flammen des Feuers tanzten über seine dunkele Haut und verliehen seinem strahlenden Lächeln etwas herausforderndes. "Wo ist Rooba?", fragte ich und robbte näher an ihn heran. "Auf meinem Rücken." Thabo drehte sich, damit ich meine schlafende Tochter aus den Schlingen heben konnten. Vorsichtig schloss ich ihren weichen, warmen Körper in meine Arme. "Was hast du vor?", fragte Thabo, ehe er sich ebenfalls einen Streifen Fleisch nahm. "Ich will sie nur halten", antwortete ich leise. "Schau nur, wie schön sie ist." Verträumt betrachtete ich ihre zarte, karamellfarbene Haut, die so rein und unbenutzt war, dass ich nicht anders konnte, als sie immer wieder zu berühren. "Sie ist ein Geschenk", stimmte mir Thabo zu. Ich blickte kurz auf, um ihn anzulächeln, dann widmete ich mich wieder Rooba. "Ich habe Angst, dass sie friert", sagte ich nach einer Weile und kräuselte die Stirn. Sie trug lediglich ein paar Tücher, in die wir sie eingewickelt hatten. Hier draußen gab es keine Hüttenwände, die uns vor eisigem Nachtwind schützten. Manchmal waren die Abende lau, manchmal kühl. Man weiß nie, wie die nächste Nacht wird und das ist es, was Wüsten und Savannen so unberechenbar macht. Thabo berührte vorsichtig Rooba's kurze, schwarze Locken. "Sie wird nicht frieren, wenn du sie in den Armen hältst." Er drückte mir einen Kuss auf die Stirn und rollte sich dann auf dem Boden zusammen. Zögerlich tat ich es ihm gleich. So zu schlafen war etwas völlig neues für mich. Ich war es nicht gewohnt, mitten im Nirgendwo ein Lager aufzubauen, ohne zu wissen, was der Morgen brachte. Immer hatte ich irgendwo hingehört und jetzt sollte ich hier, ungeschützt und verletzlich durch meine Tochter schlafen? Für Thabo das Normalste der Welt. Für mich undenkbar.
Das Gras unter mir schien mit mir zu spielen. Mal ruhte es sich selber aus und stellte ein breites Bett dar, mal kitzelte es meine Arme, umschmeichelte meine Wangenknochen und streckte seine dürren Ärmchen nach Rooba aus. Neben mir verklang Thabo's gleichmäßiger Atem, doch konnte ich nicht schlafen. Ich wusste, dass wir beide hungrig waren. Wir hatten viel weniger gegessen als wir beim ganzen Wandern verbrannt hatten. Die Energie würde sich flugs in Luft auflösen, wenn wir nicht mehr aßen. Wir würden unterwegs jagen müssen. Und: Was mir am meisten Sorgen bereitete, war das Wasser. Ein paar Tage würden wir mit dem, was wir hatten, auskommen, aber spätestens dann mussten wir irgendwo eine Quelle für Neues finden. Was, wenn wir eine Wüste durchqueren mussten, um ans Meer zu gelangen? Zitternd rutschte ich ein Stück näher an Thabo und schlang meinen Arm um seinen Bauch. Rooba wärmte meine Brust und ihr sanfter, warmer Atem streifte meine Halsbeuge. Wenn wir es nicht schafften, wer dann?
Irgendwann musste ich diese Nacht wohl doch eingeschlafen sein, denn als Thabo mich weckte, dämmerte schon der Morgen. "Wir müssen weiter", flüsterte er an mein Ohr, als er mich umarmte. Mit meinem Zeigefinger tippte ich mir an den Bauch. "Ich muss essen", sagte ich bestimmt und öffnete einen der Vorratsbeutel. "Hier." Ich drückte Thabo zwei Orangen in die Hand und nahm dazu ein Päckchen mit Nüssen heraus. "Wir können beim Gehen essen." Flugs schloss ich den Beutel, dann schnallte ich Rooba, die immer noch schlief, wieder an Thabo's Rücken. Bevor wir gingen, trat er mit festen Schritten das Feuer aus, sodass ein Häufchen Asche das einzige war, das davon zeugte, dass wir hier gewesen waren. Es erinnerte mich an meine dunklen Gedanken der Nacht und ich schüttelte den Kopf und ging schnell voran, um sie zu vergessen.
"Weißt du", sagte ich, nachdem wir eine Zeit lang kauend nebeneinander der aufgehenden Sonne entgegengewandert waren, "die Welt verändert sich." Thabo sah blinzelnd zu mir herab. Wir hatten seit heute Morgen das stramme Tempo behalten und durchquerten nun eine Ebene aus rotem Gras. Ein gefährlicher Ort mit vielen Schlangen. Wir mussten uns in Acht nehmen. "Wie meinst du das?", fragte er. "Sie heilt." Ich wich einem wie aus dem Nichts auftauchenden Felsen aus. Dann blickte ich zu einem Schwarm kleiner, schwarzer Vögel hinauf, die in wilder Form durch den Himmel fetzten. Von hier aus wirkte es, als spielten sie Fangen. "Sie heilt",wiederholte Thabo nachdenklich. "Ja, sie heilt. Das nennt sich Evolution", erläuterte ich eifrig. "Wir Menschen haben die Natur verändert, aber sie schlug zurück, indem sie uns auslöschte. Jetzt entwickelt sie sich weiter, neue Tierarten entstehen, alte können zurückkehren. Tiere machen die Stadt zu ihrem Reich, Pflanzen wuchern mehr. Die Luft wird reiner. Das Leben besser." Ich strich mir mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn, während Thabo mir seinen Speer reichte. Er hatte recht. Es war besser, eine Waffe zur Hand zu haben, falls tatsächlich eine Schlange auftauchen sollte. Dann antwortete er:"Ich weiß, was du meinst. Ich wusste nur nicht, wie es sich nennt." Ich lächelte und er lächelte zurück. Fast automatisch verschränkten sich unsere Finger ineinander. "Wir sind Teil der neuen, besseren Welt", hauchte ich dem wolkenlosen Himmel entgegen. "Was seinen Preis gekostet hat", fügte Thabo gedämpft hinzu und ich wusste, woran er dachte. An unsere Familien, die wir zurücklassen mussten, um dieses Leben führen zu dürfen. Und all die Jahre gingen nicht ohne Schmerz von Statten. Wir hatten uns diese Welt erkämpfen müssen, niemand hat sie uns geschenkt. "Ich weiß", sagte ich sanft und dann schwiegen wir uns an. Wir ließen die rote Ebene hinter uns, ohne von Schlangen gebissen worden zu sein, machten Rast unter einem knorrigen, alten Baum, der ein wenig Schatten spendete und wanderten weiter. Manchmal änderte Thabo ein wenig die Richtung und manchmal wachte Rooba auf und weinte, weil sie Durst hatte. Wir zogen an kläffenden Hyiänen, grasenden Zebras und bunten Salamamdern vorbei, aber der Tag wollte kein Ende nehmen. Ich wusste, das würde immer so sein, wenn die Muskeln schmerztem und die Augen brannten, aber ich hatte meine Meinung von gestern Abend nicht geändert. Es gefiel mir. Es tat mir gut. Tat uns gut.
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Hi, ihr Süßen - Auch im WM-Fieber? ♥ Falls ihr Zeit zu lesen hattet, würden mich ein paar Kommis sehr freuen. :)
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