Fieser Streich
Nach drei Monaten hatten wir die Wüste mit all ihren Schrecken hinter uns gelassen und damit fiel mir ein großer Stein vom Herzen. Wir waren zwischendurch fast verdurstet, aber Thabo hatte ein Loch gegraben, bis er auf kühles Quellwasser stieß, das uns das Leben rettete. Die Nächte waren eisig kalt und die kleine Rooba hatte zwei Erkältungen hinter sich bringen müssen, ehe wir die Wüste verließen. Die Wochen hatten sich hingezogen; für mich war es am Ende nur noch eine Abfolge von frieren und schwitzen gewesen. Manchmal waren wir Nächte durchgelaufen, wenn wir einen guten Tag hatten und wir hatten uns stets eingeredet, dass die Wüste mit ihren wilden Felsmustern eigentlich ganz schön war, aber ich glaubte, insgeheim waren wir beide froh, dass sie nun hinter uns lag.
Wir kamen direkt an einer Oase an, die von ein paar krummen Bäumchen mit harten, kleinen Blättern umsäumt war. Eine Elefantenherde lag nicht weit entfernt, wahrscheinlich hatte sie wie wir die Wüste durchquert und an diesem Wasserloch eine Rast eingelegt. Auch Thabo und ich entschieden uns zu einer zweitägigen Pause, damit wir die leichte Erkältung auskurieren konnten, die wir uns zugezogen hatten. Außerdem hatten wir von den heißen Steinen Brandblasen an den Füßen und uns an besonders spitzen Kanten die Haut aufgeschlitzt. Wir hatten offene Wunden immer sofort vor Ort desinfiziert, aber trotzdem nahmen wir uns nun die Zeit, sie sorgfältiger zu behandeln. Ich hatte nun auch Zeit zum Jagen, wir konnten all unsere Körbe neu auffüllen, denn hier schien ein recht fruchtbarer Fleck zu sein: Hier wuchs Gras in einem satten Grünton, ein paar Sträucher mit Beeren waren hier und da auf der grünen Ebene verstreut. Ich war mir sicher, dass man hier auch Wurzeln ausgraben und wilden Mais oder Getreide ernten konnte, wenn man nur lang genug suchte. Der Ort gefiel mir auf Anhieb. Die kleinen hellen Vögel, die laut zwitschernd durch die Lüfte segelten, die Elefanten, das Grün des Bodens, das alles bot eine angenehme Abwechslung zu der öden, immer gleichen Wüste. Hier hielten wir es gut aus.
Ich nahm Rooba aus dem Gurt vor meinem Bauch und setzte sie auf das Gras, während ich den großen Schulterkorb von meinem Rücken lud. "Sie wird bald ein halbes Jahr alt", sagte Thabo und kratzte sich lächelnd am Kopf. Seine Haare waren gewachsen und standen nun kräuslig vom Kopf ab. Ich würde sie heute Abend schneiden, wenn wir Zeit dafür fanden. "Die Zeit vergeht so schnell", erwiderte ich gedankenverloren und sah zu meiner Tochter herab, die auf ihren Speckhändchen über die Wiese krabbelte. Ein kleiner Salamander krabbelte flink von ihr davon und sie brabbelte auf ihrer eigenen Sprache hinter ihm her. Wie immer wenn ich sie ansah, lächelte ich selig. Auf ihrem Kopf waren jetzt richtige Locken, weit mehr als bloß ein Flaum. Schwarz waren sie, schwarz und dick. Und wuselig. Und unordentlich. Es wurde Zeit, dass ich auch ihr einen vernünftigen Haarschnitt verpasste. "Bald läuft sie uns davon." Thabo schüttelte vergnügt den Kopf. Seit wir die Wüste verlassen hatten, lag eine heitere Stimmung in der Luft. Das tat uns gut. Ich ging zu ihm, um seine Schultern zu massieren. Er hatte viel getragen, das meiste von uns beiden. Ich wollte ja mehr nehmen, aber er hatte drauf bestanden, dass ich mich schonte. Ich liebte diesen Mann einfach.
Genießerisch legte er den Kopf in den Nacken und schloss die Augen, die Sonne strahlte auf seine Stirn. Es war Morgen, nicht zu warm und nicht zu kalt. Perfekt für uns, ein Lager aufzubauen und ein Bad zu nehmen. "Das machst du schön", murmelte Thabo. Lächelnd massierte ich weiter, aber nach ein paar Minuten hörte ich auf. Er guckte gespielt enttäuscht, drückte mir dann aber einen Kuss auf den Mund. "Danke, Schatz."
Gemeinsam rollten wir unsere Bastmatratzen aus und gruben eine Mulde für das Feuerholz. Während Thabo Holz sammelte, half Rooba mir dabei, Steine zu holen, mit denen wir den Feuerkreis eingrenzten. Danach zog ich ihr das Kleidchen über den Kopf und ging zum Wasserloch, um sie zu waschen. Es war schon eher ein kleiner See und von Nahem fiel mir auf, wie tief er war. Das war gut, denn ich war schon lange nicht mehr geschwommen. Als Rooba schließlich eine Stunde später gewaschen und mit Palmöl eingerieben in ihrem Korb lag und schlief, stieg ich auch aus meinen Kleidern. Ich legte sie an den Rand des Sees, ehe ich mit einem Kopfsprung hineinsprang. Das Wasser war nicht kalt, eher lauwarm, und so dunkel, dass ich nichts erkennen konnte, als ich die Augen öffnete. Aber trotzdem spürte ich, wie es Dreck, Blut und Schweiß davonspülte und mich von allem befreite, was mir unangenehm war. Meine Haut fühlte sich augenblicklich rein und frisch an. Als ich auftauchte, war auch Thabo bei mir und wir waren so ausgelassen wie seit Wochen nicht mehr. Wir bespritzten uns mit Wasser wie die Kinder, drückten gegenseitig unsere Köpfe runter und veranstalteten Wettschwimmen. Schließlich schlug Thabo vor, um die Wette zu tauchen. "Wer am weitesten taucht, gewinnt!", rief er keuchend, wobei er einen Schwall Wasser schluckte, den er gleich wieder ausspuckte. Es war zum Totlachen. "Wo fangen wir an?", fragte ich kichernd und schwamm an seine Seite. Ich wusste schon jetzt, dass ich gewinnen würde, denn im Wasser bewegte ich mich noch flinker als an Land. Das lag wohl an den vielen Jahren, die ich am Fluss verbracht hatte... "Bei diesem Stein." Thabo deutete auf einen Felsvorsprung, der bis ins Wasser hineinreichte. "Okay", nickte ich und brachte mich in Startposition. Thabo folgte mir grinsend. "Ich hatte schon lange nicht mehr so viel Spaß." "Ich auch nicht", gab ich zu und blinzelte der Sonne entgegen. Eigentlich hätten wir losschwimmen sollen, aber wir verharrten im Wasser, lächelten einander an und genossen diesen magischen Moment. "Ich liebe dich", hauchte ich schließlich. "Ich liebe dich", antwortete Thabo ebenso andächtig. Das war kitschig, aber irgendwie tat es gut, nach so viel Ernsthaftigkeit kitschig zu sein. Es fühlte sich befreit und unbeschwert an. Aber schließlich schaute ich nach vorn, holte Luft und schrie: "Auf die Plätze, fertig, los!" Ab da tauchte ich so schnell ich konnte. Ich bekam Wasser in die Nase, aber das machte nichts. Wasserpflanzen strichen an meinen Beinen vorbei, die Sonne brach sich in der Wasseroberfläche. Doch irgendwann musste ich an die Luft und ließ mich nach oben gleiten - ich hatte eh gewonnen - und sah mich um. Ich hatte es fast bis zum Ende des Sees geschafft! "Gewonnen!", schrie ich und blickte mich nach Thabo um, aber der war nicht zu sehen. Das konnte doch nicht sein! Nie im Leben tauchte er immer noch. Oder doch? Ich zählte bis zehn, und als er dann nicht auftauchte, begann ich mir Sorgen zu machen. "Thabo?", rief ich panisch und drehte mich mehrmals um meine eigene Achse. Nix Thabo, weit und breit. Was ging hier vor sich? Spielte er mir einfach nur einen Streich, oder kam er nicht mehr hoch? Ich erinnerte mich an die Wasserpflanzen an meinem Bein. Wenn er in eine Schlingpflanze geraten war, würde er so schnell nicht wieder auftauchen, so viel stand fest. Ich musste ihn finden, und zwar sofort! "Thabooo!", brüllte ich und paddelte hektisch durch's Wasser. Irgendwie musste Rooba aufgewacht sein, denn sie weinte, aber dafür hatte ich keine Zeit. Tränen traten mir in die Augen, als ich ihn nicht fand. Ich tauchte unter, aber natürlich sah ich nichts. Es würde ewig dauern, bis ich den ganzen Grund abgesucht hatte. Bis dahin wäre er längst... tot. Es tat weh, das Wort auch nur zu denken. "Thabo!", kreischte ich erneut. Es musste eine Lösung her, und zwar... - was war das? Etwas tastete nach meinem Bein. Kreischend trat ich um mich und machte, dass ich fortkam, aber es folgte mir. Schließlich riss es mich hinunter und etwas berührte meinen Mund. Lippen? Ich riss die Augen auf und in all der Dunkelheit erkannte ich ein paar dunkle Haarbüschel, die im Wasser zu schweben schienen. Hastig tauchte ich auf und riss Thabo mit mir. "Bist du nicht mehr ganz dicht? Mir so einen Schrecken einzujagen!", fuhr ich ihn an. Er grinste entschuldigend, aber ich konnte das nicht herunterspielen. Meine Unterlippe bebte; er verschwamm vir meinen Augen. Na toll, jetzt weinte ich richtig. "Oh, Rhona.." Thabo klang jetzt aufrichtig bestürzt. Er nahm mich in seine Arme und ließ uns im Wasser treiben. Dann küsste er mich wieder und immer, wenn ich etwas sagen wollte, versiegelte er meine Lippen mit seinen. Ich hatte gar keine andere Wahl als mich ihn hinzugeben und den Schrecken zu verdauen. Wir hatten nur diese zwei Tage und ich beschloss, dass ich sie unvergesslich machen wollte.
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Jetzt sind wir dem Meer einen Schritt näher gekommen. :) Was sagt ihr dazu? ♥ Bitte Kommis ♥
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