Everything is hard before it is easy
Thabo trug mich fluchend zur Hütte, während ich die heftigsten Schmerzen meines Lebens durchlitt.
Es war schlimmer, als ich es mir vorgestellt hatte. Es war schlimmer als erwartet. Immer wieder sah ich Sterne, immer wieder, wenn ein weiterer Blitz durch meinen Körper zuckte, wurde mir schwarz vor Augen und während Tränen über Tränen mein verzerrtes Gesicht hinunterliefen, fragte ich mich, warum ich nicht endlich in Ohnmacht fiel. Es schien mir der einzige Weg, diese Geburt lebend zu überstehen. In dem Moment, in welchem ich unter Schock und Schmerz in Thabo's Armen lag und in welchem er schwitzte und mein Körper Adrenalin in jede Pore meines Körpers jagte, ja in dem Moment zweifelte ich alles an, stellte es infrage. Warum ich mit Thabo geschlafen hatte, warum ich schwanger geworden war, warum ich mich auf das Kind gefreut hatte, obwohl es doch solch große Schmerzen erforderte. Warum Millionen von Frauen die furchbaren Wehen als das Wunder des Lebens bezeichnet hatten. Natürlich konnte ich all diese Tatsachen nicht beeinflussen, aber mein Kopf fuhr Karussell. In den Minuten, die Thabo zur Hütte rannte, dachte ich praktisch alles. Ich dachte, ich müsste sterben, so sehr schmerzte es.
Als Thabo uns gleichzeitig durch die viel zu kleine Öffnung der Hütte quetschte, riss es mich in die Wirklichkeit zurück. Grob legte er mich auf die Matratze und noch gröber riss er mir das Kleid vom Leib. Ich warf ihm einen vernichtenden Blick zu, ehe ich aufjaulte und meine Finger in seinen Oberschenkel krallte. Er versuchte ein Aufschreien zu unterdrücken, denn er wusste, dass meine Fingernägel in seinem Fleisch nichts im Vergleich zu meinen Wehen waren und was er ebenfalls wusste, war, dass ich wusste, dass er es dachte. Er warf mir einen Blick zu und ich spürte, dass er sich bemühte in diesen Blick so viel Liebe wie möglich zu stecken. Im nächsten Moment wandte er sich von mir ab. "Thabo!", heulte ich vollkommen aufgelöst. Ich versuchte ihn an seinem Lederhemd festzuhalten, doch meine schwitzigen Finger waren zu glitschig, als dass sie es fassen konnten. Und zittrig noch dazu. "Thabo!" Verzweifelt rang ich die Hände und aus lauter Verzweiflung krümmte ich mich und stieß einen langen, hellen Schrei aus. Weder wusste ich, wie ich liegen sollte, noch wusste ich, wie lange so eine Geburt dauerte, geschweige denn, was ich tun sollte. Alles was ich wusste war, dass ich höllische Schmerzen hatte, die meine Gedanken lahmlegten. "Pschschsch", machte Thabo und drehte mich auf den Rücken. "Ganz ruhig." Ich spürte etwas kaltes, nasses auf meiner Stirn. Erleichtert atmete ich auf, nur um Sekunden später meine Finger erneut in seine Beine zu graben wie eine Verrückte. Ich bereute es, dass ich bei Meja's, sowie bei Noah's Geburt weinend zu unseren dürren Ziegen gerannt war, weil ich all das Blut nicht hatte sehen können. Es gab keine Erinnerung, die mich hätten einholen können. Mamai hatte mir zwei Geburten vorgelebt und ich war abgehauen. Und nun lag ich hier, voller Panik, völlig ahnungslos. Ich wollte nur noch, dass es vorbei war. Aber es war erst vorbei, wenn ich es hinter mich gebracht hatte und dabei hatte es nicht mal richtig angefangen. "Ich bin eine schlechte Mutter!", rief ich, während ich die Beine an den Bauch zog. Thabo brachte sie mit einer sanften Handbewegung in ihre alte Position zurück. "Nein, Rhona, das bist du nicht." Er strich die nassen Locken aus meinem Gesicht. "Bin ich wohl! Ich kann nicht mal ein Kind gebähren!", schluchzte ich. Ich richtete mich auf, wofür ich mit einem stechenden Schmerz im Rücken und Atemnot bestraft wurde. "Ich ersticke!", kreischte ich und nahm alle Kraft zusammen, um einen weiteren, entsetzlichen Schrei auszustoßen. Thabo traten die Tränen in die Augen. "Nein. Leg dich wieder hin." Ich tat wie geheißen. "Wann passiert denn endlich was?", rief ich, nachdem ich wieder in der Lage war, meine Lungen mit Luft zu füllen, was ich auch schnell und hektisch tat. Mit meiner Aufregung verscheuchte ich Jesa, die mit einem empörten Bellen die Hütte verließ. "Nur Geduld", sagte Thabo, doch so ruhig er auch klang, ich wurde nur noch panischer. "Ist sie steckengeblieben?! Thabo, wenn das Kind da steckengeblieben ist, dann stirbt es, bevor es richtig lebt und ich auch und - ich bin zu klein! Sie passt da niemals durch!" Thabo legte seine zittrigen Hände auf meinen feuchten Bauch. "Es wird schon schiefgehen", sagte er mit einer Grimasse, während eine kleine Träne über sein Gesicht lief. Er schniefte. "Wir schaffen das zusammen." Auf einmal tat er mir ganz schrecklich leid. Ich weiß nicht, ob es die Muttergefühle waren, aber während ich mich hier zusammenschrie und mich die Wehen plagten, saß er da und konnte nichts tun, um mir zu helfen. Er musste mich leiden sehen. Ich wusste nicht, was schlimmer war - leiden oder jemanden leiden zu sehen, den man liebt. Meine Schmerzen waren unerträglich, aber das Gefühl, das er hatte, mochte untragbar sein. Seinetwegen riss ich mich zusammen und presste die Zähne aufeinander. "Ist schon viel besser geworden", log ich. "Rhona, du musst mich nicht anlügen, damit ich mich besser fühle", schluchzte er. "Ich merk schon nichts mehr", beteuerte ich keuchend, obwohl sich gerade ein Messer in meinen Unterleib rammte. Nur mit Mühe konnte ich einen weiteren Schrei unterdrücken. "Indianer kennt keinen Schmerz", redete ich weiter. "Du spinnst ja", meinte Thabo kopfschüttelnd und wechselte das Tuch auf meiner Stirn. Ich gab es auf, so zu tun, als würde mir das nichts ausmachen. "Thabo", wimmerte ich. "Warum tut sich da nichts?" "Wehen können Tage lang andauern." Ich war so geschockt, dass ich für einen Moment das Weinen vergaß. "Manchmal geht es auch ganz schnell zur Sache, das ist von Frau zu Frau anders", beeilte er sich zu sagen und legte ein nasses, heißes Tuch auf meinen Bauch. Ich schnappte nach Luft. "Warum tust du das?" "Ich meine zu glauben, das verschnellert die Geburt", sagte Thabo entschuldigend. Eine Weile sagten wir beide nichts. Ich lag einfach nur schreiend und fluchend und weinend da und Thabo liefen die Tränen über die Wangen. Plötzlich legte er seine Lippen auf meinen und hauchte:"Ich würde alles dafür tun, mit dir zu tauschen." Ich lächelte schwach. Die Zeit verging quälend langsam. Als die Sonne hoch am Himmel stand, hatte ich schon gedacht, es sei wieder Nacht. Dabei war es gerade erst Mittag. Ich wusste, dass Thabo müde war und auch ich fühlte mich ausgelaugt. Wir brauchten dringend Schlaf, aber die Wehen ließen das in meinem Fall nicht zu und Thabo blieb meinetwegen wach. Es war mein Tod.
Nach einer unendlichen Weile richtete ich den Blick aus dem Dachloch und beobachtete die Sonne. Irgendwann, nach unzähligen Stunden senkte sie sich wieder dem Himmel zu. Und es hatte sich nichts verändert. Mein Kind war nicht geboren. Nichts hatte ich hinter mir, gar nichts. "Wenn sie sich entscheidet, jetzt zu kommen" Ich zupfte an Thabo's Arm. "Ich bin zu schwach. Ich packe das nicht mehr." "Aber du musst." Er durchbohrte sich mit seinem goldbraunen Blick. "Versprich mir, dass wir das schaffen werden - gemeinsam. Und versprich mir, dass du bis zum Ende durchhälst." Seine Augen waren so flehend, dass ich nicken musste. "Es wird alles - oh, Gott!" Der Ruck, der durch meinen Körper ging, schien auch er zu bemerken. Wieder durchflutete mich Panik und altbekannter Schmerz - nur in viel, viel stärkerer Version. Ich heulte auf. Aber es hatte sich etwas geändert. Die Wellen zogen von meinem Bauch ab nach unten, alles bewegte sich in diese eine Richtung. "Es geht los", stellte Thabo trocken fest, während ich wieder rumkreischte wie am Spieß. Er wechselte erneut die Tücher. Auf einmal war er ganz hektisch. "Ich helfe dir jetzt in die richtige Position", keuchte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Und dann hievte er meinen schmerzenden Körper hoch, bis ich mit gespreizten Beinen an der Hüttenwand lehnte. Die Wehen waren nun so tief in meinem Unterleib angelangt, dass ich spürte, dass ich unmittelbar davor war. Rooba war zum greifen nah. Und das füllte mich mit neuer Kraft. Ich wusste nicht woher ich es wusste, aber ich holte Luft und während ich einen heiseren Schrei ausstieß brachte ich alle meine Muskeln zum Einsatz und presste. Dadurch bekam ich einen Krampf in der Wade, aber der interessierte mich nicht. Neun Monate hatte ich auf dieses Kind gewartet, über 12 Stunden hatte ich dafür nun in den Wehen gelegen. Ich wollte es - jetzt! Kostete es was es wollte. Ich holte erneur Luft und mit dem nächsten Schrei presste ich wieder. Es schmerzte höllisch. Nachdem ich das Ganze viermal wiederholt hatte, hatte mich alle Kraft verlassen. In Gottes Namen, konnte es nicht endlich kommen? "Ich kann nicht mehr", weinte ich. Thabo beugte sich zwischen meine Beine und als er hochkam, sah er aus wie ein Sehkranker. Mit geschlossenen Augen versuchte er die Übelkeit zu bekämpfen, aber ich schrie ihn an. "Hilf mir!" Er kam zu mir gekrochen und streichelte mein Gesicht. Er hatte wieder angefangen zu weinen. Da war Hitze, da war Schweiß, da waren Tränen und da war Blut. "Du bist stark", flüsterte er mir zu. Seine rechte Hand wanderte zu meinem Bauch. "Du bist stärker als ich." Seine Linke folgte. Mit einem weiteren Schrei presste ich erneut. "Ich liebe dich!" Er legte nun auf seine Ellbogen auf meinen Bauch. "Weißt du, der Schamane aus meinem Dorf hat immer gesagt, Liebe bedeutet Opfern." Sein kompletter Oberkörper schwebte über meiner Bauchdecke. "Erst habe ich ihn nicht verstanden, aber jetzt tue ich das. Ich würde mich jederzeit für dich opfern, ich würde alle deine Qualen auf mich nehmen, wenn ich nur könnte." Irgendwo da unten riss etwas mit einem entsetzlichen Gefühl. Stechend. Plötzlich. Heftig. Keuchend schnappte ich nach Luft. Und ehe ich mich's versah, hatte Thabo seinen Oberkörper mit aller Kraft auf meinen Bauch geworfen. Ja, es schmerzte, es schmerzte sehr, aber es half. Ich schrie und rang nach Luft, während er sich in regelmäßigen Abständen auf mich warf. Gemeinsam pressten wir. Ich weiß nicht mehr, wie lange, aber irgendwann spürte ich nur noch, wie etwas aus mir herausflutschte, ein leises Schreien von sich gab, denn im nächsten Moment war ich weg.
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Hi, Leute! ♥ Ich hoffe, ich habe eure Erwartungen in etwa getroffen hihi :D ♥ Ihr solltet wissen, dass mich das Kapitel extrem viel Aufwand und Zeit gekostet hat und da Evolution *Trommelwirbel* mittlerweile über 20.000 Leser hat, erwarte ich 8 Kommentare für das nächste Kapitel! ^^ :D Kommt Leute, das schafft ihr doch locker, oder? ♥
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