Eines Morgens...
Eines Morgens ritten Thabo und ich zum Regenwald, erstens, damit er ihn kennenlernte und zweitens, weil wir uns seit Wochen von Fleisch und Getreide ernährten, da der Vorrat an Früchten aufgebraucht war. Auf Rofus' breitem Rücken wurde es zu zweit zwar ein wenig eng, jedoch machte es doppelt so viel Spaß wie alleine. Ich lehnte mich zurück an Thabo's Brust und er legte einen Arm um mich. Ich hatte Lust, mehr über ihn zu erfahren, seine Familie und die Zeit vor dem Urknall. Aber ich hatte Angst, wie er reagieren würde. Abweisend? Verletzt? Weinend? Oh Gott, was sollte ich bloß tun, wenn er weinte? Ich hatte keine Ahnung wie man die Trauer eines Menschen beschwichtigte. Natürlich hatten Noah und Meja mal geweint, aber wie hatte ich sie getröstet? Ich hatte keinen blassen Schimmer. Generell wurde mir gerade bewusst, dass ich mich kaum noch an meine kleinen Geschwister erinnerte. Ich schluckte. "Erzähl mir was!", platzte ich heraus, da ich in dem Schweigen noch zerbrechen würde. Ich legte den Kopf in den Nacken, um in Thabo's von Sonnenstrahlen gebrochene Gesicht zu erkennen. Er schmunzelte. "Von was denn?" "Na, von deiner Familie und... wie du den Urknall erlebt und überstanden hast." Da. Jetzt war es raus. Ich hielt die Luft an und wartete auf Tränen, die mich überströmten, aber Thabo holte tief Luft und begann:"Tja, also tja, tja. Über mein Leben... Okay, wo fange ich an? Ah, genau! Ich hatte ja bereits erzählt, dass ich im Kongo lebte. Dort gehörte ich zu einem Indianerstamm. Wir waren nicht viele, aber wir führten ein befreites Leben mitten im Urwald. Die Jäger sind mit dem Floß durch die stehenden Gewässer gefahren und haben von dort aus gejagt. Es war faszinierend, wie sie ihre Giftpfeile durch die Gegend warfen und dort Tiere entdeckten, wo niemand sie erwartet hätte. Sie hatten angeborene Erfahrung. Wir Jungs sind ihnen immer heimlich gefolgt und haben uns auf die Lauer gelegt, um ihnen zuzuschauen und zu lernen. Aber auch wir hatten unsere Aufgaben, deswegen konnten wir ihnen nicht ewig folgen. Zum Beispiel bin ich mit meinen älteren Schwestern- Ragna und Randi hießen die- oft Fischen gegangen, oder habe Mutter beim Wurzelgraben und Beerensammeln geholfen."
"Deswegen kennst du dich damit aus.",sagte ich, weil ich es liebte, logische Schlussfolgerungen zu ziehen. Thabo's Augen schienen glasig und er starrte auf die Sonne, die sich am Horizont als feuerroter Ball zeigte.
Es kam mir vor, als säße nur die Hülle seines Körpers hinter mir; im Geiste war er mitten im Geschehen, das er gerade beschrieb. Er schüttelte den Kopf, kurz, hektisch, als schöbe er aufkommende Gedanken beiseite, dann fuhr er fort. "Genau, daher hab ich das mit den Pflanzen. Wie dem auch sei, kurz vor dem Urknall war meine Mutter hochschwanger. Der Scharmane unseres Stammes, ein alter, weiser Mann, deutete, dass es Drillinge oder Vierlinge werden würden. Man spürte, dass sie bald niederkommen würde, denn sie war sehr schwach und lag nur noch im Tippie. Am Morgen des Urknalls zogen die Jäger wie jeher auf ihren Flößen los. Unter ihnen mein Vater." "Du musstest dich für immer verabschieden, auch wenn du es nicht wusstest." Upps! Die Worte waren einfach über meine Lippen gerutscht, ohne, dass ich vorher drüber nachgedacht hatte. Thabo verzog das Gesicht zu einer schmerzlichen Grimasse. "Stimmt. Ausgerechnet an dem Morgen, hatten Vater und ich Streit. Als er und die anderen Jäger gingen, hatten wir uns nicht versöhnt. Hätte ich gewusst, dass es das letzte Mal war, dass wir uns sahen, hätte ich ihm noch für diese wunderschöne Kindheit gedankt. Aber so war es vom Schicksal nicht gewollt. Nun ja, jedenfalls bekam Mutter an diesem Morgen die Wehen, die sie fast in die Ohnmacht plagten. Es mussten schreckliche Schmerzen gewesen seien. Der halbe Stamm saß um ihr Bett versammelt, bangte um ihr Überleben- sie war eigentlich zu alt für eine Schwangerschaft- oder versuchte, ihr irgendwelche Mittel zu geben, die die Schmerzen linderten. Es war furchbar für mich. Als die ersten Blitze einschlugen-wir dachten, es sei ein Gewitter-,begann der Scharmane zu zucken und herumzurennen wie ein Irrer. Alle dachten, er hätte einen Schlaganfall oder sowas. Da tat sich urplötzlich ein riesiger Riss im Boden auf und verschluckte ihn. Viele Leute fielen in diese Schluchten. Der Rest floh durch den Wald. Irgendwann begann alles zu brennen. Mutter hatte bereits das Bewusstsein verloren, als ich sie küsste und dann zusammen mit Ragna und Randi ebenfalls die Beine in die Hand nahm. Es war mir unverzeihlich, meine Mutter dort verbrennen zu lassen, aber es war die einzige Lösung. Ragna wurde dann unter einem Mammutbaum begraben und Randi fiel in einen der Risse. Ich konnte mich in eine Höhle flüchten und den Rest kennst du ja." Ich nickte schluckend. Eine schwere, traurige Stimmung legte sich über uns und es tat mir fast Leid, ihn über seine Familie gefragt zu haben. Andernseits war ich froh, dass er es mir erzählt hatte.
Es würde nicht mehr lange dauern bis zum Regenwald. Da fiel auf einmal ein kleiner, warmer Tropfen auf meinen Kopf und in meinem Rücken spürte ich Thabo's Herz wummern. Er weinte. Meine Brust zog sich zusammen und ich schnappte nach Luft. Was nun. In den nächsten Minuten handelte ich wohl einfach aus Instinkt heraus. Ich schlang meine Arme um seinen stämmigen Körper und wiegte ihn leicht hin- und her, sofern es der missliche Platzmangel auf Rofus' Rücken zuließ. "Pssscht", machte ich und strich über Thabo's Wange. "Ich bin doch hier." Wie bescheuert bin ich eigentlich?! Natürlich bin ich hier! Wo sollte ich sonst sein? Aber da fiel mir ein, dass Thabo genau das gesagt hatte, als ich neulich den Albtraum hatte und beruhigte mich wieder. Es gab nicht viel zu sagen. "Die Sache mit meinem Vater, das verzeihe ich mir nie!", schluchzte er und wirkte so verletzlich wie ein kleiner Junge. "Nein. Thabo, nein, du konntest es nicht wissen.", versuchte ich ihn zu beschwichtigen, doch das schien nicht zu funktionieren. "Aber ich hätte mich bei ihm entschuldigen müssen, ich...!" Er schüttelte traurig den Kopf. Ich fieberte darüber nach, was ich tun konnte, um ihn zu beruhigen. Ich bemerkte, dass wir längst angekommen waren, aber es war egal. Zeit und Ort spielten jetzt keine Rolle. Es galt, Thabo zu trösten. Als er erneut zum Sprechen ansetzte, versiegelte ich seine Lippen mit einem Kuss. Ich schmeckte die salzige Flüssigkeit seiner Tränen und verrückterweise erwiderte er den Kuss sofort und vergrub seine Hand in meinen Haaren. Es war ungewohnt. Sehr. Doch eigentlich war es ein schönes Gefühl. Aber als der Kuss von ihm aus immer drängender, fordernder wurde, löste ich mich und wandt mich unbeholfen von Rofus hinunter. Mit einem dumpfen Aufprall landete ich auf dem Rücken.
Heeyy! :) Tut mir Leid, dass es so lange gedauert hat, aber es musste alles perfekt sein. Bitte kommentiert wieder ein bisschen mehr, damit ich auch schneller weiterschreibe! :-* :D
Eure Alitschi
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