Das Feuer lodert
Ich vermisste Thabo. Wie konnte man einem Menschen körperlich so nah sein, wenn man geistig doch so weit entfernt von ihm zu sein schien? Seit dem Tag, an dem wir uns geküsst hatten, hatte sich eigentlich nichts verändert und doch war alles anders. Da war irgendwas zwischen uns, das vorher ein dickes Tau zu sein schien, dass uns zusammenzog, aber inzwischen war es wie ein dünner Draht, der unter Strom stand. Und jedes Mal, wenn ich in Thabo's Augen sah, jedes Mal, wenn er abends seinen Arm um mich legte, jedes Mal, wenn ich ihm nahe stand, geriet ich ebenfalls unter Strom.
Es war, als ging in meinem Kopf eine Zündung los, die bis in meine Zehenspitzen zischte. Und danach, wenn es mit der Stromattacke vorbei war, war ich total durch den Wind.
Thabo jedoch ging total locker mit der ganzen Situatution um. Dabei war er doch derjenige, der liebte. Müsste nicht eigentlich er unter Strom stehen und nicht ich?
Das Leben war nie so kompliziert gewesen. Da dachte man, wenn man zu zweit gegen den Rest der Welt kämpfte, würde alles leichter fallen. Dabei wurde es in Wirklichkeit immer schwerer. Nicht mit dem Leben an sich, nein, die Gefühle spielten verrückt. Thabo liebte mich und ich hatte nicht den blassesten Schimmer, wie ich damit umgehen sollte.
Aber im Moment war er sowieso der Leiter unserer Gefühle und ich versuchte mich so zu verhalten wie er. So wie immer. Was für ein ernüchterndes Gefühl musste das für ihn sein, dass ich seine Liebe nicht erwiderte? Und deswegen nagte es noch mehr an mir, dass er so gut, so erwachsen mit der Sache umging, obwohl er ja der Leidtragende war und nicht ich, die ich mich aufführte wie ein kleines Mädchen.
"Rhona, was zum Teufel tust du? Ich weiß ja, wie sehr du an diesen Erdmännchen hängst, aber es macht mir Angst, dass du sie seit heute Mittag anstarrst!" Ich zuckte zusammen und mein Herz machte einen Satz. "Thabo, erschreck' mich nicht so!", fauchte ich und drehte mich um, nur um sein breites Grinsen zu sehen, während er den Kopf schüttelte. "Was?", fragte ich und zupfte nervös an mir herum. War was an mir? "Du bist die komischste Frau, die ich je kennengelernt habe.",kicherte er. (Jawohl, Thabo war einer dieser Männer, die ständig über Frauen kicherten!) Ich stand auf und reckte das Kinn. "Und auch die einzige, die du je lieben darfst.", stellte ich klar und ging auf das Haus zu. "Ist Abendessen schon fertig?", rief ich über die Schulter. "Deswegen bin ich gekommen.", antwortete Thabo und trabte mir hinterher.
In der Hütte machten wir uns über Büffelfleisch in Öl mit Kokosraspeln her. Danach gingen wir ins Heim. Wir mussten eine Antilope noch entlassen und das hatten wir seit heute Morgen aufgeschoben. Jetzt, solange der Sonnenuntergang die Savanne noch in warmes Licht tauchte, bevor er verschwand und die Gefahren der Nacht hervorkamen, ja jetzt musste das schleunigst erledigt werden.
Also holte ich den vorbereiteten Giftpfeil hervor und legte ihn in die Sehne des Bogens. Die Antilope schlief und so war es ein Leichtes, ihr den Pfeil ins Schenkelfleisch zu schießen. Das Tier riss die Augen auf und wälzte sich panisch auf dem Boden, dann jedoch nahm die Wirkung des Gifts seinen Lauf und die Antilope wurde immer ruhiger, bis sie das Bewusstsein verlor. Dann holten wir Rofus und luden die Antilope auf ihren Rücken.
Anschließend machten wir uns auf den Weg. Abgesehen von den paar Fragen, die Thabo mir stellte, um die Stimmung aufzulockern, waren wir sehr still. Wenn ich in wichtiger Aktion war, gab es in mir keinen Platz für zeitaufwändige Gespräche. Das schien Thabo schon bemerkt zu haben und deshalb gab er es nach einer Weile auf.
Und so marschierten wir weiter, eine knappe Halbestunde, bis ich verkündete, dass es eine gute Stelle sei, die Antilope abzulegen. "Und warum hier?", fragte Thabo interessiert, da er es anscheinend wichtig fand, immer etwas Fachkunde dazuzulernen. Ich hievte die Antilope von Rofus's Rücken und stemmte dann die Hände in die Hüften. Der Schweiß rann von meiner Stirn. Auch wenn der Abend nahte, war die Luft schrecklich heiß und die Abendsonne brannte noch sengender, noch gnadenloser auf uns herab als üblich. Schon vor Wochen hätte es regnen müssen, und wenn es nicht bald geschah, dann würde es eng werden. Thabo und ich hatten zwar den Fluss, aber wir brauchten Pflanzen und Kräuter, welche nur dann sprießen, wenn es regnete. "Hier sind ein paar Büschel Gras und dort drüben ist ein Baum. Wenn sie aufwacht, wird sie Nahrung vorfinden und da diese hier vorhanden sind und auch andere Pflanzenfresser von Hunger und Durst hergetrieben werden, wird sie bald Anschluss finden.", sagte ich und bemerkte, dass ich dabei etwas altklug und herablassend klang. Verdammt, ich wollte doch nicht in alte Muster verfallen! Schuldbewusst kaute ich auf meiner Lippe herum, aber Thabo schien sich nicht ungerecht behandelt zu fühlen. Vielleicht war er es mittlerweile gewohnt. Er kniete sich hin und fuhr mit den Fingern durch das Gras. "Könnte saftiger sein. Regen ist bitter nötig.", stellte er fest, dann konzentrierte er sich auf die Antilope. "Und wann wacht sie wieder auf?" Ich verdrehte die Augen. Fachkunde hin oder her, konnte er es nicht einfach hinnehmen und mit nach Hause kommen?! Die Dämmerung trat ein und es würde nicht mehr lange dauern, bis wir den ersten Löwen in die Klauen liefen. Nicht, dass sie an Menschen interessiert waren, nein, jedoch musste man in der trockensten Trockenzeit immer vorsichtig sein; der Durst benebelte den Verstand der Löwen, oder zumindest das, was ich als Verstand bezeichnete. "Rhona?" "Ja, mein Gott, in zwanzig Minuten ungefähr!", rief ich ein wenig zu aufgebracht. Thabo hob die Arme. "Ich hab ja nur gefragt.", meinte er. Ich nickte und sah mich um. Irgendwie fühlte ich mich unwohl. "Thabo lass uns gehen.", bat ich, doch er ging nicht darauf ein, sondern legte sich auf den Boden. Die Hitze schien ihm nicht zu bekommen; er drehte ja völlig durch! Ich biss mir auf die Wange. Sofort hatte ich Blutgeschmack im Mund. "Thabo, was zum Teufel wird das?" Ich lachte unruhig. Er lächelte mich an und zeigte auf die Stelle neben sich. "Komm, leg dich auch hin. Der Himmel sieht einfach atemberaubend aus. Wir können doch jetzt nicht heimgehen und uns in die Hütte sperren, wo wir doch frei hier draußen liegen können." Ich zögerte, dann seufzte ich und legte mich neben ihn. Was konnte es schaden? Wir hatten allerlei Waffen dabei und konnten uns im Notfall wehren. Ich beobachtete den Himmel. Er sah wirklich wunderschön aus. Im Osten wurde er von lila Streifen geziert, der Rest war rot-blau; die Nacht würde nicht mehr lange auf sich warten. Insgeheim musste ich Thabo rechtgeben: Hier draußen zu liegen war wirklich etwas besonderes, im Gegensatz zum Haus, wo wir nur durch das Dachloch den Himmel betrachten konnten. Aber wie dem auch sei, die Hütte bot Schutz und hier draußen würde ich auf keinen Fall die Nacht verbringen. Das war eine super Einladung zum Tod und das war fatal. Ich sah zu Thabo, der die Augen geschlossen hatte und auf dem besten Wege war, ins Land der Träume zu entgleiten. "Thabo?", flüsterte ich. Keine Antwort. Seufzend legte ich mich wieder hin. Unwillkürlich musste ich an meine Reise denken und an jenen Tag, an welchem ich fast verdurstet wäre. Als meine Zunge sich angefühlt hatte wie Sandpapier. Als mein Verstand so benebelt gewesen war, dass ich mich schutzlos ins Gras gelegt hatte, um auf den Tod zu warten. Als jede Bewegung einen sengenden Schmerz durch meine Glieder geschossen hatte. Auch jetzt war ich schrecklich durstig. Es war immer noch sehr heiß. Komisch, eigentlich müsste es jetzt abkühlen, aber es war heißer als tagsüber. Ich wusste, dass wir nach Hause mussten, aber die Hitze, der Durst und die Anstrengung hatten mein Hirn benebelt und ich befand mich in einer Art Halbschlaf. Ich nahm den Geruch von versengtem Gras wahr. Ich liebte diesen Geruch. Ein Knistern. Wie am Lagerfeuer, dachte ich. Lagerfeuer. Lagerfeuer! Ich riss die Augen auf und drehte mich um. Und dann sah ich die Feuerwand, die auf uns zugerollt kam.
***********
Muhaha xD ich hör jetzt extra hier auf, damit ihr weiterlesen wollt. Aber fies wie ich bin, schreibe ich das neue Kapitel erst, wenn ich 3 Kommentare bekommen habe. Also, möge das Glück stets mit euch sein! :D Auf die Plätze, fertig, los!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top