alleinige Jagd
Ich ritt ungefähr zwanzig Minuten, bis wieder eine Herde Gnus an mir vorbeipreschte. Ich sah den Tierzug als Chance, änderte die Richtung und hängte mich ihnen an die Fersen. Ehe sie sich's versahen, hatte ich zwei von ihnen erlegt. Erst danach wurde mir klar, dass ich sie liegen lassen musste, weil ich sie nicht nach Hause bekam. Es sei denn, ich brachte sie jetzt schon heim... ja, das musste funktionieren. Es kostete mich zwar Zeit, aber ein Gnu besaß vielerlei Vorteile: zum einen war das Fleisch köstlich, das Fell war dicht, das Leder hielt einiges aus und war dick und gut zu verarbeiten. Die Sehnen konnte ich gut und gern für Bogen benutzen und auch die dicken, stabilen Knochen waren nicht ohne Zweck. Kurzerhand knüpfte ich die beiden mit dicken Tauen an Rofus' Sattelgestell, dann zogen wir los, wobei ich nicht ritt, sondern lief. Zwei Gnus waren genug für mein Zebra; ich wollte sie nicht überanstrengen.
Zuhause angekommen befreite ich die Beute eilig vom Fell und ließ sie dann am Fluss ausbluten. Rofus bekam ein paar Wurzeln zur Belohnung, ehe wir losritten. Ich selbst kaute ein paar Weizenkörner. Zwei Gnus... Fleisch für vier Wochen, das war nicht ohne. Aber um für die komplette Trockenzeit vorzusorgen, musste ich schon ein Dutzend mehr erlegen. Umso besser war daher, dass Thabo Wurzeln sammelte, die wichtige Kohlenhydrate enthielten. Bei dem Gedanken an ihn musste ich unwillkürlich loslächeln. Wie es ihm wohl erging? Bestimmt war er schnell fündig geworden, er hatte so ein feines, wachsames Gespür. Ich hoffte jedenfalls inständig, dass es ihm und Rooba gut ging. Ich konnte mir nicht vorstellen, ohne die beiden zu leben, drum ließ ich es gleich sein. Besser ist es, so sagte ich mir, wenn ich mich auf die Jagd konzentriere. Ich erschoss einen fliegenden Kranich, auch drei Echsen konnte ich rasch zu meinem Eigen zählen. Ihr Fleisch schmeckte widerlich, war aber immerhin besser als nichts. Und je länger ich jagte, desto mehr wurde mir bewusst, wie sehr ich es in den letzten Tagen vermisst hatte.
Gegen Nachmittag legte ich eine halbstündige Pause ein, in der ich Hunger und Durst stillte und Rofus Verschnaufung gönnte. Die Sonne senkte sich schon dem Horizont entgegen; die Savanne war eingetunkt in rotes Licht. Lange würde ich nicht mehr jagen können. Trotzdem bewahrte ich Ruhe, als ich den Heimweg anpeilte. Unterwegs schoss ich tatsächlich noch einen Ameisenbär; mehr passte nicht in meine Taschen. Zuhause nahm ich die Tiere aus, das Fleisch der Büffel briet ich über dem Feuer, bevor ich es verpackte. So konnten wir es kalt essen und es hielt sich auch länger. Doch als es nichts mehr zu tun gab, befiel mich die Unruhe. Wo blieb Thabo? Es würde ihm schon gut gehen, daran klammerte ich mich. Und als die Sonne komplett verschwunden war, tauchte er tatsächlich hinter den Hügeln unseres Getreidefeldes auf. Schon von hier aus konnte ich die prall gefüllten Taschen sehen. Als ich erleichtert die Arme schwenkte - als Grußzeichen - winkte er fröhlich und ausgelassen zurück. Ich brauchte mir keine Sorgen mehr zu machen, alles war gut. Überschwänglich juchzend rannte ich Thabo entgegen und haute ihn bei der wilden Umarmung fast um. "Pass auf", lachte er, auch wenn er sich freute, "hinten drauf ist noch ein Karamellbonbon, das dich sehnlichst erwartet." "Nicht so sehr wie ich sie", gab ich zwinkernd zurück, während ich Rooba aus der Lederhaltung an seinem Rücken nahm. "Bwww", machte sie zufrieden und ich war mir sicher, in ihrer eigenen, kleinen Babysprache hieß das so viel wie: Hallo Mamai. Schön dich zu sehen. "Morgen nehme ich sie mit", beschloss ich. "Sei nicht albern", sagte Thabo und legte seinen Arm um meine Taille. "Doch." Ich nickte vehement. "Ich kann sie nicht gehen lassen. Ich muss sie bei mir haben, um zu wissen, dass es ihr gut geht." Thabo blieb stehen und sah mich wütend an. "Du glaubst also nicht, dass ich auf unsere Tochter ebenso aufpassen kann wie du?", brauste er. Ich verdrehte die Augen. "Thabo, mein Liebling, natürlich glaube ich das. Aber ich bin umgekommen vor Sorge! Den ganzen Tag musste ich daran denken, ob es euch was passiert." Seine Miene blieb hart, als er antwortete. "Rhona, seh ich aus wie jemand, der sich umhauen lässt wie ein Stöckchen im Wind? Ich hab den hier!" Er deutete auf den Speer in seiner Hand. "Und die hier." Er deutete auf seine Bauchmuskeln, seine breiten Oberarme. "Ich kann mich auch verteidigen, weißt du!", rief er dann aufgebracht. "Du bist nicht die einzige, die sich zu wehren weiß!" Während er sprach, waren mir die Tränen in die Augen geschossen, ich konnte nichts dagegen tun. "Das weiß ich doch!", sagte ich. "Das weiß ich, aber ich mache mir trotzdem Sorgen! Und weißt du warum? Weil ich eine Mutter bin. Eine Frau, die liebt und die Angst hat, alles zu verlieren, was ihr wichtig ist." Die letzten Worte waren brüchiger und erstickter rübergekommen als geplant. Jetzt liefen mir die Tränen erst recht die Wangen hinunter. Thabo wirkte ernsthaft betroffen, rührte sich jedoch nicht. Anscheinend dachte er, ich würde weiterreden. Konnte er haben. "Thabo, weißt du noch, als das Feuer ausgebrochen ist? Weißt du noch, als die Schlange dir ins Bein gebissen hat? Du wärst beide Male gestorben, wäre ich nicht dabei gewesen. Und stell dir vor, sowas wäre heute passiert. Ich weiß, es verletzt deinen Stolz, aber dich in Lebensgefahr zu begeben, ist offensichtlich eine deiner Spezialitäten. Ich hatte einfach Angst, dich nie wiederzusehen, Angst, dass für immer bereuen könnte, dich gehen gelassen zu haben. Angst, dass ich nicht da wäre, wenn du mich brauchst. Mich nicht für dich opfern zu können, wie es sich gehört." Ich schniefte. Wie peinlich, dass ich direkt losheulte. Wann war ich so sensibel geworden? Wahrscheinlich, als ich begonnen hatte, Thabo an mich ranzulassen. Vorher hatte ich menschliche Gefühle schließlich schlichtweg ignoriert und verdrängt. "Du würdest dich für mich opfern?" "Das ist alles, was du zu sagen hast?", fragte ich empört. Wenn auch gespielt empört. Insgeheim war ich erleichtert, dass er nicht mehr wütend war. "Du würdest dich für mich opfern?", sagte er wieder. "Natürlich", murmelte ich, dann stellte ich mich auf die Zehenspitzen, um ihn küssen zu können.
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Hey ♥ Also, ich wollte nur mal kurz gesagt haben, dass nicht in jedem Kapitel einer sterben kann, oder verletzt werden, oder die Savanne brennen kann. Wie in jedem Buch muss auch hier mal Alltag einkehren - und eigentlich ist es verrückt genug, dass die beiden sich absichern müssen, um die Trockenzeit zu überstehen. Joa, also wenn es langweiliger sein sollte als sonst, dann denkt bitte daran, dass ich auch nur ein Mensch bin, der sich all die waghalsigen Abenteuer ausdenken muss. ♥♥ Kommis? ^^ :D
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